Freitag, 29. Mai 2020

Pfingstverlobung im Jahre 1932


Alljährlich zu Pfingsten hat Amor viel zu tun. Es regnet Verlobungen, Ringe 
werden gewechselt und die glücklichen Bräute freuen sich auf den Augenblick, an dem sie auch den Namen wechseln. Auch bei meinem Freund Fritzl hat's dieses mal geschnappt; seit drei Jahren ist er mit seiner Fanni heimlich verlobt und da wurde es Zeit, dass er's endlich offiziell macht.
„Weißt du, wie ich mir vorkomme?" sagte er zu mir, „wie ein Schaufenstergegenstand, an dem das Schildchen hängt: „Verkauft!" So ein Heuchler! In Wahrheit ist er der glückseligste Bräutigam, eine Busselei ist das zwischen den beiden, als ob sie beständig die Schlussszene in einem Filmlustspiel spielten und wenn sie abends vor der Haustüre Abschied nehmen, dauert das so lange, dass ich als unbeteiligter Dritter jedes mal sage: „Ein Dienstmann kriegt zwei Mark die Stunde!" Sie tauschen die irrsinnigsten Kosenamen: „Mein Schnuckiputzi", „mein Schatzifratzi", „mein Affenpudelchen", „mein Mausikänguruhchen", kurz, der Fritzl nutzt die Zeit, in der er noch zu Wort kommt, zur möglichsten Bereicherung des deutschen Wortschatzes aus. Für die beiden ist das ein Hochgenuss, für mich ist es zum Glatze kriegen.

Das ewige Anhimmeln war nicht mehr auszuhalten und deshalb nahm ich mir den Fritzl vor und sagte: „Über deinem Haupt schwebt nicht nur ein Damoklesschwert, sondern ein ganzes Zeughaus! Genau so wie du hat sich auch der Sokrates in seiner Verlobungszeit benommen und was war die Folge? Seine Xanthippe kam ins Konversationslexikon! Wer immer „ja" sagt, muss einst „weh" sagen! Widersprich ihr einmal, stelle dich einmal auf deine Hinterhalbschuhe, sei ein Mann — und du wirst dein Wunder erleben!"
„Wie wenig du meinen Engel kennst!" lächelte er. „Nie werden wir uns streiten, sie ist ja die süßeste, beste, nachgiebigste, himmlischste, einzigste, sanfteste, unvergleichlichste. "ich wartete den Schluss seiner Adjektivsammlung nicht ab, denn wenn die Liebe ihn blind macht, braucht sie doch mich nicht taub zu machen. Ich machte seiner Braut den Verlobungsbesuch, nahm sie beiseite und sprach: „Liebes Fräulein Fanni, ich kann Sie gar nicht genug bewundern! Ich erkenne den Fritzl nicht wieder: sonst ist er immer ein solcher Trotzkopf, so rechthaberisch, der geringste Widerspruch macht ihn wild, der Jähzorn macht ihn zu allem fähig. Er — „Mein Fritzl?" lächelte die Fanni. „Oh, nie werden wir uns streiten, er ist ja der süßeste, beste, nachgiebigste, himmlischste, einzigste, sanfteste —."
„Ich würde es doch einmal auf den Versuch ankommen lassen! Vor der Ehe muss sich die Frau die Gleichberechtigung sichern, nachher ist's zu spät! Widersprechen Sie ihm einmal, beharren Sie einmal auf Ihrer eigenen Meinung, sonst werden Sie statt seiner Kameradin seine Sklavin!" 
Gestern abends war ich bei ihnen im engsten Familienkreise eingeladen. Die zwei busselten wieder, als gälte es den Weltrekord zu brechen, mit ihren Kosenamen richteten sie wieder das schrecklichste Durcheinander in der Zoologie an: „Mein Papageikälbchen", „mein Eichhornkikerikichen", und Fannis Mama stieß den Papa sacht an: „Ganz wie damals!", worauf er erwiderte: „Lass' 'ma mei Ruah!"
„Sieh nur den Mond, Fritzl," flötete die Fanni „genau so hat er schon zu Romeos und Julias Zeiten geleuchtet!" Ich gab dem Fritzl einen Rippenstoß und soufflierte: „Aber, lieber Schatz, das ist doch nicht der Mond, das ist die Sonne!" „Aber, lieber Schatz, das ist doch nicht der Mond, das ist die Sonne!" echote der Fritzl und ich rieb mir die Hände. Erstaunt ließ Fanni seinen Arm los und sagte:„Du scherzest, Liebling, der Mond ist es! „Entschuldige vielmals," soufflierte ich, „aber ich bin ja nicht blind, die Sonne geht nach der Bahnzeit um 20 Uhr 53 Minuten unter, das weiß jedes Kind. „Also widersprich mir bitte nicht in einer so wichtigen Angelegenheit!" da wurde die Fanni ganz blass und ich flüsterte ihr zu: „Wenn Sie jetzt nachgeben, sind sie zeitlebens rechtlos!" Und daher sagte sie nun mit einer ganz merkwürdigen Betonung: „Ich finde diese Späße etwas albern, mein Lieber! Es ist der Mond, und wenn du dich hundertmal auf den Kopf stellst, bleibt es trotzdem der Mond! Wenn du deinen trotzköpfigen Tag hast, dann gehe nach Hause, aber lasse deine Launen nicht an mir aus!" „Ich gehe," soufflierte ich dem Fritzl, „aber vorher möchte ich erst aus deinem Munde hören, dass es die Sonne ist! Wenn es die Sonne ist, dann ist es die Sonne, basta! Oder siehst du vielleicht das Mondkalb?“ „Jawohl, ich sehe es!" erregte sich die Fanni. „Es steht vor mir!" Und plötzlich brach sie in Tränen aus, flüchtete in die Arme der Mama und schluchzte: „Er liebt mich nicht mehr!" Ich war baff. Und ich dachte: wenn er jetzt stark bleibt, hat er gewonnen.
Aber was tat er? Er stürzte zu ihr, streichelte ihr das Haar und wimmerte: „Weine doch nicht, mein Elefantenspatzi, mein Miauchen, natürlich ist es der Mond, der Vollmond, der Halbmond, der Viertelmond, der Wonnemond, —" Fannerl richtete sich auf, trocknete die Tränen und befahl: „Sage, es ist der Huckimuckimond!" Und der Fritzl — „ja, gibt´s denn so was?" — wiederholte er demütig: „Es ist der Huckimuckimond, jetzt sehe ich es ganz deutlich. „Nein," sagte die Fanni, „ich habe mich getäuscht, es ist eine Bogenlampe!" „Richtig, mein Schatz, eine Bogenlampe ist es! Dass ist das nicht gleich sah!" (Und so was trägt Hosen!) „Das heißt, für eine Bogenlampe ist es eigentlich zu groß, es ist ein Glühwürmchen!" diktierte die Fanni. „Nein, was du für scharfe, süße, blaue Äuglein hast, ein Glühwürmchen ist's!" Und dann lagen sie sich in den Armen, busselten, dass die Teetassen schepperten, verkorksten wieder die ganze Zoologie und diesmal stieß der Papa die Mama an: „Ganz wie damals!" Worauf Mama mit einem niederschmetternden Blick ergänzte: „Und wie heute noch!"

Liebe Pfingstbräute, lächelt nicht so verschmitzt, und ihr, o Bräutigame, ihr künftigen Herrn im Hause, bläht euch nicht so selbstbewusst: „Hoho, da sind wir anders!" Mir könnt ihr nichts weiß machen, denn auch ich war einmal verlobt!    

                                                                                               Karl Ettlinger 
                                                                       
  
                                      

Freitag, 22. Mai 2020

Als Touristen die Berge entdeckten.

Bergsteigen vor rund 150 Jahren war schon alleine wegen der alpinen Ausrüstung und der markierten Steige, die es heute gibt, nicht mit damals zu vergleichen. Man hatte Schuhe mit Ledersohlen und Eisennägeln. So trittsicher wie heute, mit zeitgemäßen Bergschuhen und Ausrüstung konnte man die Berge nicht besteigen. Es war deshalb vernünftig, sich einem erfahrenen Bergführer anzuvertrauen, der wusste wie man von einer Hütte zur anderen gelangte.
  
Bereits gegen Ende 1800 gab es ausgebildete und geprüfte Bergführer mit Führerbuch und Standesabzeichen in Hinterstoder. Der erste geprüfte Bergführer im Stodertal war Georg Auer (geb. 1860, gest. 1919).

Es gab aber damals Einheimische die sich durch Führungen etwas dazu verdienen wollten und die durch Unkenntnis ihre Schützlinge manchmal falsch einschätzten. Bergtouren mit solchen Führern nahmen gelegentlich ein böses Ende wie das "Grazer Volksblatt" am 7. April 1877 berichtete.

Zum besseren Verstehen wurde der Artikel etwas gekürzt und in die heutige  Schreibweise übertragen.



Aus der nord-westlichen Steiermark. Wink für Touristen.
Am 10. September vorigen Jahres (1876) brachen zwei Wiener Touristen, die Herren Kaindl und Fritsch, von Aussee auf, um über das „Todtengebirge" nach Hinterstoder bei Windischgarsten in Oberösterreich zu gehen.
Beim „Brandwirth" am Grundlsee requirierten sie einen Führer. Der Führer geleitete die Herren über das ganze Gebirge und jenseits desselben auch noch den als übel bekannten „Salzsteig" hinab, dann sagte er, dass es so der Brauch sei und er es fast immer so hielte, falls er Touristen hier herübergeführt, dass er an dieser Stelle umzukehren pflege, weil man sich von hier nach Hinterstoder nicht mehr vergehen könne.
Die Herren zahlten nun dem Führer den begehrten Lohn per 7 fl. (Gulden), gaben ihm einen großen Theil ihres Proviantes und entließen ihn, nachdem sie von halbdrei Uhr Nachmittags am 10., bis gegen Mittag am 11. September unter seiner Obhut gewesen waren und durch seine Vermittlung über Nacht in einer Almhütte sehr freundliche und gute Aufnahme gefunden hatten. Die beiden Touristen waren aber nach Entlastung des Führers schnell so unglücklich, dass sie sich verirrten, in Folge dessen Fritsch über eine Felswand hinabstürzte, deren Höhe nach Messung von Forstbeamten 35 Klafter (rund 60m) beträgt. Der Abgestürzte blieb zwar am Leben, war aber über und über mit schweren Wunden bedeckt, konnte nur höchst umständlich nach dem noch drei Stunden entfernten Hinterstoder gebracht werden und musste dort wochenlang in Vogels Gasthaus (Schmalzerhof) auf die Erlangung jenes Gesundheitszustandes warten, der es ihm erlaubte, nach Wien heimzureisen.
Da Herr Karl Fritsch Mitglied des „Oesterreichischen Touristen-Klub" ist, so reichte der genannte Touristen-Klub gegen den Bergführer, den er „Stefan Hopser, vulgo Krirg beim Grundlsee" nannte, bei der Bezirkshauptmannschaft Gröbming eine Klageschrift ein mit der Bitte: „Die löbliche k. k. Bezirkshauptmannschaft geruhe über obigen Vorfall sofort die nöthige Amtshandlung einzuleiten und nach konstatierter Schuld des Führers Hopser (Krirg) gegen denselben die verdiente Strafe zu verhängen". Auf dieses berichtete unterm 22. März d.J, Zahl 2999, der Herr Bezirkshauptmann von Gröbming an den „Oesterreichischen Touristen Klub" in Wien, dass laut Erhebungen durch das k. k. Bezirksgericht in Aussee es nicht der Bergführer Stefan Hopser war, welcher die Touristen K. Fritsch und I. Kaindl aus Wien auf ihrer Wanderung vom Grundlsee nach Hinterstoder über das Todtengebirge geleitete, sondern dessen Bruder, Anton Hopser, ebenfalls "Gastwirth", welcher nicht als Bergführer bestellt ist. Stefan Hopser war damals außer Hause.

Es entfiel daher auch eine eventuelle Amtshandlung im Sinne der „Bergführer-Ordnung". Anton Hopser wurde bezirksgerichtlich von der Anklage wegen Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens nach & 335 St.-G. frei ­ gesprochen.
Zum Schlusse schreibt der Herr Bezirkshauptmann: „Zur Vermeidung derartiger Reklamationen dürfte es angezeigt sein, dass die Touristen, welche in der That Führer beanspruchen, stets auch von der Eigenschaft derselben als Bergführer sich Überzeugung verschaffen." Bekanntlich haben die befugten Bergführer ein amtliches Bestellungs-Dekret in ihren Händen, womit sie ihre Brauchbarkeit dokumentieren können.


Georg Auer, der 1.geprüfte Bergführer von Hinterstoder mit
Bergführerabzeichen 

Freitag, 15. Mai 2020

Eine Floßfahrt vor rund 100 Jahren

Prof. Gregor Goldbacher aus Steyr (geb.1875, gest.1950), der auch oft in Hinterstoder war, erforschte Geschichte und Heimatkunde in der Stadt Steyr und entlang der Nebenflüsse Enns, Krems und der Steyr.
In einem Zeitungsartikel in der Oberdonau-Zeitung vom 22. August 1943 berichtete er über das Flößerhandwerk und von einem Holztransport auf Enns und Salza. Der Artikel wurde etwas gekürzt und an unsere Zeit angepasst.

Es ist ein schönes Bild, wenn ein „fünfspanniges“ Floß, gelenkt von stämmigen Flößern, seine kostbare Holzlast ruhig und doch majestätisch auf dem grünen Wasser der Enns zu Tal fährt. Die Flößerei selbst aber war immer und ist heute noch ein beschwerliches, aber sowohl volkskundlich als volkswirtschaftlich bedeutsames Handwerk.
Wenn im Winter unsere Flüsse niedrigen Wasserstand haben, so finden wir die Flößer durchaus nicht untätig, sondern in den verschneiten Bergwäldern als tüchtige Holzknechte beschäftigt. In den langen „Holzriesen“ (rutschbahnartige Rinne) sausen die mächtigen Stämme zu Tal, womöglich nahe an das Flußufer, wo sie bei Frühlingsbeginn auf den sogenannten „Gstötten“, flachen, sandigen Uferstellen, zu Flößen gebunden werden, vor allem gegenüber Weißenbach und beim berühmten „Kasten“ in Kastenreith.
Unvergesslich jedoch wird jedem Teilnehmer eine Floßfahrt auf der steirischen Salza bleiben, die unweit Mariazell entspringt und als Wildwasser mit starkem Gefälle das romantische Tal durchrast, um sich dann bei Großreifling mit der Enns zu vereinigen.
Die Salzaflöße sind wegen der Enge des Flußtales nur „dreispännig“, das heißt, drei Männern, dem „Fahrer“, vorne in der Mitte, dem „Störer" hinten rechts, der die Steuerung des Floßes inne hat, und dem „Stutzenknecht“, ist die wertvolle Ladung anvertraut. Die Flößer verbinden das „Jochholz“ nur durch große Holzpflöcke mit den „Blochen“ und die langen Ruder sind mit „Wied“, zähen Fichtenästen befestigt, denn das ganze Fahrzeug muss sozusagen elastisch sein und dem Stoß und Druck der vielen Felskugeln im Flußbett nachgeben können. Die wilde Fahrt beginnt unweit Weichselboden bei der Breszeni-Klause, welche die Salza staut und bei Beginn der Fahrt „geschlagen"(geöffnet) wird, um mit dem entstehenden Wasserschwall dem Floß den nötigen Antrieb zu verleihen.

Es ist frühmorgens, die drei Männer ziehen die verwitterten Filzhüte über, ein kurzes stummes Morgengebet und nun beginnt eine stundenlange tolle Fahrt auf dem schäumenden Wildwasser, welche an die drei Männer ein Höchstmaß an Kaltblütigkeit und Geschicklichkeit stellt, aber auch den Fahrgast oft vor die Frage stellt: „An welchem Felsblock werden wir zerschellen“? Bei dem seichten reißenden Wasser, dessen Ufer gar oft steile Konglomeratfelsen bilden und dessen Flußbett von „Steinkugeln“ aller Größen wimmelt, ist an ein Schwimmen gar nicht zu denken. Anfangs waren wir entsetzt, wenn das Gefährt scheinbar direkt an den Uferfelsen prallte, aber schließlich drehte es sich knirschend doch wieder in die Stromlinie. Am Floß war ein Stamm etwas gehoben als unser Sitzplatz und wenn kritische Stellen nahten, rief uns der Fahrer zu: „Habts enk an!“, was wir getreulich befolgten. Das liebliche Wildalpental zog vorüber und in Palfau gab es Mittagsrast, welche diese wahren Künstler der Wasserfahrt wohl redlich verdienten. Aber vor der Mündung in die Enns ist noch ein besonders heikler Punkt zu überwinden, ein unter Wasser befindlicher alter Rechen, wo das ganze Floß unter wild schäumender Gischt verschwindet, uns mit Wasser überspritzt und nur langsam wie die „schaumgeborene Aphrodite“ empor taucht. An der „Gstötten" in Weißenbach erfolgt die Landung. Oberhalb Großreifling ist die Enns mit Flößen nicht mehr befahrbar, so dass Weißenbach der eigentliche Floßhafen genannt werden muss.

Heute fahren wir „fünfspannig“, das sieht so aus: ­ Die wichtigsten Plätze an den 5 Ruderstangen sind die „Fahrer", die die Verantwortung inne haben, und der „Störer"(1+2), dem die Steuerung anvertraut ist. Das Ruder nimmt der „Stutzenknecht“(3) ein, welcher das Floß bei der Landung auffangen und befestigen muss; der vierte Platz wird vom „Wildbahner“(4) eingenommen und ist meist für den Anfänger bestimmt; der Ruderplatz (5) heißt die „Lauspröß“, der einem Helfer zukommt.



Viel eindrucksvoller als es vom Waggonfester aus möglich ist, kann man auf der beschaulichen Floßreise die Schönheit des Ennstales und seiner anschließenden Bergwelt genießen. Schon gleiten wir bei der Mündung der steirischen Lausa, wo einst die vom Steyrer Ratsherrn Winkler 1541 erbauten Kesselhämmer pochten, an der Landesgrenze vorüber und lassen uns nun gerne vom Wildbahner auf all die Merkzeichen am Fluss aufmerksam machen, welche für die Fahrt von Wichtigkeit sind. Stückweise ist noch der 1571 von dem berühmten Gasteiger erbaute Schiff- oder Treppelweg erhalten, wo die Pferde im Schiffszug den Erzbergknappen die Lebensmittel zuführen mussten und auf der Eisenstraße stehen noch die großen Einkehrwirtshäuser für die Schiffsknechte und die Fuhrleute. Mit welcher Sicherheit führt uns der Störer durch die vielen Stromschnellen, von den Flößern „Furten“ genannt, vorüber an steilen Uferwänden, „Kasstellen“, so dass oft die Bloche unter uns sich heben und senken wie bei einem Erdbeben. Lachend erzählt uns der Wildbahner von der „Kripp“, wo oft infolge einer kreiselnden Strömung das Floß stundenlang herumgedreht wird, wenn der Fahrer die gefährliche Stelle übersieht. Er zeigt uns ein Felsloch, die „Siebenstundenlucken“, von wo aus noch sieben Stunden Fahrt bis Steyr sind, weist auf einen Block im Flussbett...“dem Dan’dl sein Suppenhäfen“, weil der Bauer Dandl ein sehr großer Suppenfreund war. Das Floß zwängt sich durch die „Tormäuer", poltert über die Steinkugeln der gischtspritzenden „Wagnerfurt" und im Uferfelsblock des „Bandlmannbinkls“ ist noch die tiefe Seilfurche zu sehen, die beim Schiffszug im Laufe der Jahre entstanden ist. 
Etliche Marterl an der Eisenstraße bei Kastenreith zeigen, wie gefährlich die Fahrt durch die Klippen des sogenannten „Flößerfreithofes“ (Flößerfriedhofs) ist, wo schon manches Floß zerschellt und mancher wackere Flößer Opfer seines harten Berufes geworden ist.
Bald können wir dem sagenumwobenen Schieferstein unseren Gruß emporschicken, aber schon gleitet die „Perle des Ennstales“ vorbei, unser Floß „rumpelt“ durch den „Backofen“. Der Wildbahner erzählt uns vom „Goldgräberhaus“ (Bauernhaus Goldgruber), aus dem Trattenbachtal, am Fuß des fünfzackigen Schobersteins, klingen die Hämmer und in der „Bäckerfurt“ schlingert und rollt unser Fahrzeug, als wollte es uns seekrank machen. Auch die Klippen der „Zwickelwehre“ müssen noch überwunden werden und wenn bei Dürnbach der „Ochs trinkt“, das heißt, eine Felsbildung am Ufer ins Wasser reicht, dann kann man dem „Wolf über die Höh“ fahren, nämlich über die Steinhindernisse. Nun droht den Flößern nur noch der „Waschkittel“ (nicht zu viel plaudern) und schon gleiten wir am Wunderbau Carlones in Garsten vorüber. Von hoch droben leuchtet das Ulricher Turmkreuz und der weiße Steinfinger des gotischen Steyrer Münsterturmes kündet das Ziel der schönen Wasserreise. Der „Störer“ steuert dem Ortskai zu, der „Stutzenknecht" reißt seine Ruder vom „Sturl“, springt ans Ufer und wirbelt eilends das Seil um den „Reitstecken“, macht einen „Fletzerklang" (Knoten), das Fahrzeug bäumt sich noch einmal auf, die Landung ist gelungen. Viele Flöße fahren noch ennstalabwärts bis Au unterhalb Mauthausen, einem großen Holzumschlagplatz, wo sie dann, zu zehn oder zwölf vereinigt, der Nibelungenstrom (Donau) langsam und schier feierlich zur Stadt der Lieder (Wien) oder gar in Ungarns schöne Hauptstadt weiterträgt.
G. Goldbacher.






Samstag, 9. Mai 2020

Frau Maries Muttertag

In der "Illustrierten Kronen-Zeitung" vom 19.5.1940 wurde die Muttertagsfeier der Familie Prabandl am Muttertag 1940 beschrieben. Vielleicht haben manche Mütter auch schon einmal ähnliche Erlebnisse gehabt.

Meister Anton Prabandl tat einen tiefen Zug aus dem Bierkrug, wischte sich den
Seehundschnurrbart ab, betrachtete einen Augenblick seine zwei Buben Peperl und Hansl, die mit hochroten Köpfen über einer Karl May Indianergeschichte saßen, räusperte sich abgründig und sagte irgendwie triumphierend zur Gattin Marie:

„Morgen ist Muttertag! Ich hab die früheren Jahr' nie so richtig dran' denkt, und das war eigentlich a Schand! Aber heuer werd' ich's nachholen. Heuer sollst an Prima-Muttertag haben!"
Frau Marie nickte ziemlich gleichgültig ihrem Strickstrumpf zu. „Na ja, da bin i neugierig!" sagte sie ins metallische Geklapper der Nadeln und Prabandl lächelte siegreich und murmelte:
„Ich weiß schon was . . .!"
Muttertag !!! Sechs Uhr morgens. Frau Marie will eben aus dem Bett steigen, um den Kampf mit der Hauswirtschaft zu eröffnen, da bemerkt sie voll Staunen, dass Anton schon aufrecht in den Polstern sitzt.
„Was??" stammelt sie verblüfft, „du kräulst  schon in die Höh'? (bist schon auf). Geht deine Uhr net recht oder was .. ."
Weiter kommt sie nicht. Antons Hand drückt die Frau sacht in die Kissen zurück und zugleich vernimmt sie die überraschende Botschaft:
„Liegen bleibst. Alte! Heut´ ist Muttertag!"
„Ja, schon . . stößt Marie hervor, aber ich muss doch . . ."
„Gar nix musst!" ertönt des Gatten Stimme schon etwas schärfer, „stad (ruhig) bist! Heut wirst du dich einmal gründlich ausrasten! Heut is Muttertag, heut darfst du dich nicht plagen!"
Ja, aber das Frühstück..."beginnt Marie abermals und will aus dem Bett, aber Anton zwingt die Frau mit einer einzigen halbkreisförmigen Bewegung aufs Lager zurück.  
„Liegen bleibst, hab ich gesagt!" donnert er, und während die Frau gänzlich verdattert hinsinkt, fährt Anton funkelnden Auges in seine Hose. Dann steht er hoch aufgereckt da und schmettert mit Trompetenstimme: „He, ihr Buabn! Hansl! Peperl! Außer aus'n Bett! Macht´s a Feuer im Herd! Stellts a Wasser zu! Die Mutter darf heut nix arbeiten! Muttertag ist."
Die Buben fahren mit ungeheurem Hallo aus den Federn. „Hurra! Wir dürfen wirklich einheizen und wirklich kochen!!" brüllen sie voller Lust und Unternehmungsgeist, stürmen mit wehenden Nachthemden in die Küche und fangen dortselbst machtvoll zu wirtschaften an.

Frau Maria rutscht unruhig und voll böser Ahnungen im Bett hin und her und als nach fünf Minuten das Klirren zerberstenden Geschirrs an ihr Ohr dringt, zuckt sie zusammen und jammert hell: „Vater im Himmel, hin is was! Ich bitt euch, lasst's die Kocherei stehen! Ich werde schon selbst..."
Zum dritten mal will sie aus dem Bett, und zum dritten mal wird sie von des Gatten Hand unbarmherzig zurück gedrückt. „N i x wirst!", schreit Anton seltsam erzürnt," ausrasten wirst dich! Muttertag ist! Glaubst vielleicht wir bringen ohne dich kein Frühstück zusammen?"
Nun, sie bringen das Frühstück zusammen — aber erst, nachdem noch drei schöne neue Tassen zerschlagen worden sind und die beiden allzu munteren Buben vom Vater je eine Ohrfeige empfangen haben. Anton bringt der Gattin den Tee stolz höchstpersönlich ans Bett. Marie stiert fassungslos den Trank an, der in seiner dampfenden Schwärze an heiße Tinte erinnert, aber sie schlürft gehorsam das Gesöff und versucht sogar ein beglücktes Gesicht zu machen. „Aber jetzt lasst mi außer, gelt?", (lass mich wieder hinaus) drängt sie nach dem letzten, verzweifelten Schluck; „ich muss doch die Wohnung ein bisserl zusammen räumen, net?, Schau, die Betten müssen gemacht werden, abgestaubt muss werden, auskehrt muss werden... lass mich raus!" 
Prabandl macht eine Armbewegung, als wenn er ein Orchester zum Erklingen bringen wolle. „Außer kannst schon", ruft er mit einer Art strengen Lachens; „aber Betten machen? abstauben? zusammen kehren? Nein, meine Liebe, das kannst 364 mal im Jahr machen, aber heute nicht! Heut ist Muttertag! Schämen müsst ich mich samt den zwei Buam (Buben), wann ich dich am heutigen Tag so eine Arbeit machen ließe!" Prabandls Stimme steigert sich ins Helle und Hohe: „Steh auf, zieh dein schönstes Kleid an! Heute darfst einmal du zuschauen, wie wir zusammenräumen!"
Frau Marie erkennt, dass dieser Manneswille wie ein Naturereignis ist. Man kann dagegen vorderhand nichts machen und so steht sie seufzend auf und zieht ergeben ihr schönstes Kleid an. Sie sitzt auf des Bettes Kante und horcht verzagt und maßlos unruhig auf das „Zusammenräum-Getöse", das aus dem Nebenzimmer dringt, wo die Buben unter Antons Befehl werken. Mit der Zeit geht ihr das tatenlose Zuhören müssen auf die Nerven und es kommt so weit, dass sie jedes mal, wenn da nebenan krachend etwas umfällt, einen Weheschrei ausstößt. Und als es einmal einen ganz großen Kracher tut, kann sie es nicht mehr aushalten.
Sie stürmt zur Tür, reißt sie auf und bleibt erschüttert auf der Schwelle stehen.
„Himmlischer Vater!" schreit sie entsetzt, „ihr macht ja aus meiner Wohnung einen Trümmerhaufen! Was fuchtelst du mit dem Staubtuch herum, Peperl? Und du, Hansl, was stocherst du mit dem Besen da oben an der Uhr herum? Aufpassen, sag' ich! Gleich wird . . . o Gott, da ham ma (haben wir) schon den Salat!"
Der Salat fällt in Gestalt der Wanduhr vom gelockerten Haken. Mit grässlichem Geklirr schlägt das Gehäuse auf dem Boden auf. Alle sind erschrocken, die Menschen und die Uhr. Die Menschen stehen schweigend, aber die Uhr beginnt sozusagen panikartig zu schlagen. Dreizehnmal hämmert der Klöppel gegen die klingende Spirale. Frau Marie will dem Buben den Besen entreißen, aber Anton schiebt die laut klagende Frau mitleidslos aus dem Zimmer und wettert! „Was hast du da zu suchen? Raus mit dir. Heut' wirst dich einmal net plagen! War net schlecht, wann das nicht zu erreichen wär. Heut' is Muttertag!
Es nützt alles nichts: Marie muss feiern!
„Ich geh' jetzt schaun, ob ich beim Zuckerbäcker was Gutes für die Mutter krieg!" sagt Prabandl zu den zwei Buben; „passt's mir aber derweil gut auf die Mutter auf, verstanden?! Sie darf heut' auf gar keinen Fall sich runterrackern! Ich mach' euch verantwortlich! Wann ich z`haus komm (heimkomme) und sie arbeitet am End' was, dann könnt's euch g'freu'n!" Er stelzt davon und lässt zwei Buben zurück, von denen freudiger Entschluss förmlich ausstrahlt: „Heut' lassen wir die Mutter nicht einen einzigen Handgriff tun ob sie will oder nicht! Denn heut' ist Muttertag!"
Und Frau Marie hat ihren Muttertag unverkürzt und vollbemessen. Sie bekommt Geschenke und Blumen und Schokolade, die sich die Buben noch von Weihnachten her tapfer aufgespart haben. Es kommen Besuche und es gibt viele Glückwünsche. Es wird gelacht und auch ein ganz kleines bisschen geweint. Es ist so vieles da, was Frau Marie freudig sieht und woran sie auch später gerne denken wird.
Als der Gatte spät in der Nacht schlafen geht, ist Frau Marie gerührt.
„Ich dank' dir auch sehr, Toni", wispert sie beglückt, „es ist sehr schön gewesen. Nur an eins darf ich nicht denken, dass du mich nicht hast arbeiten lassen! Wie möcht' die Wohnung ausschau'n, (wie würde die Wohnung aussehen) wann der Muttertag eine Mutterwochen wär?"
                                                                                        F. J. Michaeler 


Freitag, 8. Mai 2020

US-Care-Pakete von General Clark für Hinterstoder

Vor 75 Jahren ging der 2. Weltkrieg zu Ende. Große Teile von Oberösterreich wurden von amerikanischen Truppen besetzt, auch Hinterstoder.
Im Jahre 1945 entdeckte der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Österreich, General Mark W. Clark, Hinterstoder als sein Lieblingsjagdgebiet und nahm mit seinem Stab Quartier in der Jochems-Villa, in der Nähe des Dietlgutes.
Wann immer er Zeit hatte, landete sein Flugzeug im Ortsteil Hinterberg, um dem General einige Tage Entspannung bei der Jagd zu ermöglichen. 
General Clark unterstützte Hinterstoder sehr, wie z.B. beim Bau der Volksschule und beim Kauf der Kirchenglocken.
Sogar bei der Zuteilung von Care-Paketen, berichteten die Salzburger Nachrichten am 20.12.1946, dachte der General besonders an die Bewohner von Hinterstoder.
CARE-Pakete („Cooperative for American Remittances to Europe“) sind Nahrungsmittelpakete, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Rahmen von amerikanischen Hilfsprogrammen nach Österreich geschickt wurden




USFA spenden Care-Pakete WIEN (TASS).
Das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Österreich meldet, dass als Teil der amerikanischen Weihnachtsveranstaltungen über 1040 Care-Pakete als Weihnachtsgeschenke in der amerikanischen Zone verteilt werden. Die Vertreter von 100 Familien, die von der österreichischen Fürsorge als würdige Fälle ausgewählt werden, erhalten eine Einladung ins amerikanische Hauptquartier in Wien, wo sie von General Clark und seiner Gattin persönlich ihre Care-Pakete erhalten.
Die von den amerikanischen Militärbehörden aus dem Weihnachtsfonds angekauften Carepakete werden folgendermaßen an Spitäler. Altersheime und Waisenhäuser ausgegeben:
Salzburg 131 Pakete, Oberösterreich 205 Pakete und für die amerikanische Zone Wiens 505 Pakete. Die Gemeinde Hinterstoder, Bezirk Kirchdorf, erhält zusätzlich 100 Care-Pakete.


General Mark Wayne Clark auf der Titelseite des amerikanischen Nachrichtenmagazins "Time"

Weitere Beiträge:
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https://stodertalfreunde.blogspot.com/2014/01/vor-30-jahren-starb-der-us-general-mark.html
https://stodertalfreunde.blogspot.com/2017/02/wenn-die-kirchenglocken-lauten.html

Freitag, 1. Mai 2020

Jägerlatein am Totenbett

In dem kleinen Buch "Hinterstoder und seine Berge" aus dem Jahr 1949 von Robert Angerhofer, kann man über das Wildern in Hinterstoder folgendes nachlesen:
"Seinerzeit, als Herzog Philipp von Württemberg im Gebiet von Hinterstoder Landgut erwarb und Jagden pachtete, gab es noch viele Wilderer. Er wurde der Lage dadurch Herr, dass er den schlauesten und wagemutigsten Wildschützen das Angebot machte, in seine Dienste als Jäger zu treten. Herzog Philipp gewann mit diesem Schachzug nicht nur sehr tüchtige Jäger, sondern befreite das Jagdgebiet überdies von der damals schwer zu begegnenden Wilderertätigkeit". 



1869 wird in einer Zeitungen berichtet, verstarb ein alter Jäger, der in früheren Jahren als Wilderer allerlei Erlebnisse gehabt hat, von denen nun eines wohl veröffentlicht werden darf, da ihn seine Gegner nicht mehr dafür zur Rechenschaft ziehen können. Der Verstorbene erzählte die Geschichte noch einige Wochen vor seinem Tod, also zu einer Zeit, wo man nicht mehr an Jagdlügen denkt, es gilt also kein Jägerlatein - oder doch?

Der nunmehr verstorbene Jäger ging damals als Wilderer über einen steilen Steig, um in einem herrschaftlichen Revier eine Gämse zu schießen. Als er Umschau hielt, kam ihm ein Schmuggler schwer beladen entgegen. Die gute Freundschaft, die im Allgemeinen zwischen Wilderern und Schmugglern bestand, war bei diesen Zweien noch speziell durch die persönliche Bekanntschaft bestärkt. Der Wilderer bat nun den Schmuggler, ihm in seinem Geschäft beizustehen und ihm durch Umgehung einer Gebirgskuppe eine Gämse zum Schuss zuzutreiben. Der Schmuggler kam der Bitte nach, legte seinen schweren Rucksack nieder und ging den ausgemachten Weg über die Anhöhe.

Nach halbstündigem Warten bekam der Wilderer richtig eine Gämse, die den Grat erstiegen hatte, zu Gesicht. Die Entfernung war aber so weit, dass der Schütze Abstand nahm, darauf zu schießen. Da aber keine Aussicht war, dass die Gämse ihm oder er ihr näher kommen konnte, so entschloss er sich doch auf gut Glück hinüber zu feuern. Auf den Knall stürzte wirklich die Gämse und der Wilderer beeilte sich, dieselbe in Empfang zu nehmen. Als er aber an Ort und Stelle kam, fand er nicht eine Gämse, sondern drei Gämsen verendet neben einander liegen. Der Wilderer war darüber begreiflicher Weise nicht wenig erstaunt, denn er hatte doch nur eine Gämse gesehen. Bei näherer Untersuchung stellte er nun folgendes fest. Eine Gämse war durch einen tiefen Streifschuss an der Gehirnschale getroffen, der zweiten ging der Schuss durch Löffel (Ohren) und Licht (Auge), der dritten Gämse drang die Kugel durch die Lunge und blieb dort stecken. Als der Schmuggler auf den Ruf des Schützen herbei kam, blieb er erschrocken vor der dreifachen Beute stehen, und konnte selbst durch den Nachweis des glücklichen Zufalls nicht glauben, dass dies mit rechten Dingen zugegangen sei. Reich beladen mit geschmuggelter Ware und erschossener Beute kehrten die beiden zurück.

Es dürfte diesem Wilderer, wie allen scharfen Jägerlateinern ergangen sein; sie glauben am Ende selbst, das wirklich erlebt zu haben, was sie in ihrem Jägerlatein erzählt haben.