Freitag, 29. Januar 2021

Steinzeitmenschen hausten auch schon im Toten Gebirge.

Die Oberdonau Zeitung vom 31.3.1943 berichtete in einem Artikel von Andreas Hernberger über das Leben unserer Vorfahren in der Steinzeit auf 2000m Seehöhe im Toten Gebirge. Siebzehn Jahre forschte Schulrat Otto Körber in den Höhlen des "Salzofens". Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Für seine Urahnen hat der Mensch der Gegenwart (1943) viel Interesse übrig. Er forscht den einstigen Wohnstätten nach, setzt sich aus den Funden, die er machte, ein Bild des damaligen Lebens zusammen und kommt dabei zu der Erkenntnis, dass es den Urahnen keineswegs immer gut gegangen ist.
Sie haben, wie es scheint, nur in den verhältnismäßig kurzen Zwischenperioden der Eiszeiten halbwegs erträgliche Lebensbedingungen vorgefunden und sich vor allem von der Jagd ernähren müssen, zu der sie sich die Waffen selbst anfertigten. Waffen aus Stein, aus Knochen und erst viel, viel später aus Erz.

Aus der Steinzeit wissen wir nun schon ziemlich viel. Ausgrabungen und vor allem die Höhlenforschung haben uns Material geliefert, so dass wir uns ein Bild von den Bedingungen machen können, unter denen die Menschen damals gelebt haben. Wir in Oberösterreich denken, wenn wir von den Bewohnern unseres Landes in der Steinzeit hören immer zuerst an die Pfahlbauten, die an den Gestaden der Salzkammergutseen angelegt waren.

Die Menschen der Steinzeit hierzulande blieben aber nicht nur in den Niederungen sondern gingen hinauf in die Berge, bis zu Höhen in denen heute geschlossene Siedlungen nicht mehr anzutreffen sind. Im Toten Gebirge, zu dem auch die höchste Erhebung unseres Landes, der Große Priel, gehört, trägt ein über 2000 m hoher, festungsartiger Bergkegel den Namen „Salzofen“. Otto Körber aus
Bad Aussee hat die im Innern dieses Berges vorhandenen Höhlen seit 17 Jahren durchforscht und ist zu sehr interessanten Feststellungen gekommen nämlich, dass in ihnen Menschen der Steinzeit wohnten. Der Eingang zu den Höhlen ist durch einen Zufall von zwei Jägern namens Ferdinand Schraml und Franz Köberl vor 17 Jahren (1926) entdeckt worden und von diesem Zeitpunkt an hat Otto Körber seine Forschungen aufgenommen.
Die „Haustür“ zu der Siedlung befindet sich in einer Höhe von 2008 m über dem Meeresspiegel — sie dürfte ursprünglich sehr eng gewesen sein, hat sich aber im Laufe der Jahrtausende durch Verwitterung erweitert und ist jedenfalls jetzt ganz leicht passierbar. Anders freilich sieht es im Innern des Berges aus, wo die einzelnen „Räume" nur dadurch erreicht werden konnten, wenn man sich auf dem Bauch fortbewegte.
Hier also hat der diluviale (eiszeitliche) Mensch gewohnt, hier hatte er seine Werkstätte — es ist eine Reihe von Arbeitstischen einwandfrei festgestellt worden — hier lebte er mit seiner Familie, hier kochte er seine Fleischnahrung. Feuer hat er schon gekannt, wie aus den Funden hervorgeht, aber für besonderen „Komfort" war freilich nicht gesorgt. Die einzelnen „Zimmer“ sind so belassen, wie sie aus der Hand der Schöpfung hervorgegangen sind.
Was aß der Mensch von damals? -  Das, was ihm die Jagd lieferte. Es muss in jenen Zeiten viel Wild in der Gegend des Toten Gebirges gegeben haben. Festgestellt durch die aufgefundenen Skelette sind: Braunbären und Höhlenbären, Höhlenwölfe, Höhlenlöwen und kleineres jagdbares Getier — auf der Jagd dürfte ja auch der Steinzeitmensch die Höhlen innerhalb des Bergkegels entdeckt haben. Diesen Tieren stellte er mit Beilen nach, die er sich aus Hornstein anfertigte, also aus einem dichten, ziemlich widerstandsfähigen Quarz. Die Bearbeitung dieses Steines, der aber in den Höhlen selbst nicht gefunden wurde, war die eigentliche Tätigkeit der diluvialen Menschen aus dem Miozän (vor 23 bis 5 Millionen Jahren). Dazu hat er seine „Arbeitstische" — große Steine mit einer einigermaßen glatten Oberfläche — in eine größere Höhle gewälzt und da dürften nun diese Steinzeitmenschen beisammen gehockt sein, um das notwendige Jagdgerät zu bearbeiten. Hier waren sie wohl vor der Witterung geschützt, aber Wärme war sicher etwas sehr Rares, denn es war bestimmt nicht leicht, genügend Holz in die Höhlen zu bringen. Vielleicht war das auch die Arbeit der Frauen. Die Männer hatten Werkzeug zur Bearbeitung des Hornsteines, sie hatten allerhand Schabesteine zurechtgemacht — auch aus Muscheln, die man in den Höhlen häufig noch findet. Sie besaßen Messer, Bohrer und ähnliches, wenn auch in einer ziemlich primitiven Form. Es ist von besonderem Interesse, all das in diesen Höhlen festgestellte zu sehen, wie allmählich die reine Zweckarbeit am Werkzeug künstlerische Formen annahm, wie dieser hart bedrängte Mensch doch Zeit dazu fand, seinen Hämmern, Beilen, Äxten hübsche Verzierungen zu geben und so etwas wie eine fortschreitende Kultur zu schaffen. Ein kürzlich in Wien gehaltener Vortrag, mit unter schwierigsten Bedingungen aufgenommenen Lichtbildern, gab ein ungemein fesselndes und anschauliches Bild dieser Höhlen sowie des vorgeschichtlichen Lebens in ihnen. Es ist ein merkwürdiges Gefühl zu denken, dass vor ungezählten Jahrtausenden hier im Berginneren Menschen wohnten, Menschen, die ein Gefühl hatten, eine Sprache besaßen und sich auch durch Pfeifsignale, Pfeifen aus Röhrenknochen von kleineren Tieren, miteinander verständigen konnten.                                          

Schulrat Otto Körber in der Höhle

Der Elmsee im Toten Gebirge. Auf dem Weg von dort zu den
 Lahngangseen erhebt sich der "Salzofen" mit seinen steinzeitlichen
 Höhlenwohnungen.

Der "Salzofen" im Toten Gebirge in dessen Höhlen vor
tausenden von Jahren Steinzeitmenschen wohnten.  




Freitag, 22. Januar 2021

Heimischer Bergwald im Schnee

In der Oberdonau Zeitung vom 3. 2. 1943 berichtet Heinz Scheibenpflug vom heimischer Bergwald im Schnee.  Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Gleißend und glitzernd liegt der feinkörnige Schnee im Bergwald.  Er hat die Mulden und Hochkare ausgefüllt und schimmert von den Bändern der Felskare herab. Die Zirben, die ganz weit drinnen im Kar stehen, haben eine große Schneehaube bekommen und auch die schlanken und hohen Fichten, sind ganz weiß verbrämt. Der Bergwald hat sein Winterkleid angelegt und was in ihm lebt, hat sich auf die neuen Verhältnisse eingestellt. Was im Sommer grün war und bunt blühte, ist nun im hohen Schnee vergraben und auch für die Tiere unerreichbar, die nach Nahrung suchen.

Droben ziehen die dunklen Dohlen um die Gipfel und schweben über die jähen Felshänge, so wie wir es auch vom Sommer her gewohnt waren, von den Tagen frohen Rastens hoch über den Tälern. Nur wenn ein Wettersturz droht, wenn die Wolken bleigrau und dichtgeballt heraufziehen, dann stoßen sie kreischend und rufend in die Waldtäler hinunter und fliehen vor dem Sturm. Bitterkalt ist es im blauen Schatten der Fichten, die hier im schütteren Bergwald zusammenstehen, und man meint, hier müsse alles Leben sterben, alles öde sein und leer.

Doch bald verraten uns die Spuren im Schnee, dass die Tiere des Bergwaldes auch im Hochwinter unterwegs sind. Die Mäuse ziehen ihr zartes Getrippel durch den glitzernden Schnee und es sieht aus, als ob ein zierliches Perlenkettchen in den Schnee gefallen wäre. Und auch die Hasenspur sehen wir, unverkennbar an den zwei kleinen und den zwei großen Abdrücken — aber breiter und derber ist sie, als unten in den Tälern die Hasenspuren sind. Sie stammen vom Schneehasen, der im Sommer graubraun und jetzt ganz der Landschaft gleich geworden ist, weiß bis auf die Spitzen seiner Ohren. Solange die kleinen Heuhütten droben auf den Almen noch voll sind von duftendem Heu, haben es die Schneehasen ja ganz gut. Wenn die Bauern aber dann dieses Heu zu Tal geführt haben, wenn die hochkufigen Hörnerschlitten in sausender Fahrt zu Tal gefahren sind, dann kommt für die Tiere hier erst die schwerste Zeit. Da haben die Murmeln es freilich besser. Sie haben sich im Oktober schon endgültig und unwiderruflich vergraben und ihre Gänge mit Heu ausgestopft. Erst wenn das Glucksen des Schneewassers sie aus dem Schlaf weckt und schon die weißen und blauen Krokusse auf den Bergwiesen blühen, kommen alle wieder zum Vorschein. Aber die Schneehasen sind nicht allein im winterlichen Hochgebirge. Da sind auch die Schneehühner, die im Sommer ihre Jungen in den Geröllhalden und Schuttfeldern herumführten und die sich nun ebenfalls verfärbt haben, aus einem scheckigen Graubraun in reines Weiß. Ruhelos ziehen sie bei ruhigem Wetter zwischen den tiefverschneiten Latschenbüschen umher und suchen überall nach Futter. Gern ziehen sie hinauf auf die abgewehten Hochflächen wo die Schifahrer mit ihren Bretteln polternd über das blanke Eis fegen und sich manchmal in den gebleichten Grasbüscheln verfangen. Hier hat der Wind den Neuschnee weggefegt und so liegen die Samen der Alpengräser frei und gewähren karge Äsung. Wenn dann wieder das Schneien aus den stahlgrauen Wolken bricht und der Sturm über die Gipfel fegt, dann sitzen die Schneehühner zusammengekauert im Krummholz oder oft zu zweit unter den dichthängenden Ästen einer Fichte und warten das Ende des Schneefalles ab. Auch wenn der Schneefall Tage dauert.

Durch das dunkle, dichte Geäst der Zirben huschen die Tannenhäher und sind mit ihren mächtigen Schnäbeln hinter den reifen, blauschimmernden Zirbenzapfen her, aus denen sie mit viel Eifer und Geschick die fetten Nüsse herausholen. Ihre zackigen Flügel schwingen langsam und bedächtig, wenn sie zum anderen Talhang hinüber segeln. Sie kennen keine Not und ihnen ist der winterliche Bergwald ruhige und sichere Heimat. Lustig und lebendig sind auch die Kreuzschnäbel. In großen Schwärmen streichen sie durch die Bergwälder, ihr munteres Geschwätz ist aus allen Wipfeln zu hören und dazwischen tönt das leise Krächzen der Jungen. Wahrhaftig! Sie haben Junge im Nest, jetzt mitten im Hochwinter! Da mag der Schnee noch so hoch liegen und mag der Sturm noch so sehr durchs Geäst der Wetterfichten pfeifen — die Kreuzschnäbel halten Hochzeit. Wenn auch all die anderen Vögel nach dem Süden gezogen sind oder ihre liebe Not haben, den harten 'Winter zu überstehen. Die rotbraunen Vagabunden aber, die sich den Sommer über weiß Gott wo in Europa herumgetrieben haben, die sind jetzt munter und guter Dinge. Junge zieht man dann auf, wenn man sie am besten ernähren kann, und das kann der Kreuzschnabel eben jetzt im Hochwinter, wenn alle Zweige voll sind mit prallen Fichtenzapfen, aus denen man mit dem überkreuzten Schnabel die Samen so schnell und geschickt herausholen kann wie sonst niemand auf der Welt!

So ist es hier heller Frühling geworden, mitten im Winter und das Leben siegt, auch inmitten von Frost und Schnee! Das ist der Winter im Bergwald. Schon stehen ja unter dem Schnee die Knospen, die sich in den ersten Sonnenstrahlen öffnen werden. Der Schneerosen große weiße Blumensterne sind noch zu Knospen gefaltet und unter dem Schnee zusammengedrückt, aber jederzeit zum Blühen bereit. Die rosenrote Erika arbeitet sich oft schon mitten im Winter durch die weiße Decke und öffnen ihre zarten Krugblütchen. Des Frühlings Vorboten stehen mitten im blanken Eis des Winters und nirgends sind die zwei Jahreszeiten einander so nah wie hier im Bergwald. Da braucht bloß der Föhn über den Felskamm zu kommen und schon in einer einzigen Nacht ist der Winter ausgelöscht und stehen die weißen Krokusse auf den feuchten Hangwiesen.













Freitag, 15. Januar 2021

Erinnerungen an alten Hausrat von uns daheim.

In der Oberdonau Zeitung vom 7. 2. 1943 erzählte Pauline Bayer vom Bauernhaus ihrer Familie und von Erinnerungsstücken, die sich im Laufe vieler, vieler Jahre angesammelt haben. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Die hohe Stube war für uns Kinder voller Geheimnisse und Wunder. Hier stand rings an den Wänden in beschaulicher Ruhe alter Hausrat aus Urväterzeiten beisammen. Da waren behäbige Schränke, die die Festtagskleider von Vater und Mutter, von Ahnen und Urahnen bargen, Truhen, wo die hausgewebte Leinwand und die feingehechelten, saubergeflochtenen Flachszöpfe aufbewahrt wurden. Ein riesiges Himmelbett war da, hochaufgetürmt mit Tuchenten, Kissen und einige wackelige, altmodische Stühle mit zersessenen Polsterungen.

In diesem Raum schien die Zeit still zu stehen. Die alte Stockuhr hatte ihr Ticken eingestellt und zeigt eine längst vergangene Stunde an. Hier schien die Ewigkeit zu verweilen. Aber wenn man das Ohr horchend an eines dieser alten Möbelstücke legte, konnte man das leise Pochen des Holzwurmes vernehmen, der hier ungestört seine Arbeit tat. Selten betrat jemand diesen Raum. Und wenn wir Kinder mit der Mutter in die hohe Stube gehen durften, so war das für uns immer ein besonderes Ereignis. Sobald die Mutter den großen Schlüssel, der am Rahmen der Stubentür hing zur Hand nahm, waren wir gleich bei ihr. Wir stürmten die steile Treppe hinauf und waren voll freudiger Erwartung, wenn der Schlüssel knarrte und das Schloss aufsprang. Aus der geöffneten Tür strömte uns der köstliche Geruch der hohen Stube entgegen. Wir sogen ihn mit wonnigem Behagen ein. Er war fremdartig und doch wieder so vertraut und anheimelnd und verriet mit seinem wunderlichen Gemisch von Düften nach altem Taft und Lavendel, nach Leinen und Flachs, gedörrten Pflaumen und Kletzen alles, was in Truhen und Schubladen, Kasten und Kästchen gespeichert war. Das Prunkstück der hohen Stube war der Gläserkasten. Er hatte von jeher seinen Platz zwischen den zwei Fenstern, die sich der Tür gegenüber befanden.Wenn man in die Stube eintrat, strahlte einem auf den ersten Blick seine ganze Pracht entgegen. Er stammte aus Brautsachen der Urgroßmutter und war wunderbar blau angestrichen und mit bunten Blumensträußen bemalt, altbäuerlich wie der übrige Hausrat. Er war der Schatzkasten des Hauses. Alle Kleinodien, alle zerbrechlichen Kostbarkeiten wurden darin aufgehoben: altes Porzellangeschirr mit Rosenmuster und feinen Goldreifchen, kunstvoll geschliffene Gläser von der Farbe böhmischer Granaten und daneben kristallhelle Dosen und Flaschen, in deren spiegelklaren Schliffen alle Buntheit des Regenbogens schimmerte. Wohl als das schönste erschienen mir die Glasstürze mit den wächsernen Heiligen, kunstvolle, zierliche Figürchen mit winzigen Gesichtchen und schwarzen Perlenäuglein.

Hochzeitsbuschen waren da und Rekrutensträuße aus bunter Seide und großen, glänzenden Glaskugeln. In einer Schachtel, auf rotem Samt gebettet, lagen Mutters goldene Brosche, die Ohrgehänge und der Halsschmuck, den sie als Braut zum blau schillernden Seidenkleid getragen hatte. Wie doch die vielen zarten Silberkettlein daran glänzten und die prächtigen Steine in allen Farben leuchteten! An den Innenwänden des Kastens hingen kleine Heiligenbilder, die kunstvoll hinter Glas gemalt waren, dann Weihbrunnkessel und Wasserkrüglein, wie man sie an die Spinnräder hängte, alles aus farbigem Glas, gar wundersam geformt. Ein altes vergilbtes Myrtenkränzlein war da. Es war von einem hauchzarten Schleier umwunden und niemand mehr wusste, wer es einst getragen und hier aufbewahrt hatte. Manche Sachen wurden nur für kurze Zeit in den Gläserkasten gestellt und dann wieder herausgeholt, so die prächtig verzierten Lebkuchenherzen und kunstreich geformten Zuckerfigürchen vom letzten Kirchtag. Auch schön gemalte Ostereier fanden eine Zeit lang darin Platz. Alles das nahm der Gläserkasten in seine Obhut Er verwahrte damit den geheimnisvollen Zauber, der über den Dingen lag. Ein Jedes hatte seine seltsame Geschichte. Manches Stück war schon so alt, dass sich niemand mehr erinnerte, wann es in den Kasten gestellt wurde und wer es aufhob. Seine Geschichte war vergessen worden, dadurch wirkte es noch viel geheimnisvoller und ehrwürdiger als die anderen. 

Wenn man in die hohe Stube trat, schwankte ganz leise die Diele. Sie lag über der großen unteren Stube und war durch keine Zwischenmauer gestützt darum schwankte sie. Das machte mir jedes mal ein besonderes Vergnügen. Ich hob mich auf die Fußspitzen und wippte mit. Es war dann, als schicke sich die ganze Stube mit allen Truhen und Schränken, die darin waren, zum Tanzen an. Die Fenster klirrten leise und alle Gläser im Kasten klangen wie feine Glöckchen. Wenn dann an schönen Tagen die Sonne um die Hausecke kam und durch die Hoffenster in den Raum schien, begannen die bunten Kugeln zu leuchten, die Glasschliffe funkelten in allen Farben und das Gold, das auf Teller und Tassen gemalt war, warf Sternlein und sprühte Strahlen nach allen Seiten. Die ganze Stube stand dann in Glanz und Glorie.

In einem der Wandschränke befand sich ein Erbstück, das uns Kinder ganz besonders anzog. Es war das Brautkleid einer Ahne. Es war aus grünem, großgeblumtem Damast und von einem altertümlichen Schnitt wie man ihn zuweilen noch auf Gemälden aus längst vergangenen Zeiten sehen kann. Das Kleid hing seit Jahren im gleichen Schrank, am selben Haken. Wenn ich die Mutter darum bat, öffnete sie die Tür und ließ mir Zeit es zu bewundern. Manchmal griff sie prüfend in die reichen Falten des Rockes und hob ihn gegen das Licht. An den Bügeln zeigte er dort und da eine schadhafte Stelle. „Ich dachte es ja“, sagte die Mutter, „der Stoff bricht allein vom langen Herumhängen.“ Als dann eines Tages aus dem Nachbardorf eine Bäuerin kam, die für eine Verwandte in der Stadt altertümliche Sachen einkaufte, ließ sich die Mutter überreden und gab ihr das kostbare Kleid. Ich hätte am liebsten geweint als ich es in einem Bündel verschwinden sah, das dann fortgetragen wurde. Das Geld, das die Bäuerin bezahlt hatte, lag den ganzen Tag herum, zuerst auf dem Tisch, dann auf dem Fensterbrett. In der darauffolgenden Nacht hatte ich einen Traum. Es war Winter und eine fast taghelle Mondnacht. Da sah ich über das lichte Schneefeld vom Nachbardorf her eine Gestalt kommen. Sie schritt auf unser Haus zu. Als sie an den Fenstern vorbeiging war es das Seidenkleid. Es kam daher wie von einem unsichtbaren Körper getragen und trat lautlos durch die Haustür ein.

Am Morgen erzählte ich der Mutter gleich meinen seltsamen Traum. Sie hörte mich erstaunt an, dann lachte sie, nahm mich an der Hand und führte mich in die hohe Stube. Hier öffnete sie den Kasten und — o Wunder, da hing das Kleid an seinem alten Platz. Ich stieß einen Jubelruf aus, streichelte kosend die leise rauschenden Falten, als wäre das Kleid etwas liebes Lebendiges. „Es gehört zu uns wie die andern alten Dinge, die wir von den Ahnen geerbt haben und es soll bei uns bleiben und wenn du einmal groß bist, sollst du es haben“, sagte dann die Mutter und sie erzählte mir, sie habe nach dem Verkauf keine ruhige Stunde gehabt und das Kleid noch in der Nacht wieder zurückgeholt.













Freitag, 8. Januar 2021

Spinnräder surrten nicht nur im Böhmerwald.

Die Oberdonau–Zeitung vom 8. Jänner 1943 berichtet von der „Rockerroas“  (Zusammensitzen der Mägde und ledigen Mädchen an den Winterabenden) und anderen Bräuchen im Norden von Oberösterreich und im Böhmerwald. Diese bäuerlichen Bräuche gab es aber auch im Süden, im Stodertal. Deshalb sei es gestattet, diesen Artikel von S. Droste-Hülshoff aus dem Jahr 1943 zu übernehmen. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.


Nahe der ehemaligen Grenze zwischen der Tschechei und Oberösterreich liegt am Fuße des Viehberges das Dorf Windhag. Man wüßte in der weiten Welt kaum viel von diesem kleinen Ort in den Ausläufern des Böhmerwaldes, wenn nicht ein großer deutscher Meister einige Zeit dort zugebracht hätte.
Anton Bruckner weilte in den 1840er Jahren des vorvorigen Jahrhunderts als Gehilfe des damaligen Schulmeisters Fuchs in Windhag und musste für einen Jahresgehalt von ganzen zwölf Gulden (ca.160€) nicht nur Schulunterricht erteilen, sondern auch als Organist und Mesner amtieren, sowie in der Landwirtschaft tüchtig mithelfen.
War an den Winterabenden die Arbeit getan, ging es zum „Tanzl-Geigen“. Die Mädchen des Ortes wanderten ein- oder zweimal wöchentlich in die „Rockenstuben" (Spinnstuben) zu den einzelnen Bauernhöfen zum gemeinsamen Spinnen. Auch die Burschen stellten sich ein und brachten stets ein paar Musikanten, meist zwei Geiger und einen Trompeter mit. Diese verkürzten den Mädchen die Arbeit durch allerlei Volkslieder, die mitgesungen wurden. Wenn der Flachs abgesponnen war und die Spinnräder beiseite gestellt werden durften, klangen lustige Ländler und Walzer durch die niederen Bauernstuben und Burschen und Mädel drehten sich halbe Nächte hindurch im Tanz. Die „Rockengeiger“ wurden ebenso wie die anderen Gäste der Rockenstuben von den Bäuerinnen mit Most und Krapfen bewirtet und erhielten überdies für ihr Spiel je drei Zehner als Lohn.
Anton Bruckner hat nach seinen eigenen Erzählungen in seiner Windhager Zeit viele Nächte hindurch mit seinen Freunden den Webern Franz und Josef Sücka und dem Müller Jobst als „Rockengeiger“ in den Spinnstuben zum Tanz aufgespielt.
Früher war das Wolle- oder Flachsspinnen in ganz Oberösterreich allgemein üblich. Überall klapperten damals in den niederen Waldlerhütten auch noch die Webstühle der Handweber, die das über Winter gesponnene Garn zu Leinwand verarbeiteten. In den letzten Jahrzehnten sind wohl viele Spindeln in die Rumpelkammern gewandert. Doch bauen die Bauern noch immer viel Flachs an und in den einsamen Gehöften tief im schneeverwehten Waldland surren und sausen die Rädchen unter den Händen der fleißigen Spinnerinnen.
Der sauber gehechelte Flachs wird in breite, silbrig schimmernde Zöpfe geflochten und in den buntbemalten Bauernkästen aufbewahrt bis das Ende der Feldarbeit Zeit zum Sitzen in der warmen Stube und das Spinnen gewährt.
Allerhand uralte Bräuche sind heute noch mit der Arbeit am Spinnrad verbunden. Schon die kleinen Mädchen werden zum Spinnen angehalten. Sie lernen es oft eher als das Stricken, das Lesen oder gar das Schreiben. Das allererste Garn, das die Kleinen fertigen, legt man vor das Fenster. „Der Geier“, in manchen Gegenden auch ,“d’ Frau Berscht“ — wohl eine Abwandlung der Frau Holle — begutachtet die Arbeit, trägt sie fort, wenn sie einigermaßen geraten ist, legt sie dafür kleine Belohnungen in Gestalt von Süßigkeiten oder Äpfeln auf das Fensterbrett, die von den Kindern am Morgen jubelnd in Empfang genommen werden. Sobald die Finger der kleinen Spinnerinnen halbwegs gleichmäßig grobe Fäden zustande bringen, sammelt man das Garn sorgfältig und lässt ein Sätuch daraus weben. Nach altem Volksglauben soll nämlich das Korn, das man aus solchen Tüchern von Kinderhand aussät, gesegnet sein und besonders gut gedeihen.

Die winterliche Spinnarbeit beginnt in den Dörfem meist um Martini.
(11. November). Die ledigen Bauernmädchen und die jungen Mägde binden das erste Flachsbüschel mit bunten Bändern an den Rocken, spinnen es sogleich an und gucken dabei neugierig zur Stubentür. Die erste Person, die nach dem "Anspinnen" zur Tür hereintritt, ist von Bedeutung für künftige Heiratsaussichten. Ein alter Spruch lautet: "Heut spinn i den Rocken an, wer z’erscht reingeht, werd mei Mann.“ Die besten Heiratskünder sind natürlich ledige Burschen. Auch verheiratete Männer deuten auf baldige Ehe. Betritt jedoch eine Frauensperson die Stube, so betrachtet man dies als ein Zeichen, dass die betreffende Spinnerin im kommenden Jahre noch nicht auf den Hochzeiter rechnen kann. Man spinnt an allen Tagen der Woche, so oft man Zeit dazu findet, nur nicht an Samstagen und Sonntagen. Alte Bauernsprüche warnen: „Wer am Freitag singt, am Samstag spinnt, am Sonntag sauft, hat den Himmel verkauft!“ Oder: „Wer am Sonntag spinnt, spinnt sich sein Totenhemd.“ In manchen Gebieten vermeidet man auch, im Dunkeln zu spinnen. Wenigstens eine Kerze oder das Feuer in der offenen Ofentür soll zur Arbeit leuchten, sonst zieht es die Hexen an und bringt Unheil und Krankheit. Da und dort ist das „Strohsackin“ Brauch, ein gegenseitiges "Sichansingen" mit kleinen Trutzversen und Spottliedchen, die rasch aus dem Stegreif erfunden werden müssen. Wer die besten „G’sangl“ weiß, erhält kleine Preise, Apfel, gedörrte Zwetschken oder gar ein paar „Tabakkreuzer".
Auch alte Sagen und Geistergeschichten werden beim „Hoagascht“ gern erzählt. Gerade das Bauernvolk in abgelegenen Gebieten besitzt einen noch wenig bekannten, schier unerschöpflichen Schatz an Märchen und uralten Geschichten die in den Rockenstuben entstanden und von Generation zu Generation überliefert wurden. Schließlich getrauten sie sich kaum mehr vor’s Haus und nehmen die von den Burschen eifrig angebotene Begleitung auf dem nächtlichen Heimweg gern an. Mancher tüchtige Märchenerzähler sucht solche Wirkung mit seinen Schauergeschichten absichtlich hervor zu rufen.
Um Lichtmeß wird der Tag länger: „Lichtmeß — ’s Spinnen vergeß!“ Die Arbeit im Freien setzt wieder ein und die Spinnräder werden beiseite gestellt. Bis Lichtmeß, mitunter bis zur Fastnacht muss der letzte Flachszopf versponnen sein. Eine kleine Feier, die „Sengnacht“, beendet den letzten Spinnabend. Man sengt die letzten Flachsfasern mit einem brennenden Span vom Rocken ab und vergnügt sich hernach bei einem guten Mahl, Musik und Tanz. Übrigens mussten noch vor dem Weltkrieg im Böhmerwald wie im benachbarten Bayrischen Wald auch die Männer am Spinnrad arbeiten.
In den langen Wintern tobten oft derartige Schneestürme über die Waldberge, dass selbst die wetterharten Bauern oft wochenlang Haus und Hof nicht verlassen konnten. Weil man aber früher für Knechte und Söhne daheim wenig Beschäftigung hatte, sie aber anderweitig auch nicht faulenzen lassen wollte, wiesen die Bäuerinnen allen männlichen Hausgenossen, ebenso wie Töchtern und Mägden, eine bestimmte Menge Flachs zu, die gesponnen werden musste.
Die Jugend wusste sich die langweilige Arbeit vergnüglicher zu gestalten. Man packte eines Morgens gleich nach der Stallarbeit, wenn der Wintertag noch kaum heraufdämmerte, die Spinnräder auf Pferdeschlitten und fuhr unter lustigem Schellengeläut munter in ein Nachbardorf „zur Rockaroas“. In irgend einem bekannten Bauernhof wurde eingekehrt. Bald fanden sich auch Burschen und Mädchen des Dorfes mit ihren Spinnrädern ein. Zuerst wurde fleißig gesponnen. Gegen Abend kochte dann die Hausfrau ein gutes Essen, Musikanten kamen, man tanzte bis spät in die Nacht und fuhr endlich singend wieder heimwärts. In den folgenden Tagen und Wochen ging die „Rockaroas“ in andere Ortschaften, deren Jungvolk bald dafür seinerseits mit Spinnrädern und klingenden Schlitten zum Gegenbesuch erschien.
Alt-Bauern, die in ihren Jugendtagen selbst noch von gestrengen Müttern hinter die Spinnräder gesetzt wurden, wissen noch viel von den Geistern und Hexen, von Schatzgräbern, von Zwergen und der „Drud“ und lustigen Spinnfahrten zu erzählen.






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Freitag, 1. Januar 2021

„Kerschgeist", „Zweschberna" und ,„Dirndlschnaps“ Schnapsbrennen in den Bauernhöfen

Ein Zeitungsartikel in der Oberdonau-Zeitung vom 1. Jänner 1943 berichtete vom Schnapsbrennen.  Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Wie entsteht der „Kerschgeist", „Zweschberne" oder ,„Dirndlschnaps“? Nachstehend ein Bericht vom Schnapsbrennen in den Oberösterreichischen Bauernhöfen zwischen Weihnachten und Neujahr 1943.
Ein alter Hausspruch sagt: „Dagegen soll ein Branntwein um Mitternacht nicht schädlich sein ...“  Wofür er nicht schädlich ist kann jeder selbst entscheiden.
Zum Silvester- und Neujahrstag gehört nun einmal der Schnaps seit alters her, und selbst wer sonst dem Alkohol in dieser seiner konzentriertesten Form nicht allzu hold — an der Jahreswende legt er die Finger mehr oder weniger graziös um den Stamperlhals: „Na, Prosit, alter Freund! Auf ein gutes neues Jahr!“...

Das folgende Kapitel aber soll nicht von der Philosophie des Schnapstrinkens handeln — diese Art Philosophen, im Volksmund „Schnapsbrüder“ bezeichnet, scheinen im übrigen auch auszusterben, wir wollen hier dem Entstehen dieses Getränkes nachspüren und dies wiederum nicht etwa in großen industriellen Betrieben, sondern draußen auf dem Land, bei den Bauern unserer Heimat. Gewiss, das Leibgetränk ist in Oberösterreich der Most, heuer (1943) ganz groß geschrieben, weil es einen so prächtigen Jahrgang schon seit langem nicht mehr gegeben hat. Das „Most machen“ aber ist nun doch schon einige Wochen vorüber, und augenblicklich stehen wir mitten in der Schnapsbrennerei. So ein Schluck „Brennabi“ aber, wir gönnen ihn dem Bauern genau so, wie seinen Apfel-, Mischling- oder Landlbirnmost, denn wie dieser ihm im Sommer die von Hitze und Arbeitsschweiß ausgedörrte Kehle befeuchtet, so wärmt jener nach der Holzarbeit im Winter, draußen im Wald und in den Auen, das in der grimmigen Kälte fast erstarrte Blut...
Zuvor aber eine kleine Rangordnung der Selbstgebrannten, wie sie der Bauer der Reihe nach schätzt. Ganz zu oberst rangiert bei ihm der leider recht seltene „Griachalschnaps", „Zweschbane" und „Kerschgeist“,  dann ist es der — heute begreiflicherweise verbotene — „Troaderne“ und am Ende steht der „Trebernschnaps“, welcher aber, wenn eine erfahrene Hand am Werke war und er eine gewisse „Abgeklärtheit“ erreicht hat, ebenfalls noch ein ganz gutes Tröpferl darstellt...
Seit Wochen schon stehen die Fässer mit der gärenden Maische im Keller, aber damit ist die Sache noch lange nicht im Laufen. Zuvorderst spricht einmal das Auge des Gesetzes in Gestalt des „Finanzers“, ein ganz gewichtiges Wort mit. Der sieht sich die ganze Sache einmal gut an, rechnet dem Bauern dann genau vor, wieviel er für den Haustrunk, also ohne Steuern, brennen darf und auf die Stunde, wann die Brennerei selbst beginnt und wann sie aufhören muss. Für den Bauern ist aber auch von Wichtigkeit, dass er Eis oder Schnee zur Verfügung hat, denn fließendes Wasser zum Abkühlen steht ihm in den seltensten Fällen zur Verfügung. Sind aber alle Voraussetzungen gegeben, dann kann’s auch beginnen!

Einfache Apparatur — aber kompliziertes Zeremoniell. Einfach ist die Apparatur, die man dazu braucht. Ein eingemauerter kupferner Kessel mit einer verhältnismäßig kleinen Öffnung oben und einer entsprechenden Feuerung unten, ein Holzbottich, in dem sich eine schlangenförmig gewundene Kupferröhre befindet, die unten in einem Auslauf endet und dann als das Wichtigste, das Verbindungsstück zwischen dem Kessel und der besagten schlangenförmigen Kupferröhre, die „Brennhaube“ und das Übersteigrohr die bis zum letzten Augenblick versiegelt waren.
Fast immer ist es der Bauer selbst, der das Zeremoniell des Brennens vornimmt und das ist schon komplizierter als die eben beschriebene Einrichtung. Die Herstellung des „Troadenen“ ist geradezu eine kleine Wissenschaft. Öfter stellt der Bauer auch einen gewiegten „Fachmann“ zu dieser Aufgabe und hier waren es gerade die Fassbinder, die in früheren Zeiten guten Ruf auf dem Gebiet des doch etwas Gewerbe verwandten Schnaps brennens genossen. Hatten sie vor dem Most machen alle Hände voll zu tun, um die Ein-, Zwei-, Drei- und Mehreimer-Fässer der Bauern in aufnahmebereiten Zustand zu versetzen, der eigentliche Winter stellte keine besonderen Arbeitsanforderungen an sie und da zogen denn oft Meister, Geselle und Lehrling von Hof zu Hof und halfen dort den „Troadenen“ usw. zu brennen . . und vor allem höllisch aufzupassen. Die Luft, die uns aus dem Raum, in dem das Brennen vor sich geht, entgegenschlägt, scheint schon stark Alkohol geschwängert. Es ist auch sonst nicht weiter verwunderlich, dass die meisten beim Schnaps brennen Beschäftigten recht gut aufgelegt sind, trotzdem sie oft sehr wenig Schlaf finden. Es geht doch die Brennerei nicht selten einige Tage und Nächte, je nach der Größe des Hofes und der Anzahl der Dienstleute vor sich. Und immer heißt es dahinter sein, denn wenn die festgesetzte Stunde schlägt, so kann noch so viel Maischgut in den Bottichen sich befinden, die Zeit ist um und für heuer Schluss. Alleweil die richtige Temperatur unterm Kessel, stets kaltes Wasser und Eis im Bottich, richtig das Feuer abdrosseln, wenn das Destillieren beginnt, so dass nur der Dampf seinen Weg heraus und hinüber in die Kühlschlange findet und ja keine Flüssigkeit, denn sonst wird der Schnaps „grau“. Der größte Stolz des Bauern aber ist, wenn er klar und durchsichtig ist wie reinstes Quellwasser. Also immer hübsch aufpassen, heißt es da und viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl haben. Hell wie Wasser — nur etwas mehr Gehalt.
Aus der ersten Destillation der kochenden Maische entsteht der sogenannte „Vorlauf“ oder „Lutter“, der aber noch nicht das Endprodukt darstellt, findet sich doch noch zu viel „Fusel“ in ihm. So lang wird die Maische vom Feuer gequält, bis eine Probe des Destillats nicht mehr brennt, dann ist der „Geist“ aus der Maische heraus, der Kessel muss neu gefüllt werden. Dieser „Lutter“ aber wird noch einmal destilliert, geläutert, wie der Bauer sagt und jetzt erst haben wir den richtigen, wasserhellen, trinkbaren Schnaps vor uns. Freilich, so lange er jung ist, hat er eine gewisse Schärfe, je länger er aber dann aufbewahrt wird, um so milder wird er im Geschmack, ohne an Alkoholgehalt zu verlieren. Wenn zu Festzeiten lieber Besuch auf den Hof kommt, dann kann er ja diesen Unterschied feststellen, sofern der Bauer ihm nicht nur den „neuen“, sondern etwa auch einen aus einer alten, verstaubten Flasche vorsetzt. Für solche Zwecke und als „magenwärmendes“ Getränk bei Arbeiten in besonderer Kälte ist der Selbstgebrannte ja auch gedacht und nie und nimmer als das Alltagsgetränk, so wie der Most. Daher kommt ein Stamperl in unseren Bauernhäusern auch nur bei jeder besonderen Gelegenheit auf den Tisch. Zuerst ein kleines Schluckerl, ein leichtes Schnalzerl mit der Zunge — es schmeckt — und dann wird das Stamperl „umibuckt" ... „Prosit Neujahr, Nachbar, und auf weitere guate Freundschaft!“      Franz Müller.