Freitag, 25. Februar 2022

Der Freund der Götter

In der Oberdonau-Zeitung vom 14.4.1945 berichtete Moritz Winter über den berühmten Entdecker Christoph Kolumbus (geb. 1451, gest. 1506). Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Endlich konnte Christoph Kolumbus seine Absicht, die Überfahrt nach Indien auf westlichem Weg zu versuchen, zur Tat werden lassen. Nachdem er drei Reisen über die Weltmeere zu einem glücklichen Ende geführt hatte, wagte er noch eine vierte und auf dieser sollt der Seefahrer ein Abenteuer bestehen, das in der Geschichte kühner Entdecker nicht seinesgleichen hat.

Im Juni 1503 tobte ein furchtbarer Orkan auf dem Atlantischen Ozean, der Kolumbus zwei Schiffe kostete. Seine beiden letzten Karavellen musste er, da sie kaum noch die See halten konnten, auf den Strand von Jamaica laufen lassen. Hier nahm er zwei Kähne der Eingeborenen in Beschlag, in denen zwei seiner erfahrensten Seeleute die Fahrt nach Hispanuola wagten um Hilfe zu holen. Monate vergingen, Rettung kam nicht und des Seefahrers Lage wurde eine verzweifelte. Seine Leute, ganz verzagt, überhäuften ihn mit Vorwürfen. Zum größten Unglück warfen jetzt auch die Insulaner die Maske ab, sie zeigten sich feindselig und stellten die Lieferung der Lebensmittel ein.

Die Weißen waren keinen Augenblick sicher, nicht überfallen und niedergemetzelt zu werden. Da, in der höchsten Not, als alles verloren schien, ließ Kolumbus den Häuptling der Eingeborenen rufen, der in vollem Kriegsschmuck erschien. „Wenn du dich weigerst, uns dienstbar zu sein, beleidigst du die Götter, deren Freund ich bin“, sprach er barsch den Roten an,“zum Zeichen dass meine Worte nicht leerer Schall sind, werde ich Nachts des Himmels Leuchte löschen!“ Mit offenem Mund, starr vor Staunen, blickten die Wilden den unheimlichen weißen Mann an. Endlich erwiderte der Häuptling, während ein höhnisches Lächeln über seine bronzenen Züge flog: “Fremder wenn du dies imstande bist, glauben wir an deine Freundschaft mit den Göttern, hast du aber Wind gesprochen, wirst du mit allen deinen Kriegern am Marterpfahl sterben!“. Mit dem selben Staunen betrachteten die Spanier ihren Befehlshaber „Volvio loco! Er ist verrückt geworden!“ flüsterte Kapitän Orellana einem Kameraden zu.-

Es war um die Mitternachtsstunde. Alle waren versammelt. Die Scheibe des Vollmondes stieg über den Kämmen und Zacken des Gebirgszuges, den „Blauen Bergen“ unserer Tage, empor. Der seltsame Fremde in dem von seinen Getreuen gebildeten Halbkreis und blickte unentwegt auf den Mond, dessen fahles Licht auf der romantischen Landschaft wie ein flimmernder Schleier lag.

Totenstille herrschte, lange Zeit verging. Nichts zeigte sich auf der hellen Mondscheibe. Ein Flüstern des Zornes und des Unwillens geisterte durch die Reihen der Wilden. Plötzlich zeigte Kolumbus gegen den Himmel. Man gewahrte Seltsames! Unerhörtes! Die Scheibe des Mondes überzog Kupferröte und langsam, langsam, gespenstisch rückte ein Schatten in ihr vor, sie endlich völlig verdunkelnd! Graue Nacht legte sich auf das Land. Schreie des Schreckens erschollen in den Reihen der Eingeborenen. Plötzlich stürzten sie auf die Knie und baten den weißen Freund der Götter, den Zorn der „Großen-Großen“ zu besänftigen. Nun brachten sie alles was die Spanier verlangten.

Der kluge und geistesgegenwärtige Kolumbus hatte die eintretende, totale Mondfinsternis zu seiner und seiner Leute Rettung benutzt. Kurze Zeit später legte ein Schiff an und er konnte die Heimreise antreten.

Christoph Kolumbus 

Christoph Kolumbus 
  
Christoph Kolumbus
Denkmal Bremerhaven

Christoph Kolumbus Schiff, Nachbau
"Santa Maria"

                            

  Sonnenfinsternis in Hinterstoder am 11.8.1999




                                                                     

                                                              Vollmond


Freitag, 18. Februar 2022

Ein Kistchen Zigarren

In der Oberdonau-Zeitung vom 7.4.1945 berichtete Josef Robert Harrer über den berühmten Münchner Maler Franz Carl Spitzweg (geb. 1808, gest. 1885). Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Manche seiner kleinen Bilder malte Spitzweg auf die Holzbrettchen zerlegter Zigarrenkistchen. Die Freunde des Münchner Malers wußten davon und brachten ihm oft diese hölzernen Schachteln.

Einmal sagte ein Bekannter, der immer nur leere Kistchen zu bringen pflegte: „Lieber Spitzweg, ich habe ihnen schon etliche Kistchen überlassen. Als Anerkennung könnten Sie mir einmal ein schönes Bild schenken!“ „Gern!"
 erwiderte der Maler. Nur muss ich gestehen, dass mir die Bilder am besten gelingen, wenn ich Kistchen verwende, deren Inhalt ich vorher selbst geraucht habe. Bringen Sie mir also einmal ausnahmsweise keine leere, sondern eine gefüllte Holzschachtel!“. Der Bekannte nickte nicht gerade begeistert; da er aber wusste, dass man weit im Lande die Spitzweg-Bilder schätzte, brachte er einige Tage später ein Kistchen mit Zigarren. Mit Staunen bemerkte Spitzweg, dass der Geizhals eine der besten Zigarrenmarken gewählt hatte. Er nickte anerkennend und sagte: „Diese wunderbaren Zigarren werden schnell geraucht sein, so dass bald das Kistchen leer sein wird! Dann male ich Ihnen ein schönes Bild auf den Deckel!“ Noch am gleichen Abend versuchte Spitzweg eine der herrlichen Zigarren. Schon beim ersten Zug aber musste er feststellen, dass es die schlechteste Zigarre war, die er je angezündet hatte. Der Geizhals hatte einfach die billigsten Zigarren ins Kistchen gepackt. Spitzweg warf die Zigarren fort und malte sofort auf den Deckel eine große Null. Dann schrieb er auf einen Zettel:

„Zu diesem herrlichen Gemälde haben mich Ihre wunderbaren Zigarren inspiriert! Freuen Sie sich ehrlich an diesem Bild, das ich Ihnen schenke! “Beides schickte er am nächsten Tag dem Bekannten.

Carl Spitzweg





Carl Spitzweg, Selbstportrait

Freitag, 11. Februar 2022

Der ominöse Kanon

In der Oberdonau-Zeitung am 10.2.1945 berichtete Alfred Semerau von einem  Kanon (Lied, bei dem in einem bestimmten Abstand zwei oder mehrere Stimmen nacheinander mit der Melodie einsetzen) den ein Dorfkantor (Vorsänger) bei einem Kirchweihfest zur Aufführung bringen wollte.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Ein Dorfkantor wollte einmal das Kirchweihfest durch die Aufführung einer neuen,
 großen Kirchenmusik besonders prächtig gestalten und wandte sich deshalb an Johann Sebastian Bach (geb. 1685, gest. 1750 Komponist, Violinist, Hofkonzertmeister, Orgel- und Cembalovirtuose) mit der Bitte, ihm eine solche Musik zu schreiben, die er dann mit seinen Kollegen aus der näheren Umgebung aufführen wollte. Bach aber, der die armseligen musikalischen Kenntnisse dieser Dorfkantoren nur zu gut kannte, lehnte unter verschiedenen Vorwänden ab. Als aber der gute Kantor mit Bitten nicht abließ und immer dringlicher wurde, fragte er ihn endlich halb unwillig, halb belustigt, welchen Text man denn gewählt habe.

„O, den belieben Sie selbst zu wählen“, versetzte der Kantor mit einer tiefen Verbeugung, „einen Bibelspruch, oder was Sie sonst passend finden mögen.“ Bach versprach nun, die Bitte zu erfüllen und trug dem Kantor auf, alles zur Probe vorzubereiten, zu der er dann selbst sich mit einigen Bekannten einfinden werde. Hocherfreut und mit vielem Dank und Lob verabschiedete sich der Kantor.

Am Morgen des Kirchweihtages fand sich Bach zur Probe in der Dorfkirche ein und sogleich wurden die einzelnen Stimmen der Musik verteilt, die Bach als Kanon mit dem Text „Wir können nichts wider den Herrn reden" gesetzt hatte. Als die Kantoren ihre Plätze eingenommen hatten, begannen sie sogleich frisch vom Blatt zu singen und aus allen Kehlen erscholl es um die Wette in Misstönen und wie Jammergeschrei: „Wir— wir— wir können nichts— nichts— wieder nichts— wir können nichts — wir können wieder nichts...“, bis die Sänger, durch Bach und seiner Begleiter lautes Gelächter aufmerksam gemacht, erkannten, was sie soeben mit viel Eifer in die Welt geschrieen hatten und nun verdutzt und zerknischt wie begossene Pudel dastanden.
„Das macht sich freilich nicht gut, meinte Bach, „aber wir wollen sehen, wie wir das ändern
können.“ Er zog ein anderes kleines Musikstück aus seiner Tasche, das er nun selbst mit seinen Begleitern aufzuführen begann. Und so bekam das Kirchweihfest doch noch, zur großen Freude des Kantors, seinen besonderen festlichen Glanz.

Johann Sebastian Bach 

Bachdenkmal in Leipzig
 



Freitag, 4. Februar 2022

Die Habsburger in kaiserlichen Anekdoten

Die Dynastie der Habsburger regierte einst Österreich, Teile Europas und Kolonien in Übersee.
Im "Deutschen Volksblatt" vom 4. November 1906 berichtet Dr. Franz Schnürer über Anekdoten aus dem Hause Habsburg. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.




Diese Habsburger-Anekdoten erzählen "von einem großen, gewaltigen Geschlecht", sagt der Herausgeber im Vorwort, „das fast ein halbes Jahrtausend lang die Geschicke der halben Welt in Händen hielt“, ein Geschlecht, „in dessen Reich die Sonne nicht unterging". Es sind unterschiedliche Männer. einige wie aus Eisen und auch schlichte, nachgiebige Naturen darunter. Einiges ist bekannt  und auch vieles, dass in weiteren Kreisen noch unbekannt ist.

Rudolf von Habsburg (geb.1218, gest.1291)

Von Rudolf von Habsburg wird folgendes erzählt, das recht merkwürdig an die originelle Rechtsprechung des Kalifen Harun al Raschid erinnert.
Ein Kaufmann klagte dem Kaiser, dass sein Hauswirt einen ihm anvertrauten wohl
 gefüllten Geldbeutel nicht zurückgeben wolle. Rudolf ließ sich den Beutel genau beschreiben, befahl dem Kaufmann im Nebenzimmer zu warten und schickte nach dem Hauswirt. Mit diesem begann er dann ein harmloses Gespräch, in dessen Verlauf er äußerte, der Hut des Mannes gefalle ihm so. dass er ihn besitzen möchte. Der geschmeichelte Wirt überreichte den Hut diensteifrig dem Kaiser, der ihn heimlich durch einen Diener der Hauswirtin bringen lässt mit dem im Namen ihres Mannes ausgerichteten Auftrag, dagegen den bewussten Beutel auszuliefern. Die Frau, die den Hut erkennt und daher keinen Argwohn schöpft, übergibt den Beutel dem Boten, der ihn zum Kaiser bringt. Nun sagte Rudolf dem Wirt ins Gesicht, dass er den Kaufmann bestohlen habe und als der Mann zu leugnen versuchte, zeigte er ihm den Geldbeutel vor. Der Dieb erblasste und gestand zitternd seine Schuld ein und dafür bekam er von Rudolf eine gerechte Strafe. 

Kaiser Maximilian I (geb.1449, gest.1291)

Von Kaiser Maximilian I., dem letzten Ritter, wird erzählt: Maximilian pflegte, wenn er die Hände wusch, einem der umstehenden Höflinge seine Ringe zu halten zu geben. Einer der Diener, den der Kaiser schön öfters damit betraut hatte, brachte es fertig, ihm einige der Ringe nicht mehr zurückzugeben. Als Maximilian das nächste mal die Hände wusch, drängte sich der Dieb wieder heran, um ihm die Schmucksachen abzunehmen, doch da sagte dieser: „Du hast mir die Ringe vom vorigen mal noch nicht zurückgebracht, so werde ich's nicht mehr mit dir versuchen. Aber sei guten Mut's; es kommt bald viel Gold und Edelgestein aus Indien wo sie sehr wohlfeil sind und dann lassen wir neue Ringe machen, damit du wieder was zu nehmen hast."
Eine andere Geschichte von demselben Kaiser.
Es ist bekannt, dass er in Regensburg sogar der Gattung von Frauen, die damals „Die Fahrenden" hießen, sich gnädig zeigte. Während der Reichsversammlung hatte der Magistrat nämlich diese Frauen aus den Stadtmauern verwiesen; sie empfingen den Kaiser als er zum Tore einschritt und klagten ihm ihr Leid. Da befahl er lächelnd der zunächst stehenden, den Schweif seines Pferdes zu fassen, der Zweiten gebot er, den Rock der Ersten zu ergreifen und so fort. Auf diese Art schmuggelte er die verbannten „fahrenden Frauen" am kaiserlichen Pferdeschwanz wieder in Regensburg ein.

Kaiser Karl V (geb.1500, gest.1558)

Das man fürstlichen Personen auch schon in früheren Zeiten fürstliche Gasthausrechnungen präsentierte, verbürgt ein Ereignis aus dem Leben Kaiser Karls V. Auf einer Reise durch Piemont speiste Kaiser Karl mir großem Appetit einen ihm servierten Kapaun. Nach der Mahlzeit erkundigte er sich, wieviel der Vogel gekostet hatte. Als man ihm antwortete: „Sechs Pfund", meinte er: .Hätte ich das gewusst, so hätte er mir nicht so gut geschmeckt."

Von Kaiser Ferdinand l., der sich besonders durch seine Treue auszeichnete, weiss die Geschichtsanekdote zu melden:

Kaiser Ferdinand I (geb.1503, gest.1564)

Der zweite Sohn Kaiser Ferdinand I, Erzherzog Ferdinand von Tirol, hatte gegen den Willen des Vaters eine heimliche Ehe mit der wunderschönen Augsburger Patrizierstochter Philippine Welser geschlossen. Nachdem der Kaiser dem Sohn zwölf Jahre lang wegen dieser Heirat gezürnt, vermittelte Philippine selbst die Versöhnung. Sie kam 1561 unerkannt nach Prag an den Hof des Kaisers, warf sich Ferdinand zu Füßen und klagte ihm das Leid, dass der strenge Vater ihres Gemahls ihr zufüge. Der gerührte Kaiser hob sie auf und versprach ihr, bei diesem harten Vater zu vermitteln, dass er seine liebreizende Schwiegertochter nicht verstoße. Da gab sich Philippine zu erkennen und der überlistete Kaiser erkannte die Ehe als eine morganatische (ebenbürtige) an.

Kaiser Leopold I (geb.1640, gest.1705)

Kaiser Leopold I. liebte nicht nur Musik zu hören, sondern trieb sie auch selbst. Er spielte die Flöte und komponierte. Sein Kapellmeister machte ihm einst über das überraschend große Talent das sonderbare Kompliment: „Wie schade ist es, dass Eure Majestät kein Musikus geworden sind!". Der Kaiser antwortete gemütlich : „Tut nichts, haben's halt so besser!" 

Kaiser Karl VI geb.1685, gest.1740

Ein ähnliches Stück wird von Kaiser Karl VI. erzählt. Karl tat einst einen Meisterschuss auf einen Hirschen. Sein Begleiter, Graf Trautson, ein wegen seines stechenden Witzes und seiner Grobheit im ganzen Reiche bekannter Günstling Karls, sagte darauf: „Dös is a Schuss! Wär' gescheiter, Euer Majestät wären a Jager geworden“. Darauf erwiderte Karl lachend: „Nu, wir, haben so a z'leben“! (wir können so auch leben).

Maria Theresia (geb. 1717, gest. 1780)

Zahlreich sind die Erzählungen aus dem Leben der Kaiserin Maria Theresia und .Kaiser Josefs II. Nach dem Tode ihres Gemahls war Maria Theresia lange nicht im Theater erschienen. Als am 12. Februar 1768 ihrem zweiten Sohn, dem nachmaligen Kaiser Leopold II., der erste Sohn geboren war, erhielt die .Kaiserin diese Nachricht am Abend, als sie in ihrem Kabinett arbeitete. Sofort stürzte sie im Nachtkleid durch die Vorzimmer und Gänge ins Burgtheater und rief hier, sich weit über die Logenbrüstung beugend, ins Parterre hinab: „Der Poldel hat an Buab'n und g'rad zum "Bindband" -  auf meinen Hochzeitstag -, der ist galant!" Parterre und Logen waren wie elektrisiert.
Als Maria Theresia sich zum erstenmal nach dem Tode ihres heißgeliebten Gemahls ihrem Hofstaat zeigte, sah sie die Fürstin Auersperg, die letzte Favoritin Franz I., (der Liason ihres Gatten) in Tränen gebadet, in schwarze Schleier gehüllt, von allen gemieden, die ihr bis dahin gehuldigt hatten, allein beiseite stehen. Maria Theresia ging schnell auf die Unglückliche zu, gab ihr die Hand und sprach laut: „Wir haben wahrlich viel verloren, meine Liebe!" Dann erst sprach sie mit den anderen Damen und Herren, die sich nun emsig wieder um die eben Gemiedene drängten.

Kaiser Joseph II

Kaiser Josef II., der Volkskaiser, hörte einmal beim Exerzieren eines Dragonerregimentes, wie ein Offizier einen Soldaten grob anfuhr. „Herr, Sie vergessen sich!" rief der Kaiser, „dieser Soldat hier ist ebenso gut ein Mensch wie Sie. Er ist Ihr Bruder, wie er der meinige ist, Ich will nicht haben, dass man diejenigen meiner Untertanen, die sich dem Dienste des Vaterlandes widmen, übel behandelt!"
Zwei Frauen, von denen die eine einen auffallenden Kopfputz hatte, überreichten Kaiser Josef II. Bittschriften. Er genehmigte das Gesuch der einen, sagte aber zur anderen: „Sie müssen sich an Ihren Monarchen, den Sultan wenden, ich sehe ja aus Ihrem Kopfputz, dass Sie eine Türkin sind."
Während seiner Reise nach Paris kam Josef früher als sein Gefolge in Rheims an und stieg in dem vorher bestellten Gasthaus ab. Der neugierige Wirt folgte ihm auf sein Zimmer, sah ihm beim Toilette machen und Rasieren zu und fragte ihn, was für ein Amt er beim österreichischen Kaiser bekleide. „Ich rasiere ihn bisweilen," war Josefs Antwort. Tatsache ist, dass Kaiser Josef sich Zeit seines Lebens selbst rasierte, erst bei seiner letzten Krankheit ließ er einen Rasierer kommen. Indem er ihm drei Souverain d'or zahlte, sagte er: „Er ist der erste, der mir ins Gesicht greift."

Als Kaiser Josef beim Entstehen der nordamerikanischen Unruhen um seine Meinung darüber befragt wurde, gab er zur Antwort: „Die Leute mögen in ihrer Lage nicht eben unrecht haben, allein mein Metier erfordert, königlich gesinnt zu sein."

Einst erschienen bei Kaiser Josef gleichzeitig drei Bewerber um eine freigewordene Stelle. Der Kaiser fragte sie nach ihren Verdiensten. „Ich bin von Adel", sprach der erste, „und habe meinen adeligen Sitz durch zwanzig Jahre innegehabt, bin aber durch die Kriegsunruhen vertrieben worden." Der zweite sagte: „Ich bin Soldat und bin viele Jahre in den Niederlanden gelegen." Der dritte erzählte „Ich bin Lehrer und habe vierundzwanzig Jahre der Schule zu N. vorgestanden." Josef antwortete: „Da der Edelmann so lange gesessen, der Soldat so lange gelegen, der Schulmeister aber vierundzwanzig Jahre gestanden ist, so gebe ich dem letzteren die Stelle."

Kaiser Franz I (geb.1708, gest.1765)

Kaiser Franz I. unterwarf sich gemäß seinem Wahlspruch: „ Gerechtigkeit ist die Grundlage der Herrschaften“. Er wich jedem Bürger seiner Residenz auf der Straße aus, fuhr bei den Spazierfahrten im Prater streng in der Wagenreihe und verlor sogar öfters Prozesse gegen seine Untertanen. Das musste ihn begreiflicherweise beim Volk in den Ruf der Gerechtigkeit bringen. In allen hohen und höchsten Fragen der Politik jedoch ließ Franz l. sich vom strengsten Absolutismus leiten. Sein Ausspruch: „Völker? Was ist das? Ich weiß nichts von Völkern, ich kenne nur Untertanen", ist ebenso historisch geworden wie ein anderer: „Die Menschheit bedarf von Zeit zu Zeit starker Aderlässe, sonst wird ihr Zustand entzündlich und es bricht sogleich der liberale Wahnsinn aus." 

Folgende Geschichte zeugt von seiner absolutistischen Anschauung:
Im Februar 1822 sagte der Leibarzt Baron Stifft zum Kaiser: „Dieser obwohl quälende Husten macht mir gar nicht bange, da ich Eure Majestät so lange kenne. Es geht doch nichts über eine gute Konstitution." „Was reden Sie da?" rief der Kaiser, „wir sind alte, gute Bekannte aber Stifft, dieses Wort lassen Sie mich nicht mehr hören! Eine dauerhafte Natur, sagen Sie, oder in Gottes Namen eine gute Komplexion, aber es gibt gar keine Konstitution. Ich habe keine Konstitution und werde nie eine haben!"

Von der Mildtätigkeit Franz I. legt die nachfolgende Geschichte Zeugnis ab: Der Sekretär legte dem Kaiser eine Bittschrift vor, in der ein Beamter, der nach langem Dienst krank und schwach geworden war, um Unterstützung bat. Der Kaiser ergriff die Feder und fragte: „Wie viel ist denn in solchen Fällen üblich?" „Fünfhundert Gulden wär' für's erste wohl genug", meinte der Sekretär. Der Kaiser nickte und schrieb. Als aber der Sekretär Sand über die Schrift streuen wollte, entdeckte er, dass der Kaiser statt der fünfhundert — fünftausend geschrieben hatte und machte ihn darauf aufmerksam. „Ei, wirklich!" lachte Franz, „ich hab' ein Nullerl zuviel geschrieben! Nun, es schadet nichts; was einmal geschrieben ist, soll stehen bleiben. Der Mann hat fünf Kinder — dem will ich das Nullerl gern schenken!"

Kaiser Franz Joseph I (geb.1830, gest.1916)

Dass sich auch schon um Kaiser Franz Josef I. ein Kranz von Legenden gewoben hat, ist bekannt und begreiflich. Zumal die Leutseligkeit und Herzensgüte des Kaisers  dazu gereicht hat um schönen Stoff zu liefern.
Bekanntlich ist der Kaiser ein großer Kinderfreund und lässt sich die Bewunderung und Verehrung der Jugend herzlich gerne gefallen. Folgende hübsche Episode mag als einzelner Fall Beweis hiefür ablegen.
Eines Tages erschien Kaiser Franz Josef unangemeldet in der Militärakademie zu Wiener-Neustadt und betrat schnell einen der Klassensäle. Nachdem er die Schüler freundlichst begrüßt hatte, sprach er zum Vortragenden Professor, Hauptmann Ebersberg: „Lassen Sie sich in Ihrem Vortrage nicht stören, Herr Hauptmann, dann stellte er seinen Generalshut auf die erste Bank und hörte, an die Bank gelehnt, dem Professor zu. Der Schüler B., vor dem des Kaisers Hut lag, wurde von dem Verlangen erfaßt, sich ein wertes Andenken an diese Stunde zu verschaffen; er streckte vorsichtig die Hand nach dem grünen Federbusch des kaiserlichen Hutes aus und entriss ihm mit raschem Ruck eine Feder. Kaum hatten das einige Kameraden B.'s bemerkt, als sie ihm durch Zeichen zu verstehen gaben, er solle sein kühnes Werk fortsetzen und auch ihnen so kostbare Erinnerungszeichen verschaffen. B. folgte diesen Aufforderungen und riss, immer kecker werdend, eine Feder nach der anderen aus des Kaisers Hut. Doch plötzlich entglitt ihm der Hut, schnellte vor und traf den Arm des Monarchen. Der Kaiser blickte sich um und bemerkte den Uebeltäter, der bleich und zitternd eine Strafe erwartete. Der Monarch fragte nur etwas erstaunt: „Was für Absichten hatten Sie mit dieser Feder, mein Lieber?" Ermutigt durch des Kaisers Freundlichkeit stotterte B.: „Ein Andenken, Majestät!"— „Und genügt Ihnen die eine Feder nicht?" — „Nein, Majestät", kam es jetzt keck von den jugendlichen Lippen, „meine Kameraden verlangten jeder eine." — „Nun, dann bleibt mir nichts übrig, als Ihnen den ganzen Busch zu lassen" sagte der Kaiser mit gütigem Lächeln, indem er mit eigener Hand den Federbusch vom Hut löste und dem glückstrahlenden B. reichte. Dann wendete er sich an den Professor: „Herr Hauptmann, Sie müssen die Güte haben, mir indes Ihre Kappe zu leihen!"
Ein donnerndes Hoch aus all den jungen Kehlen dankte dem Herrscher für seine Huld.

Generalshut