Ein Mädchen aus Hinterstoder erzählt aus ihrer Jugendzeit im elterlichen Bauernhaus ca.1930
"Die stille, besinnliche Jahreszeit fing mit dem Binden des Adventkranzes an, Wir verwendeten immer nur Tannenreisig. Wenn die erste der 4 Kerzen in der
ersten Adventwoche angezündet wurde kam vorweihnachtliche Stimmung in unser
Haus.
Am Barbaratag, dem 4. Dezember, schnitt Vater Kirschzweige
vom Baum, gab sie in eine Vase und stellte sie in die Stube. Die anfänglich
kahlen und unscheinbar wirkenden Zweige
zeigten bald, daß die Natur in der Kälte nur den Winterschlaf hält. Schon
nach wenigen Tagen bemerkte man an den Knospen, von der Wärme hervorgelockt,
ein grünliches Schimmern. Wenn die Zweige zu Weihnachten am 24. Dezember zu
blühen begannen, dann, so war man überzeugt, brachte es Glück. Wenn eine
heiratsfähige Tochter im Haus war zeigten die blühenden Barbarazweige eine
bevorstehende Hochzeit an.
In den Rauhnächten, sie begannen mit der Thomasnacht am
21.Dezember und endeten in der Nacht vor dem hl. 3 Königstag am 6. Jänner, sagte
man, durften weder die Schuhe geputzt, noch die Wäsche gewaschen werden. Wäsche stopfen, flicken und die Wäsche im Freien aufhängen durfte man auch nicht. Wenn man es dennoch tat brachte es
Unglück im Stall.
Der Höhepunkt des Jahres war das Weihnachtsfest. Tage oder
manchmal schon ein oder zwei Wochen vorher brachte Vater Tannenreisig und Eibenzweige nach
Hause. Mit diesen Zweigen wurde die Stube geschmückt. Die Eibenzweige hatten
rote Beeren. Sie waren nicht leicht zu bekommen. Es gab nur wenige Eiben
in unserer Gegend und die waren alt und hatten zum Boden hin keine Äste. Man musste
deshalb auf den Baum klettern, oft bis zum Wipfel um schöne Zweige mit Beeren zu
finden.
Den Christbaum holte Vater selbst aus dem Wald. Es war immer eine Tanne. Wenn ein Zweig nicht genau in der Reihe stand oder der Abstand ungleich war schnitt er den Zweig ab und setzte ihn an passender Stelle wieder ein. Der Christbaum verströmte einen wunderbaren Duft von Tannennadeln und Harz und blieb bei uns in der Stube bis Maria Lichtmess am 2. Februar. Von diesem Tag an wurde der Tag wieder um einen "Hirschsprung" länger, sagte man.
Die Wochen vor dem Weihnachtsfest waren voller Erwartungen. Ich dachte damals als Kind, das Christkind könnte man vielleicht doch einmal sehen wenn man ganz still und brav war. Es fliegt hoch vom Himmel, die ganze Nacht über bis in unser verschneites Tal. Über dem Christkind glitzern die Sterne und darunter liegt der dunkle Wald und die verschneiten Bergspitzen. Es könnte doch sein, daß es dann durch das Fenster herein in die Stube huscht und es wird ein Licht sein wie im Himmel.
Ich fragte die Mutter ob man das Christkind auch zu sehen bekommt. Aber die Mutter sagte nur, wie stellst du dir das vor? Das Christkind muss überall sein, bei armen Leuten und Reichen, bei Kranken und Gesunden. Sehen kann man es nicht. Aber man kann es spüren, dass es unter uns ist.
Am hl. Abend nahm Vater eine schwarze Pfanne von der Wand, gab Ofenglut hinein und streute Weihrauch darauf. Während der Duft des Weihrauchs aufstieg wurde leise gebetet und Weihwasser versprengt. Dabei durfte kein lautes Wort gesprochen werden. Dann ging er mit uns durch alle Zimmer und trieb die bösen Geister aus. Dabei sprengte er mit einem kreuzförmigen Tannenzweig und Weihwasser alle Räume und räucherte danach mit Weihrauch. Wir gingen auch in den Stall und dort wurden genau so die Kühe, die Schweine und die Hühner mit Weihrauch und Weihwasser gesegnet. Vor dem Haus wurde in allen Himmelsrichtungen die Wiesen, der Wald und die Felder gesegnet und auch die Schi und der Schlitten damit es keine Unfälle gab.
Zum Räuchern wurden besondere Holzscheite verwendet, die nur wenige Funken bildeten und eine richtige Glut gaben. Diese Scheiter wurden beim Brennholz machen schon ausgesucht und für das Räuchern zur Seite gelegt.Wenn ein Holzstock sehr viele Äste hatte, sehr harzig war und sich schwer spalten ließ, wurde er für die Rauhnacht aufgehoben.
Das Vieh bekam an diesem Tag eine besondere Nachspeise. Tannenzweige wurden ganz fein zerhackt und mit Salz und Weihwasser vermischt und den Tieren gegeben.
Zu einem eigenartigen Brauch gehörte, dass jeder Mann seinen Hut oder Frauen das Kopftuch über den Bauch hielten, 3 mal aufstanden, sich verbeugten, Hut und Kopftuch aufsetzten und wieder abnahmen. Je tiefer man sich dabei verbeugte, desto besser und reichlicher sollte das Getreide im kommenden Jahr wachsen.
An der Kerze der Stall-Laterne wurde die Weihnachtskerze entzündet.
Dann ging die Stubentüre auf und ein heller Lichterglanz strahlte uns entgegen. Viele Kerzen brannten am Tannenbaum und es roch nach Tannenharz und gebratenen Äpfeln.Vergoldete Nüsse, Vanillekipferl und Zuckerringerl hingen auf dem Baum. Darunter lagen die Päckchen. Die Geschenke waren hauptsächlich Dinge die wir Kinder brauchten. Fäustlinge, Wollhauben oder Fleckerlpatschen. Einmal bekamen wir eine Puppe mit echten Haaren die sogar Mama sagen konnte.Die Fleckerlpatschen machte Mutter selbst aus verschieden farbigen Filzstreifen. Die Schuhleisten borgte sich Mutter beim benachbarten Schuster Ambros aus, der auch die Sohlen auf unsere Patschen (Hausschuhe) nähte.
Mutter machte auch Schokolade aus Ceresfett, Zucker und Kakao selbst, genauso wie das Kletzenbrot und Krapfen. Zu Weihnachten hatten wir immer ein Festessen und dabei wurde auch der Mettenlaib (ein besonders großer Brotlaib) angeschnitten. Zuletzt kam noch der "Krambamberl"-Schnaps. Auf eine Gabel kam ein Stück Zucker. Der Schnaps wurde angezündet. Der darüber gehaltene Zucker auf der Gabel lief zischend in das Glas mit dem Schnaps und färbte ihn langsam braun.
Um 11 Uhr gingen wir dann zur Christmette. Als wir der Kirche nach einer Stunde Gehzeit näher kamen haben alle Glocken geläutet.Wir gingen im tiefen Schnee mit einer Laterne in der Hand. Die Glocken klangen in der stillen, heiligen Nacht viel schöner als sonst. Überall kamen von den Bauernhöfen mit schwankenden Laternen die Menschen. In der Kirche war eine tiefe andächtige Stille. Die Menschen, mit Laternen oder Kerzen in den Händen, warteten auf den großen Augenblick an dem unser Pfarrer die Botschaft vom Engel verkünden würde - Jesus, der Erlöser ist in einem Stall in Bethlehem geboren worden. Der nächtliche Gang zur Christmette gehörte zum Höhepunkt in der heiligen Nacht. Der tief verschneite Friedhof, auf dem unzählige Christbäume zum Himmel funkelten und das traditionelle Turmblasen ließen uns einen tiefen, inneren Weihnachtsfrieden finden. Es waren unvergessliche, ergreifende Stunden. Nie habe ich die Christnacht mächtiger erlebt, als damals als Kind in Hinterstoder".
Bilder vom Advent aus den vergangenen Jahren
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Christmette in Hinterstoder |