Freitag, 6. Juli 2018

Die Selbstmordkomödie vom Gleinkersee





Die Kronenzeitung  berichtete im Dezember 1930 von einer Tragikomödie deren Schauplatz der
Gleinkersee war. 

"Der letzte Sproß einer alten oberösterreichischen Patrizierfamilie, der 47 jährige Ingenieur Erich Schröckenfux, dessen "Selbstmord" seinerzeit großes Aufsehen erregte, steht in einer für drei Tage  anberaumten Verhandlung wegen versuchten Betruges vor dem Schöffengericht.
Mit ihm ist seine Freundin, Marie Fuchs, eine Hausbesitzerstochter aus Windischgarsten, die in seine Affären eingeweiht und ihm bei der Ausführung seiner Pläne behilflich war, mit angeklagt. Die Anklage legt Schröckenfux zur Last, er habe durch fingierten Selbstmord mehrere Versicherungsgesellschaften um hohe Beträge betrügen wollen.
Die Familie Schröckenfux besaß seit Jahrhunderten eine Sensenfabrik in Roßleiten in Oberösterreich, sie galten als eine der reichsten Familien im Lande. Bis zum Kriegsende wurde das Unternehmen  von den Brüdern Erich und Artur Schröckenfux geführt, unter ihrer Führung musste das Geschäft wegen schlechten Geschäftsganges  und Kapitalmangel in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden; die beiden Brüder  Schröckenfux waren an dem Unternehmen nur noch mit 20 Prozent beteiligt und mussten sich mit einer Anstellung bescheiden. Die Staatsanwaltschaft schreibt die Schuld  an dem Niedergang auch der leichtfertigen Geschäftsgebarung des Ingenieurs Schröckenfux zu, der sich in der Inflationszeit in allerlei Geschäften, von denen er nicht viel verstand, versuchte und auch ein verschwenderisches Leben führte.
Er geriet immer mehr in Schulden und als er keinen Ausweg mehr sah, fasste er den Entschluss nach Südamerika auszuwandern.
Seine Gefährtin auf der Reise sollte die Geliebte sein. Frau und Kinder sollten erst nach der Flucht von seinem Plan erfahren. Die Kosten der Überfahrt und die Existenzgründung in Südamerika sollten Versicherungsgesellschaften bestreiten.
Schröckenfux hatte sich vor Jahren bei mehreren Versicherungsgesellschaften auf insgesamt 446.000 Schilling (Kaufkraft heute ca. 1 330 000 €) versichern lassen.
Er erörterte wiederholt mit seiner Freundin die Möglichkeiten, von den Versicherungsgesellschaften Geld zu erhalten, sie berieten oft darüber ob ein Unfall oder Tod das richtige Mittel zur Erreichung ihres Zweckes wäre.
Im Mai 1929 schritt Schröckenfux an die Verwirklichung des Planes. Er löste für sich und seine Gattin einen Pass und überreichte an Stelle der Photographie seiner Frau, die der Marie Fuchs. Die Geliebte ließ sich aber auch einen eigenen Pass ausstellen. Schließlich veranlasste Schröckenfux einen der Angestellten der Gesellschaft, einen Pass auf den eigenen Namen, jedoch mit der Photographie von Schröckenfux zu lösen.
Als alles für die Reise vorbereitet war, begab sich Schröckenfux zum Gleinkersee um dort für die Versicherungsgesellschaften zu sterben.
Er ließ am Ufer einige Kleidungsstücke zurück, in den Taschen waren Abschiedsbriefe an den Bruder Artur, dem er als Motiv seines Selbstmordes die misslichen finanziellen Verhältnisse und die Furcht vor geistiger Umnachtung angab. Er gibt dann seinem Bruder den Rat, diesen Abschiedsbrief vorläufig geheim zu halten; vielleicht wird die Allgemeine Unfallversicherung einen Unfall annehmen und die Versicherungssumme auszahlen. Werde aber ein Unfall bezweifelt, dann solle der Abschiedsbrief vorgewiesen und Selbstmord in geistiger Umnachtung behauptet werden; in diesem Falle würden nur die beiden anderen Versicherungsanstalten die Versicherungssummen auszahlen.
Die wahre Absicht Schröckenfux` war aber eine andere:
Die Versicherungssumme sollte die Geliebte beheben, die sich mit dem gemeinsamen Pass als seine Witwe ausweisen konnte.
Bezüglich der Assicurationi Generali, bei der er versichert war, ging Schröckenfux noch weiter; er hatte bereits früher die Polizze einem Notar mit dem Auftrag übergeben, im Falle seines Ablebens die Versicherungssumme zu beheben und Marie Fuchs auszufolgen.

                                              Die Flucht.

Ende Mai fuhr dann Schröckenfux über Berlin  nach Hamburg. Dort wartete er auf das Eintreffen der Freundin. Indessen wurden seine Kleider am Ufer des Gleinkersees  von der Gendarmerie gefunden. Taucher suchten den See nach seiner Leiche ab, doch selbstverständlich ohne Erfolg. Als man die Weisung Schröckenfux`an seinen Bruder gelesen und dann festgestellt hatte, dass Schröckenfux und seine Geliebte mehrere Pässe gelöst hatten, glaubte man nicht mehr an den Selbstmord. Aus Berlin kam die Nachricht, dass man den Selbstmörder dort gesehen habe.
Es wurden Erhebungen in allen Hafenstädten eingeleitet und nach einigen Tagen konnte Schröckenfux  in einem Hamburger Hotel verhaftet werden. Er wurde an Österreich ausgeliefert, befand sich einige Monate beim Kreisgericht  Steyr in Haft, dann wurde er auf freien Fuß gesetzt und für die Durchführung seines Strafprozesses an das Wiener Landesgericht delegiert.
Schröckenfux erklärte sich für nicht schuldig. Wenn ihm die Anklage leichtfertige Geschäftsführung vorwerfe, so müsse er darauf verweisen, dass er jederzeit bestrebt gewesen sei, die von ihm geleitete Sensenfabrik aktiv zu erhalten. Leider sei die wirtschaftliche Lage nach dem Krieg schlecht gewesen, weil der Hauptabnehmer für Sensen, Rußland, nur mehr de Hälfte der früheren Bestellungen beanspruchte.
Ausführlich begründete der Angeklagte den Abschluss von Lebensversicherungen bei verschiedenen Gesellschaften und gibt als Motiv für den Abschluss der Versicherungen zugunsten seiner Geliebten Marie Fuchs an, dass er die Zukunft seiner Braut sicherstellen musste, weil sie seinetwegen zwei Heiratsanträge ausgeschlagen hatte.
Über seine Ehe sagte der Angeklagte: Ich habe 1911 geheiratet, die Ehe war von Anfang an unglücklich, meine Frau war hysterisch. Obgleich ich bestrebt war, ihr das Leben so angenehm als möglich zu gestalten, hat meine Frau mich immer beschimpft. Dazu kam eine wahnsinnig, grundlose Eifersucht meiner Frau.
Vorsitzender: Konnten sie nicht diese Lage durch eine gerichtliche Scheidung ändern?
Angeklagter: Nein, meine Frau wollte davon nichts wissen.
Vors.: Sie haben sich dann für andere Frauen interessiert?
Angeklagter: Erst im Jahre 1928, als ich Fräulein Fuchs kennen lernte. Andere Beziehungen zu Frauen hatte ich nicht, es wurde mir nur fälschlich nachgesagt.
Vors.: Wann ist in ihnen der Entschluss zur Auswanderung nach Südamerika gereift?
Angeklagter: Im Winter 1928 las ich eine Annonce, dass ein Betriebsleiter für ein Eisenwerk in Brasilien gesucht wurde. Um diese Stelle bewarb ich mich. Nach fünf Monaten erhielt ich die Antwort, ich möge mich Ende Mai in Hamburg bei dem Bevollmächtigten der brasilianischen Firma vorstellen.
Da ich meinem ehelichen Leid um jeden Preis ein Ende machen wollte, beschloss ich, Selbstmord vorzutäuschen, um aus Europa ohne Schwierigkeiten verschwinden zu können.
Schröckenfux erzählte weiter, dass er die Fuchs für den 26. zum See bestellt habe. Dort habe er ihr mitgeteilt, dass er am nächsten Tag weggehe. Sie sollte gleich mit ihm kommen. Das Mädchen aber meinte dass sie ihm nachkommen werde. Der Angeklagte bemerkte, dass Marie Fuchs gefragt hat, ob man sein Vorgehen nicht als Versicherungsbetrug auslegen werde. Er habe ihr aber das ausgeredet. "Ich war", sagt Schröckenfux, "felsenfest davon überzeugt, dass man mein Vorgehen niemals als Verbrechen wird auslegen können."
Vors.: Wie sind sie überhaupt bei dem Gespräch mit der Fuchs auf die Versicherung zu sprechen gekommen?
Angeklagter: Die Fuchs meinte, ich solle doch die Versicherung für meine Familie hier lassen. Ich aber sagte ihr drüben gäbe es keine Versicherungen und wenn mir etwas geschehe stünde sie hilflos verlassen in der Welt.
Schröckenfux erklärte, die Marie Fuchs habe nur um die zwei zu ihren Gunsten abgeschlossenen Versicherungen gewußt. Weisung wegen Behebung des Geldes habe er ihr nicht gegeben. Ende Mai habe er sich aus seiner Wohnung entfernt und einige Tage auf der Stofferalm verbracht. Am 27. Mai nachmittags habe er seine Kleider am Seeufer niedergelegt.
Dann sei er in der Nacht von der Station Spital am Pyhrn mit dem Schnellzug nach Deutschland abgereist."
Marie Fuchs bestreitet eine Mitschuld..........

Gleinkersee

Taucher am Gleinkersee
  
Tages Post 4. Dezember 1930
    

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