Die Kronenzeitung berichtete im Dezember 1930 von einer Tragikomödie deren Schauplatz der
Gleinkersee war.
"Der letzte Sproß einer alten oberösterreichischen
Patrizierfamilie, der 47 jährige Ingenieur Erich Schröckenfux, dessen
"Selbstmord" seinerzeit großes Aufsehen erregte, steht in einer für
drei Tage anberaumten Verhandlung wegen
versuchten Betruges vor dem Schöffengericht.
Mit ihm ist seine Freundin, Marie Fuchs, eine
Hausbesitzerstochter aus Windischgarsten, die in seine Affären eingeweiht und
ihm bei der Ausführung seiner Pläne behilflich war, mit angeklagt. Die Anklage
legt Schröckenfux zur Last, er habe durch fingierten Selbstmord mehrere Versicherungsgesellschaften
um hohe Beträge betrügen wollen.
Die Familie Schröckenfux besaß seit Jahrhunderten eine Sensenfabrik in Roßleiten
in Oberösterreich, sie galten als eine der reichsten Familien im Lande. Bis zum
Kriegsende wurde das Unternehmen von den
Brüdern Erich und Artur Schröckenfux geführt, unter ihrer Führung musste das
Geschäft wegen schlechten Geschäftsganges
und Kapitalmangel in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden; die
beiden Brüder Schröckenfux waren an dem
Unternehmen nur noch mit 20 Prozent beteiligt und mussten sich mit einer
Anstellung bescheiden. Die Staatsanwaltschaft schreibt die Schuld an dem Niedergang auch der leichtfertigen
Geschäftsgebarung des Ingenieurs Schröckenfux zu, der sich in der
Inflationszeit in allerlei Geschäften, von denen er nicht viel verstand,
versuchte und auch ein verschwenderisches Leben führte.
Er geriet immer mehr in Schulden und als er keinen Ausweg
mehr sah, fasste er den Entschluss nach Südamerika auszuwandern.
Seine Gefährtin auf der Reise sollte die Geliebte sein. Frau
und Kinder sollten erst nach der Flucht von seinem Plan erfahren. Die Kosten
der Überfahrt und die Existenzgründung in Südamerika sollten
Versicherungsgesellschaften bestreiten.
Schröckenfux hatte sich vor Jahren bei mehreren Versicherungsgesellschaften
auf insgesamt 446.000 Schilling (Kaufkraft heute ca. 1 330 000 €) versichern lassen.
Er erörterte wiederholt mit seiner Freundin die
Möglichkeiten, von den Versicherungsgesellschaften Geld zu erhalten, sie
berieten oft darüber ob ein Unfall oder Tod das richtige Mittel zur Erreichung
ihres Zweckes wäre.
Im Mai 1929 schritt Schröckenfux an die Verwirklichung des
Planes. Er löste für sich und seine Gattin einen Pass und überreichte an Stelle
der Photographie seiner Frau, die der Marie Fuchs. Die Geliebte ließ sich aber
auch einen eigenen Pass ausstellen. Schließlich veranlasste Schröckenfux einen
der Angestellten der Gesellschaft, einen Pass auf den eigenen Namen, jedoch mit
der Photographie von Schröckenfux zu lösen.
Als alles für die Reise vorbereitet war, begab sich
Schröckenfux zum Gleinkersee um dort für die Versicherungsgesellschaften zu
sterben.
Er ließ am Ufer einige Kleidungsstücke zurück, in den
Taschen waren Abschiedsbriefe an den Bruder Artur, dem er als Motiv
seines Selbstmordes die misslichen finanziellen Verhältnisse und die Furcht vor
geistiger Umnachtung angab. Er gibt dann seinem Bruder den Rat, diesen Abschiedsbrief vorläufig
geheim zu halten; vielleicht wird die Allgemeine Unfallversicherung einen
Unfall annehmen und die Versicherungssumme auszahlen. Werde aber ein Unfall
bezweifelt, dann solle der Abschiedsbrief vorgewiesen und Selbstmord in
geistiger Umnachtung behauptet werden; in diesem Falle würden nur die beiden
anderen Versicherungsanstalten die Versicherungssummen auszahlen.
Die wahre Absicht Schröckenfux` war aber eine andere:
Die Versicherungssumme sollte die Geliebte beheben, die sich
mit dem gemeinsamen Pass als seine Witwe ausweisen konnte.
Bezüglich der Assicurationi Generali, bei der er versichert
war, ging Schröckenfux noch weiter; er hatte bereits früher die Polizze einem
Notar mit dem Auftrag übergeben, im Falle seines Ablebens die
Versicherungssumme zu beheben und Marie Fuchs auszufolgen.
Die Flucht.
Ende Mai fuhr dann Schröckenfux über Berlin nach Hamburg. Dort wartete er auf das
Eintreffen der Freundin. Indessen wurden seine Kleider am Ufer des Gleinkersees von der Gendarmerie gefunden. Taucher suchten
den See nach seiner Leiche ab, doch selbstverständlich ohne Erfolg. Als man die
Weisung Schröckenfux`an seinen Bruder gelesen und dann festgestellt hatte, dass
Schröckenfux und seine Geliebte mehrere Pässe gelöst hatten, glaubte man nicht
mehr an den Selbstmord. Aus Berlin kam die Nachricht, dass man den Selbstmörder
dort gesehen habe.
Es wurden Erhebungen in allen Hafenstädten eingeleitet und
nach einigen Tagen konnte Schröckenfux
in einem Hamburger Hotel verhaftet werden. Er wurde an Österreich
ausgeliefert, befand sich einige Monate beim Kreisgericht Steyr in Haft, dann wurde er auf freien Fuß
gesetzt und für die Durchführung seines Strafprozesses an das Wiener Landesgericht
delegiert.
Schröckenfux erklärte sich für nicht schuldig. Wenn ihm die
Anklage leichtfertige Geschäftsführung vorwerfe, so müsse er darauf verweisen,
dass er jederzeit bestrebt gewesen sei, die von ihm geleitete Sensenfabrik
aktiv zu erhalten. Leider sei die wirtschaftliche Lage nach dem Krieg schlecht
gewesen, weil der Hauptabnehmer für Sensen, Rußland, nur mehr de Hälfte der
früheren Bestellungen beanspruchte.
Ausführlich begründete der Angeklagte den Abschluss von
Lebensversicherungen bei verschiedenen Gesellschaften und gibt als Motiv für
den Abschluss der Versicherungen zugunsten seiner Geliebten Marie Fuchs an, dass
er die Zukunft seiner Braut sicherstellen musste, weil sie seinetwegen zwei
Heiratsanträge ausgeschlagen hatte.
Über seine Ehe sagte der Angeklagte: Ich habe 1911
geheiratet, die Ehe war von Anfang an unglücklich, meine Frau war hysterisch.
Obgleich ich bestrebt war, ihr das Leben so angenehm als möglich zu gestalten,
hat meine Frau mich immer beschimpft. Dazu kam eine wahnsinnig, grundlose
Eifersucht meiner Frau.
Vorsitzender: Konnten sie nicht diese Lage durch eine
gerichtliche Scheidung ändern?
Angeklagter: Nein, meine Frau wollte davon nichts wissen.
Vors.: Sie haben sich dann für andere Frauen interessiert?
Angeklagter: Erst im Jahre 1928, als ich Fräulein Fuchs
kennen lernte. Andere Beziehungen zu Frauen hatte ich nicht, es wurde mir nur
fälschlich nachgesagt.
Vors.: Wann ist in ihnen der Entschluss zur Auswanderung
nach Südamerika gereift?
Angeklagter: Im Winter 1928 las ich eine Annonce, dass ein
Betriebsleiter für ein Eisenwerk in Brasilien gesucht wurde. Um diese Stelle
bewarb ich mich. Nach fünf Monaten erhielt ich die Antwort, ich möge mich Ende
Mai in Hamburg bei dem Bevollmächtigten der brasilianischen Firma vorstellen.
Da ich meinem ehelichen Leid um jeden Preis ein Ende machen
wollte, beschloss ich, Selbstmord vorzutäuschen, um aus Europa ohne
Schwierigkeiten verschwinden zu können.
Schröckenfux erzählte weiter, dass er die Fuchs für den 26.
zum See bestellt habe. Dort habe er ihr mitgeteilt, dass er am nächsten Tag
weggehe. Sie sollte gleich mit ihm kommen. Das Mädchen aber meinte dass sie ihm
nachkommen werde. Der Angeklagte bemerkte, dass Marie Fuchs gefragt hat, ob man
sein Vorgehen nicht als Versicherungsbetrug auslegen werde. Er habe ihr aber
das ausgeredet. "Ich war", sagt Schröckenfux, "felsenfest davon
überzeugt, dass man mein Vorgehen niemals als Verbrechen wird auslegen
können."
Vors.: Wie sind sie überhaupt bei dem Gespräch mit der Fuchs
auf die Versicherung zu sprechen gekommen?
Angeklagter: Die Fuchs meinte, ich solle doch die
Versicherung für meine Familie hier lassen. Ich aber sagte ihr drüben gäbe es
keine Versicherungen und wenn mir etwas geschehe stünde sie hilflos verlassen
in der Welt.
Schröckenfux erklärte, die Marie Fuchs habe nur um die zwei
zu ihren Gunsten abgeschlossenen Versicherungen gewußt. Weisung wegen Behebung
des Geldes habe er ihr nicht gegeben. Ende Mai habe er sich aus seiner Wohnung
entfernt und einige Tage auf der Stofferalm verbracht. Am 27. Mai nachmittags
habe er seine Kleider am Seeufer niedergelegt.
Dann sei er in der Nacht von der Station Spital am Pyhrn mit
dem Schnellzug nach Deutschland abgereist."
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