Freitag, 21. September 2018

"Hinterstoder am Großen Priel" Eindrücke von einem Besuch 1821



Ignatz von Kürsinger (geb. 1795 in Ried/Innkreis, gest. 1861 in Salzburg) war ein vielfach ausgezeichneter Schriftsteller, Beamter, Erstbesteiger des Großvenedigers, Topograf und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Am 10. Oktober 1823 berichtete er im "Österreichischen Bürgerblatt" von einem Besuch im Stodertal vor fast 200 Jahren. Die Schreibweise des Berichtes aus seinem Tagebuch von 1821 wurde zum besseren Verstehen dem heutigen Stil angepasst und etwas gekürzt.

Vier kleine Stunden von dem aufgelassenen Collegiatsstift Spital am Pyhrn, gegen Sonnenniedergang liegt das schöne Hinterstoder-Tal. Der Weg dorthin ist für Fahrende zu holprig, für Fußgänger sehr gut. Schon in Vorderstoder übersieht man einen Teil des Hinterstoder-Tales, dessen westliche Begrenzung von ungeheuren Felsmassen, das erstaunte Auge, für das was es noch sehen soll, gleichsam vorbereitet. Besonders zeichnen sich unter dieser Felsenkette die Spitzmauer und der Große Priel aus.
Das Tal ist übrigens ganz flach und mag schon durch Jahrhunderte von Menschen bewohnt sein, denn Jahrhunderte gehören dazu um eine solche Gegend fruchtbar zu machen. Der Name Stoder führt mich auf die Vermutung, ob nicht die ersten Bewohner Städter oder Stadtbewohner gewesen sein mögen und zwar aus jenen unruhigen Zeiten, in welchen der eroberungssüchtige Attila mit seinen Hunnen beinahe ganz Europa überschwemmt hatte. Diese Mutmaßung wird durch die allgemeine Sage der Talbewohner noch mehr begründet, dass ihre Vorfahren Wälsche gewesen seien.Wenn man die Geschichte der großen Völkerwanderung nachblättert, so dürfte die Ankunft dieser Wälschen wohl in jene Zeit fallen (um 454 nach Christi Geburt), in welcher nach dem Sturz des Attila, durch den Römer Aetius, die Heruler und Rügier über die Donau kamen und in`s Norgau einfielen. Genau so wie die Alemanier und Thüringer über den Inn vordrangen und durch ihre Raubsucht und Grausamkeiten die Bewohner zwangen, in dichte Waldungen oder unbekannte Gebirgstäler zu flüchten. Einige Häuser wie jenes der Prieler, Klinser, Poppen etc.könnten von diesen wälschen Flüchtlingen erbaut worden sein. Man darf nur diese Häuser besichtigen, deren Bauart von der gewöhnlichen der übrigen Bauernhöfe dadurch auffallend absticht, dass sie sehr großes Alter vermuten lassen. Diese Mauern sind sehr massiv, ja einige sogar von sechs Schuhen (1 Schuh = ca. 30cm) Dicke erbaut, im Inneren oft gewölbt und von einer solchen Konstruktion, dass man unmöglich Landleute für ihre Erbauer halten kann. Doch genug davon!
Beinahe 800 Menschen wohnen in diesem Tal. Manche in isoliert liegenden kleinen Hütten und einige in beträchtlichen Bauernhöfen. Die Natur scheint für diese Gebirgsbewohner mehr als für den Flachländer getan zu haben, denn sie sind meistens von einem starken Körperbau und voller Gesundheit. Manche sind von ungewöhnlicher Stärke, wozu freilich ihre einfache Lebensart und von Jugend an gewohnte harte Arbeit viel beitragen.. Übrigens sind diese Talbewohner gute Menschen, empfänglich für das Bessere, aber in mehrfacher Hinsicht noch ziemlich zurück, denn erst seit 34 Jahren erfreut sich dieses Tal einer Schule und Kirche.
Durch den sehr freundschaftlichen Umgang mit dem dortigen tiefreligiösen Pfarrer Knoll war es mir möglich, Manches zu beobachten, was sonst meinem Blick entgangen wäre. Die weit fortgeschrittene Kultivierung ihrer Felder verdanken die Talbewohner ihrem in der Landwirtschaft vortrefflich gebildeten Pfarrer. Ich will hier nur ein Beispiel zum Beweis anführen. Der Broterwerb der Bewohner von Hinterstoder besteht in Feldarbeit. Allein die Lage der Felder und das raue Klima wirft kaum den Lohn der verwendeten Kosten ab. Seitdem der Pfarrherr Knoll vor vielen Jahren den Erdäpfelanbau im Tal anfing, der vorher ganz unbekannt war, haben das die Bewohner seines Pfarrtales übernommen und man sieht ringsum schöne Erdäpfel und Getreidefelder die besonders in den harten Zeiten 1816 und 1817 ein vortreffliches Schutzmittel gegen die drohende Hungersnot waren.
So wirkt der Mann in seinem stillen, abgelegenen Tal viel Gutes, ist der Schutzengel seiner Bewohner und findet seinen schönsten Lohn in seinem bescheidenen Bewusstsein, Glück und Segen verbreitet zu haben.
Der einträglichste Erwerbszweig dieser Gebirgsmenschen besteht aber im Holz, wovon jährlich ein beträchtlicher Teil auf dem Steyrfluss in Blöchen fortgeschwemmt und zu Brettern oder zu anderem Baumaterial nach Wien oder Ungarn geschickt und dort verarbeitet wird.


Hinterstoder,   Gemälde von E.T.Compton ca. 1890


Stromboding mit Schwemmholz,  Gemälde   E.T. Compton ca.1890

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