Freitag, 27. September 2019

Wie der Schmalzer Toni den Teufel betrogen hat. Volkssage aus dem Stodertal

In der "Tages Post" vom 11.1.1937 kann man die Geschichte vom Schmalzer Toni nachlesen.

Der Schmalzer Toni, das ist ein ganz Ausgepichter, Abgefeimter, für den ist wie der Herr Förster meint, die Höll noch viel zu gut. Wenn der einmal stirbt, muss für ihn etwas Besonderes, Extriges her, wo er seine Sünden nach Gerechtigkeit abbüßen kann. Das ist deshalb, weil der Schmalzer Toni nicht nur ein braver Stoderer, sondern nebenbei auch ein ganz arger Wilderer ist. Und wildern, das ist für den gestrengen Herrn Förster die achte, nein, gleich die allererste Todsünd.
Und darum hat er dem Toni Tod und Verderbnis zugeschworen, und die Jägerleut passen auf ihn bei Tag und Nacht, wo er geht und steht, um ihm sein übles Weidwerk zu legen. Der Toni kommt sich bald schon selbst wie ein gehetzter Hirsch vor, so setzen sie ihm zu, und er merkt, jetzt heißt es, von seiner Leidenschaft für Hirschen und Gämsen abzulassen, oder es nimmt kein gutes End´.
Ja, aber, wenn das so leicht ging! Von der Jagerei ablassen? Nein, lieber noch vom Leben! Trübsinnig schleicht der Toni wieder einmal durch den Wald, seine Büchse liegt im sicheren Versteck. Wohl hätte ein herrlicher Bock ihm angestanden, aber die Luder haben ihn ja nicht zum Schuß kommen lassen. Ein Fluch entreißt sich seinen Lippen. „Da soll doch gleich der Teufel reinfahren!“ brummt er unwirsch vor sich und – fahrt auch schon zu Tod erschrocken zusammen.
Den er freveligerweise hat angerufen, der Unheilige, Unheimliche, steht jetzt leibhaft vor ihm. Kein Zweifel, der Teufel ist es in eigener Person; die furchtbare Gestalt, die Hörner am Kopf, der Leib voll Zoten und der Pferdefuß, nichts von den höllischen Attributen fehlt ihm. Und grob ist er auch noch.
„Tepp, gscherter; was zitterst denn so?“ schreit er mit seiner rauhen, heiseren Stimm`den Toni an, der am liebsten in ein Mausloch gekrochen wäre und sich nicht aufzuschauen getraut. „I friß di ja nöt, i will dir ja helfen. I woaß was di druckt. Der Förster ist`s mit seine Knecht, denen kimmst nimmer aus. Aber wannst mir folgst, lachst über sie, hast freie Jagd im ganzen Revier, kannst schiaßn, wann und wieviel du willst.“
Ordentlich leutselig und freundlich wird jetzt der Unheimliche. Und er hat den Toni beim Rockknopf gepackt und haltet ihn fest, dass der ihm nicht davonrennt.
„I woaß dir a Mittel. Wannst auf der Pirsch so an Grünrockigen siachst, dann sagst nur die zwoa Wörter: Uriel hilf! Und bist scho a Haselbusch, so lang du`s willst und brauchst!“
Der Toni schwitzt Blut. Was ihm der Fürchterliche da vorerzählt, das wär ja gar fein, aber er weiß auch, da steht ein hoher, der allerhöchste Preis darauf – das ewige Seelenheil. Ein Hintertürl durch das man wieder hinausschlüpfen könnt aus dem höllischen Pakt! Und da fahrt ihm auch schon ein lichter Gedanke durchs Hirn.
„Guat!“ sagt der Toni, „i schlag ein. Aber zwanzig Jahr muaßt mir geben, net a Stund früher darfst um mei Seel kommen. Heut über zwanzig Jahr um diese Zeit! Kimmst aber z`spat, dann hast verspielt, dann is die G`walt über mi valorn.“
„Wohl, wohl“, sagt der andere, „des gilt scho. Ehrlich Spiel! I bin net so oaner wia ihr Spitzbuam da droben auf der Welt. Mach ma`s glei richtig!“
Als ordentlicher Geschäftsmann hat er auch Schreibpapier und Feder bei sich, nur keine Tinte nicht, weil herkömmlicherweise seine Geschäftsfreunde mit ihrem eigenen Blut unterschreiben müssen. Und das tut der Toni auch. Und wie er den Zettel unterschrieben hat, ist der andere auch schon weg, als wie vom Erdboden verschlungen. Der Toni aber greift sich an seine Nase und zwickt sich in den Arm, ob er wohl wach ist und ihn nicht etwa ein Traum genarrt hat. Doch der höllische Gestank, der noch in der Luft liegt und ihm jetzt noch den Atem verschlägt, und die halbverbrannte Joppe, wo ihn der andere mit seinen feurigen Krallen angegriffen hat, sagen dem Toni deutlich, dass alles bare Wirklichkeit gewesen ist-
Jetzt aber fangt für den Toni eine Zeit an wie für die Hasen, wenn sie im späten Herbst im Krautacker sitzen. Hätte er nicht unverdienterweise ein braves Weib, das auf die Wirtschaft schaut, wäre es mit der seinen bald bergab gegangen, denn er hat nimmer viel Zeit für sie, man sieht ihn fast nur mehr im Wald. Nur einer sieht ihn nicht und findet ihn nie, obwohl grad der seine Seligkeit dafür hergäbe, könnt er dem Malefizkerl von einem Wilderer einmal eins auf den Pelz brennen. Das ist der gestrenge Herr Förster, der sich alle Tage im Jahr die Haare ausrauft vor Zorn, weil er dem Toni, dem größten Erzlumpen auf dieser sündigen Welt, niemals auf seine Schliche kommen kann. Umsonst ist alles Passen bei Tag und Nacht, umsonst hetzt er seine Jäger hin und her, dass sie vor lauter Ärger und Schinderei schier von Sinnen kommen, den Toni hat doch keiner erwischt. Der ist jetzt Herr im Revier, der steht jetzt über dem Herrn Förster und dem gnädigen Jagdherrn selber, ihm gehören die Hirschen und Gämsen im ganzen Revier, die anderen müssen mit dem vorlieb nehmen, was er ihnen übrig lässt. Ist ja kein Wunder, wenn der Leibhaftige selber mit ihm im Bunde steckt! Oft knallt`s im Wald, und es vergeht nicht soviel Zeit, als man zu einem Vaterunser braucht, dass sie schon von allen Seiten herbeigerennt kommen, der alte, dicke Herr Förster selbst, der kaum mehr schnaufen kann mit seinem kurzen Atem, aber sie finden nichts und niemanden und schauen sich mit langen, zornroten Gesichtern an. Wer sieht denn auch unter lauter Bäumen auf den unschuldigen Haselbuschen, der auf einmal dasteht, wo früher keiner gewachsen ist? Aber wenn sie in ihrem Ärger nicht so laut miteinander streiten würden, möchten sie merken, wie es in seinen Blättern so sonderbar rauscht. Es ist nicht der Wind, der in seinen Zweigen spielt, es ist des Erzlumpen und Hauptwilderers, des Schmalzer Tonis schadenfrohes Gelächter.
Aber die Zeit vergeht, unheimlich schnell vergeht sie, und wie das zwanzigste Jahr anfangt, will den Toni das Jagern nimmer freuen. Die Hirschen und Gämsen haben jetzt Ruh vor ihm und auch der Herr Förster mitsamt seinen Jägerleuten. Nur einer findet jetzt gar keine Ruh, das ist der Toni selber. Wenn er an die Stund` denkt, wo die Abrechnung kommt, steigen ihm die Grausbirnen auf und sträubt sich ihm das Haar in die Höhe. Trübselig und kopfhängerisch schleicht er ums Haus herum, den Wald mag er nicht einmal mehr anschauen. Er glaubt nicht mehr, dass ihm sein Mittel, das der Pfiffikus damals ausgeheckt hat, aus den Klauen des höllischen Feindes heraushelfen wird. Jetzt, wo der Zahltag kommt, hat die Sache ein ganz anderes Gesicht. O Toni, o Toni, wie wird`s dir gehen?
Zum Schluss fängt die Zeit förmlich zu rennen an und der furchtbare Tag ist auf einmal da. Der Schmalzer Toni ist für seine Leute fast nicht mehr zu erkennen. Wie die Stund`kommt, wo sein höllischer Pakt abläuft, macht er sich auf den Weg, denn auf der nämlichen Stell im Wald will er den Furchtbaren erwarten. Sein einziger Knecht muss ihn unwissender Weise begleiten und ein Stückerl geweihter Kreide nimmt er in seiner Tasche mit. Auf diesem Gang aber hat der Toni alle seine Wilderersünden dreimal abgebüßt und das Heulen und Zähneknirschen der Verdammten lernt er jetzt schon als Lebendiger kennen.„Schorschl“, sagt er zum Knecht, „jetzt hörst zu und tust hernach genau so, wie ich dir sag`! Und wunder dich über nix, auch nicht, wenn ich auf einmal nimmer da bin und du anstatt meiner bloß a Haselnußstaudn siachst. Mit der Kreidn aber ziagst um den Buschen an Kreis, schneidest ein schönes Kreuz in den Stamm und dann sagst dreimal: „In Gottes Namen!“, schaust dich net um und gehst heim -“
Und alles geschieht so, wie`s der Toni anschafft. Und wie`s auf Elfe von der Stoderer Pfarrkirchenuhr den letzten Schlag tut, da hebt ein jeher Wind an und der Teufel ist auch schon da. Seine Augen sind so groß wie die Taler und leuchten schier wie Feuer, aber den Toni sieht er trotzdem nicht, er sieht nur die Haselnußstaud`n inmitten von einem geweihten Kreis. Da faßt den höllischen Gesellen ein richtiger Teufelszorn. Weil er sich so um die Seel` vom Toni geprellt sieht, dass er blindwütig mit seinen Kloben auf den armen Burschen dreinschlägt und ihn schier gleich zerreißen möcht`. Gar nimmer hört er mit dem Schlagen und Stoßen auf, dass sich die Äste nur so biegen und es durch das ganze Gesträuch wie ein Stöhnen und Jammern geht. Aber das heilige Zeichen bewahrt ihn vor dem Äußersten.
Da aber schlagt`s Zwölfe und der Teufel ist mit einem lästerlichen Schrei verschwunden. Wie der Toni aus dem Kreis heraustritt, schaut er grauenhaft aus; sein Gesicht ist ganz zerschunden und zerkrallt, kein heiler Fleck ist an ihm. Tief atmet er auf und schlagt`s Kreuz, dann schaut er sich ängstlich nach allen Seiten um, setzt zum Laufen an und rennt und rennt und rennt -



Zu den Rauhnächten am Ende jeden Jahres ziehen
Teufel und Perchten durch das Stodertal.

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