Freitag, 20. Dezember 2019

Auf Brettern in Oberösterreich

Ein Pionier des Schisports in Oberösterreich erzählt:

Prof. Gregor Goldbacher aus Steyr (geb. 1875, gest. 1950) war oft in Hinterstoder und verbrachte hier in seinem Ferienhaus Freizeit und Urlaub. Er erlebte die Anfänge und die Entwicklung des Schisports in Oberösterreich persönlich mit und hat darüber in der Oberdonau Zeitung am 12.12.1943 berichtet. Der Artikel wurde etwas gekürzt und an unsere Zeit angepasst.

"Wir Alten sind der Meinung, dass die heranwachsende Jugend vielleicht in besinnlichen Stunden doch gerne erfahren möchte, wie sich bei uns dieser freieste aller Wintersporte entwickelt hat, wobei ich hauptsächlich das Gebiet der Ennstaler Alpen im Auge habe. Das Schilaufen (Ski, norwegisch, zu deutsch Scheit), welches in den nordischen Ländern seit Jahrhunderten allgemeines Verkehrsmittel und Volkssport war und noch ist, wurde erst im zweiten Drittel des vorigen Jahrhunderts, zuerst im Schwarzwald und dann in den Alpenländern allmählich bekannt, und zwar zuerst im Dienste des Jagdpersonals, welches mit größter Freude die unförmigen Schneereifen, die ein so anstrengendes Stapfen im Schnee erforderten, mit den flinken Bretteln vertauschte und die auch das Bergansteigen ungemein erleichterten. Bald aber hat sich der Schisport sozusagen lawinenartig ausgebreitet, so dass bei den Olympischen Spielen 1936 die besten Vertreter von 28 Nationen mit den "weltbedeutenden" Brettern aufmarschierten und im schönen Bayernlande um die Palme des Sieges rangen. Von Europa aus trat der Schi seinen Siegeslauf über alle Erdteile an, denn er glitt über den ewigen Schnee des heiligen Berges Fujiyama in Japan ebenso behende wie über die Schneefelder der australischen Alpen, über die weiten Firne der Fünftausender-Vulkankegel am Äquator in Afrika und über die einsamen Schneehalden der Rocky Mountains in Nordamerika.

Heutzutage (der Artikel wurde 1943 geschrieben), wo auch das Schilaufen bei uns schon zum Volkssport geworden ist, sind wir Alten fast ein wenig stolz darauf, dass wir hier, abseits von den großen Sportplätzen, dennoch an seiner Wiege gestanden sind, seine Entwicklung miterlebt und auch zu seiner Verbreitung beigetragen haben.
Als zu Beginn der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Waffenerzeugung in Steyr in voller Blüte stand, da sausten einige Offiziere der norwegischen Gewehrübernahmekommission zum allgemeinen Erstaunen der Zuseher und unter dem Lachen der nachlaufenden Jugend den steilen Straßenzug "Gsangberg" hinunter und landeten in schönem Telemarkschwung vor dem Gebäude wo sie zu tun hatten. Diese Norweger dürften in unserer Heimat wohl die ersten Schiläufer gewesen sein. Bald aber folgten ihnen einige Alpenvereinsmitglieder in Linz und Steyr. Im Jahre 1898 wurde an der damaligen Oberrealschule in Steyr die erste Schülerabteilung gegründet, mit welcher der Schreiber dieser Zeilen durch zwanzig Winter an freien Nachmittagen die Hänge des Damberges befuhr und 1905 den Schiklub "Telemark" gründete, der zehn Jahre seine Tätigkeit entfaltete und durch Wettläufe, die auch von auswärtigen Schisportlern besucht wurden, sowie durch die Ausdehnung des Schilaufes auf mehrere Ennstaler Berge, wie Schoberstein, Almkogel, Bodenwies, Voralpe und Stumpfmauer, Maiereck, Hoher Nock, Lahngang bei Admont und die prächtigen Schiberge von Mitterndorf, zur Ausbreitung dieses Sports beitrug.
Sehr bald hatte auch die ländliche Jugend die Lust dieses neuen Sports erkannt, sich seiner rasch bemächtigt, anfangs sogar mit Faßdauben und Spagatschnurbindung die Abfahrten stramm bewältigt und mit Jubel den Weg zur Schule auf den Bretteln zurückgelegt. Kleine Sprunghügel entstanden da und dort und bald sauste die schneidige Jugend kühn über die luftige Kante in den weichen, molligen Schnee. Hatte das weibliche Element anfangs ein wenig gezögert, bei diesem "Männersport" mit zutun, so ergab es sich sehr bald und es stellte sich auch die Mode in den Dienst des Sports. Die Mode beteiligte sich aber auch mit Leistungen von sportlicher Bedeutung. Auch die militärischen Formationen erkannten bald die Bedeutung dieses Wintersports, gründeten eigene Abteilungen und beteiligten sich an den Wettläufen. Den wunden Punkt in den Anfangsstadien des Schilaufes bildete die "Bindung". Zur damaligen Zeit gab es damit immer Schwierigkeiten und gar oft unternahm ein Schi ohne seinen Herrn eine lustige Talfahrt wenn die Bindung allzu locker saß.

Wir begannen ja mit der sogenannten "Norwegerbindung", die aus einem zusammen gebogenen spanischen Rohr, (das alte Schulmeisterstaberl) bestand, mühten uns mit der "Langriemenbindung", versuchten später die "Balata" oder "Patschenbindung", die aus einem Chromlederschuh bestand, der leider im Schnee sehr weich wurde, gingen dann über zur starren "Lilienfelder" und zur militärischen "Bilgeribindung", welche wieder Reparaturen bei größerer Kälte schwierig machten und den Sprunglauf überhaupt nicht erlaubten. Ja, es entstand in den Sportzeitungen damals sogar ein heftiger Federkrieg über den Wert und Unwert der einzelnen Bindungen. Ais aber endlich Huitfeld die einfache "Lederriemenbindung" mit den Eisenbacken erfand, waren wir davon begeistert. Diese Bindung in Verbindung mit dem "Bildsteinstrammer" ist in ihren Grundelementen eigentlich, wenn auch mit verschiedenen Abarten, heute noch allgemein üblich. In den ersten Jahren unseres Jahrhunderts (gemeint 1900), in welche Zeit ja die Anfänge des Schilaufens in unseren Bergen fallen, gab es noch keine Schilehrer, keine Lehrbücher und keine Kurse, so dass wir uns selbst eine gewisse Technik zurechtlegen mussten. Wir fuhren, wie der Schiapostel Zdarsky in Lilienfeld, mit einem langen Bergstock, wurden wohl schneidige Schußfahrer, kamen aber jedoch über den "Stemmbogen" und den eleganten "Telemarkschwung"nicht hinaus.
Die Schiläufer von heute können sich gar keine Vorstellung von der Mühe und Anstrengung machen, weiche beispielsweise eine Besteigung der Berge bei tiefem Schnee mit den Bretteln erforderte, da wir ja damals weder Seehundsfelle noch Steigwachs kannten, so dass wir mit um die Bretter gebundenem Fichtenreisig oder rauhen Tüchern uns notdürftig behelfen mussten. Rechnet man die damals noch so mangelhaften Schibindungen hinzu, so gehörte schon ein gehöriges Ausmaß sportlicher Begeisterung zu solchen Fahrten. Allerdings winkte für die mühevolle Besteigung ein unvergleichlicher Lohn, denn zur damaligen Zeit konnten wir meist nach Herzenslust im unberührten jungfräulichen Schnee unsere Spuren bei der Abfahrt ziehen, in jenem glitzernden Kristallschnee, der so seltsam an den Schispitzen stäubt und knistert und auch so manchen "Stern" sah, aber uns nur in weiße, weiche Wolken hüllte.

Nach fast vier Jahrzehnten stand ich wieder mit den Bretteln am Kalblinggatterl, aber die Abfahrt erkannte ich kaum wieder, denn die moderne Schwung-und Quersprungtechnik verwandelt den Schnee in ein hartes Brett, das uns Alten wenig Freude bereitet. Auch sonst ist vieles anders geworden, unverändert bleibt nur die Winterschönheit in den Bergen unserer Heimat."
G. Goldbacher.



Mathias Zdarsky (geb. 1856,  gest. 1940)

 war einer der ersten Schipioniere und gilt als 

 einer der Begründer der alpinen Schilauf-Technik.





Das Alpineum in Hinterstoder zeigt die Entwicklung des Schisports 

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