In Aufzeichnungen und Erzählungen von ganz alten Leuten aus
dem Stodertal wurde immer wieder von dem Leid der Dienstboten in manchen
Bauernhäusern berichtet. Schutzlos mußten junge Mägde manchen Bauern und Knechten
zu Willen sein. Wenn sich Nachwuchs einstellte wurden sie rücksichtslos im
Stich gelassen.
Manche Mägde versuchten verzweifelt ihr Kind abtreiben zu
lassen und gerieten dabei in ihrer Not und ohne Geld oft an zweifelhafte,
manchmal selbsternannte Ärzte. Es wird von einem Arzt, einem Flüchtling berichtet, der Abtreibungen in einem Untermietzimmer durchgeführt
haben soll. Manches Kind überlebte schwer behindert eine versuchte Abtreibung.
Ein Mädchen namens "Zenzi" war stark behindert und
hatte ein verkrümmtes Rückgrat. Der Grund war eine Zyste an den Lendenwirbeln,
die eine Lähmung und Krümmung der Wirbelsäule hervorrief. Gleich nach der Geburt sah
man, dass bei einem Auge des Kindes auch die Pupille fehlte. Zenzi war deshalb
auf einem Auge blind.
Trotz ihres Buckels bekam sie später zwei Kinder. Eine Tochter bekam sie von einem Mann
der 40 Jahre älter war als sie und von der zweiten Tochter war der Vater ein so
genannter "billiger Jakob". Das war ein fahrender Händler mit einem
Bauchladen, der Haarmaschen, Sicherheitsnadeln, Druckknöpfe, Einziehgummi,
Schuhbänder, Taschenveitl (Taschenmesser)
und mehr verkaufte.
Zenzi kämpfte sich trotz ihrer Behinderung, mit harter Arbeit bei Bauern, durch das Leben. Als sie alt war kam sie in das Armenhaus und starb dort mit 65 Jahren. Ein Armenhaus damals ist aber nicht mit einem Altenheim heute zu vergleichen. Es war ein Massenquartier mit kärglichster Nahrung und ermöglichte lediglich ein Dahinsiechen bis zum Tod.
So verliefen oft Schicksale armer Leute in der "guten,
alten Zeit".
Ein fahrender Händler, genannt "Billiger Jakob". |
Ein fahrender Händler |
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