Freitag, 26. Februar 2021

Das trauernde Reh und die Geschichte von Weißpfot

Berührende Geschichten in denen Tiere zu Freunden von Menschen wurden gibt es viele, wie diese aus unserem Bezirk Kirchdorf. Die Sympathie und Liebe, die Tiere von uns Menschen bekommen, geben sie wieder zurück.
Der Artikel vom Reh war in der Oberdonau-Zeitung am 15. April 1943 zu lesen.



Vor einem Jahr hatten Bauern aus einem Dorf unweit Pettenbach bei der Heumahd ein junges Reh aufgefunden, das ganz hilflos war und sicher eingegangen wäre, wenn es die Bäuerin nicht mit nach Hause genommen und mit der Saugflasche aufgezogen hätte. Längere Zeit lebte das Tier völlig zahm am Hof, bis es eines schönen Tages im Wald verschwand.

Vor kurzem starb nun die Bäuerin plötzlich an einem Herzleiden. Als sich am Begräbnistag der Leichenzug gegen Pettenbach zu bewegte, bemerkten die Hinterbliebenen und Trauergäste, wie dem Zug in angemessener Entfernung unbeirrt ein Reh folgte, welches durch ein sicheres Merkmal gekennzeichnet, als Jenes erkannt wurde, das von der Verstorbenen so mühselig aufgezogen worden war.

Weißpfot

Am Ortsrand von Hinterstoder, auf dem Weg zum Öttl, kommt man am Stögerbach vorbei. Das ist das Revier von einem fast gänzlich schwarzen Kater, der nur weiß an der Brust und an den Pfoten ist. Er ist ein wilder, lebenserfahrener Streuner, der irgendwann einmal im Prielergut aufgetaucht ist und von dort aus seine ausgedehnten Wanderungen durch Hinterstoder begonnen hat. Sein Rayon liegt an einem Schießplatz und nicht einmal vor dem zeitweilig höllischen Lärm ließ er sich schrecken.

Dort wo er gut behandelt wird und Freunde gefunden hat, bleibt er einige Tage  oder auch Wochen. Aber es lockt ihn immer wieder das Abenteuer oder vielleicht nur die vielen Katzendamen im Ort. Er hat unzählige Kinder gezeugt und wird deshalb  von einigen Stöderern als „Platzhirsch" bezeichnet. Manche Katzendamenbesitzer wollen ihn deshalb nicht und werfen ihm Steine nach um ihn zu verjagen.

Seinen eigentlichen Namen hat er aber seiner vier weißen Pfoten wegen bekommen: „Weißpfot“. Auch die Katzendame Lilli hat sich mit Weißpfot angefreundet, allerdings nur auf Distanz. Wenn er in der Früh zu seiner Futterschüssel kommt und Lilli sieht, laufen beide Katzen aufeinander zu, berühren sich mit ihren Nasen, was wahrscheinlich soviel wie ein Katzenbussi ist. Dann aber läuft Lilli sofort weg. Sie ist sterilisiert und fürchtet offensichtlich die heftigen Liebesbezeugungen. Wenn Weißpfot ihr dann trotzdem zu nahe kommt, pfaucht sie ihn ganz gehörig an.

Gleich am Stögerbach ist ein altes Häuschen, das an Gäste vermietet wird. Kürzlich mietete eine Familie mit Kindern dieses Haus. Als die Kinder Weißpfot entdeckten, kümmerten sie sich liebevoll um ihn. Sein ganzes Leben wurde er nie soviel gestreichelt, liebkost und mit Leckerbissen gefüttert. Wahrscheinlich spürte er zum ersten Mal das beglückende Gefühl nicht mehr Streuner und Vagabund zu sein, sondern eine Familie zu haben und dazu zu gehören.

Die Kinder verließen nach dem Urlaub mit ihren Eltern das Haus und Weißpfot wartete viele, viele Tage und Nächte lang vor der Eingangstüre auf seine Familie.

Weißpfot wurde von einem Auto überfahren. Einige die ihn besser kannten trauerten sehr.


Freitag, 19. Februar 2021

Von sieben Generationen der Familie Schwanthaler und Zigarren im Brunnen

Die Familie Schwanthaler war eine Bildhauerfamilie der Barock- und Rokoko-Zeit im 17.– 19. Jahrhundert in Oberösterreich. In vielen Kirchen und Kapellen in unserem Bezirk Kirchdorf kann man Werke von dieser Familie bewundern. Die Oberdonau-Zeitung berichtete am 28.11.1943 in einem Artikel über diese Künstlerfamilie. Die Geschichte wurde etwas gekürzt und der heutigen Schreibweise angepasst.  


Hans Schwa(be)nthaler begründete 1632 in Ried eine Bildhauerwerkstätte, die bis 1838 bestand. Über zwei Jahrhunderte war dann die Familie Schwanthaler in Ried ansässig und künstlerisch tätig. Zu den Hauptmeistern der Rieder Werkstätte zählen Thomas, Johann Franz und Johann Peter der Ältere. Ein Zweig der Bildhauerfamilie war auch in München tätig.
Die Schwanthaler haben nicht immer im Innviertel gelebt, sie dürften zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges aus Süddeutschland, wahrscheinlich aus Schwaben, eingewandert sein. 1633 wird ein Hans Schwabenthaler, so hießen die Schwanthaler früher, bereits als ein „Bildschnitzer" im Hochzeitsbuch des Marktes Ried erwähnt. Ruf und Ruhm der Bildhauerfamilie schuf erst sein Sohn Thomas. Er wird in zeitgenössischen Schriftstücken stets als Schwanthaler angeführt.

Dieser Thomas Schwanthaler hat im Alter von 22 Jahren die Werkstätte des Vaters übernommen. Er hat Werke geschaffen, die als wahre Kunst anzusehen sind, wie den Floriani-Altar der Pfarrkirche in Ried oder den Hochaltar der Kirche in Gmunden. Sein Hauptwerk, der meisterliche Barockaltar in der Kirche von St. Wolfgang, wird leider, im Gegensatz zu dem Flügelaltar Michael Pachers, bei Besuchern der Kirche nicht viel beachtet. "Unser Bildhauer hat sein Bestes an ihn gewandt, seine ungebrochene bäuerliche Kraft, die vor allem seinen Figuren innewohnt". Thomas Schwanthaler ist am 13. Februar 1707 im 73. Lebensjahr in Ried gestorben. Die Söhne Bonaventura, Josef und Franz haben den Beruf des Vaters ausgeübt.
Bonaventura dürfte der Begründer des Gmundner Zweiges der Familie Schwanthaler sein. Sein Interesse gehörte dem Kriegshandwerk. Von seinen Brüdern war Franz der Bedeutendere. Josef scheint weniger tüchtig gewesen zu sein. Bezeichnend dafür ist seine Tätigkeit als Nachtwächter des Marktes Ried. Doch sind die Arbeiten des Franz Schwanthaler verschollen und wir haben nur durch Rechnungen von ihnen erfahren. Von seinem Sohn Johann Peter hingegen sind mehrere Holzfiguren, Kreuzigungsgruppen, ein Vesperbild in der Pfarrkirche in Mehrnbach und verschiedene Kruzifixe der Vernichtung entgangen. Künstlerisch höherstehend ist jedoch der Sohn Bonaventuras, Hans Georg, der in Gmunden gelebt hat. Das Landesmuseum in Linz und das Stift Kremsmünster besitzen Schnitzwerke aus seiner Hand, die die Kraft von Thomas, seinem Großvater, spüren lassen.
Vier Generationen der Schwanthaler sind uns bereits begegnet. Ein Zweig der Familie ist nach Gmunden verzogen. Gut drei Jahre nach dem Tod des Johann Peter Schwanthaler, am 31. Dezember 1798, übernahm sein Sohn gleichen Namens die Werkstätte in Ried. Dieser, Johann Peter der Jüngere, ist insofern bedeutsam, weil sein Sohn Franz, ebenfalls Bildhauer, der seine Lehrjahre bei Johann Georg Schwanthaler in Gmunden verbrachte, in München mit seinen Arbeiten großes Ansehen erlangte.
Seinem Sohn blühte dann Weltruhm. Dieser ist Ludwig Schwanthaler, der 1802 zu München geboren (gest.1848) wurde und die höchsten Ehren erfuhr, deren ein Künstler seiner Zeit teilhaftig werden konnte. Unzählige Werke künden heute von Ludwig Schwanthaler. Er hat das 54 Fuß (16m) hohe Erzbild der Bavaria, das Wahrzeichen Münchens über der Oktoberwiese, geschaffen und von ihm stammen auch, um nur einige seiner Werke zu nennen, die im Dom zu Speyer aufgestellte Marmorstatue des Kaisers Rudolf von Habsburg, die beiden Giebelgruppen auf der Walhalla zu Regensburg, das Goethe-Denkmal in Frankfurt, die Gestalten der Heerführer Tilly und Wrede in der Feldhernhalle in München, das Mozart-Denkmal in Salzburg und der Austria-Brunnen auf der Freyung in Wien. Daß ihm noch eine gewisse Bauernschlauheit eigen war, geht aus der Überlieferung hervor, daß die Bronzefiguren zum Austria-Brunnen dem Künstler gerade gut genug waren, sie für einen Zigarrenschmuggel zu nützen. 
Ludwig Schwanthaler ist auch als Professor an der neugegründeten Akademie der Künste in München tätig gewesen und von König Ludwig I. von Bayern in den Adelsstand erhoben worden. Er erreichte aber kein hohes Alter und starb schon am 14. November 1848 mit 46 Jahren.                                   Karl  H. Watzinger                                                                                                                   
Ein Denkmal als Zigarrentresor.
In Wien gibt es ein Denkmal, das entgegen der in Denkmalkreisen herrschenden Gepflogenheit, nicht etwa mit Gips oder Mörtel ausgegossen, sondern mit allerfeinsten Havannazigarren gefüllt ist. Es ist dies der Austria-Brunnen auf der Freyung und mit der Tabakfüllung hat es folgende Bewandtnis:
Ludwig von Schwanthaler, der Münchner Bildhauer, der die Brunnenfiguren schuf  - Zeitungsartikel von 1943 - , war ein leidenschaftlicher Raucher und da um jene Zeit in Bayern Zigarren recht billig zu haben waren, während in Österreich  Importe auf Grund der Monopolgesetze eine fast unerschwingliche Kostbarkeit darstellten, gedachte er, um während seines Wiener Aufenthaltes versorgt zu sein und darüber hinaus auch seine dortigen Freunde bedenken zu können, den österreichischen Zollbehörden ein Schnippchen zu schlagen.
Und so füllte er die Statuen, ehe er sie an den Postamenten mit Metallplatten verschloss und sorgsam verlötete, über und über mit Zigarrenkistchen. Dann stieg er befriedigt schmunzelnd in die Postkutsche, indes die Statuen auf einem Donaudampfer die Reise nach Wien antraten.
Unterwegs erkrankte jedoch Schwanthaler, und als er wiederum soweit hergestellt war, da . . ., ja, da hatte man die Statuen bereits montiert und den Brunnen im Beisein Kaiser Ferdinands feierlich enthüllt.                                 Ernst  Machek.                                                              
                                                                                                                    
Ludwig Schwanthaler,
 gezeichnet von Eduard Magnus 
                                                                                
Freyung mit Austriabrunnen 1847


Gmunden Stadtpfarrkirche Altar

München Bavaria 

Die Bavaria vor der Montage


Freitag, 12. Februar 2021

Die Schüssel für den Ahnl.

Die Oberdonau Zeitung vom 6. 2. 1943 berichtet in einer Geschichte von Anton Stieger über ein Gespräch zwischen Vater und Sohn. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Der Bauer Hochmann saß auf der Schnitzbank, einen Holzblock zwischen den Knien und das Reifmesser in der Hand. Feierabend war. Die Sonne nahm schon das glühende Rot des nahenden Untergangs an. Die Hühner saßen schläfrig auf den Steigen und im Stall schwabberten die Kühe an der Futtertränke. Treff, der Hofhund, blinzelte träge zu seinem Herrn empor und leckte mit feuchter Zunge seine schwarzen Pfoten. Hochmann tat gern einiges über den Feierabend hinaus. Die Ruhe war dann kürzer, aber vollkommener. Die Späne spritzten nach allen Seiten.
Der Bauer prüfte den Holzblock, drehte ihn und nahm ihn von neuem zwischen die Knie. Und wieder flitzte das Messer und spritzten die Späne. Da kam Michel sein Jüngster, der ihm darum so ans Herz gewachsen war, weil er in allem und jedem seinem Vater glich. Bauer Hochmann war stolz auf seinen Buben und er wusste, dass der den Hof später richtig weiter verwalten würde.
„Du bist noch fleißig, Vater?"
„Ja, Bub, das muss man wohl!“
„Kann ich dir helfen, Vater?"
„Ich werde bald fertig sein. Bei dieser Arbeit braucht es wohl keine besondere Genauigkeit."
„Was schnitzt du denn?“
„Eine Holzschüssel soll das werden für den Ahnl (Großvater). Du weißt ja, dass der Ahnl schwach und zittrig ist und nichts mehr fest anpacken kann. Das tönerne Geschirr taugt nicht mehr für ihn, gestern erst wieder hat er zwei Teller zerbrochen. "Das kommt teuer, Bub, weißt du, man muss sparen.“
Wieder flitzte das Reifmesser und die Späne spritzten. Michel stand ruhig daneben und sah nachdenklich auf die Hände des Vaters. Ruhig und ohne Aufmucken stand er da, immer auf jede Bewegung des Bauern achtend. Der merkte erst nichts, dann begann er die Blicke des Buben zu spüren. Ein Anflug von Unruhe überkam ihn. Er mahnte den Jungen, ob er im Hof schon alle Arbeit gemacht und ob er nichts Besseres zu tun hätte, als hier herumzustehen und ihn immerfort mit großen Augen anzustarren und auf jeden seiner Griffe zu achten.
„Die Arbeit im Hof ist getan“, gab ihm Michel zur Antwort.
„Aber auch dieses Zusehen wird seinen Nutzen haben. Denn, Vater, auch du wirst ja einmal alt und der Ahnl auf dem Hof sein. Und dann bist du auch zittrig und kannst die Teller nimmer halten. Ist es dann nicht von Vorteil, wenn ich Bescheid weiß und dir so eine grobe Holzschüssel zurecht machen kann?“
Da wurde dem Bauern Hochmann ganz seltsam ums Herz. Er nahm den unförmigen Holzstock in die Hände, besah ihn von vorne und von hinten, stellte ihn vor sich auf die Schnitzbank, schüttelte den Kopf und meinte dann: 

„Nein, Bub, die Schüssel brauchen wir nimmer. Aber hole drüben vom Stoß die besten Eichenbretter! Wir wollen für den Ahnl einen Lehnstuhl machen und einen Schemel dazu!“


Freitag, 5. Februar 2021

Hinter dem Rücken

Solche "Jagderlebnisse" gibt es öfter als man glaubt. Herr Swoboda von der Oberdonau-Zeitung berichtete darüber in seiner Zeitung am 21.4.1944. Die Geschichte wurde geringfügig geändert. Diese Begebenheit ereignete sich in dem weltberühmten Sommer- und Winteraufenthaltsort H. wie ein gut informierter Waidmann einmal am Stammtisch erzählte.

In unregelmäßigem Zick-Zack und Schlangenlinien stapfte der Förster seinem trauten Heim zu, rülpste und fluchte über die verfluchte Kälte, den miserabligen Schnee und das elendige Eis.
Die Rundreise durch die Gasthäuser von H. schien ihm nicht bekommen zu sein, denn erst nach einer guten Viertelstunde kam er glücklich zu seinem nahe gelegenen Haus. An der Haustür zog er mit viel Mühe die Schuhe aus und marschierte dann vorsichtig in sein Schlafzimmer. Und siehe da, das Erhoffte, aber Unwahrscheinliche trat ein: Sein Eheweib schlief den Schlaf des Gerechten. So schob er denn behutsam die Schuhe unters Bett und ging daran, sich auszukleiden. Alles verlief programmgemäß, bis unversehens die silberne Tabakdose zu Boden fiel und die Frau Försterin unsanft aus ihren Träumen riss.

Entsetzt hielt der stille Zecher den Atem an. Gähnend, aber drohend klang die Stimme seiner Frau Gemahlin: „Was ist denn mit dir schon wieder los?" Zögernd stieß er hervor: „Es ist Zeit, dass ich zum Anstand gehe.“ Entsetzt fuhr seine Frau auf: „Bist du verrückt, Josef? Bei dem Wetter, in aller Herrgottsfrüh, wo’s noch nachtschwarz ist, auf dem Hochstand! Denk doch an deine Gicht!"
Nach einer Sekunde überraschten Schweigens sagte der Jäger harmlos und friedfertig: „Hast eigentlich recht, Mitzi. Ich werd’ mich wieder niederlegen.“...  Und dann zog er sich weiter aus.