Freitag, 21. Januar 2022

Wäsche von Einst

Gemälde von dem berühmten Pariser Maler Edgar Degas 












In der Zeitung „Salzburger Wacht“ vom 4. August 1932 wird unter dem Pseudonym „Phönix“ über Wäsche, genauer Unterwäsche, berichtet, wie sie in den vergangenen Jahrhunderten getragen wurde. Dabei erfährt man ungewöhnliche und lustige Geschichten aus der Vergangenheit.


In den Kleiderbedürfnissen der Menschen von heute spielt die Wäsche eine große Rolle. Wir können uns nicht mehr vorstellen, wie man ohne sie auskommen könnte und bedauern mit Recht einen jeden, den Armut zwingt, in diesem Punkt darben zu müssen. Begreiflich: denn saubere Wäsche in genügender Menge, die das Wechseln ermöglicht und die Haut teils wärmt, teils bedeckt, gehört zu den notwendigsten hygienischen Erfordernissen.
Dem war aber weitaus nicht immer so.
 
Das frühere Mittelalter, eine reinliche Zeit, die Waschen und Baden liebte und übte, kannte trotzdem den regelmäßigen Gebrauch von Wäsche nicht— nur bei den Vornehmsten finden wir z. B. Hemden, dann allerdings kostbar genug. So wird im Tristan-Epos von der schönen Isolde erzählt, wie sie in seidenem Hemde zu Bette ging. Jene Epoche, die der Ritterzeit folgte, also der Ausgang des Mittelalters, und das sechzehnte Jahrhundert, waren schon nicht mehr so auf Sauberkeit bedacht. Allmählich kam auch das Baden mehr und mehr ab; eine missverstandene Moral stemmte sich dagegen, das Auftreten von Infektionskrankheiten, wie die Syphilis, die ja oft genug in Badestuben übertragen worden sein mag, tat das übrige und es dauerte gar nicht lange, so war die europäische Menschheit in eine Gesellschaft von Schmutzfinken verwandelt.

Außen hui— innen pfui! Das konnte besonders das 17. Jahrhundert von sich sagen. Herren und Damen waren luxuriös und „a la mode" gekleidet, doch man hatte nur wenig Wäsche und die war unpraktisch und unzweckmäßig. Vom Waschen hielt man überhaupt nicht viel; um 1647 schreibt ein modischer Autor, man solle sich manchmal baden, täglich das Gesicht und fast so oft die Hände waschen. Es hatte seinen Grund, dass der Verbrauch von Parfüm in jenen Tagen ein enormer war. In einem Brief von 1672 heißt es: „Die französischen Damen halten auf schöne Kleider äußerlich, da doch die Hemdder und der Leib öfters sehr unsauber sind." Höchstens einmal im Monat wechselte man dies innerste Kleidungsstück. Die Art der Wäsche, ihre Anfertigung aus kostbarsten Stoffen, zwang förmlich dazu, sie vor dem Waschen zu bewahren. Maria von Medici, die Königin von Frankreich, besaß Hemden aus rotem Brokat mit Goldspitzen oder aus golddurchwirktem Leinen. Lady Lambert kaufte 1660 sechs Spitzenhemden, Wert 300 Pfund. Das waren Prunk-, keine Gebrauchsstücke. Ähnlich hielt man es mit den Taschentüchern. Ein venezianischer Gesandter bot einmal solch ein spitzenbesetztes Kleinkunstwerk um den Preis von 200 Dukaten dem Großherzog von Toskana an, aber man schneuzte sich in die Finger... Weil die Wäschestücke kostbar waren und man wenig wechselte, brauchte man keinen großen Vorrat davon.
Komisch mutet es uns an, wenn wir die Wäschebestände großer Herren von damals betrachten! Heinrich IV. von Frankreich hatte 12 Hemden und vier Taschentücher, die Mehrzahl davon zerrissen. Karl II. von England, ein luxuriöser Herr, besaß gar nur zwei Taschentücher und drei Hemden und ein zeitgenössischer Schriftsteller berichtet, dass drei Millionen Spanier überhaupt kein Hemd ihr eigen nannten. Die Kunst des Waschens scheint damals nicht in allen Ländern gleichmäßig gut verstanden worden zu sein. Eine Habsburgerin ließ ihre Wäsche nicht in Innsbruck, sondern in Florentiner Nonnenklöstern waschen und die Modeherren und  Damen von Paris schickten ihre paar Stücke nach Holland zur Reinigung. Was man damals in verschwenderischer Fülle besaß und brauchte, das waren Dinge, die mit unserem heutigen Wäschebegriff sehr wenig gemein haben: Halskrausen in allen erdenklichen Größen und Arten, oft wie Mühlsteine und breite Manschetten, alles aus Batist, Leinen und Spitzen. Und das allerwichtigste Stück der Unterkleidung — die Hosen —, wie war es mit der bei den Frauen dieser Jahrhunderte bestellt? Sie existierte nicht— und ihre Nichtexistenz spricht Bände... Gerade das, was Anstand und Gesundheit erfordert hätten, daran mangelte es.
Als es noch Mode war, dass die Damen an Jagdausflügen teilnahmen und selber zu Rosse stiegen, da trug man zu solchen Anlässen Hosen aus grünem Samt oder schwarzer Seide. Aber als mit der steifen und unnatürlichen Kleidung, die der Frau jede Bewegungsfreiheit raubte, Jagen und Reiten für sie fast unmöglich wurde, da verschwanden auch die Hosen. Unter dem weiten und breiten Reifrock waren die Damen ohne Hosen, wie nur je ein Sansculotte...(Die Sansculottes – von französisch sans culotte – ohne Kniebundhose, so wurden in Frankreich des 18. Jhdt. die unteren Bevölkerungsschichten genannt). Und natürlich war es beim niederen Volk nicht anders, nur daß die holländischen Mägde wenigstens zum Fensterputzen Beinkleider anlegten! Die Tänzerinnen mussten natürlich Hosen tragen, aber es war ihnen strengstens verboten, solche bei ihren Sprüngen und Drehungen etwa sehen zu lassen. Darüber erzählt Casanova, folgende komische Anekdote:
Die berühmte Ballerina Nina hatte einst auf der Bühne von Madrid im Eifer des Tanzes das Verbot überschritten und war so hoch gesprungen, dass man ihre Hose erblicken konnte. Der Gouverneur verurteilte sie zu einer Geldstrafe. Wütend darob, legte sie zur nächsten Vorstellung dieses Kleidungsstück erst gar nicht an — und wieder konnte sich ganz Madrid davon überzeugen. Als sie nun neuerlich vorgeladen und zur Rede gestellt wurde, sagte sie ganz kaltblütig: „Es ist mir nur verboten, meine Hosen zu zeigen und ich glaube, kein Mensch kann behaupten, dass er sie heute abends gesehen hat..."

                        Gemälde von Edgar Degas (geb.1834, gest.1917)





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