Freitag, 21. Juni 2024

Geschichten aus Urgroßvaters Zeiten.

In der Innviertler Volkszeitung, im Innsbrucker Tagblatt und im Czernowitzer Tagblatt konnte man folgende Artikel lesen. Sie wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst. 


Innviertler Volkszeitung 15. Jänner 1931
Wie es früher alten Leuten erging erzählt die folgende Geschichte. 
Über das schicksalhafte Leben und den Tod einer alten Pfarrersköchin, die auch einst in Hinterstoder arbeitete wird berichtet.

Heute um halb 8 Uhr früh starb unerwartet schnell infolge Schlaganfalles die 87 Jahre alte Pfarrhofköchin Maria Hawelka, geborene Obermaier. Die Verstorbene war geboren am 1. Jänner 1844 in Weng, sie war eine Maxltochter von Hundslau, wurde in Wien verheiratet mit einem Wiener Tischlermeister aus der Tschechoslowakei, der während des Krieges starb, zu einem Zeitpunkt, wo sie längst gerichtlich geschieden waren. So blieb sie als echte Innviertlerin nach Zdar in Mähren zuständig ohne eine Ahnung zu haben, dass sie Tschechoslowakin und nicht mehr Österreicherin war. Sie glaubte natürlich, Wiener Bürgerin zu sein.

Anlässlich der Altersversorgung kam es zu einem jahrelangen Schriftwechsel zwischen Österreich und der Tschechoslowakei. Das Endergebnis war, dass voriges Jahr die Gemeinde Zdar die Zuständigkeit anerkennen musste, aber nur 
5 Schilling Monatsrente aussprach, aber die Gemeindeangehörige in Natura in Verpflegung übernahm, was ja selbstverständlich ist. Es ist begreiflich, dass die alte Frau nicht in eine wildfremde Gegend mit einer fremden Sprache wollte. So blieb sie Pfarrhofköchin und hätte demnächst die tschechoslowakische Altersversorgung per „100 Schilling" im Jahr erhalten. 
So passte ihr das Ruheplätzchen im Pfarrhof Mining sehr gut. Sie war eine ausgezeichnete Köchin.
Von den vielen Fürstlichkeiten, für die sie in München, Wien und Hinterstoder kochte, werden die meisten vor ihr gestorben sein. Bewundernswert war ihre geistige Frische und ihr Gedächtnis. Noch im vergangenen Herbst fand sie jedes Hühnernest.
In allgemeiner Erinnerung stehen ihre Leistungen anlässlich der Glockentafel 1922 im Pfarrhof und der Primiz 1930. Noch am Vortage vor ihrem Tod entwickelte sie ein ganz modernes Wirtschaftsprogramm und betete den Abend-Rosenkranz mit. In der Früh wurde ihr im Zimmer eingeheizt zum Aufstehen. Eine Zeit darauf kam Erschütterung über den alten Körper; sie sprach noch einige Worte, bekam die Krankenölung und starb nach zwei Stunden. Die feierliche Aussegnung vom Pfarrhof ist am Dienstag um halb 9 Uhr. 
Man mag sagen, was man will, aber bis zum 88. Lebensjahr sich trotz Geldentwertung ehrlich fortbringen, ohne um öffentliche Unterstützung betteln zu müssen, ist eine Leistung, die einer Arbeiterin zur vollen Ehre gereicht.

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Innsbrucker Tagblatt 10. Juli 1869
Die „Debatte“ erzählt folgende pikante Anekdote:
Ein zugereister Schwindler sitzt in einem Café in Wien, in der Leopoldstadt und denkt darüber nach, wie er Jemanden beschwindeln soll. Ein anderer Schwindler tritt ein, wirft rasch einen prüfenden Blick über die Kaffeehausgesellschaft, tritt an den Zugereisten, in dem er zwar nicht den Kollegen, aber sofort den Fremden erkennt, streckt ihm schon von ferne die Hand entgegen und erklärt ihn für einen alten Pariser Bekannten.
Der Zugereiste war nie in Paris, freut sich aber über den Irrtum des Wiener Kollegen, den er für einen Gentleman hält, nicht wenig. Man drückt sich die Hand, fühstückt zusammen, erneuert die alte Bekanntschaft und der Zugereiste findet es ganz begreiflich, dass sein alter Bekannter, als es zum Zahlen kommt, die Börse unangenehmer Weise vergessen hat und noch 5 Gulden braucht. Der Zugereiste zieht sofort eine Fünfernote aus der Tasche und reicht sie dem alten Bekannten, man umarmt sich, man scheidet, der Wiener fühlt, dass ihm seine Uhr fehlt, er will dem Zugereisten nachstürzen, doch dieser fühlt, dass ihm seine Börse fehlt und stürzt zurück und Börse und Uhr werden mit einem höflichen Lächeln, das augenscheinlich beweist, dass sich die Herren als Kollegen erkannt haben, wieder ausgewechselt. 
Geschehen bei „Fetzer“ in Wien am 5. Juli 1869, Nachmittags 3 Uhr!

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Alexandre Dumas (geb.1802, gest.1870)
Französischer Schriftsteller

Czernowitzer Tagblatt 5. Februar 1907
Wer ist der Verrückte?
Eine amüsante Anekdote ist durch einen bekannten Pariser Mediziner, der lange Zeit der Leiter einer großen Klinik war, bekannt geworden. Eines Tages besuchte ihn ein ehemaliger Student, ein biederer provinzialer Arzt und bat ihn, ihm doch einmal einen Verrückten zu zeigen. Er habe noch nie einen wirklichen Verrückten gesehen. „Schön", sagte der Doktor, „seien Sie morgen mein Gast, unter den Anwesenden werden Sie einen Geistesgestörten zu sehen bekommen." Pünktlich fand sich am nächsten Tag der Provinziale zum Dinner ein. Nur fünf oder sechs Gäste waren geladen. Als man zu Tisch ging, flüsterte der Arzt ihm noch unauffällig zu: „Er ist dabei, ich kann ihn nicht extra zeigen, aber Sie werden ihn sofort erkennen." 
Das Dinner war ausgezeichnet, die Weine herrlich und bald war alles in vergnügtester Stimmung. Die besondere Aufmerksamkeit des Provinzialen erregte sofort ein großer, gut gewachsener Mann, in wirrer Unordnung sträubten sich die Haare dieses Menschen, er sprach mit lauter Stimme und mit weit ausholender, schwungvoller Gestikulation, er sprach auch sehr viel und alle Gäste amüsierten sich herzlich über seine wunderlichen Einfälle, über die paradoxen und die geistreichen Scherze des lebhaften Herrn. Alle möglichen Personen ahmt er nach, schlug mit den Fäusten auf den Tisch und lachte laut und schallend. Alle Anwesenden lachten, nur ein schweigsamer Herr saß still und gelassen, verzog keine Miene und verlor nie seine ruhige Gelassenheit. Hie und da ließ er ein Wort fallen, immer knapp, kurz, trocken und schlagend und für die Scherze des Großen hatte er nur ein überlegenes, sarkastisches Lächeln. 
Nach Tisch, als die Herren ins Rauchzimmer gingen, fragte der Gastgeber seinen Freund: „Na, zufrieden?" Der Provinziale war begeistert. „Großartig, dieser Verrückte ist zu amüsant. Was für ein außergewöhnlicher Mensch, was für ein wunderliches Wesen! Der mag viel Mühe verursachen!" „Wie? Ja, wen meinen sie denn eigentlich?
Der Verrückte war jener kleine Mann, der kaum den Mund aufrat. Haben Sie ihn denn nicht gesehen?" „Ja, ja gewiß... Aber wer war denn da der andere, der Aufgeregte?' „Wie. den kennen sie nicht? Das ist ja Alexandre Dumas, der berühmte Schriftsteller!"


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