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Josef Moser |
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In diesem Haus in Klaus wohnte der "Gmoabader" Josef Moser Foto von 1909 |
Bader Josef Moser geb. 1812, gest.1893, war 33 Jahre lang
„Gmoabader“, heute Gemeindearzt von Klaus an der Pyhrnbahn. Sein ärztliches
Betreuungsgebiet, sein Rayon, erstreckte sich von Micheldorf bis Hinterstoder.
Er war nicht nur ein hervorragender Mediziner, er war auch
ein besonders einfühlsamer Heimatdichter der seine Erlebnisse und Stimmungen
niederschrieb. Viele seiner Gedichte, meist verfasste er sie in Mundart,
erzählen von den Lebensumständen seiner Zeit.
Dieses Gedicht erzählt eine Krankenvisite bei einem Bauern in
Hinterstoder.
Damit das in Mundart geschriebene Gedicht leichter verständlich
ist, wurde es in die Umgangssprache übertragen.
Der "Kraner Michl"
Einmal, so gegen die Faschingstage – es ist schon
langmächtig aus,
sitze ich daheim in meiner Stube, im Baderhäuschen
(Arzthäuschen) in Klaus.
Und draußen, o du lieber Gott, das Stürmen und der Schnee,
so hoch bis zum Bauch, wer das Gebirge kennt weiß es eh.
Nein, denk ich mir, Gott Lob und Dank, heute habe ich Ruh`,
heute schneit es alle Wege und Stege auf viele, viele Tage
zu.
Wie ich mich so gefreut hab`, ich weiß nicht mehr was ich
gerade getan,
da trappt und stampft es draußen vor der Tür und herein
kommt ein Mann.
„Du, da ist jemand!“ schreit meine Frau. Ich höre ihn schon
ja, ja.
Es ist der (derbe) Knecht vom Jaidhaus da.
„Grüß Gott, der Herr“, so sagt der Knecht und schüttelt brav
den Schnee ab.
„Einen schönen Gruß vom Blasriegler-Bauern, ich hole den
Herrn Bader (Arzt) ab.“
„Kreuzhimmel“ nein. Was gibt es noch Ärgeres? Wer ist denn
krank bei euch?“
„Nun“, sagt er darauf, „ihr kleineres Kind, die Einjährige
hat es erwischt!“
„Herrgott, wegen so einem Fratz soll ich heute nach Stoder
gehen?“
„Ich bitte den Herrn Bader, tun sie ihnen den Gefallen, ich
bitte recht schön!“
Was soll ich tun? Die Blasriegler zahlen recht brav und sind
auch sonst gute Leut`
und haben keine Hilfe, keinen Trost im Umkreis von vielen
Stunden weit.
Ich lasse dem Mann ein Gläschen Schnaps geben und packe
zusammen.
Der Mann nimmt Weihwasser, dann gehen wir in Gottes Namen.
Schon vor der Tür da draußen, gute Nacht, kommt uns der
Schnee entgegen.
Meine Frau hat mir nachgeschaut solange sie mich gesehen
hat,
so waten wir im tiefen Schnee und machen uns einen Pfad.
Erst im Gasthaus „Zur Steyerbrücke“ kehren wir ein. Wir sind
schon müde und matt.
Sie bringen uns ein Bier daher, ein Bier von der reichen
Brauerei.
Eine Brühe, sauer, trüb und dick – ein Gesöff nur für
Schweine.
Ich schimpf tüchtig darauf los. Heut passt schon gar nichts
zusammen,
und esse ein Paar geselchte Würste, die auch nicht mehr
frisch waren.
Meinem Begleiter schmeckt die Bier-Brühe und er meint, dass
die Jause ein Genuß war.
Diesem Kerl gefällt der Sturm und der Schnee und er lacht
auch noch dazu.
„Recht ist es, wenn es kräftig schneit, jetzt ist ja die
Zeit dazu.
Wenn es jetzt so richtig stürmt haben wir dann im Frühling
Ruhe“.
Ein Stamperl Schnaps darauf, die Pfeife gestopft und wieder
hinaus zur Türe.
Da nach der Steyr entlang, sackweise fällt der Schneebrei
auf uns nieder.
Hinein in die Tambergau, wo man vor lauter Schnee keinen
Zaun mehr sieht.
Das Gute ist nur, dass man beim Gehen auch keine Hühneraugen
auf den Füßen
bekommt (auf dem weichen Schnee).
Beim „Gausrabenwirt“ und beim „Peterhof“ da ist es fast
völlig aus,
da hat es den Schnee zusammengetragen und es sind
Schneewächten
so hoch wie ein Haus.
„Wir schaffen es schon“ sagt mein Begleiter, "jetzt kommen
wir zur Stromboding.
Da hinein ist es so einfach zu gehen, als wären wir in einer
Stube“.
Ich schaue mir den kleinen Knecht an, er wirkt schmächtig
und ist kaum 5 Fuß groß,
und wühlt sich durch den Schnee fort wie ein Maulwurf und
braucht keine Rast
und keine Ruhe.
Da sagt der Knecht: „Der Herr Bader muß es halt erst
gewöhnen, ein Fremder
schreckt sich gleich vor so einem Wetter. Schauen Sie, für
uns ist das lustig,
wir sind es schon von Jugend auf gewöhnt“.
Fast ist mir als müsste ich umkehren, ich kann bald nicht
mehr weiter,
aber nein, wenn es mein Begleiter schafft, dann schaffe ich
es auch.
Allein schon wegen der Ehre.
Ich denke mir. Du herziges Klaus, sobald ich wieder kann, du
vermaledeites
(verfluchtes) Schneeloch – mache ich mich wieder davon.
Ich besuche noch rasch den Pfarrer von Hinterstoder, der
kann sich auch nicht
an die Wildnis gewöhnen.
Er lehnt am Fenster, schnupft Tabak und möchte am liebsten
vor Langeweile weinen.
Er ist draußen vom Land her und es tut ihm schrecklich weh.
„Wir zwei“ sagt er zu mir, „wir zwei sind nach Sibirien
verbannt!“
Beim Blasriegler-Bauern heißt es deshalb Blasriegl, weil es
da droben gar so blast
und weil man in der schneelosen Zeit beim Aufstieg gerne
rastet.
Eine halbe Stunde bergauf und wie ein Dach so steil,
da schnauft und pustet man und der ganze Körper wird weich.
„Kreuzmillion und noch etwas dazu“ fange ich zu beten an.
„Der Teufel soll mich holen, wenn ich noch auf den Berg
hinauf komm!“
„Tun sie nur mehr nachschieben Herr Bader“, sagt der Knecht
und wühlt vor mir fort.
„Es geht schon Herr und übrigens sind wir gleich dort“.
„Das ist ein Dasein!“ fluche ich jetzt und keuche selbst zu
mir,
„Verdammt bin ich, verflucht und gehetzt wie ein wildes
Tier."
Der Räuber und der Mörder sitzen jetzt in der warmen Stube,
nur unsereinen, den Hund von allen, jagen sie in der Wildnis
herum!“
Nun endlich sind wir oben, wir haben es doch geschafft.
Keinen Atem mehr und ganz erhitzt und am Leib keinen
trockenen Faden.
Der Bauer und Bäurin grüßen mich „Gottlob, daß sie da sind
Herr!“
Bei unserem Mädchen schaut es nicht gut aus, sie gibt fast
kein Lebenszeichen mehr!“
Ich schaue mir das Mädchen an und gib ihm eine Medizin,
laß mir ein Häferl geben und bereite einen Brei.
Der Bauer bringt eine alten Schnaps, der macht mich wieder
jung.
Der rinnt hinunter wie ein Öl und beißt nicht auf der Zunge.
Die Bäurin bringt Geselchtes, Kraut und Knödel her,
ich laß mir`s schmecken ganz vergnügt und esse ordentlich.
Der Knecht hat auch etwas bekommen und ist gar nicht faul
und schiebt eine ganz Pfanne voll Sterz (Mehlbrei) auf
einmal fast in sein Maul.
Der Mann hat heute einen Feiertag, ein Krügerl Most noch
darauf.
Denn über einen Weizensterz geht den einfachen Leuten
nichts.
Die Hühner und Kapaunen gehören für die Stadtleute draußen
auf dem Land,
für den Bergbauern genügt Roggenbrot und Lodengewand.
Dagegen die alte Gastfreundschaft über die so viel gelogen
wird,
die hat sich von den ertragreichen Gründen in die Berge
verzogen.
Man sieht in Stoder keine großen Höfe, der Boden ist karg
und dürr,
doch klopft ein Fremder nie umsonst bei unseren Bauern an
die Tür.
Wie ich mich zum Fortgehen richte, bringt die Bäurin einen
Kaffee.
Der Bauer fragt was er schuldig ist. „Nun“ sag ich „ihr
wisst es ja eh!“
Der Bauer legt dann sein Fünferl (fünf Kreuzer) hin und ich
gehe.
„Pfüat Gott, auf Wiedersehen!“sage ich „und übermorgen
schaue ich wieder vorbei!“
Ich taumle den Berg hinunter, da steht auf halber Höhe
ein“Krainer“(wandernder Händler aus Gottschee-Krain, heute Slowenien) mit Kraxn
(Traggestell) da, versunken tief im Schnee.
„Der Michl!“ sage ich, „lieber Gott, bei dem gewaltigen
Schnee tragen sie so schwer?“
Er schaut mich trüb und traurig an und sagt: “Wenn es sonst
nichts wär!“
Ich kenn den Menschen viele Jahre, ein rechtes ehrliches
Blut,
und was man sieht und kauft bei ihm, ist preiswert, echt und
gut.
Er geht in Windischgarsten um, in Stoder und in Klaus
Und rastet gern bei mir auf der Bank und erzählt von zuhaus.
Er hat ein Häuschen und einen Grund in Krain (Slowenien),
bei allem Fleiß und Arbeit reicht das Bisschen zum Leben
nicht aus.
Von Allerheiligen bis Mai heißt es halt doch den schwer
beladenen Buckelkorb tragen.
Und soll dabei etwas herausschauen, sich wenigstens armselig
durchs Leben schlagen.
Ich hab ihn gefragt“: „Sind sie ehrlich, ihr schreckliches
Plagen,
das muß ja wohl recht hübsch viel Geld eintragen?“
Da schaut er mich so ehrlich an und schmunzelt ein wenig
dabei,
„Das Ganze, das ich mir mühsam verdiene, trage ich in das
Finanzamt".
Wir haben ihn alle gern gehabt, besonders die Kinder.
Wenn meine Frau etwas gekauft hat, hat er ihnen Zuckerfeigen
gegeben.
Er hat uns von seiner Frau und seinen Kindern erzählt, was
er Neues erfahren hat,
und immer sind ihm beim Reden die Augen ein bißchen feucht geworden.
„Da“, sagt er, „lesen sie nur diesen Brief!“ und gibt mir
einen in die Hand.
Oh, weh! Der Siegellack ist ja schwarz, das Papier hat einen
schwarzen Rand.
Sein Sohn schreibt ihm, dass die Mutter gestorben ist. Ich
habe damit schon genug.
Ich lese nicht weiter und mache den Unglücksbrief gleich
wieder zu.
„Mein armes Weib“, sagt er und verhält sich sein Gesicht mit
beiden Händen.
„Ich habe es ja“ sagt er „lange zuvor, den ganzen Herbst
schon gekannt!“
„Und doch sind sie fort!“ sage ich „mein Gott, das muß ein
Abschied sein!“
Da ist er bleich und bleicher geworden bis tief in seinen
Mund hinein.
Auf einmal hebt er seine Kraxe auf, dass alle Knochen
gekracht haben,
dann drückt er mir fest die Hand und wünscht mir eine gute
Nacht.
„Der dort oben im Himmel, der macht alles recht“, so schreit
er mir noch nach,
und ich, als ob ich träumen würde, ging langsam fort bergab.
Zwei Zentner auf dem Rücken tragen und hundert auf dem Herzen
und die Geduld, die Ruhe dabei, bei all seinem Leid und
Schmerz.
Dort watet er durch den Schnee, der arme gute Mann
und ist er oben, bringt er oft nicht um einen Kreuzer Ware
an.
Ein bisschen hört das Schneien auf und es legt sich auch der
Wind,
ich wate in seiner Spur, bis ich ein schneefreies Fleckerl
find.
Ich lehne mich mit dem Rücken dort fest an einen
Fichtenstamm
und habe das Gefühl, dass ich mich heut vor mir selber
schäme.
Bliebe noch zu sagen, was sich Moser für das „Fünferl“
kaufen konnte.
Nach Pribram „Materialien zur Geschichte der Preise und
Löhne“
kostete 1865 ein Pfund Roggenbrot 6,04 Kreuzer. 1860 kostete
ein Pfund Rindfleisch
16 bis 26 Kreuzer. Allerdings waren das Marktpreise der
Stadt Wien, die aber immerhin aufschlußreich sind für die ärztliche Entlohnung
und Weggeld von zweimal 20 km.
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Klaus ca. 1890 |
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Bader Moser - Denkmal in Klaus |