Donnerstag, 12. April 2018

Die Steyrer Zeitung berichtet aus dem Schwurgericht Steyr am 16.12.1883


Ganz alte Hinterstöderer wußten noch, aus Erzählungen ihrer Vorfahren, die Geschichte von einem Taglöhner, der irrtümlich einen Burschen erstochen hat und sich gleich als er es erkannte bei seinem Opfer dafür entschuldigt hat. Da war es aber schon zu spät. Nachstehend der Bericht dazu in der Steyrer Zeitung vom 16.12.1883.

  Der 24 Jahre alte ledige Taglöhner zu Mitterstoder Johann Bieda saß wegen des Verbrechens des Totschlags auf der Anklagebank.
Der Anklageschrift entnehmen wir hierüber Folgendes:
Am 28. Oktober 1883 sollte zu der zum Stögergute (Stegergut) des Johann Hotz in Hinterstoder gehörigen "Haarstube" gebrechelt werden (Flachs zu Leinen verarbeiten). Mehrere Burschen von Hinterstoder, darunter der Bauernknecht Franz Baumschlager, trugen für die Dirnen (Mägde) die Brechelmaschinen in die Haarstube, in der sich bereits der Hüttlersohn Anton Prieler und Johann Bieda eingefunden hatten. Als Baumschlager des Bieda ansichtig wurde, schimpfte er denselben, weil dieser dem Stögergutsbesitzer Hotz angeblich mitgeteilt hatte, dass er des Nachts Besuche bei dessen Magd mache. Bieda entfernte sich bald darauf aus der "Haarstube"und ging gegen das Stögergut, wo er als Taglöhner bedienstet war, ohne weiter etwas zu sagen. Prieler folgte ihm aber auf dem Fuß nach, trotzdem er von Baumschlager vor Bieda gewarnt wurde und räusperte sich in sehr auffälliger Weise so lange er hinter Bieda ging. Wie nun der Besitzer des Stögergutes Johann Hotz angibt, hörte er damals seinen Taglöhner Bieda rufen: "Lasst mich gehen, ich steh sonst für nichts gut". Gleich darauf schrie einer zum Vorhaus hinein: "Stöger, deinen Knecht hat einer gestochen." Als Bieda in das Haus kam rief er fluchend: "Heut ist`s mir schon alles eins, weil ich schon gar keinen Frieden haben kann, wenn ich auch einen erstochen hab`". Baumschlager, der dem Prieler nachging hörte, als dieser und Bieda schon nahe dem Stall waren, den Bieda rufen, ohne zu vernehmen was derselbe schrie und gleich darauf kam Prieler mit den Worten zurück: "Aus ist`s mich hat er gut gestochen". Prieler ging noch ein paar Schritte und fiel dann tot zu Boden. Sein Tod erfolgte nach dem gerichtsärztlichen Gutachten durch Verblutung, indem durch ein spitzes Messer die linke Halsschlagader unter dem Schlüsselbein durchschnitten war. Der Stich war mit großer Heftigkeit geführt worden.
Johann Bieda - der nach seiner blutigen Tat floh, sich aber bald darauf selbst stellte - war, wie in der Voruntersuchung so auch vor dem Schwurgericht seiner Tat vollkommen geständig, nur behauptet er, seine Verfolger (Baumschlager und Prieler) hätten ihn in der Mitte gehabt und einer habe ihn mit der Achsel gestoßen, der andere ihn am Rock gezupft. Er will keinen der Beiden gekannt haben und erst als laut geschrien wurde, sei er zur Kenntnis gekommen, dass es Prieler sei, den er getroffen habe. Er sei schauerlich in Zorn gewesen und habe kaum gewusst was er tut. Auf Vorhalt des Herrn Präsidenten, daß nach den Aussagen aller Anton Prieler ein sehr gutmütiger, fröhlicher und harmloser Mensch gewesen sei, den alle gern hatten, der niemand etwas zu Leide getan hat, brach der Angeklagte in heftiges Schluchzen aus und beteuerte: Er habe den Prieler um den ihn sehr leid tue, nicht umbringen wollen und überhaupt nicht gewusst nach wem er stach. Bei dem offenen Geständnis des Angeklagten (dessen Leumundszeugnis dahin lautet, dass er roh und gewalttätig sei) beschränkte sich der Herr Verteidiger in seinem Plädoyer wesentlich auf Geltendmachung der zu Gunsten des Angeklagten sprechenden vielfachen Milderungsgründe, so dessen heftiger Charakter, das fortwährende Reizen, die vielfache Verhöhnung, die gänzlich mangelnde Absicht zu töten, das umfassende Geständnis usw. - Die Geschworenen gingen ihrerseits noch weiter und verneinten nach längerer Beratung mit 8 gegen 4 Stimmen die Frage ob Bieda des Totschlags schuldig sei. Dieser wurde darauf vom Gerichtshof freigesprochen und sofort aus der Haft entlassen.  

Die alte "Haarstube" links (gibt es nicht mehr), rechts die Stegerkapelle ca.1880.


Die Steger Kapelle ca.1950                                                                                                  Gemälde von Dr. Wladimir Iwasiuk

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