Freitag, 29. Juni 2018

Taucher im Gleinkersee

Eine große Sensation war die Suche nach dem, wie man vermutete, im Gleinkersee ertrunkenen Ing. Erich Schröckenfux, dem technischen Leiter des gleichnamigen Sensenwerks in Roßleiten. Seine Kleider hat man Ende Mai 1929 am Ufer des Sees gefunden. Von ihm fehlte jede Spur. Ing. Schröckenfux wollte zur Jagd und dabei einige Tage in der Jagdhütte seiner Mutter, oberhalb des Sees, verbringen. Man wusste er konnte gut schwimmen, dennoch vermutete man einen Badeunfall.


Die Tages-Post vom 14. Juni 1929 berichtete ausführlich über die Suche:
"Den Angehörigen des Vermissten war darum zu tun, dem See das Opfer, das er sich geholt, zu entreißen. Sie bemühten sich deshalb um Taucher, italienische, rumänische und auch ein deutsches Unternehmen schlugen das Angebot aus. Das Spreng- und Tauchunternehmen Ferdinand Sides in Mannheim nahm es jedoch an und schickte zwei erfahrene Taucher, Herrn Roß aus Walsum a. Rhein und Herrn Rhin aus Mannheim mit der erforderlichen Ausrüstung nach Roßleiten. Sie gingen Samstag den 8. Juni zum ersten mal und zwar an der mutmaßlichen Unfallsstelle in das Wasser des Gleinkersees und tauchen seither systematisch zwischen den Felsen und Bäumen. Die Zuschauer verfolgen und beobachten die Arbeiten mit der Freude von Kindern. Sonntags richteten weit über 1000 Leute den Blick auf das etwa 100 Quadratmeter große, von leeren Fässern im Auftrieb verstärkte Floß, den Stützpunkt der beiden Taucher.
Der Garderobewechsel auf dem Taucherfloß ist immer die große Sehenswürdigkeit. Der Taucher nimmt zuerst den roten Wollschal um den Hals, zieht sich zwei Paar schier bis zum Rumpf reichende, dicke Wollstrümpfe über die Beine hinauf und steckt dann auf einer Bank stehend, die Füße in den Taucheranzug, der luft- und wasserdicht ist und aus Gummi und Leinen besteht. Vier starke Hände haben zu tun, um ihm den Wams über die Schultern zu ziehen. Er riemt sich dann die schweren, mit Bleiplatten besohlten Schuhe an die Füße. Mit einem Griff ist ihm auch das Schulterstück und darüber der Helm mit den Sehscheiben aus starkem Kristallglas aufgesetzt. Zu guter Letzt behängt man ihn mit einem 42 Pfund schweren Vorder- und einem 50 Pfund gewichtigen Hinterblei, damit er unter Wasser die notwendige Standfestigkeit hat und rasch den Grund erreicht. Die Luft zum Atmen wird ihm durch einen Schlauch, der in den Helm einmündet von vier auf dem Floß postierten Arbeitern zugepumpt.
Alle 10 Meter, die er tiefer geht, braucht er um eine Atmosphäre mehr Druck. Die notwendigen Zeichen gibt er mit einer Signalleine, sein Kamerad am Floßrand hält sie in der Rechten, was ihm die Leine ruckweise mitteilt übersetzt er sofort in einen kurzen Befehl an die Hilfsmannschaft. Hat der Taucher in seiner Rüstung Überluft, so genügt eine Wendung des Kopfes um das Ventil im Helm zu öffnen. Den Dolch an der Seite, sonst eine Waffe gegen Unterwasserräuber, benützt er im Gleinkersee zum Kampf gegen Geäst. Zur Ausrüstung gehört auch eine Unterwasser-Lampe, die mit einer Batterie durch ein Kabel verbunden ist. In Verwendung kommt sie nur, wenn bei zunehmender Tiefe die Lichteinstrahlung für den Taucher so gering wird, dass er zur Orientierung einen optischen Anhaltspunkt braucht.
Die systematische Suche im See wird von Süden nach Norden hin durchgeführt. Dazu sind Drahtseile gespannt worden, an denen das Floß mit dem Taucher unter Wasser, langsam über den See bugsiert wird. Nur so, bei strichweiser Streife, ist mit einem Erfolg zu rechnen. Lotungen sollen ergeben haben, dass die tiefste Stelle des Sees 35 Meter unter dem Spiegel liegt. Der Volksmund, der ja auch Sagen über den Gleinkersee weiß, berichtet allerdings von 150 Meter Tiefe. Bis jetzt sind die Taucher nur auf 25 Meter gekommen aber von Tag zu Tag gehen sie größeren Tiefen zu. Der Seegrund ist ein Wirrwarr von Felstrümmern und vermorschten Baumschäften, zwischen denen hemmendes Geäst und tiefer Schlamm liegen. Der Schlamm ist so nachgiebig. dass der Taucher Roß schon einmal bis zur Brust hinauf eingesunken ist. Der südliche Seegrund ist die Trümmerstätte einer großen Lawine, die einst mit verheerender Gewalt niedergegangen sein muss. Das verraten übrigens auch die Gesteinsfragmente am Ufer. Neben dem Schlamm sind Schründe am Seegrund von besonderer Gefahr für die Taucher, Risse, die zwei bis drei Meter  weit auseinanderklaffen und wie Fallgruben auf des Menschen Schritte lauern. Die Temperatur am Seegrund wird mit  sechs bis acht Grad angegeben. Das bedeutet für den Taucher empfindliche Kälte. Er muss deshalb auch mit Handschuhen arbeiten. - Im Seeabschnitt der zur Zeit bearbeitet wird sind die Lichtverhältnisse noch gut, die Sicht des Tauchers befriedigend. Die Klarheit des Wassers ist ein Zeichen dafür, dass der See filternden unterirdischen Zu- und Abfluss hat, die Beobachtungen der Taucher gehen auch dahin, dass Strömungen am Grund vorhanden sind und zwar gegen die Seemitte zu. Vermutlich ist auch dort der Leichnam des Vermissten am ehesten zu finden. Verschlammt ist er nach Ansicht der Taucher auf keinen Fall, sondern eher in Schwebe.
Gleich nach dem Abstieg des Tauchers in das dunkelgrüne Reich ist auch seine Rückkehr aus dem Wasser das gesuchte Schauspiel der zahlreichen Ufergäste. Die Signalleine zeigt an, dass er den Grund verlassen will. Mit dem Seil wird das Ungetüm hochgezogen. bis zur Holztreppe die zum Wasser führt. Steht der Taucher nun wieder auf festem Boden, dann wird ihm sofort das Verschlussstück vor dem Mund aus dem Helm geschraubt, damit er Luft bekommt. Er steckt sich nun entweder eine Zigarette an oder spuckt den Kautabak aus. Man befreit ihn von den Bleistücken und den 30 kg schweren Schuhen, nachdem ihm der Helm abgenommen worden ist. Schließlich greifen acht Hände gerade nicht sanft zu um ihm die Rüstung vom Leibe zu ziehen. Die tropft noch, während sie der zweite Taucher anlegt um die Arbeit fortzusetzen .....Länger als zwei Stunden währt der Aufenthalt des Tauchers unter Wasser niemals. Im Gleinkersee bedeuten 40 Minuten - so lange blieb Dienstag der Mannheimer Rhin auf dem Grund - eine Sonderleistung. Sein Kamerad Roß entstammt übrigens einer alten Taucherfamilie, denn schon sein Großvater erwarb unter Wasser sein Brot und auch seine Brüder stehen ohne Ausnahme im Taucherberuf, der mehr Schatten als Lichtseiten hat, allerdings - wird dafür schwer bezahlt".







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