Die Tages-Post vom 14. Juni 1929 berichtete ausführlich über
die Suche:
"Den Angehörigen des Vermissten war darum zu tun, dem
See das Opfer, das er sich geholt, zu entreißen. Sie bemühten sich deshalb um
Taucher, italienische, rumänische und auch ein deutsches Unternehmen schlugen
das Angebot aus. Das Spreng- und Tauchunternehmen Ferdinand Sides in Mannheim
nahm es jedoch an und schickte zwei erfahrene Taucher, Herrn Roß aus Walsum a. Rhein
und Herrn Rhin aus Mannheim mit der erforderlichen Ausrüstung nach Roßleiten. Sie
gingen Samstag den 8. Juni zum ersten mal und zwar an der mutmaßlichen
Unfallsstelle in das Wasser des Gleinkersees und tauchen seither systematisch
zwischen den Felsen und Bäumen. Die Zuschauer verfolgen und beobachten die
Arbeiten mit der Freude von Kindern. Sonntags richteten weit über 1000 Leute
den Blick auf das etwa 100 Quadratmeter große, von leeren Fässern im Auftrieb
verstärkte Floß, den Stützpunkt der beiden Taucher.
Der Garderobewechsel auf dem Taucherfloß ist immer die große
Sehenswürdigkeit. Der Taucher nimmt zuerst den roten Wollschal um den Hals,
zieht sich zwei Paar schier bis zum Rumpf reichende, dicke Wollstrümpfe über
die Beine hinauf und steckt dann auf einer Bank stehend, die Füße in den
Taucheranzug, der luft- und wasserdicht ist und aus Gummi und Leinen besteht.
Vier starke Hände haben zu tun, um ihm den Wams über die Schultern zu ziehen.
Er riemt sich dann die schweren, mit Bleiplatten besohlten Schuhe an die Füße.
Mit einem Griff ist ihm auch das Schulterstück und darüber der Helm mit den
Sehscheiben aus starkem Kristallglas aufgesetzt. Zu guter Letzt behängt man ihn
mit einem 42 Pfund schweren Vorder- und einem 50 Pfund gewichtigen Hinterblei,
damit er unter Wasser die notwendige Standfestigkeit hat und rasch den Grund
erreicht. Die Luft zum Atmen wird ihm durch einen Schlauch, der in den Helm
einmündet von vier auf dem Floß postierten Arbeitern zugepumpt.
Alle 10 Meter, die er tiefer geht, braucht er um eine
Atmosphäre mehr Druck. Die notwendigen Zeichen gibt er mit einer Signalleine,
sein Kamerad am Floßrand hält sie in der Rechten, was ihm die Leine ruckweise
mitteilt übersetzt er sofort in einen kurzen Befehl an die Hilfsmannschaft. Hat
der Taucher in seiner Rüstung Überluft, so genügt eine Wendung des Kopfes um
das Ventil im Helm zu öffnen. Den Dolch an der Seite, sonst eine Waffe gegen
Unterwasserräuber, benützt er im Gleinkersee zum Kampf gegen Geäst. Zur
Ausrüstung gehört auch eine Unterwasser-Lampe, die mit einer Batterie durch ein
Kabel verbunden ist. In Verwendung kommt sie nur, wenn bei zunehmender Tiefe
die Lichteinstrahlung für den Taucher so gering wird, dass er zur Orientierung
einen optischen Anhaltspunkt braucht.
Die systematische Suche im See wird von Süden nach Norden
hin durchgeführt. Dazu sind Drahtseile gespannt worden, an denen das Floß mit
dem Taucher unter Wasser, langsam über den See bugsiert wird. Nur so, bei
strichweiser Streife, ist mit einem Erfolg zu rechnen. Lotungen sollen ergeben
haben, dass die tiefste Stelle des Sees 35 Meter unter dem Spiegel liegt. Der
Volksmund, der ja auch Sagen über den Gleinkersee weiß, berichtet allerdings
von 150 Meter Tiefe. Bis jetzt sind die Taucher nur auf 25 Meter gekommen aber
von Tag zu Tag gehen sie größeren Tiefen zu. Der Seegrund ist ein Wirrwarr von
Felstrümmern und vermorschten Baumschäften, zwischen denen hemmendes Geäst und
tiefer Schlamm liegen. Der Schlamm ist so nachgiebig. dass der Taucher Roß
schon einmal bis zur Brust hinauf eingesunken ist. Der südliche Seegrund ist
die Trümmerstätte einer großen Lawine, die einst mit verheerender Gewalt
niedergegangen sein muss. Das verraten übrigens auch die Gesteinsfragmente am
Ufer. Neben dem Schlamm sind Schründe am Seegrund von besonderer Gefahr für die
Taucher, Risse, die zwei bis drei Meter
weit auseinanderklaffen und wie Fallgruben auf des Menschen Schritte
lauern. Die Temperatur am Seegrund wird mit
sechs bis acht Grad angegeben. Das bedeutet für den Taucher empfindliche
Kälte. Er muss deshalb auch mit Handschuhen arbeiten. - Im Seeabschnitt der zur
Zeit bearbeitet wird sind die Lichtverhältnisse noch gut, die Sicht des
Tauchers befriedigend. Die Klarheit des Wassers ist ein Zeichen dafür, dass der
See filternden unterirdischen Zu- und Abfluss hat, die Beobachtungen der
Taucher gehen auch dahin, dass Strömungen am Grund vorhanden sind und zwar
gegen die Seemitte zu. Vermutlich ist auch dort der Leichnam des Vermissten am
ehesten zu finden. Verschlammt ist er nach Ansicht der Taucher auf keinen Fall,
sondern eher in Schwebe.
Gleich nach dem Abstieg des Tauchers in das dunkelgrüne
Reich ist auch seine Rückkehr aus dem Wasser das gesuchte Schauspiel der
zahlreichen Ufergäste. Die Signalleine zeigt an, dass er den Grund verlassen
will. Mit dem Seil wird das Ungetüm hochgezogen. bis zur Holztreppe die zum
Wasser führt. Steht der Taucher nun wieder auf festem Boden, dann wird ihm
sofort das Verschlussstück vor dem Mund aus dem Helm geschraubt, damit er Luft
bekommt. Er steckt sich nun entweder eine Zigarette an oder spuckt den Kautabak
aus. Man befreit ihn von den Bleistücken und den 30 kg schweren Schuhen,
nachdem ihm der Helm abgenommen worden ist. Schließlich greifen acht Hände
gerade nicht sanft zu um ihm die Rüstung vom Leibe zu ziehen. Die tropft noch,
während sie der zweite Taucher anlegt um die Arbeit fortzusetzen .....Länger
als zwei Stunden währt der Aufenthalt des Tauchers unter Wasser niemals. Im
Gleinkersee bedeuten 40 Minuten - so lange blieb Dienstag der Mannheimer Rhin
auf dem Grund - eine Sonderleistung. Sein Kamerad Roß entstammt übrigens einer
alten Taucherfamilie, denn schon sein Großvater erwarb unter Wasser sein Brot
und auch seine Brüder stehen ohne Ausnahme im Taucherberuf, der mehr Schatten
als Lichtseiten hat, allerdings - wird dafür schwer bezahlt".
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