Samstag, 31. Dezember 2022

Prosit Neujahr 2023

 

Gesundheit, Glück, Frieden und Zufriedenheit für 2023 wünschen wir allen Stodertalfreunden

Freitag, 30. Dezember 2022

Geschichten von Geld und Überraschungen

Im Grazer Tagblatt und im Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen.

Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.


Ludwig XVIII (geb.1755, gest.1824)

Grazer Tagblatt 12. Oktober 1924

Einträgliches Bibelstudium.
Anlässlich des 100. Todestages König Ludwigs XVIII von Frankreich erinnert die „Gazette de Lausanne" an eine ergötzliche Anekdote.

Eines Tages hatte die ebenso schöne, wie verschwenderische Gräfin du Cayle ihrem königlichen Freund zu verstehen gegeben, dass sie sich in arger Geldverlegenheit befinde. Am nächsten Tag erhielt sie vom König ein Kästchen, in dem ein „Altes Testament“ in kostbarem Einband lag. Der Sendung lag ein Handschreiben des Königs bei, das nur die Worte enthielt: „Frau Gräfin, die Bibel ist das Labsal der Unglücklichen. Lesen Sie die Bibel." Dieser Scherz war nicht nach dem Geschmack der Gräfin und als der König sie bei der nächsten Zusammenkunft fragte, ob sie in der Bibel gelesen habe, antwortete sie kurz: „Noch nicht." „Sie haben Unrecht, Frau Gräfin," belehrte sie der König, „glauben sie nur, ich rate Ihnen gut, wenn ich Ihnen die Lektüre der Bibel empfehle." Durch die beharrliche Mahnung neugierig gemacht, blätterte die Gräfin in der Bibel und erlebte dabei die freudige Überraschung, an mehreren Stellen Tausendfrankennoten eingelegt zu finden. Am folgenden Tag bekannte sie freudig, dass sie in der Bibel gelesen habe. „Und darf ich fragen, welchen Eindruck die Lektüre auf Sie gemacht hat?" fragte der König. „Sire," antwortete die Gräfin, „die Lektüre hat mir Lust gemacht, jetzt auch das Neue Testament zu lesen.

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Tristan Bernard (geb.1866, gest.1947)
Rechtsanwalt, Schriftsteller, Dramatiker.

"Tagblatt 1. Februar 1931

Tristan Bernard, der französische Schriftsteller mit dem gepflegten Vollbart, kommt in letzter Minute auf den Bahnsteig, springt in das erste beste Abteil und macht es sich bequem. Plötzlich erscheint der Kopf des Schaffners am Fenster: „Mein Herr! Können Sie nicht lesen? „Aber erlauben Sie mal", lässt sich da eine Fistelstimme vernehmen, „ich bin die berühmte Dame mit dem Riesenbart und reise zum Jahrmarkt nach Douai." Worauf der Schaffner sich höflichst entschuldigt.

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Amerika.
Der Berliner Korrespondent der „Chicago Tribüne" erhielt eines Tages von seiner Redaktion folgendes Telegramm „It lies something in the air, we want 300 lines about it." (Es liegt etwas in der Luft, wir brauchen dreihundert Zeilen darüber.)

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Teuerung.
Ein guter Mann
, dem es bei der zunehmenden Teuerung allmählich unmöglich geworden war, seine Familie und sich selbst redlich durchzubringen, hatte zu dem beliebten Mittel gegriffen, mit dem „Gottseibeiuns“ (Teufel) einen Pakt abzuschließen.
Der Teufel, den man im lieben Österreich nicht erst zweimal an die Wand malen muss, bis er erscheint, war auch auf den ersten Anruf zur Stelle und ging auch sogleich auf den Vertrag ein:
Der Teufel verpflichtet sich, der Gegenseite drei Jahre hindurch ein vollkommen
 steuerfreies fürstliches Einkommen zu verschaffen und überdies drei Aufträge auszuführen, wogegen ihm dieselbe nach Ablauf dieser Zeit ihre Seele spesenfrei ab Wohnung zur Verfügung zu stellen hat. Punktum!

Drei Jahre vergingen für den Familienvater. Da stellte sich auch der Teufel, der seine Verträge besser einhält als mancher Operettentenor ein und forderte seinen Lohn. „Du hast dich zu drei Arbeiten verpflichtet", sagte der Familienvater. „Also bringe mir zuerst einmal einen Wiener Wachmann, der sich noch keines Übergriffes schuldig gemacht hat!" — Der Teufel suchte lange, lange — vergeblich. Endlich aber fand er die gewünschte Rarität in der Gestalt eines Neulings, welcher seine Uniform vor einer Viertelstunde zum ersten Mal angelegt hatte. „Nun verschaffe mir die zwei Heller wieder, die ich vor einem Jahr an Personal-Einkommensteuer zuviel bezahlt habe!" Der Teufel runzelte die Stirne, ging aber frisch aus Werk. Mit Steuergesetzbuch und Zahlungsauftrag lief er von Steueramtsfiliale zur Steueradministration, von dieser zur Finanzlandesdirektion, nahm Audienz beim Finanzminister, entfesselte sogar mit Hilfe seiner Freunde, der Klerikalen, einen Sturm im Parlament und hatte endlich nach fünf Jahren mit einem Aufwand von (...zig Kronen an Stempeln) die zwei Heller wiedererlangt. Müde und gebrochen brachte er sie seinem Peiniger. „Jetzt nur noch eine Kleinigkeit! Bringe mir einen Bissen von einem Nahrungsmittel, welches bei uns noch nicht besteuert ist!" Da schüttelte sich der Teufel vor Wut und schnaubte: „Verdammter Hund! Alles kann ich dir bringen, aber das kann in Österreich auch der Satan nicht!"— Sprach's und verschwand unter fürchterlichem Schwefelgestank.

Freitag, 23. Dezember 2022

Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte

In der Zeitschrift "Die Glühlichter" 1898 konnte man folgende Weihnachtsgeschichte lesen.  Der Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.



Wachsfiguren Kabinett,    Verhaftung des Mädchenmörders Hugo Schenk,    Verhaftung von Ravachol.

Die Glühlichter, 22. Dezember 1898
Niemand, der mich kennt, wird mir den Vorwurf unverantwortlicher Aufschneiderei machen, wenn ich behaupte, dass ich mit den höchsten Herrschaften, wie Grafen, Prinzen und Königen und berühmten Mätressen, aber auch mit gehenkten Raubmördern, Giftmischern, Engelmacherinnen, Nihilisten und ähnlich angenehmen Menschen durch meinen Beruf in sehr enge Berührung komme. Dabei bin ich weder Ministerpräsident, noch Kammerdiener, noch selber ein Gauner, auch nicht etwa alles in einer Person, sondern ein schlichter Aufseher mit Pensionsberechtigung im Panoptikum.
Im Laufe der Jahre machte ich so die merkwürdigsten Bekanntschaften. Das Gegenteil wäre auch ein Wunder gewesen. Die feinsten Raubmörder kamen direkt vom Galgen zu mir und logierten sich bei mir ein, um hier ihr besseres Jenseits abzusitzen. Kaiser Alexander der Zweite klopfte gleich, nachdem ihm die Bombe der Nihilisten beide Beine zerschmettert hatte, an mein Tor und ging nicht wieder fort. Das Ehepaar Schneider, die Herren Hugo Schenk (Mädchenmörder) und Karl Schlossarek, Monsieur Ravachol (französischer Anarchist) gaben gleich nach ihrer Hinrichtung ihre Karten bei mir ab und bestellten ein Gesellschaftszimmer. Fürst Bismarck und Pfarrer Kneipp, General Boulanger und Frau Walter beeilten sich, meinetwegen von ihren Totenbetten aufzustehen. Selbst längst Verstorbene, wie die Königin Maria Stuart, Friedrich Schiller, die Kaiserin Katharina von Russland, die Jungfrau von Orleans und die Marquise Pompadour, scheuten die weite Reise nicht.
Fürwahr, manchmal komme ich mir vor wie der leibhaftige Petrus, wenn ich so, würdevoll mit dem Schlüsselbund rasselnd, durch die Gemächer schreite. Aufnahmebedingung für die armen Seelen ist nur ein berühmter Name, einerlei durch welche Schufterei oder edle Tat erworben. Selbstverständlich sind in meiner Gesellschaft die Rangunterschiede von ehedem streng gewahrt und es ist zum Beispiel dafür gesorgt, dass der Schah von Persien, Nasr-Eddin und der Kommis Dolezal, je einen separierten Eingang besitzen. Wir fürchten uns zwar vor keinem Attentat mehr, so einen Kerl würden wir sofort aus dem Katalog streichen, aber der Schah von Persien ist nun einmal an bessere Umgebung gewöhnt. Die Kaiserin von China hat neulich die Gelbsucht nebst einen Sprung im Nasenbein gekriegt, weil sie vierzehn Tage lang der Prinzessin Chimay gegenüber sitzen musste.
Und das war doch eine Prinzessin. Sie werden alle freilich mit gleicher Fürsorge behandelt. Da gibt's keine Verzärtelung. Unlängst habe ich sogar dem Fürsten Bismarck die Augen des mährischen Räubers Grasl eingesetzt, weil seine eigenen wackelig wurden und seitdem schaut der Fürst Bismarck mit den Augen des großen Räubers in die Welt.
Was ich jedoch nicht verhindern konnte, das war eine ebenso unangenehme wie lehrreiche Affaire. Plötzlich verliebte sich die Kaiserin Katharina in den Lakai des Großmoguls von den Molukken-Inseln. Jeden Morgen fand ich sie um zehn Zoll einander näher gerückt, obgleich ich sie am Abend vorher um zwanzig zurückgeschoben hatte. Mir schwante ein böses Ende. Eine Kaiserin in einen Kutscher verliebt, das durfte nach göttlichen und menschlichen Gesetzen nimmer geschehen. Indes, die Liebe ist bekanntlich stärker als zehn Vorhangschlösser und eines Morgens war die Leidenschaft Ihrer Majestät so hitzig geworden, dass sie dem Kutscher ein Stelldichein bewilligte. Den Flammen der Liebe war jedoch ihre Körperbeschaffenheit nicht gewachsen und so begannen beide, an ihrem eigenen Feuer „wie Wachs" zu zerschmelzen. Wie ich am selbigen Vormittag in das Lokal trete, sehe ich eine formlose Wachsmasse vor mir am Boden. „Im Tode vereint" hätte ich die Gruppe nennen mögen, wenn es halbwegs eine Gruppe gewesen wäre. Aber es war nur ein plumper, unkenntlicher Klumpen, in den die Beiden zusammengesunken waren. Wahrscheinlich hat auch die Wärme der Heizung mitgeholfen. Ich habe das sündige Liebespaar, das seine unselige Leidenschaft so grässlich büßen musste, in zweihundert Kerzen ausziehen lassen und damit meinen Weihnachtsbaum geschmückt.
So gelang es mir, mit Hilfe des gütigen Schicksals ein geruchloses Feuer in zweihundert unschuldige und fromme Flämmchen zu verwandeln. Amen.

Freitag, 16. Dezember 2022

Geschichten von Anno dazumal

Im Prager Tagblatt, in der Gemeindezeitung und im Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen.

Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

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                                                   Ignacy Jan Paderewski (geb.1860, gest.1941)
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Prager Tagblatt 19. Mai 1927

Sonate an die Schwiegermutter.
Paderewski, der berühmter Pianist, ließ eines Tages eine seiner Schülerinnen eine Sonate von Schubert spielen. Bevor die junge Dame begann, setzte ihr der Meister auseinander, dass der Komponist bei der Niederschrift zweifellos an eine Frau gedacht habe und dass die Komposition einer unerreichbaren Geliebten gegolten haben müsse. Die Schülerin begann zu spielen. „Hören sie - auf", schrie Paderewski. Nachdem er fassungslos eine kurzen Weile zugehört hatte. „Ihre Sonate hat Schubert nicht für seine Geliebte, sondern für seine Schwiegermutter komponiert!"
                                                                       ********
Gemeinde-Zeitung: unabhängiges politisches Journal 19. März 1872
Heizkosten sparen
Unsere Anekdote stammt aus einem der riesigen Paläste der Ringstraße in Wien. Der Eigentümer des Palastes kommt nach Hause und findet den Familiensalon übermäßig stark geheizt. Da schimpft er seine Frau unwirsch an: „Was fällt Dir ein, Sarah, so stark heizen zu lassen,“ sagt er. „Glaubst du, ich habe das Holz auch gestohlen?“
Schade, dass nicht einer unserer modernen Burgtheater-Dichter Zeuge dieses „Zornesausbruches“ gewesen ist. Das so sehr betonte „auch“ birgt ja doch wirklich den Gehalt einer ganzen Sittenkomödie in sich.

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Tagblatt 28. September 1929
Eine Anekdote von dem berühmten Hypnotiseur Onovrof.
Onovrof ist eigentlich Italiener und heißt Venoni. Da aber russisch Mode ist, hat er den kleinen Namenwechsel vorgenommen.
Onovrof war einmal in New York und hatte ein Engagement für 1000 Dollar die Woche — was damals noch eine hohe, sehr hohe Summe war. Doch in dem Vertrag stand ein Paragraph, der die Direktion ermächtigte auf die halbe Gage herunterzugehen, wenn seine Zugkraft nicht groß genug sei. Man versuchte diesen Paragraphen geltend zu machen, aber Onovrof wollte darauf nicht eingehen, sondern wandte sich an seinen Impresario, der ihm einen großen Erfolg zusicherte.
Er mietete den größten Saal von New York, die Plätze sollten zum Einheitspreis von 2 Dollar verkauft werden. Der Impresario schlug vor, Onovrof sollte das neue Programm mit seinen hypnotischen Nummern füllen und zum Schluss würde gezeigt werden, wie er einen lebendigen Menschen aufessen würde. „Was soll ich tun?" fragte Onovrof verwundert.
— „Lassen Sie das nur meine Sorge sein“ beruhigte ihn der Impresario.
Zwei Tage später stand an allen Litfaßsäulen zu lesen: „Onovrof isst einen lebendigen Menschen!"
Natürlich war die Vorstellung sofort ausverkauft. Und als sie an die letzte Nummer kamen, sagte Onovrof: „Also, meine Herren und Damen, jetzt habe ich die Ehre, Ihnen zu zeigen, wie ich einen lebendigen Menschen aufesse. Darf ich einen von den Herrschaften bitten, sich nach oben zu bemühen?".
Und wirklich kam ein großer, dicker Mann auf die Bühne. Der Hypnotiseur betrachtete ihn und sagte: „Nun, das ist ja ein ordentlicher Bissen. Sie sind also bereit, sich aufessen zu lassen? Wollen Sie dann freundlichst diesen Ärmel hinaufstreifen?" Der Herr tat das, schon etwas bedenklich geworden und Onovrof hieb mit solcher kraft die Zähne in seinen Arm, dass der Mann mit einem lauten Aufschrei entsetzt vom Podium flüchtete. Onovrof wartete eine Weile, dann sagte er mit bedauerndem Achselzucken: „Ja, meine Herrschaften, wenn niemand von ihnen Lust hat, sich aufessen zu lassen, so muss ich leider auf diese Nummer verzichten. Ich danke den Herrschaften für ihre gütige Aufmerksamkeit!"

Samstag, 10. Dezember 2022

Interessante Anekdoten

Im Pilsner Tagblatt und im Grazer Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen.

Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Oscar Wilde (geb.1854, gest.1900)
Lyriker, Romanautor, Dramatiker

Pilsner Tagblatt 7. November 1930
Geistreich bis zuletzt.
Als Oscar Wilde in seinem Pariser Hotelzimmer auf dem Sterbebett lag, bemühten sich mehrere Ärzte um ihn und besprachen leise die geringen Aussichten, bei der Armut des Dichters zu ihrem Geld zu kommen.
Aber Wilde hörte die geflüsterten Worte, richtete sich noch einmal auf und sagte: „Jch weiß, ich weiß, meine Herren, ich sterbe — über meine Verhältnisse!"

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Pilsner Tagblatt 7. November 1930
Hochzeitshonorar ?
„Was bin ich schuldig?" fragt« der glückliche Ehemann den Geistlichen nach der soeben vollzogenen Trauung. „Ich will es Ihnen überlassen", sagte dieser zuvorkommend, „sie müssen ja am besten den Wert des Dienstes zu schätzen wissen, den ich ihnen geleistet habe".
„Dann möchte ich, wenn Sie gestatten, ein Jahr mit der Bezahlung warten", schlug der Vorsichtige vor. „Dann werde ich besser wissen, ob ich Ihnen 1000 Kronen geben soll oder nichts".
„Nein, nein", fiel der Gottesmann eifrig ein. „So geht es nicht. Zahlen Sie lieber 
10 Kronen sofort".
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Grazer Tagblatt 8. Juni 1913
Der untersuchte Freiersmann.
Herr Witmer erzählte eine charakteristische Anekdote über den vor einigen Jahren verstorbenen, berühmten Moskauer Arzt Prof. Sacharjin.
Der Professor, der Leibarzt des Zaren war, hatte eine bildschöne Tochter, die sich in einen Ulanen-Offizier verliebte. Der Offizier machte ihr einen Heiratsantrag; die junge Dame war natürlich mit Freuden einverstanden, aber ihre Mutter konnte sich lange nicht entschließen, die Liebesgeschichte ihrem Mann, dem wegen seiner Grobheit selbst in den höchsten Kreisen gefürchteten Professor, beizubringen.

Endlich aber bot sich eine passende Gelegenheit zur Aussprache, Prof. Sacharjin hörte seine Frau merkwürdig ruhig an und sagte dann nur kurz, dass er den Freier zu einer bestimmten Zeit in seinem Sprechzimmer zu sehen wünsche.
Der Offizier warf sich in seine Paradeuniform und erschien vor dem Professor.  Sacharjin musterte ihn vom Scheitel bis zur Sohle und sagte dann mit dumpfem, harten Ton, der ihn noch unliebenswürdiger machte, als er ohnehin war, lakonisch: „Wollen sie meine Tochter heiraten?"— „Jawohl, Herr Professor," erwiderte stark eingeschüchtert der Offizier. Sacharjin sah ihn wieder scharf an, als wenn er ihn durchbohren wollte und sagte rauh: „Ausziehen". Da ihn der Ulane verständnislos ansah, fuhr er ihn barsch an: „Hören sie denn nicht? Sie sollen sich ausziehen". Der Offizier glaubte, dass der Professor plötzlich verrückt geworden sei, aber er gehorchte und legte rasch seine Paradeuniform ab. „Hemd auch weg!" schrie Sacharjin. Auch diesen Befehl erfüllte der Heiratskandidat. Nun begann eine lange aufmerksame Besichtigung und Beklopfung, bei der dem Offizier, da der Professor kein Wort spracht, Angst und Bange wurde. Endlich schrie Sacharjin, wie von einer schweren Last befreit. „Sie sind gesund und können heiraten. Meinetwegen meine Tochter. Werde ihnen 1000 Rubel monatlich geben. Wenn Sie ein anständiger Mensch sind, lege ich zu". 
Zwei Wochen später fand die Hochzeit statt.

Freitag, 2. Dezember 2022

100 Jahre alte Anekdoten aus Zeitungen

Im Grazer Tagblatt, im neuen Wiener Tagblatt und Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen.
Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

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Franz Liszt (geb.1811, gest.1886)        George Sand (geb.1804, gest.1876)

Grazer Tagblatt 13. August 1899

 George Sand und Franz Liszt        
  Schriftstellerin und Komponist        

Im Jahre 1838, kurz nach der Trennung der unglücklichen Ehe George Sands, kam sie nach Genf, um dort Liszt zu besuchen, der mit seiner Freundin, der Gräfin d'Agoult, in einem Hotel Aufenthalt genommen hatte.
Ihr Reisekostüm musste damals einigen Anstoß erregt haben. Sie trug eine blaue Bluse, Pantalons und ein Paar sehr solide Stiefel. Liszt und die Gräfin waren in Begleitung des Genfer Philologen Adolphe Pictet nach Chamounix abgereist, wohin die Sand ihnen folgte.
Als man sie dort im Gasthaus fragte, zu wem sie wolle, antwortete sie: „Zu einem Herrn mit langen wirren Haaren, zerknülltem Hut und strickähnlicher Halsbinde. Er trällert meist mit angenehmer Stimme vor sich her." Das genügte, der Wirt antwortete: „Der wohnt Nummer 13." Die fremde Dame mit den kotigen Stiefeln und dem auffallenden Äußeren stieg die Treppe empor und wurde von dem Paar jubelnd empfangen. George Sand selbst schildert die Szene später einmal mit folgenden Worten:
„Wir bildeten eine unentwirrbare Gruppe von Umarmungen, während das Stubenmädchen ganz verblüfft war, dass ein schlecht gekleideter Bursche, den sie für einen Rossknecht gehalten hätte, eine so feine Dame wie die Gräfin küsste. Sie ließ vor Bestürzung das Licht fallen, ging hinaus und sagte zu dem übrigen Gesinde, da auf der Nummer 13 sei eine nette Gesellschaft beisammen. Zwei seien gar nicht gekämmt und man wisse nicht, welcher der Mann und welches die Frau sei. Der Koch sagte verächtlichen Tones: „Komödiantenvolk" und seine Ansicht schlug durch. Sie standen fortan nicht mehr hoch in der Achtung.
              
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Giacomo Antonelli (geb.1806, gest.1876) 
Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 8. Juli 1877
Besuch bei Staatssekretär Kardinal Antonelli     
Als Graf Arnim, deutscher Botschafter in Rom war, fuhr er eines Tages durch die Romagna und wurde an einer Stelle des Weges durch die Erscheinung eines jungen Hirten lebhaft frappiert, der seine Herde weidend, auf einem Stein hockte.
Das waren ja die leibhaftigen Züge Antonellis, der Bursche war dem Kardinal buchstäblich wie aus den Gesicht geschnitten.
Noch voll des Bildes wurde der Graf einige Tage darauf, durch ein diplomatisches Geschäft, zu dem Kardinal geführt und er konnte sich nicht enthalten, wie das in solchen Situationen unwillkürlich zu geschehen pflegt, mit dem Blicke des Gedächtnisses und des Auges die merkwürdige Ähnlichkeit noch einmal zu überprüfen.
Dem Kardinal entging das nicht. „Warum fixieren Sie mich, Graf? – fragte er „sehe ich heute schlechter aus, wie gewöhnlich?“ Die Ängstlichkeit Antonellis vor Krankheit und Tod war bekannt. Der Besucher trachtete den Kardinal zu beruhigen und das Gespräch nahm seinen Fortgang. Aber schon nach wenigen Minuten unterbrach es Antonelli von Neuem:
„Leugnen Sie es nicht, Graf, es ist gewiss, sie fixieren mich – sagen sie mir also aufrichtig, warum ?“ Mit diplomatischer Umschreibung und sich in schonender Erörterung der unberechenbaren Gesichtszufälligkeiten und Naturspiele ergehend, brachte Graf Arnim die Begegnung mit dem Hirtenjungen und die an demselben gemachte Wahrnehmung vor.
„Wo war die Stelle?“ fragte der Kardinal. Der Diplomat bezeichnete sie ihm. „Und wie alt mag der Junge gewesen sein?“ forschte Antonelli weiter. „Sechzehn oder siebzehn Jahre,“ war die Auskunft. „Nun, dann kann es schon möglich sein,“schloss der Kardinal mit einer Kaltblütigkeit, als wäre von einem selbstverständlichen Verhältnis die Rede, so dass der deutsche Botschafter völlig entsetzt einem Freund die Anekdote erzählte.
Dass ein Kardinal der heiligen römischen Kirche nicht darum schon absolut ein Heiliger sei meinte der Graf - habe er wohl immer schon gewusst, aber dass man in dem Kardinalsbewußtsein so wenig Skrupel gegen das offene Bekenntnis der Nicht-Heiligkeit zu finden vermöge, das habe ihn denn doch ein bisschen stark überrascht.

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Tagblatt 21. September 1922


Eine Anekdote von der Inflation aus dem Jahr 1922.

Vor mehr als lO0 Jahren kam der Viehhändler Daniel Drew, der seine Viehherde nach der Stadt New York trieb, auf den Gedanken, höhere Preise für seine Rinder zu erzielen, indem er unterwegs das Vieh mit gesalzenem Heu fütterte und kurz vor New York zur Tränke führte, worauf die durstigen Tiere sich den Leib mit Wasser anfüllten.
Das so künstlich durch Wasser aufgeblähte Vieh hatte im Augenblick der Abnahme durch den Metzger ein viel höheres Gewicht und so bekam der findige Viehhändler für ein Rind, das ohne Wasser 100 Dollar gekostet hätte, mit Wasser 120 Dollar. Die Inflation des Rindes infolge der Verwässerung hatte also eine künstliche Inflation des Verkaufspreises um 20 Dollar zur Folge. Als der Trick bekannt wurde, nannte man solches durch Wasser aufgeblähtes Vieh „watered stock". Nun bedeutet aber das englische Wort „stock" sowohl Viehstand wie Kapital und deshalb wurde der Ausdruck auch für verwässertes Kapital benutzt. Man sprach also von einer „Aufblähung", wenn das Aktienkapital durch Ausgabe junger Aktien vermehrt wurde, ohne dass man zugleich für Zahlung von Dividenden auf das Neukapital sorgte.
Die selbe Aufblähung oder Inflation nimmt aber ein Staat vor, der unter dem Druck beständiger Geldknappheit Staatspapiere „stocks“ auf den Anleihemarkt bringt und durch das Zinsanerbieten wirkliches Kapital zu erlangen sucht das er dann unproduktiv verwendet. Er bringt also scheinbar schwerwiegendes „Staatsvieh“ in Gestalt der Staatspapiere auf den Markt und betreibt eine „Roßteuscherpolitik“, da die Ware „verwässert“ ist. Diese Kapitalverwässerung, die das Kapital aufbläht, ohne ihm tatsächlich neue Werte zuzuführen nennt man Inflation.