Freitag, 25. Juni 2021

Ein Linzer Findelkind, Maler der Könige – Künstlerleben in Oberösterreich.

In der Oberdonau-Zeitung am 9. Mai 1943 berichtete Dr. Justus Schmidt über den Maler Franz Seraph Stirnbrand (geb. um 1788, gest. 1882) der auf ein ganz aussergewöhnliches Leben zurückblicken konnte.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Im Jahre 1796 befand sich ein kroatisches Regiment auf dem Durchmarsch durch das Land ob der Enns und bezog das Nachtlager in der Nähe von Ebelsberg. Als im Morgengrauen der Übergang über die Traun erfolgte, fand man in der Nähe des Flusses ein etwa zwei Jahre altes Knäblein weinend auf der Uferböschung liegen, das nur mit einem Hemdchen bekleidet war.
Leute, die sich seiner annahmen, wollten eine Zigeunerin gesehen haben, die im Begriffe war, das arme Würmchen ins Wasser zu werfen, doch in ihrem schändlichen Tun aufgescheucht, eilte sie den abziehenden Kroaten nach und übergab das Kind den Kroaten.
Als die Soldaten mit dem nackten Kindlein in Ebelsberg eintrafen, vermochte sich niemand seiner zu entsinnen und auch keiner von den guten Ebelsbergern schien gewillt, sich seiner anzunehmen. Da trat aus einem der Gasthöfe am Hauptplatz ein Mann heraus, der sich offensichtlich auf der Durchreise befand. Er nahm, sobald er sich der Umstände vergewissert hatte, kurzer Hand den Knaben an sich und fuhr mit ihm davon. Es war just ein alter Junggeselle, der sich da rasch entschlossen zu einem Pflegevater aufgeschwungen hatte. Er war der Pfleger (Verwalter) des weitab gelegenen Gutes Zellhof im Mühlkreis namens Reser.

Bei ihm wuchs der Knabe auf und der alten Köchin des Hagestolzes (kauziger Junggeselle) wurde seine Erziehung anvertraut. Sie hielt es damit vielleicht nicht zum besten, denn nach etwa Jahresfrist fand sich der Findelknabe allein in der Küche und bekam eine Wergrupfe (zur Verarbeitung von Flachsfasern) wie solche besonders im Mühlviertel zum Spinnen vorbereitet gehalten werden, in die Finger. Das Kind nahm die Rupfe um den Hals, fing damit am offenen Herde Feuer und stand alsbald, den Kopf von Flammen eingehüllt, da. Auf sein Geschrei lief die alte Köchin herbei und hatte mit ihrer Schürze bald das Feuer erstickt. Nur ein Brandmal blieb als Denkzeichen auf der Stirn zurück. Als die Schwester des Pflegevaters, eine verwitwete Frau von Berner, von dem schrecklichen Ereignis erfuhr, beeilte sie sich, den Findling zu sich in die Stadt Enns zu nehmen und mit größerer Sorgfalt aufzuziehen. Im Jahre 1805, als der Knabe etwa elf Jahre zählen mochte, ward über ihn beschlossen, dass er ein tüchtiges Handwerk erlernen sollte. Da er immer besondere Neigung zum Zeichnen bezeugt hatte, wurde er nach Linz dem Schildermaler Rieger in die Lehre gegeben. Der Meister gewann den begabten Knaben lieb und bestimmte zum Abschluss seiner dreijährigen Lehrzeit eine feierliche Taufe, bei der er selbst Pate stand. Da es unsicher war, ob er schon früher einmal getauft worden war, wurde er am 2. April 1808 getauft und erhielt den Namen Franz nach dem Heiligen des Tauftages sowie den Familiennamen Stirnbrand nach dem Brandmal auf seiner Stirn.
Seine künstlerische Weiterbildung sollte nun der Zimmermaler Hefner übernehmen und als dies wenig fruchtete, kam er zu Anton Hitzentaler, der ein tüchtiger Schüler des berühmten Malers Kremser-Schmidt war. Schon nach Jahresfrist fühlte sich der Junge Franz Stirnbrand in der Malkunst so sicher, dass er seinen Lehrmeister und die Heimat überhaupt verließ. Er machte sich auf die Wanderschaft und es sollte lange währen, bis er mit seinem unruhigen Künstlerblut weit in der Ferne wieder sesshaft werden sollte.

Zunächst fand Stirnbrand in Frankfurt festen Halt, wo er von 1809-1812 in einer Blechwarenfabrik mit dem Bemalen von Tassen und Schnupftabakdosen beschäftigt war. Hauptsächlich waren es weibliche Bildnisse, mit denen er die verschiedensten Blechgeräte verzierte und als er darin genügend Übung erlangt hatte, zog er aus Frankfurt fort und begab sich 1813 nach Stuttgart als Bildnismaler. Als erfolgreicher Porträtmaler kam er 1816 nach Linz zurück, fand auch hier in den Bürgerkreisen manchen lohnenden Auftrag, brach aber 1820 schon wieder auf. Durch Süddeutschland und die Schweiz reiste er nach Paris, ging über Luxemburg und Trier nach Karlsruhe und verblieb dort bis 1824.
Nun lockte ihn die Kunst Italiens. Er begab sich nach Rom und brachte es auch dort zu solchem Ansehen, dass er den Papst Leo XII. malen durfte, dessen Bildnis sich jetzt im Stift St. Florian befindet. Im Jahre 1825 verließ er Rom, einer ehrenden Berufung der Königinwitwe Charlotte Mathilde von Württemberg, Tochter Georgs III. von England, nach Ludwigsburg folgend. Stirnbrand wurde der Maler des Württembergischen Hofes und setzte diese Tätigkeit auch in Stuttgart fort, wo er 1830 endlich seinen bleibenden Wohnsitz aufschlug. Ein wenig steif, aber voll Anmut und verblüffend lebenstreu, schuf er seine Bildnisse der hohen und höchsten Herrschaften. Das Findelkind war der Maler der Könige geworden. Er malte die offiziellen und oft wiederholten Bildnisse der Könige Wilhelm I. und Karl von Württemberg, der Königinnen Katharina Paulowna, Charlotte und Mathilde. Aber auch anmutige Szenenbilder waren von ihm auf den verschiedensten Ausstellungen in deutschen Städten zu sehen, wie etwa die vier Jahreszeiten, dargestellt durch vier schwäbische Mädchen in Nationaltracht. 

So kam Stirnbrand zu Ehren und Wohlstand, heiratete ein Mädchen aus alter schwäbischer Familie und baute sich ein hübsches Haus in Stuttgart, das einen geselligen Mittelpunkt der Hauptstadt bildete. Der Sohn des großen Dichters, Karl von Schiller, dessen Bildnis Stirnbrand malte, Geibel, Lenau, Dingelstedt, Hackländer gehörten zu seinen Freunden. Hackländer hat ihn in seinen Lebenserinnerungen als geselligen Mann lebensfrisch geschildert: „Stirnbrand. ein stiller, freundlicher, stets harmonisch und froh gestimmter Mann von unverwüstlichem Humor, war auch wegen seiner Talente, eine Gesellschaft zu erheitern, bekannt und geliebt.
Wie drastisch und komisch stellte er, mit einem Offiziersfederhut auf einem Stuhl reitend, den Einzug der drei Monarchen in Paris vor. Wie ergötzlich wusste er die Geschichte vom Sohn der Wäscherin zu erzählen, der sich mit seinem weißen Höschen auf das frischgeschriebene Epitaphium (Gedenktafel für einen Verstorbenen) setzte und dann einen korrekten Abdruck der Grabschrift mit sich herumtrug. Wir krümmten uns oft vor Lachen, wenn er hinter einem Vorhang die Leiden jener alten Frau schilderte, die durch Applikation eines gewissen Instrumentes Linderung suchte, dann aber in quälender Unruhe verharren musste, bis der Schreiner kam, um den defekt gewordenen gewissen Stuhl (Leibstuhl) zusammenzuflicken. Wie vortrefflich war sein Schusterbube, der den Auftrag zu besorgen hatte, aber nie über die Worte, die er zuletzt weinend wiederholte hinauskam- „A Komplement vo meim Meister und meiner Meisterin". Glückliche Stunden und Abende, die wir in dem heiteren gastfreien Hause verbrachten, bei den liebenswürdigsten Wirten und der stets auserlesenen Gesellschaft von Künstlern aller Art, Schauspielern und Sängern.“

Im Jahre 1882 ist Stirnbrand, der über neunzig Jahre alt wurde, in Stuttgart gestorben.

Franz Seraph Stirnbrand

Einlaufen des Raddampfers „Kronprinz“ in den Hafen
 von Friedrichshafen
 von Franz Seraph Stirnbrand, circa 1840

Königin Katharina von Württemberg

 Wilhelm I. König von Württemberg

Pauline oder Marie von Württemberg 

Freitag, 18. Juni 2021

Franz Grillparzer als Kurgast in Bad Hall.

Die Oberdonau-Zeitung berichtete am 15.4.1944 vom Kuraufenthalt Franz Grillparzers, einem der "Österreichischen Nationaldichter", in Bad Hall. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Am 11. Juni 1866 reiste Franz Grillparzer (geb. 1791, gest. 1872) von Wien zu einem Kuraufenthalt nach Hall ab. Bis 1878 hieß der heute in der ganzen Welt bekannte Kurort ja Hall, erst ein Ministerialerlaß aus diesem Jahr änderte den Namen des Marktes in Bad Hall, wohl um ihn von Hall in Tirol zu unterscheiden.
Grillparzer war um diese Zeit bereits ein Jahrzehnt lang als Archivdirektor der Hofkammer im Ruhestand. Außer der Novelle „Der arme Spielmann" und dem dramatischen Fragment „Esther“ hatte die Öffentlichkeit seit der Ablehnung seines wundervollen Lustspieles „Weh dem, der lügt!“ am 6. März 1838 vor allem durch die adeligen Theaterbesucher nichts mehr von ihm als Dichter gehört. Wohl aber hatte ihn 1859 die Universität Leipzig zu ihrem Ehrendoktor, 1861 das Herrenhaus zu seinem Mitglied und 1864 die Stadt Wien zu ihrem Ehrenbürger erhoben. Den Dichter hatten diese Ehrungen gefreut, aber seine Natur war nicht so geartet alle Demütigungen von früher zu vergessen. So sehen wir ihn auch in Bad Hall als den griesgrämigen alten Herrn, der in dem Haus Eduard-Bach-Straße Nr.2, absteigt.  Er nimmt zunächst 8 oder 9 Bäder, mit dem Erfolg, dass er, wie er an Kathi Fröhlich schreibt, „etwas besser gehe als in Wien“. Dieser Brief ist mit 21. Juni 1866 datiert.
Noch hebt sich die drohende Niederlage Österreichs durch Preußen vom Horizont eines mit Spannungen geladenen Europa nicht ab. Aber dafür ist der Wettergott missliebig und Grillparzer beklagt sich darüber sehr: „Ich weiß nicht, ob das Wetter in Wien ebenso schlecht war, hier aber war halb der Untergang der Welt. Bei jedem Sonnenblick unmittelbar ein ungeheures Gewitter, darauf die Berge bis herab mit Schnee bedeckt, halb winterliche Kälte, und Regen nach Herzenslust. Ich habe das alles mit meiner ledernen Natur ausgehalten.“ Er lässt dann noch seinen Ärger über das harte Fleisch aus, das er vorgesetzt bekommt, vor allem über die mageren Hühner, die er zurückschickt, aber doch bezahlen muss. Schließlich legt sich der Badearzt Dr. Rabel ins Zeug, der ihn der Wirtin zur „Kaiserin Elisabeth“ empfiehlt. Dort erhält Grillparzer denn auch „das erste mal ein gutes, die folgenden Male ein wenigstens erträgliches Rindfleisch“. Von Dr. Rabel sagt er noch, dass er „recht freundlichst“ sei.
Grillparzer kann aber nicht umhin, die Landschaft um Bad Hall zu loben: „Übrigens ist die Gegend ganz hübsch. Das Grün saftig, der Badgarten hinreichend mit Bänken versehen.“ Er ist auch froh, dass kein Bekannter hier ist, nur eine Frau, „wie es scheint eine Ungarin“, die ihn vom Römerbad her kennen will; ist ihm wohl lästig. Er erkundigt sich nach dem Söhnchen der ihm bekannten Wiener Familie Wieninger, das in Bad Hall zur Kur ist, und findet es auch im Elisabeth-Spital krank im Bett liegend. Dazwischen teilt er Kathi noch mit, dass er einen Besuch beim Prälaten in Kremsmünster, zu dem der Haller Pfarrer im Namen des Prälaten einlädt, wegen seiner Schwerhörigkeit abgelehnt, aber versichert habe, sobald er eine Besserung verspüre, „gewiss einen Besuch abstatten zu wollen“. Es ist der als Astronom bedeutenden Ruf genießende Abt Augustin Reslhuber, Ehrendoktor der Wiener Universität, geboren in der Ortschaft Saaß, Gemeinde Garsten nächst Steyr. Noch einen zweiten Brief lässt der Dichter aus Bad Hall abgehen, und zwar am 3. Juli, wieder an Kathi Fröhlich. Es ist also der Tag der Schlacht bei Königgrätz; Grillparzer konnte natürlich noch nichts von der Niederlage Österreichs wissen. Aber er ahnt sie, denn er schreibt im Anfang sarkastisch: „Dass die erfreulichen Kriegsnachrichten meinen Wunsch, bald nach Hause zu kehren, sehr vermehrt haben, ist wohl begreiflich.“ Und er schließt den Brief: „. . . dass mir die Preußen nicht in Wien zuvorkommen.“ Das staatsmännische Genie Bismarcks hat dann gegen den Widerstand seines Königs Österreich im Vorfrieden von Nikolsburg und im Frieden von Prag nicht gedemütigt und so den Grund zu einem Bündnis zwischen den beiden Staaten gelegt, das im Verlauf der geschichtlichen Ereignisse, letzthin im Weltkrieg, seine Probe in einer Waffenbrüderschaft sondergleichen bestanden hat.
Grillparzer, nach allen Kränkungen stets ein unbedingt treuer Diener seines Herrn, mag mit dieser Lösung einverstanden gewesen sein. In diesem Brief gesteht er noch mit Bezug auf den Bruderkrieg: „Die kriegerischen Neuigkeiten werden wohl alle Leute so martern wie mich.“ Dann schimpft er sogleich, dass man hier in dieser Einöde nichts als die mageren Journal-Nachrichten“ erfahre. Nun berichtet er seiner „Katti", wie er den Namen immer schreibt, dass er am 14. Juli, einem Samstag, sein dreißigstes Bad nehmen werde. Doktor Rabel habe erklärt, dass auch ein einmonatiger Aufenthalt in Bad Hall für ihn genug sei. Er wolle also am 16. Juli, denn ein Sonntag sei nicht gut zum Reisen, von dem Kurort wegfahren und werde abends bereits in Wien eintreffen. Das Wetter ist indes nicht besser geworden, es wechselt „von der drückendsten Hitze bis zur empfindlichen Kälte“. Über den Erfolg der Kur ist er aber doch einigermaßen zufrieden: „Das Bad hat meine Übel, wenn auch nicht gehoben oder gemindert, doch auch nicht verschlimmert und auf die Nachwirkung rechnet man ja bei allen Bädern.“ Später setzt er hinzu: „Ich habe heuer meine letzte Badereise gemacht, wenn ich auch noch so viele Sommer erleben sollte.“ In der Folge hat er in den Jahren 1867—1871 auch stets nur das nahe bei Wien gelegene Baden aufgesucht.

Grillparzer ist am 17. Juli 1866 von Bad Hall nach Wien zurückgekehrt. In Bad Hall erinnert eine Marmortafel am Hause Eduard-Bach-Straße 2 an den Kuraufenthalt des Dichters: „Franz Grillparzers Wohnhaus während der Saison 1866.“ Ergehen wir uns in dem herrlichen alten Park mit dem Anblick der wilden Steinzacken des Toten Gebirges und der stimmungsvollen Landschaft davor, so wandern wir sicherlich auch auf den Spuren des großen Dramatikers, der hier, in seiner Ahnenheimat, Heilung gesucht hat. Bekanntlich stammen die Grillparzer ja aus Oberösterreich, allerdings nicht aus dem Mühlviertel, sondern, wie neue Forschungen ergeben haben, aus Waizenkirchen im Hausruckviertel.                                       Carl Hans Watzinger


Franz Grillparzer und Lebensgefährtin Katharina (Kathi) Fröhlich 


Grillparzer Denkmal in Wien




Freitag, 11. Juni 2021

Die Uhr ist stehen geblieben.

Der große Wiener Volksschauspieler Alexander Girardi (geb: 1850, gest. 1918) war, wie so mancher andere hervorragende Komiker, ein großer Hypochonder. Hörte er von einer Krankheit, so fragte er sich immer gleich bedrückt, ob er sie, wenn auch vorläufig noch versteckt, nicht ebenfalls habe.

Die Oberdonau-Zeitung vom 4.1.1943 berichtete darüber. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Eines Tages, während er gemächlich in Wien durch die Kärntner Straße nach dem Graben zu spazierte, traf Girardi einen seiner näheren Bekannten, einen Herrn Penkala. Dieser begrüßte ihn lebhaft, man bekomplimentierte (tauschte Komplimente aus) sich und ging zusammen weiter, wobei Girardi fragte: „Was gibt’s denn Neues?“ Penkala wiegte bedauernd den Kopf: „Neues gibt’s schon, aber nix Gutes. Wissen’s, Herr von Girardi, was gestern dem Hartlmeier passiert ist?“ Girardi schüttelte den Kopf: „Keine Ahnung! Was ist denn geschehen?“ „Also ein sehr trauriger Fall, das muss ich schon sagen. Da sieht man doch wieder, dass der Mensch ein Nichts ist. 

Der Hartlmeier sitzt also wie gewöhnlich nachmittags Im Kaffeehaus, spielt seinen Tarock und plaudert mit seinen Freunden und mit einem mal kommen ihm ihre Stimmen so gedämpft vor, werden immer leiser und der Hartlmeier sagt: „Was sprecht ihr denn so geheimnisvoll?“ Sie sehen ihn ganz verwundert an und sagen: „Wir reden doch wie sonst.“ Und da zieht er seine Uhr heraus, hält sie ans Ohr — und hört nichts mehr, keinen Ton. Taub ist er geworden.“

Girardi erbleichte und blieb stehen. „Was — was sagen Sie da?" Er griff hastig nach seiner Uhr, hielt sie ans Ohr, seine Augen wurden starr vor Schreck und er flüsterte: „Um Himmelswillen, ich hör nicht das Geringste!" Auch Penkala verlor die Fassung: „Sie hören nichts mehr? Zeigen`s mal die Uhr her! Er nahm sie dem bestürzten Künstler aus der Hand und sah auf das Zifferblatt, dann lächelte er: „Sie können auch nichts hören. Die geht ja gar nicht, die ist stehen geblieben!" „Stehen geblieben? Wirklich!" In Girardis Gesicht kam wieder Farbe. Penkala aber erklärte: „Sie, da können S' von Glück sagen, denn wenn die Uhr ginge — dann wären S’ jetzt taub!“                                                                                                      Alfred Semerau 

Der Girardi-Rostbraten

Girardi war einmal zu einem Essen mit Kaiser Franz Josrph bei der Schauspielerin Katharina Schratt in Bad Ischl eingeladen. Beim Zusammenstellen des Essens war die Schratt in der Zwickmühle. Girardi war als Gemüseliebhaber bekannt und der Kaiser hat am liebsten Rindfleisch gegessen. Da ist der Schratt die Idee gekommen und sie hat ihre Köchin angewiesen das Rindfleisch mit Gemüse zu garnieren so dass man vom Fleisch nur mehr wenig gesehen hat. Damit war der Girardi-Rostbraten erfunden, den es auch heute noch gibt. 

Girardi hatte nicht nur riesigen Erfolg, er musste auch dunkle Zeiten durchstehen. Das ist in Wikipedia nachzulesen.

Auf Alexander Girardi geht die Neurologie-Reform unter Kaiser Franz Joseph zurück.
Girardis erste Frau, Helene Odilon, wollte ihn entmündigen lassen. Der Arzt Josef Hoffmann (Arzt des Theaters an der Wien) stellte auf ihr Betreiben ein Attest aus, in dem er Girardi für geisteskrank erklärte. Im letzten Moment erfuhr Girardi von dieser Aktion und floh zu Katharina Schratt. Auf ihr Betreiben und das Einschalten des Burgtheaterarztes Staniek und des Gerichtspsychiaters Hinterstoißer wurde Girardi für „geistesgesund“ erklärt.
Nach einer anderen Darstellung dieses Ereignisses wurde Girardi vom berühmten Psychiater Julius Wagner Jauregg kurzfristig ohne Untersuchung in die Grazer Nervenheilanstalt eingewiesen. Girardis Ehefrau Helene hatte vor, den Schauspieler entmündigen zu lassen, weil sie ein Liebesverhältnis mit Albert von Rothschild, einem der reichsten Männer Europas hatte und Girardi sie störte. Dazu nutzte sie ihre Kontakte zu Wagner-Jauregg.

Der Schauspielerin Katharina Schratt, bekanntermaßen die „Freundin“ des Kaisers, gelang es durch ihre gesellschaftlichen Verbindungen, Girardi wieder aus der Heilanstalt herauszuholen. Deshalb entging Girardi zufällig seiner Einlieferung ins Irrenhaus.
Der Kaiser ordnet darauf hin an, dass nie wieder jemand per Ferngutachten in die Psychiatrie gesperrt werden dürfe.

Helene Odilon erlag im 74. Lebensjahr total verarmt 1939 einem Schlaganfall in Baden bei Wien.

Alexander Girardi

Helene Odilon

Alexander Girardi
 als Kaufmann, Abgeordneter und Richter



Girardi-Denkmal in Wien

Samstag, 5. Juni 2021

Unser Stodertal-Blog feiert heute Geburtstag

Am 6. Juni 2012, vor 9 Jahren, wurde zum ersten Mal in diesem Blog über das Stodertal und die Pyhrn-Prielregion berichtet. Seither wird je nach Aktualität, aber bestimmt jeden Freitag, ein neuer Beitrag erstellt.  

Bisher haben Zuseher von mehr als 100 Ländern aus 319291 mal auf die derzeit 903 Beiträge über Begebenheiten in unserer Region zugegriffen. Die Fahnen zeigen an, von welchen Ländern aus auf den Blog zugegriffen wurde.
Corona bedingt mussten  Geschichten aus ganz Oberösterreich verwendet werden, da es über das Stodertal und Umgebung in dieser Zeit nicht so viel Interessantes zu erzählen gab.
 
Bei allen Lesern möchte ich mich herzlich für ihr Interesse bedanken.
                                                                                                                                             Heinz Schachner 


Freitag, 4. Juni 2021

Geschichten und Anekdoten aus alten Zeitungen.

Es war im Wirtshaus zum „Wilden Pferd“. 
Drei Männer in eifrigem Gespräch vertieft, saßen an einem Tisch. Einer von ihnen hieß Biedermann. 
Biedermann begann: „Ich habe zwar meine Frau schon oft geschlagen, nach Strich und Faden, dass Ihr Hören und Sehen verging — aber so wie gestern habe ich sie noch nie geschlagen — das war direkt eine Lust!" Die Freunde jubelten. „Bravo, Biedermann! Nur weiter so!"
Dem Herrn am Nebentisch wurde das zu bunt. „Das sagen Sie auch noch“, schrie er voller Zorn, „damit rühmen Sie sich noch? Pfui Teufel! Eine wehrlose Frau schlagen! Das ist wohl das Niederträchtigste, was es auf der Welt gibt!" „Nun machen Sie aber einen Punkt!" brummte Biedermann. Der Herr ließ nicht locker. „Schämen Sie sich nicht? Kriechen Sie in kein Mausloch? Ausspucken möchte man vor Ihnen! Eingesperrt gehören Sie! Und ihr andern, ihr jubelt dem rohen Kerl noch zu!“ Ihr schlagt wohl auch eure Frauen, was?" Die Freundesrunde saß verdutzt. „Freilich", nickten sie. „Was?" „Das wäre Ja noch schöner, wenn wir unsere eigenen Frauen nicht schlagen dürften!“ Das war dem fremden Mann zuviel. Drohend ballte er die Fäuste: „Ihr Lumpen! Ihr Verbrecher!“

Da ging die Tür des Gastzimmers auf. Frau Biedermann erschien. Freundlich trat sie zu ihrem Mann. „Da bist du ja", sagte sie zu Ihm. Der fremde Herr machte eine Verbeugung. „Gestatten, ich heiße Zumpe, habe eben Ihrem sauberen Gemahl Bescheid gesagt. Er sitzt hier im Gasthaus herum und rühmt sich, Sie gestern geschlagen zu haben! Was sagen Sie dazu?“ Frau Biedermann lächelte freundlich: „Er hat mich geschlagen." „Und das lassen Sie sich gefallen?" Warum nicht? Heute schlägt er mich, morgen schlage ich Ihn." „Was? Sie schlagen ihn auch?“ „Nach Strich und Faden!“ Der fremde Herr schaute entgeistert. „Das sind ja reizende Familienverhältnisse!“ rief er schließlich. Frau Biedermann schüttelte lächelnd den Kopf.
„Was haben Sie eigentlich dagegen, junger Mann“, fragte sie, „wenn ich abends mit meinem Mann eine Partie Schach spiele?"                            Jo Hanns Rösler

Der beste Schutz..
Hermann Bahr, der geistreiche Dichter, der seine Linzer Heimatstadt zeit seines Lebens hochgehalten hat, wurde einmal von einem jungen Poeten bedrängt, der ihm seine neuesten Gedichte vorlas und dessen größte Sorge es war, wie er diese seine Werke, die er zu veröffentlichen gedenke, am sichersten vor Nachdruck schützen könnte. „Hm", meinte Hermann Bahr lächelnd, „In diesem Falle sind besondere Maßnahmen kaum notwendig. Diese Dinger schützen sich selber..."
Hermann Bahr (geb.1863, gest.1934) Schriftsteller und Dramatiker.

Franz Stelzhamer, der „Franzl von Piesenham“, war mit Glücksgütern niemals gesegnet. Viel öfter hatte er schwere Sorgen, profan gesagt, drückende Schulden. Wieder einmal hatte er einem vertrauten Freund sein Herz ausgeschüttet. Dieser versuchte zu trösten: „Schau, Franzl, das dumme Geld . . . Geld allein macht nicht glücklich.* „Ganz meine Meinung“, fiel Stelzhamer im Brustton der Überzeugung ein „wirklich ganz meine Meinung. Leider aber nicht die meiner Gläubiger“.
Franz Stelzhamer (geb. 1802, gest.1874) Dichter der Oberösterreichischen Landeshymne.

Franz Stelzhamer
Hermann Bahr