Freitag, 24. April 2020

Inschriften auf Marterl und Gräber im Gebirge.




"Es ist ein alter Hochgebirgsaberglaube, dass es dem Touristen kein gut tut, wenn er eifrig die Marterln liest und doch kann man nicht an diesen Votivtäfelchen für Verunglückte vorbeigehen, ohne sie zu lesen; es spricht meistens ein herzinniges Gottesvertrauen aus den schlichten Verslein, wenn auch die mangelhafte Orthographie, der hinkende Versfuß und die drastische Kürze sie mit einem Hauch unwiderstehlicher Tragikomik umgeben."
So schrieb die "Hausfrauen-Zeitung" am 6. Jänner 1895.

Die nachstehenden Inschriften sind meist aus gebirgigen Gegenden, geradeso wie das Stodertal. Diese Grabsteininschriften, wie man sie in manchen alten Friedhöfen findet, erzählen oft auf seltsame Weise sonderbare Geschichten.

Ein Fuhrmann ist im Schlaf von seinem Fahrzeug gefallen, überfahren und getötet worden. Auf seinem Grabstein steht:
„Der Weg in die Ewigkeit war für ihn nicht weit.
 Um 6 Uhr fuhr er fort, um 8 Uhr war er dort.“

Ein Bauer stürzte beim Äpfel pflücken vom Baum und brach sich das Genick.
„Aufigstign,- abigfalln,- hingwest. Amen. Die Ehr(e) sei der heiligen Dreifaltigkeit“.
(Hinaufgestiegen, hinuntergefallen, tot gewesen, Amen) 

„Im Leben rot wie Zinnober, im Tod wie Kreide bleich.
 Gestorben am 8. Oktober, am 10. war die Leich" (Begräbnis)

Oder Beschreibung der genauen Biografie:
„Hier liegt, der Kajetan Stoder,
der Hammerschmiedin ihrer Schwestern ein Kind."

Der Wirt wurde vom Schlag getroffen:
„Hier hat der Tod mit seinen Knochen,
den Kreuzhuderwirt erstochen.“

„Anna heiß`ich, in den Himmel reis ich;
 Will sehen was mein Jesus macht,
 Liebe Eltern, gute Nacht!“

„Er lebte fromm und recht;
Der hier zerdruckte Bauernknecht;
Zum Glück war er ledig - Gott sei ihm im Fegefeuer gnädig!“

„Hier ruht Hans Kaspar der Grobian,
Ein Klotz, wie´s einen nur geben kann;
Läg`er nicht ohne Hut im Grab;
Er nähm ihn selbst vor Gott nicht ab.“

"All hiero ruht in Gott die ehrsambe Jungfrau
Katharin Prandnerin, die vierzig Jahre ihres Lebens
ein edler Tugendspiegel war.
 Gestorben am 
Sankt Michaelstag des Jahres des Heils" 

"Du fragest, wer logiert da drin?
Es ist die Anna Schnitzlerin.
Sie war von allen Lastern frei
und trieb sehr stark die Gärtnerei.
Sie hat gebaut viel Rub`n (Rüben) und Rettich
Gott sei der armen Seele gnädig."


In der Nähe von  München hat ein „liebevoller Ehemann“ seiner Frau auf`s Grab schreiben lassen:
“Tränen können nicht mehr lebendig machen;
darum weine ich".


Eine doppelsinnige Grabsteininschrift. 
"Unser teurer Vater Gotthilf David Schmidt, Doktor der Medizin, ging nach langjährigem Wirken, zum Wohle der Menschheit, ins bessere Jenseits hinüber".

„Hier ist R. Niedermair von einer wilden Kuh ermordet worden, 
just als er zur Messe ging.“

„Hier liegt begraben,
Vom Blitz erschlagen,
Drei Schaf`a Kalb und a Bua,
Herr gib ihnen die ewige Ruah!“


"Wanderer steh` still und weine,
Hier liegen meine Gebeine:
Ich wollt', es wären deine".

 "Hier unter diesem Leichenstein ruht eine Jungfer: Rosa Klein,
 sie suchte lange vergebens einen Mann,
 zuletzt nahm sie der Totengräber an".

 "In diesem Grab ruht Johann Peter,
 die Frau begrub man vier Jahr später. 
 Man hat sie neben ihm begraben --
 Wird er die ewige Ruh` nun haben?"

Ein Mann, der seine zanksüchtige Frau durch den Tod verloren hatte, schrieb auf ihren Grabstein:
"Hier liegt mein liebes Weib, sie zankte zum Zeitvertreib,
Wandrer geh' schnell weg von hier, sonst steht sie auf und zankt mit dir."

 "Es liegt hier unter diesem Stein ein mageres, dürres Schneiderlein.
 Und stehen einst die Toten auf, so hilf ihm, lieber Gott herauf.
 Und reich' ihm deine starke Hand,
 Denn er allein ist's nicht imstand."

 Dem Totengräber Klein hat man folgende Grabstein-Inschrift gesetzt:
 "Hier ruht der Totengräber Karl Wilhelm Klein.
 Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein."

 Auf einem Friedhof bei Berchtesgaden:
 "Hier liegt der Bote Michel,
 er fiel mit seiner Kraxen
 und brach sich beide Haxen.
 Sie wurden amputiert.
 Das hat ihn sehr geniert, 
 Dann kam der Brand dazu,
 Gott geb' ihm die ewige Ruh."

 "Hier in dieser Gruben liegen zwei Müllerbuben,
 Geboren am Chiemsee. 
 Gestorben an Bauchweh."

 "Hier ruht das junge Öchselein,
 vom alten Ochs das Söhnelein.
 Der liebe Gott hat nicht gewollt,
 dass er ein Ochse werden sollt.
 Der Vater Ochs hat mit Bedacht
 den Vers und Grabstein selbst gemacht."

„Hier ruht die hochehrsame,
äußerst tugendhafte Jungfrau Anna Hinterniedermaier.
Sie starb im vollendeten 72. Lebensjahr.
Dies Denkmal wurde ihr errichtet in Liebe,
von ihren Söhnen Xaver und Josef“.


Freitag, 17. April 2020

Ausflug auf die Jaidhauserreith

Ausgangspunkt war der Parkplatz bei der ehemaligen Pehamvilla, über Polsterstüberl, dann Richtung  Prielschutzhaus, Abzweigung Richtung Jaidhauserreith, dann immer der Forststrasse entlang. 





















                                                                     Fotos: Margit Wright

Samstag, 11. April 2020

Ostergrüße von Kindern und Goldhauben- Frauen aus Hinterstoder nähen Corona-Schutzmasken







                                       Goldhauben-Frauen nähen Corona-Schutzmasken




                               Fotos: Goldhauben-Frauen, Eva Wagner, Traude Schachner 

Donnerstag, 9. April 2020

Eiopfer und Ostereier

Gefärbte und dekorierte Eier gibt es schon seit vorchristlicher Zeit wie
M. A. v. Lütgendorff in der "Kleine Volks-Zeitung" vom 17. April 1938 berichtete.

Vor etwa dreißig Jahren (ca. 1908) fand ein Forscher, als er in Worms Ausgrabungen altrömischer Grabstätten vornahm, im Steinsarg eines Mädchens zwei Eierschalen, die mit einer zwar einfachen, aber deutlich erkennbaren bunten Bemalung geschmückt waren.
Und erst wenige Jahre ist es her, dass in der bayerischen Pfalz bei der Ausgrabung einer vorchristlichen Grabstätte ebenfalls ein seltsamer Fund gemacht wurde: in der Urne, in der sich neben Knochenresten noch eine Bronzenadel befand, lagen auch zwei Gänseeier. Sie zeigten keine Spur von Malerei, waren jedoch so gut erhalten, dass man an ihrem spitzen Ende noch die kleinen Löcher wahrnehmen konnte, durch die sie ausgeblasen worden waren.

Was bedeuten nun diese Eierbeigaben in den alten Gräbern? Diese Frage lässt sich nur mit Vermutungen beantworten. Es ist aber wohl kaum zu bezweifeln, dass diese Gänseeier wie auch die bunt bemalten Hühnereier einst Opfergaben darstellten im Sinne eines Symbols, durch das man die Sühne und Reinigung des Entschlafenen kennzeichnen wollte. Vielleicht waren sie auch nur als Opfergaben für die Götter beigelegt worden, denn gerade in jener frühen Zeit waren im germanischen Reich schon vielfach die Eiopfer an Stelle des Opfergeflügels getreten. Jedenfalls ist damit aber der Beweis erbracht, dass schon in alter Zeit die Eier zu bemalen und zu färben gebräuchlich war.
Wann dieser Brauch aufkam, wissen wir freilich nicht. Die Zeit der Eieropfer — denn man kann diese Sitte ohne weiteres so bezeichnen — liegt übrigens immer noch nicht hinter uns.
In Österreich und im bayerischen Hochland lässt man in Hausneubauten manchmal immer noch gerne ein Ei mit einmauern zum Schutz gegen Feuer und Wetterschäden. Man vergräbt auch das Osterei, wenn man sich vor Wassergefahr bewahren will, in der Nähe eines Flusses oder Baches. Ein solches Hausschutzei oder "Antlassei", (Eier vom Gründonnerstag - oder Karfreitag) wie man diese Eier nennt, die sich heute in manchen Volksmuseen befinden, lagen oft sogar drei oder vier volle Jahrhunderte in einem Dachfirst versteckt. 
Als Opfer für den Vegetationsgeist, den seit Urzeiten gefürchteten Dämon der Felder und der Erntefrucht, bindet der Bauer gelegentlich auch an die erste und letzte seiner Getreidegarben ein buntes Osterei, das von Ostern bis zur Erntezeit aufbewahrt wurde. Die alten Völker, besonders aber die Römer, betrachteten das Ei als die reinste aller Speisen und begannen ihre Mahlzeiten gern mit allerhand Eiergerichten.
Auch die einst so berühmte, große und aus ausgeblasenen Eiern bestehende Eierkrone der byzantinischen Kaiserin Irene, besaß wohl eine symbolische Bedeutung und versinnbildlichte möglicherweise die Unsterblichkeit; sonst könnte man sich nämlich die Veranlassung der seltsamen und äußerst kunstfertig hergestellten, wenn auch nicht unbedingt schönen, Eierkrone wohl kaum erklären.
In einigen gesetzlichen Bestimmungen des alten deutschen Rechtes hat man das Ei sogar als eine Art Schiedsrichter bestellt. Ließ sich zum Beispiel einmal nicht ganz genau feststellen, wo die Gerichtsgrenze endete, so schrieb das Gesetz eine ganz eigenartige Formel vor. Da, wo man die Grenze vermutete, musste der Beamte ein Ei auf den Boden legen. Lief es nun von selbst weiter, so wurde dort, wo es liegen blieb, die Grenze bestimmt und bezeichnet.
Oft musste der Bauer auch seinen Pachtzins in Eiern bezahlen und zwar bisweilen in der Form, dass er für jedes Viertel Landes siebeneinhalb Eier zu „zinsen“ hatte. Das Halbieren des achten Eies wurde indes nicht ihm selbst überlassen, sondern „amtlich" vorgenommen, indem der Schultheiß (Bürgermeister) des Dorfes das Ei auf die Türschwelle des Hauses legte und nun mit einem geschickten Hieb in zwei Hälften spaltete. Die Hälfte, die innerhalb der Türschwelle zu liegen kam gehörte dann dem Bauern, während die andere nach außen liegende Hälfte dem Pächter zufiel.
Solche sonderbare Gesetze, bei denen Eier geteilt und verteilt wurden, gab es im Mittelalter mehrere, aber gewöhnlich wurden sie nicht allzu streng befolgt, denn durch das Teilen wurde das Ei ja jedes mal unbrauchbar.



Sonntag, 5. April 2020

Corona verursachte heuer eine Weihe der Palmbuschen ohne Menschen




                                                                   Fotos: Margit Wright

Der Feiertagsbraten.

In der "Kleine Volks-Zeitung" am  Sonntag den 17. April 1938 erschien die Erzählung "Der Feiertagsbraten" von Annie France-Harrar.

"Sie wollen, dass ich Ihnen eine Ostergeschichte aus meinem Leben berichte? Und sie freuen sich auch schon, dass da etwas ganz Außerordentliches kommt. Nun vielleicht enttäusche ich Sie. Und doch war es ein Erlebnis, das für mich bedeutungsvoll wurde. Kurz, es war im Grunde nur eine ganz kleine und nebensächliche Sache, nicht einmal ein richtiges Erlebnis, denn, genau besehen, ging es nur um den Blick eines Schafes.
Wir hatten eine lange Fahrt hinter uns, denn wir kamen von der Südsee und wollten für den Sommer nach Europa zurück. Bis Westindien waren wir glücklich, und das hieß: fünfzig Tage an diesen braven, alten, schwerfälligen Frachter gebunden sein. Zwölf Offiziere mit den Maschineningenieuren und dem Funker waren an Bord, sieben Passagiere und an die vierzig Mann Besatzung. Man kann sich denken, was da gegessen wurde, da die Mahlzeiten ja sozusagen das einzige Vergnügen auf See darstellten: überdies war der Koch gut und gab sich ehrlich Mühe. Auf solchen Frachtern mit der langen Fahrt sieht die Welt sonderbar aus. Man fühlt sich ein bisschen wie Noah in der Sintflut. Man schließt sich zusammen, wenn man so lange nur Himmel und Wasser sieht.

Zu den Passagieren gehörte auch ein junges Mädchen, das in Begleitung ihres Onkels reiste. Der Mann war ein tüchtiger Farmer, in der Südsee, in Polynesien der ein paar der »Inseln unter dem Wind" besaß und sicher ein sehr reicher Mann war. Das Mädchen war schlank, sehr zierlich, elfenbeinbleich und dunkeläugig, von einer Verschlossenheit, dass man nie wusste, wie man mit ihr dran war. Dabei erschien sie durchaus nicht sanft, sondern zuweilen feindselig, ja fast böse. Dennoch, ich verliebte mich in sie. Sicher erwiderte das Mädchen meine Neigung nicht, wer weiß, ob ich ihr überhaupt sympathisch war. Ich erfuhr es nicht, oder ich war ihr nicht gewachsen, sondern empfand das nur dunkel und unangenehm.
Der Onkel hätte gegen ein ernst gemeintes Interesse wohl nichts einzuwenden gehabt. Im Gegenteil. Es sah aus, als wäre er ganz froh, der Sorge um diese Nichte enthoben zu werden. Sie kümmerte sich aber nicht im geringsten um ihn. Es war jedenfalls ein sehr merkwürdiges Verhältnis, das zwischen ihnen bestand: sie hatten sich nichts zu sagen und jede Äußerung würde den Widerspruch des Anderen erregt haben. Trotzdem, ich liebte dieses seltsame Geschöpf....
Wir hatten allerhand lebende Tiere an Bord, die für die Küche bestimmt waren: Ochsen, Schweine, Hühner und natürlich die unumgänglichen Hammel. Sie wurden alle nach und nach verzehrt. Wer beim Schlachten zuschauen wollte, konnte es tun, aber ich vermied es, denn ich sehe es nicht gern, wenn ein Tier getötet wird. Das Mädchen aber traf ich einmal, wie sie dabeistand, mit bebenden Nasenflügeln, einen starren, finsteren Blick in den Augen, der sie älter machte und irgendwie abstoßend wirkte. Ich sagte ihr, dass ich es seltsam fände, dass Frauen Freude an derlei Dingen hätten und sie ging ruhig mit mir fort, lächelte und fing plötzlich an, von einer Farm zu sprechen.
In Martinique bekamen wir für den letzten Teil der Reise, der in die Ostertage fiel, noch einmal frisches Fleisch. Einen geschlachteten Ochsen, der gleich in die Kühlkammer wanderte, und ein paar lebende Schafe. Es war eine junge, feine, zarthufige Rasse von Agutischafen, die es scheinbar nur auf den Antillen gibt und deren Fleisch gesucht ist. Die Tiere kamen in einen Pferch auf Verdeck, fraßen die Reste des Küchengemüses und Heu, aber schienen nichts von ihrem Schicksal zu ahnen und waren überaus zärtlich zu einander. Weil sie so hübsche, sanfte Köpfe und so unsäglich harmlose goldene Augen hatten, ging ich gewöhnlich nach dem Lunch zu ihnen und fütterte sie mit Weißbrot. Sie kamen vergnügt ans Gitter, nahmen das Brot aus der Hand, ließen sich streicheln und sahen mich zutraulich an. Gwendolin — ich weiß nicht, wie dieses Kolonialmädchen zu dem seltsamen Namen kam — lehnte neben mir, gab ihnen auch ein paar Stückchen Brot, streichelte jedoch nie eines der Tiere.

Aber die Leute auf einem Schiff müssen verpflegt werden und schließlich hatte man die Schafe ja aus diesem Grund mitgenommen. Kurz, am Ostersamstag fehlte eines, das der Koch sich als Feiertagsbraten geholt hatte. Ich wusste es nicht, ging mit Gwendolin zum Gitter und sah, dass das eine Tier allein darin stand. Nein, es stand nicht, es hing zitternd vor Angst auf seinen vier rehzarten Beinen, die Stirn nach unten gedrückt, sinnlos vor Angst. Daneben lag, zu einem Bündel zusammengeschnürt, die frisch abgezogene Haut seines Genossen, die der dumme Küchengehilfe gedankenlos da hineingeworfen hatte. Ich lockte das Tier und bot ihm Brot. Es drehte, als es meine Stimme hörte, den Kopf und sah mich mit einem Blick von unten herauf an — nein, man kann einen solchen Blick nicht schildern. Ich hatte nur das Gefühl, dieses unglückliche Geschöpf hat alles begriffen und klagt dich jetzt an. Dann senkte es wieder den Kopf und stand in derselben Stellung wie zuvor, so dass ich nur noch seinen bebenden Rücken sehen konnte. Ich ertrug diesen Anblick nicht und ging weg. Auf Gwendolin achtete ich gar nicht mehr denn — ob Sie mich für überspannt halten oder nicht — ich kam mir wie ein Mörder vor, wie ein gewissenloser Heuchler, der nichts tat, um ein unschuldiges Geschöpf zu retten. Ja die lange Reise hatte wohl meine Nerven etwas hergenommen, aber ich empfand es für den Augenblick eben so.
Gwendolin sah ich erst beim nächsten Mittagessen am Ostersonntag wieder. Sie war guter Laune, während ich unbehaglich wartete bis der dritte Gang serviert wurde. Es war, richtig eine Hammelkeule, ich wusste nur zu gut, woher sie stammte. Es war mir nicht möglich, etwas davon zu essen und so stocherte ich nur in dem Palmenmarksalat auf meinem Teller. Gwendolin, die doch am Tag vorher genau dasselbe wie ich erlebt hatte, ließ sich nicht stören. Sie nahm reichlich Fleisch, wandte sich dann zu mir und sagte mit spöttischem Lächeln: „Es ist ausgezeichnet. Wissen Sie noch, wie dumm das Schaf uns gestern anglotzte?" Ich bin ein beherrschter Mensch, aber ich hatte doch Mühe, ihr nicht etwas Heftiges zu erwidern. Ich stand auf, murmelte etwas von Fieber und sperrte die Tür meiner Kabine hinter mir zu.
Ich habe Gwendolin nicht geheiratet, trotzdem es ihr offenbar zuletzt leid tat. Sie sehen diese Ostergeschichte ist keine Sache zum Erzählen. Vielleicht überhaupt nur die übertriebene Einbildung.Trotzdem war das Ganze wichtig für mich. Denn so bin ich vielleicht vor großen Enttäuschungen, die mir bevorstanden, verschont geblieben. Und ich muss diesem verwünschten Ostersonntagsbraten, bei dem ich hungrig blieb, zuletzt noch dankbar sein".



Freitag, 3. April 2020

Das Ende eines wunderschönen Urlaubs in Hinterstoder

Es war am 28. August 1963 in Hinterstoder.
Dr. Oscar und Marianne Pollak, er war langjähriger Chefredakteur der „Arbeiter-Zeitung“ und Präsident des internationalen Presseinstituts, sie war Nationalratsabgeordnete und Chefredakteurin der Zeitschrift „Die Frau“, verbrachten hier ihren Urlaub.

Für die jüngeren Leser: Die "Arbeiter-Zeitung" gab es von 1889 bis 1991 und "Die Frau" von 1892 bis 1983. Nur der 2. Weltkrieg unterbrach die Herausgabe der Zeitungen. Beide Zeitschriften hatten zu dieser Zeit viele Leser und die Arbeiter-Zeitung den Ruf: "Die traut sich was", weil sie in der Besatzungszeit auch russisches Fehlverhalten scharf und schonungslos aufzeigte.

Dr. Pollak und Gattin machten mit Sekretärin Grete Helfgott Ferien in Hinterstoder. 
Nachstehend Auszüge aus dem Schreiben der Sekretärin, das in der Zeitschrift „Die Frau“ veröffentlicht wurde.

Wir verbrachten in Hinterstoder einen wunderschönen Urlaub. Oscar und Marianne Pollak, der Hund Bessie und ich. Oscar und Marianne waren damals schon in Pension. Beide hatten schweren Herzens ihre Tätigkeit bei ihren Zeitungen aufgegeben, die sie geleitet hatten. Für beide war ihre Zeitung Lebensinhalt und sie waren bereit, dafür und für die sozialistische Partei jedes Opfer zu bringen.
Wir hatten einen prächtigen Urlaubstag genossen; es war allerdings ziemlich heiß gewesen und der Hund hatte seinen Herrn in der Sonne herumgehetzt. Am nächsten Morgen, es war der 28. August kam Oscar Pollak sichtlich bedrückt zum Frühstück: “Heute Nacht hat es mich gehabt!“. Ein paar Stunden später war er tot.
Marianne war wie versteinert. Ihre Augen blieben völlig trocken und sie besprach mit mir ganz ruhig und sachlich, was jetzt zu tun sei. Sie rief selbst in der „Arbeiter-Zeitung“ an um der Redaktion den Tod des Chefredakteurs bekannt zu geben und sie verhandelte mit den zuständigen Stellen wegen der Überführung des Leichnams nach Wien.

"Diese Frau ist mir unheimlich", sagte die Leiterin des Hotels, nachdem sie Marianne ein kleines Nachtmahl aufs Zimmer gebracht hatte.
Am nächsten Tag brachte ich Marianne und den Hund mit meinem Wagen nach Wien. „Um den Hund musst du dich kümmern“ sagte sie mir noch vor der Abfahrt „am besten du nimmst ihn zu dir“.
So weit kam es nicht. Sie hatte es sich anders überlegt. Als wir in Wien ankamen sprach sie nicht mehr über den Hund. Sie bat mich in die Redaktion zu fahren und dort alles Nähere wegen des Begräbnisses zu besprechen. „Ich brauche jetzt unbedingt Ruhe“, sagte sie noch.

In der selben Nacht nahm sie Schlaftabletten und gab sie auch dem Hund. Dann drehte sie den Gashahn auf.
Das war Marianne. Sie war mit Oscar so verbunden, dass sie sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen konnte. 




Dr. Oscar Pollak  (geb. 7. Oktober 1893 in Wien,
 gest. 28. August 1963 in Hinterstoder)

Marianne Pollak (geb.29. Juli 1891 in Wien;
 gest. 30. August 1963 in Wien)