Freitag, 29. November 2019

Schuhcreme für Holzknechtschuhe

Jugenderinnerungen eines  Schulmädchens an die 1930er Jahre.

"Zu dem Bauernhaus in Hinterstoder, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, gehörte auch eine "Pöhöhüttn", in der die Schuhschmiere zum Abdichten der Schuhe für die Holzknechte gemacht wurde. Das Harz, oder wie man auch sagte das Pech (Pöhö) bestimmter Bäume, wurde mit einem Meißel herausgeschabt und gesammelt. Das nannte man "Pechmoaßn". Diese Masse wurde in einem Kessel in der " Pöhöhüttn" erhitzt, mit Karbolöl und Eisenvitriol vermischt und zu einer Schuhcreme verarbeitet. Nach dem Erkalten der Masse wurde sie in Blechdosen abgefüllt und um 2 Schilling pro Kilogramm verkauft. Die Schuhe der Holzknechte wurden damit fest eingerieben und  dadurch gegen Kälte und Nässe widerstandsfähiger".




Freitag, 22. November 2019

Die Kleider von der feinen Dame

Erinnerungen an meine Jugend.
Eine Stodertalerin erzählt aus ihrer Kindheit in Hinterstoder.

"In den 1930er Jahren, ich kam damals gerade in die Volksschule Hinterstoder, musste meine Mutter oft in der Ferienvilla einer reichen Familie aus Wien Unkraut jäten und auf ein kleines Mädchen aufpassen. Sie nahm mich mit, damit ich auf die kleine Julia (Name geändert), so hieß das Kind, aufpasse, während sie in Ruhe im Garten arbeiten wollte. Das war aber gar nicht so einfach für mich. Das kleine Mädchen wollte mich immer in den Arm zwicken und beißen. Ich konnte mich ja nicht wehren und ihr einfach eine Ohrfeige geben.
Zum Essen haben wir eine Paradeisersuppe bekommen. So eine Suppe habe ich nicht gekannt und geschmeckt hat sie mir auch nicht. Aus Angst habe ich sie gegessen und vor der Tür habe ich dann erbrochen.
Die gnädige Frau war immer sehr schön angezogen. Meistens trug sie eine weiße Bluse mit Spitzen an den Ärmeln und kleinen Mascherln am Kragen. Ihre Haare waren ganz hoch frisiert und haben einen sehr feinen Geruch verbreitet. Manchmal hatte sie ein langes himmelblaues Kleid an, in dem sie so großartig wie eine Göttin anzusehen war.

Von Zeit zu Zeit bekam Mutter für uns abgetragene Kleider geschenkt. Die waren so schön, dass wir sie nur sonntags anziehen durften".




Freitag, 15. November 2019

In den Tälern der Krems, Steyr und Teichl

Die "Oberdonau-Zeitung" vom 8. Februar 1944 berichtet von den Tälern der Krems, Steyr und Teichl und wie Ortsnamen entstanden sind. Der Text wurde etwas gekürzt und der heutigen Schreibweise angepasst.

In unserer Heimat waren einst ilyrische und keltische Völker, aus deren Zeit die Gräberfunde von Hallstatt stammen. Sie bevölkerten auch das Mühlviertel, Innviertel und Hausruckviertel. 

Von 15 vor der Zeitenwende bis gegen Ende des 5. Jahrhunderts kam unsere Heimat und damit auch das Kremstal unter römische Herrschaft, die schließlich in den Stürmen der Völkerwanderung endete und der Besiedlung durch die Bajuwaren Platz machte. Zur römischen Zeit waren viele Teile des Bezirks Kirchdorf, die Gegenden um Kremsmünster, an der Steyr, zwischen Steyr und Pießling, die Käserau (heute Gleinkerau) im Becken von Windischgarsten noch bewaldet, so daß auch die Römerstraße Ovilava (Wels) — Vetoniana (Voitsdorf) — Tutatio (Klauser Gegend) — Emelotia (Windischgarsten) weithin durch Waldungen führte. Eine Urkunde von 1225 sagt, daß das Tal von Windischgarsten zwischen rauhen, wilden Bergen liegt, und noch im 13. Jahrhundert verließen Benediktiner Spital am Pyhrn wegen der Unwirtlichkeit der Gegend. Eine Unzahl von Berg-, Fluß- und Ortsnamen leitet sich aus der Besiedlung durch Kelten, Römer und Bajuwaren her. Da aber vom 8. Jahrhundert an gerade in der Südostecke Oberösterreichs, im Bezirk Kirchdorf und Steyr, viele Urkunden auch die Anwesenheit von Slawen bezeugen, so 903 im Tal von Kirchdorf, zirka 992 um Kremsmünster, 1110 in Hausmanning bei Kirchdorf und 1122 in Steinbach am Ziehberg, so stoßen wir in diesem Gebiet vielfach auf slawische Berg-, Fluß- und Ortsnamen. Allerdings handelte es sich hier meist nicht um geschlossene Siedlungen, denn die Slawen wurden von den Grundherrschaften Kremsmünster, Spital am Pyhrn, Klaus und Scharnsteln zur Rodung und Entsumpfung des Landes als Forstarbeiter, Jäger und Fischer ins Land gerufen. Solcherart gaben sie Flüssen, Bergen usw., auf die sie bei der Rodungsarbeit stießen, Namen in ihrer Sprache. An Waldrändern, auf Waldblößen und am Wasser siedelten diese „windischen“ Holzknechte und benützten auch den „Wienerweg“, der von Micheldorf nach Frauenstein führte, dessen Name mit der Stadt Wien gar nichts zu tun hat. So wie der Kreis Kirchdorf heute noch (im Jahr 1944) am dünnsten von allen Bezirken besiedelt ist, so waren auch vor tausend Jahren nur wenige windische Siedler hier. Aus dem Sprachschatz der Slawen erhielten sich in der Mundart u. a. der Ausdruck „Janka“ für das Kleidungsstück, „Dildaitsek“ für Mörserstößel (besonders auch für den Holzstößel gebräuchlich, mit dem man den Zucker im Mostglas zerstößt). Vorübergehend erhielten Slawen auch Grundbesitz; so verlieh König Ludwig 903 einem gewissen Zwetboch mehrere Huben bei Kirchdorf. Daraus ist auch erklärlich, daß das Tal von Kirchdorf im 10. Jahrhundert nach einem windlschen Grundbesitzer Ouliupestal benannt wurde. Der freie bajuwarische Bauer hat jede Vermischung mit den Windischen vermieden. In die Besitzer kleinerer Huben und die dienende Volksschicht ist allerdings slawisches Blut eingeflossen. Nach den Kieselsteinen (slawisch Kremen) erhielt die Krems Ihren Namen, und auch die Steyr wurde slawisch benannt nach dem Wort Struga (Flut). In die etwas ruhigere (richu = ruhig) Teichel mündet die sandige Pießling (pesek = Sand). Der Mandelgraben hieß im 13. Jahrhundert Tybnikh, vom slawischen Timeno (= Sumpf). Die Retschitz bei Vorderstoder und unsere Retschitzegger im Bezirk leiten sich von recica (= kleiner Fluß) her, die Göritz aber benennt sich nach dem slawischen jezera (= Tümpel). 
Die herrliche Bergwelt des Bezirks Kirchdorf bildet die große Wasserscheide, (slawisch predel), spitz (slawisch ostru) ragt der Ostrawitz in die Lüfte. Pyhrgas, Bosruck und der Flurname „in der Loigis“ sind ebenfalls windischer Herkunft. Das Heu auf der Alm (slawisch seno) benannte das Sengsengebirge, und die vorgelagerten Grestenberge mögen gewiß vor der Rodung und forstlichen Bewirtschaftung mehr Gestrüpp (slawisch hvrastu) getragen haben als heute. Der Hausname Prebl in Kogl, Gemeinde Molln, leitet sich von prevalu = Gießbach her, das Dorf Göritz in Nußbach von gora = Berg; das Bauernhaus Prälitz in Schlierbach und das Dorf Wanzbach (warenice = Gemüse, Kraut) können Ihre slawische Herkunft nicht bestreiten. (Schiffmann, „Das Land ob der Enns“.) Das Stodertal selbst ist namensverwandt mit dem früher so bezeichneten Landstrich Ztoderania, in dem heute Potsdam liegt.
So sprechen unsere Berge und ihre Namen von der Heimat vor tausend Jahren.

Römische Münze Sesterze (Museum Windischgarsten)

Bronze Kanne 2.Jhdt (Museum Windischgarsten)

Samstag, 9. November 2019

Von einem Gutsbesitzeinkäufer ohne Geld.

Über eine kuriose Geschichte von einem Gutskauf in Hinterstoder ohne Geld berichtete der "Tiroler Anzeiger" am 13.11.1929.


Der 1878 in Hinterthal in Salzburg geborene Thomas Koidl
hatte in Kössen bei Kufstein ein Bauernanwesen.
Spekulationen waren aber die Schuld, dass er Hab und Gut verlor.
So saß er nun mutterseelenallein in der Welt und dachte nach, wie er
wieder billig zu einem Haufen Geld kommen könnte. Er fand auch
bald eine Lösung mit folgender einfacher Überlegung: Wenn ich einen
großen Gutsbesitz finde, der zu einem halbwegs annehmbaren Preis zu bekommen ist,
so kaufe ich diesen meinem Sohn und der sorgt dann für meinen Lebensabend.
Aber, wie kaufen, wenn man keinen Knopf Geld in der Tasche hat?
Nun, auch da fand Koidl alsbald des Rätsel Lösung.
Zunächst war ihm ja nur darum zu tun, einen großen Gutsbesitz zu einem
halbwegs annehmbaren Preis zu finden.
Durch Verbindungen von früher her brachte er in Erfahrung,
dass ein großer Gutsbesitz zum annehmbaren Preis von
„nur" 70.000 Schillingen in Hinterstoder in Oberösterreich zu haben wäre.
Trotzdem Koidl buchstäblich keinen Groschen in der Tasche hatte,
bahnte er einen Kauf dieses Gutes an. Und zu dieser fast wahnwitzigen Idee brachte ihn
folgende einfache Überlegung:
Das Gut hat 220 Joch Grund. Auf dem Grund stehen rund 12.000 Festmeter schlagbares Holz.
Wenn ich das Holz sofort verkaufe, bekomme ich um
mehrere Tausend Schilling mehr, als das Gut samt dem
Holz kostete. 70.000 Schilling kostet das Gut, 12.000 Festmeter Holz
bringen 92.000 Schilling herein, so verdiene ich mit einem Hand­griff
22.000 Schilling und habe noch das Gut mit mehreren Joch
abgeforstetem Grund. Der Braten ist nicht ohne.
Sofort wurde mit dem Gutsbesitzer ein Kaufvertrag abgeschlossen,
demnach Koidl 17.000 Schilling Anzahlung gibt und den Rest mit zwei
kurzfristigen Wechseln bezahlt. Ja, woher die Anzahlung neh­men
und nicht stehlen und erst die Wechsel? Doch er ist ja
ein kluger Kopf. Bevor er noch einen Kaufvertrag abge­schlossen
hatte, verkaufte er einem ihm bekannten Holzhändler
die 12.000 Festmeter Holz am Stock um einen Spottpreis.
Immerhin verdiente Koidl noch seinen Teil. Dies
tat er deshalb, um von dem Holzhändler die Anzahlung zu bekommen. ­
Dieser ließ sich auch herbei und lieh dem Koidl
das verlangte Geld. So wurde der Kauf perfekt. Ohne einen
Knopf Geld kam er in den Besitz eines schönen Gutes in
Hinterstoder. - Und nun kommt das große Wenn und Aber.
Die Sache wäre nämlich ganz schön gegangen, wenn —
nicht der Verkäufer des Gutes noch am gleichen Tage des
Verkaufes nach Wien zur Nationalbank gefahren wäre, um
dort nachzusehen, ob die ausgestellten Wechsel auch
gedeckt sind. Dabei musste er leider die Erfahrung machen,
dass dies nicht der Fall war. Nun hieß es rasch handeln.
Er telefonierte sofort von Wien nach Windischgarsten, um
eine Hypothekaranleihe zu verhindern. Leider zu spät.
Koidl hatte nämlich sofort nach Abschluss des Gutskaufes auf das
schuldenfreie Haus eine Ranganmerkung im Grundbuch, lautend auf
35.000 Schilling machen lassen.
Um ganz sicher zu gehen, ließ er noch eine Ranganmerkung
im Grundbuch vornehmen, und zwar auf 5000 Dollar,
also ebenfalls 35.000 Schillinge. Die zweite Ranganmerkung sollte
jedoch nur zur Täuschung dienen, sollte also nicht ausgewertet werden.
Damit sollte nur der Eindruck erzielt werden, dass das neu angekaufte
Haus durch zwei Hypothekaranleihen bereits zur Gänze verschuldet ist.
Zu diesem Schritt sah sich Koidl deshalb genötigt, weil der Holzhändler aus
dem Kaufvertrag bezüglich der 12.000 Festmeter Holz sprang
und er ihm sofort das geliehene Geld zurückzahlen musste.
Hinter der ganzen sonderbaren Sache witterte aber die
Staatsanwaltschaft einen frechen Betrug seitens des
Koidl, denn dieser habe dadurch, dass er sich hinter dem
falschen Schein eines zahlungsunfähigen und zahlungsunwilligen Gutskäufers
verborgen gehalten habe, den Gutsbesitzer um viel Geld geschädigt.
Das umfangreiche Beweisverfahren vor dem Schöffensenat
des Kreisgerichtes in Steyr hatte nur den einen Erfolg,
dass diese bereits lange Jahre zurückliegende Sache endlich
ins Rollen kam, da mit dieser einen Angelegenheit noch
mehrere andere Strafverfahren und Strafverfolgungen in
Zusammenhang stehen. In diesem Strafverfahren konnte
dem Koidl absolut nicht nachgewiesen werden, dass er betrügerisch vorgegangen
wäre, weshalb er auch freigesprochen wurde. Der Privatbeteiligte,
der eine Forderung von 10.000 Schilling an direktem Schaden und 86.000 Schilling
indirektem Schaden durch diesen unvorsichtigen Verkauf seines Gutes erleidet,
wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Koidl hat damit die erste Verhandlung hinter sich.
Eine zweite wegen fahrlässiger Krida wird ihn alsbald wieder vor die
Steyrer Gerichtsschranken bringen. Mehrere andere Verfahren wider ihn werden
ihn aber auch vor die Innsbrucker Schöffen führen. Ob alle Verhandlungen mit
einem Freispruch enden werden ?




Samstag, 2. November 2019

Allerheiligen 2019 in Hinterstoder





                                                                     Fotos: Traude Schachner

Freitag, 1. November 2019

Hotelplanung für das Stodertal 1905



1905 berichtete die "Tages-Post" von geplanten "Alpenhotelbauten" im Stodertal. Der Text wurde etwas gekürzt und geringfügig der heutigen Schreibweise angepasst.  

Schweizer Alpenhotelbauten im Stodertal

Aus Hinterstoder wird uns geschrieben: Dieser Tage hat sich in unserem so idyllischen, still und friedlich abseits der großen Heerstraße, am Fuße des Hochpriels liegenden Bergdörfchen ein Ereignis vollzogen, das für die ganze fernere Entwicklung des Stodertales von größter Bedeutung ist und den Anbruch einer neuen Epoche des internationalen Fremdenverkehres und damit des Wohlstandes für die Bevölkerung der sonst an Industrien und allem anderen so
armen Gegend erwarten lässt. Es wurde nämlich am 17.d.M· der Kauf von· vorderhand fünf Objekten, respektive Baugründen (darunter das schönst gelegene - Grießergut am Eingange des Tales mit über 200 Joch, Wald, Eigenjagd, Wasserkraft etc.) definitiv abgeschlossen und die betreffende Kaufsumme auch bereits bar ausbezahlt; bezüglich einiger anderer Objekte schweben die Verhandlungen noch. Da die Preise nach hierortiger Schätzung ganz bedeutende sind und mit größter Kulanz vorgegangen wurde (die Besitzer können noch bis nächsten Sommer bleiben und genießen auch noch diverse andere Begünstigungen), so herrscht darüber allgemeine Befriedigung. So viele blanke Tausender wurden wohl selten hier in Hinterstoder gesehen und verteilt. Es muß nun, um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, gleich bemerkt werden, dass sämtliche Verkäufer bereits wieder andere größere oder kleinere Besitze hier oder in der Umgebung in Aussicht haben und überdies noch ein schönes Stück Geld in die Sparkassen legen können. — Wie bereits bekannt, beabsichtigt das heuer im Frühjahre von hervorragenden Großindustriellen Österreichs mit einem Kapitale von über sechs Millionen gegründete »Syndikat zum Bau moderner Alpenhotels an den neuen Bahnlinien« (Pyhrnbahn), auch das Stodertal in seine Pläne einzubeziehen und so dasselbe wohlverdienter Weise dem internationalen Fremdenverkehre zu erschließen. Es ist nach Ausspruch von Kennern und Mitgliedern des Syndikats tatsächlich das schönste Tal der ganzen neuen Bahnlinien von Triest bis herauf.
Es war ein glücklicher Einfall vom Besitzer des »Erholungsheims Herrn G. J. Schachinger (eigentlich der intellektuelle Urheber der Sache), sich mit den Großindustriellen in Verbindung zu setzen und diese auf die Schönheit des Tales, sowie auf die derzeit günstigen Chancen, dort einen, den modernen Bedürfnissen vollkommen entsprechenden Hotelbau vorzunehmen, aufmerksam zu machen. Eines der Mitglieder des Syndikats, Herr Generaldirektor und Kammerrat Walter Bockmayer, war nach vier wöchentlichem Aufenthalt im “Erholungsheim“ von der Schönheit des Tales, den klimatischen Verhältnissen und anderen wichtigen Faktoren etc. so hoch befriedigt und entzückt, dass schon dazumal beinahe mit Sicherheit an eine Realisierung des entstandenen Planes gedacht werden konnte. Die umsichtige, sowie rasche und äußerst kulante Durchführung der betreffenden Käufe, sowie das vorzüglich getroffene Arrangement lag in den Händen des Herrn Notar Dr. Adolf Edlen von Scheidlein in Windischgarsten, der sich ebenfalls um das Zustandekommen der ganzen Sache sehr verdient gemacht hat. Es soll nun an der schönsten Stelle, am Eingange des Tales, drüber der Steyr, auf einer höher gelegenen Terrasse und direkt am Waldesrand mit dem aufstrebenden Großen und Kleinen Priel im Hintergrund und herrlicher Rundschau auf das ganze weite, grüne Tal, ein der Neuzeit vollkommen entsprechendes großes, erstklassiges Hotel im Schweizerstile mit allen technischen Neuerungen und Erfahrungen im Bau- und Hotelfache errichtet werden. Um dasselbe herum werden, zerstreut im jungen Tannenwalde, mit guten Wegen verbunden, eine ganze Anzahl Familienhäuschen in nettem Holzaufbau erstehen so dass diese große Anlage eine eigene Kolonie für sich bilden und weil vollkommen der alpinen Szenerie angepasst, einen prächtigen Prospekt von der Bahn und Windischgarstner Zufahrtsstraße aus gewähren wird. Das dabei elektrisches Licht und Kraft, Aufzug, Tennis- und Golfplätze, Schwimmbäder, Dunkelkammer, sowie ein tüchtiger Arzt und Apotheker etc. nicht fehlen werden, ist selbstverständlich. Auch für Wintersport, Eisplätze, Rodelfahren wird reichlich Vorsorge getragen werden, denn die klimatischen Verhältnisse sind hier gerade im Winter äußerst günstig, infolge der vom Bergeskranze umschlossenen sonnenseitigen Lage an der Berglehne, die vom rauen Nord geschützt ist und intensive Bestrahlung ermöglicht, der klaren nebelfreien Tage, der unendlich reinen und nervenstärkenden Winterluft etc. Das Syndikat wird sich wie verlautet, eine Ehre darein setzen, etwas für Österreich gänzlich Neues, eigenartig Schönes zu erstellen. Auf das aussichtsreiche Plateau ober dem angekauften Grießergut, dem sogenannten „Stubbränd“ mit zwei Almhütten, wird eine schöne Fahrstraße gebaut und dort oben eine Dependance errichtet. Der geniale englische Hochgebirgsmaler Mr. E.T.Compton, der auf Einladung von Herrn Schachinger Gast in dessen „Erholungsheim“war und einige wunderschöne Aquarelle malte, bezeichnete diesen Punkt als einen der reizendsten im ganzen Tale.
Dort oben werden dann die Almhütten in eine Meierei sowie in Fremdenzimmern umgewandelt, für solche Gäste, die einige Tage die volle Abgeschiedenheit und Einsamkeit in der Bergwelt genießen, auf sich wirken lassen und doch
den gewohnten Komfort nicht missen wollen. Die Meierei wird auch als Frühstück- und Jausenstation dienen. Weiter hat das Syndikat am Wege zum Glanzpunkte des Tales, der sog. „Polsterlucke“ -Talschluss- von den Wänden des Hochpriels, 2514 Meter, und der Spitzmauer, 2446 Meter, umsäumt, von denen prächtige Wasserfälle hernieder stürzen), geplant, das dort gekaufte kleine Gütchen ebenfalls in ein nettes, feines Restaurant umzubauen. Diese Idee wird auch von den Einheimischen lebhaft begrüßt, weil der schönste und am meisten gemachte Ausflug gar keine Erfrischungsstation aufweist, wo man gemütlich ausruhen und die Wunder der Bergwelt mit Muße betrachten könnte. Die Station dürfte aber auch für Prielbesteiger und besonders für solche, die von der weiten Wanderung übers Tote Gebirge von Aussee herkommen und oft sehr ermüdet und durstig sind, willkommene Rast und Labung bieten. Da das Syndikat für Straßen- und Brückenbauten, sowie für eine ausreichende moderne und zugkräftige Reklame hohe Summen prälimininiert, so ist es selbstverständlich, dass nicht nur die ganze Gemeinde, sondern auch die heimischen Wirte und Geschäftsleute diesem Unternehmen durchaus freundlich gesinnt sind, da es für alle nutzbringend werden wird. Sie sind eben zur Einsicht gekommen, dass der einzelne mit bestem Willen diese großen Kosten nie leisten kann und der ganze geplante, vornehm erstklassige Betrieb ja hauptsächlich für zahlungskräftiges, internationales Publikum, wie reiche Engländer, Amerikaner, Russen etc., berechnet ist; es werden aber dadurch auch viele Reisende der Mittelklassen zum Besuche des Tales animiert werden. Wenn dann noch die Straße zur Station „Dirnbach-Hinterstoder“ breiter gebaut und gut instand gesetzt wird und die bereits sichergestellte flotte Omnibussverbindung zur Station zumindest zweimal täglich verkehrt (vom Gasthofe »Jaidhaus« sollen dann Anschlußfahrten
mit netten Gesellschaftswagen und mäßigen Preisen direkt in die Polsterlucke veranstaltet werden), dann kann man den Stöderern — wenn sie es verstehen, wohl gratulieren. Es wird das so prächtige Tal — eine Perle der Bergwelt Österreichs — bereits im Laufe des nächsten Jahres (schon heuer machte sich Mangel an Unterkünften sehr bemerkbar) eine unverhofft große Besuchsziffer zu erwarten haben. Dass es selbstverständlich Persönlichkeiten gibt, die sonderbarerweise dem von der ganzen Bevölkerung begrüßten Projekte entgegen sind und ängstlich besorgt alles mögliche für die Zukunft wittern, darf nicht wundernehmen, wenn man erfährt, dass vor etwa 4 Jahren, als Herr Schachinger mit vieler Mühe und Plage sowie Kosten die Kraft der vorüber fließenden Steyr zu einer elektrischen Beleuchtungsanlage für seine beiden Objekte ausnützte, von gewisser Seite gesagt wurde: »Das brauchen wir hier nicht«; während die nicht akademisch gebildeten Bauern der ganzen Umgebung meinten: »Das wäre schön und zeitgemäß.« Es ist unklug, einer für das allgemeine Wohl so wichtigen Neuerung entgegenzutreten Es gibt ja noch immer Pläne genug, wo man als Sonderling unbehelligt und ungestört hausen kann, man darf nur hinaufgehen in die Krummholzregion, »Dort wo im Almgefild, die Gems auf Felsen haust —- —«, wie es im »Stöderer Schützenliede« heißt.

Es blieb bei den Plänen und im Stodertal blieb der Charme einer weitgehend unverbrauchten Naturlandschaft, den die Sommer- und Wintergäste so lieben,  erhalten.    

Georg Julius Schachinger

Hinterstoder um 1900


Hinterstoder ca. 2010