Freitag, 30. Juni 2023

Ein vereiteltes Wegverbot.


Ein vereiteltes Wegverbot.
Georg Aigner, Linz
So lange ich auch schon den Vorsatz hegte, vom Prielgipfel einmal Ausschau zu
halten, immer waren Hindernisse da, derentwegen ich meinen Plan verschoben
habe. Da sollte einmal ein außerordentlicher Anlaß eintreten, der mir den
langgehegten Wunsch nach einer Prielpartie nahezu zur Pflicht machte. 
Die Sektion Linz des Österreichischen Touristenklubs hat auf dem Großen Priel ihr Schutzhaus und ihr Arbeitsgebiet. Im eigenen Interesse und im Interesse des Fremdenverkehres war sie gezwungen, gegen den Besitzer des Prielergutes, Herrn Bachmann, (jetzt im Besitz von Eulenburg) den Weg des Kampfes zu betreten, da friedliche Verhandlungen nicht zum Ziel führten.

Der genannte Herr wollte den Servitutsweg, der über seine Besitzung auf den Kleinen Priel führt, absperren und die Begehung desselben von seinen Launen abhängig machen. Die Sektion Linz des Österreichischen Touristenklubs setzte sich mit der Gemeinde Hinterstoder und mit anderen berufenen Körperschaften ins Einvernehmen und versicherte sich deren Hilfe, dann wurde für den
20. September eine Trutzpartie angekündigt. Der 20. September 1908 war ein schöner Spätsommertag an welchem 18 Linzer Touristen, darunter 4 „Naturfreunde“, um 3'30 früh hinausfuhren in das herrliche Kremstal. Als wir in dem Zuge entstiegen, schloss sich uns ein Jurist, Herr Z. an, der in Windischgarsten zum Sommeraufenthalt weilte und der von unserem Unternehmen Kunde erhalten hatte. Munter marschierte die kleine Gesellschaft in das taufrische Stodertal hinein. Ich selbst beeilte mich nicht sonderlich, wusste ich ja, dass wir im Jaidhaus in Hinterstoder zum Frühstück zusammentreffen würden. Ich schlenderte daher gemächlich dahin und ließ die Schönheit des Stodertales ungehemmt auf mich wirken. So wanderte ich zum Strombodingfall, dem schönsten Schaustücke des Tales, dann wieder an der Straße weiter, stand ich beglückt still vor dem prächtigen Talschluss, der hinter den leichten Morgenschleiern zum Entzücken schön war und traf doch noch meine vorausgeeilten Gefährten in der Glasveranda des Jaidhauses. Als wir nach kurzer Rast über die Steyrbrücke wanderten, schloss sich uns noch ein Vorstandsmitglied der Sektion Linz des Österr. Touristen-Klubs und der Besitzer des Erholungsheims in Hinterstoder an.
Eben waren wir im Begriff, das Prielergut zu passieren, da trat Herr Bachmann aus der Türe und fragte wohin wir wollten. „Auf den Kleinen Priel“, schallte es ihm entgegen. „Ja, meine Herren“, begann der Wegverbieter, „kommen sie ein andermal, heute kann ich das nicht erlauben, weil ich Jagdzeit habe und da darf mir das Wild nicht verscheucht werden.“ Nachdem er sah, dass sein Verbot nichts fruchtete, erklärte er uns allen, wenn wir den Weg fortsetzen würden, würde er uns wegen Besitzstörung verklagen und erbat sich zu diesem Behufe unsere Adressen, die ihm bereitwilligst ausgefolgt wurden.
Wir setzten nun unseren Weg fort über Wiesen der Prielerreith zu und gelangten von dort auf einem neuen im Bau begriffenen Reitwege in den Hochwald. Als der Reitweg dann abbrach, ging’s ein Stück steil empor, bis wir den gewöhnlichen Weg erreichten. Hier fanden wir das erste Zeichen des Wegverbotes; auf einer frisch gestrichenen Tafel standen die Worte: „Aus Jagdrücksichten verbotener Weg“. Wir kümmerten uns nicht um diese Warnung, sondern wanderten weiter bis zur Prieleralm, die jetzt dem Jäger zur Wohnung diente. Der kam uns schon entgegen und wollte uns anhalten, als wir ihm jedoch sagten, wir hätten schon mit seinem Herrn gesprochen, gab er sich zufrieden. Nach einer längeren Rast, während der dem Inhalte unserer Rucksäcke wacker zugesprochen wurde, wanderten wir weiter. Die Umgebung der Prieleralm ist herrlich. Links von uns, im Sinne des Anstieges, erhebt der Schwarzkopf sein kühnes Haupt zum Großen Priel, während in der Verschneidung zwischen dem Grat und dem Stocke des Kleinen Priel eine kleine Waldparzelle steht, wie eine Oase in der Wüste und bedroht von den mächtigen Schuttströmen. Der Jäger nannte diesen Ort die Eisgrube und er begleitete uns ein Stück, wie er sagte, um zu verhindern, dass wir in die Grube hineingeraten, in der sich das Wild, darunter ein am Vortag angeschossener Hirsch aufhalten sollte. Dann empfahl er sich mit der Bitte, wir mögen die möglichste Ruhe bewahren.
Nun ging’s über den steilen Grat empor, zuerst über Schutt, dann durch ein dichtes Geflecht von Legföhren (Latschen) zu einen südwestlichen Seitengrat des Kleinen Priel, über welchen wir nach kurzer Kletterei über ein Trümmerfeld von Gesteinblöcken die grasbewachsene Spitze erreichten. Dort ließen wir uns dann zur wohlverdienten Rast nieder, aßen und tranken von unseren Vorräten und würdigten die herrliche Rundschau nach Gebühr. Da zieht der teilweise messerscharfe Grat, unterbrochen von trotzigen Türmen, hinüber zum Großen Priel, der von unserem Standpunkt aus sich großartig präsentiert. Ihm folgt in der Reihe der Berghäupter der Brotfall, die stolze Spitzmauer, der Hohe Kasten, das Salzsteigjoch, über dem der Hohe Dachstein mit dem Karlseisfeld herüberblickt. Im Süden erhebt sich die Warscheneckgruppe, im Südosten die Haller Mauern, im Osten das Sengsengebirge, gegen Norden grüßt das Flachland Oberösterreichs, begrenzt von den Mühlviertler Bergen. Im Westen stehen die Berge des Salzkammergutes.
Mit unserer Bewunderung der Fernsicht war die Zeit verstrichen und wir mussten an den Heimweg denken. Auf demselben Weg, den wir zum Aufstieg benützten, wurde der Abstieg angetreten. So stiegen wir über das steil sich heraufziehende Geröllfeld hinunter in das Schnabelkar, von dort über grasige Schroffen auf einen Kamm und diesen überquerend auf einer langen, steilen Wiese absteigend, gelangten wir zum gewöhnlichen Weg, den wir des Morgens begangen hatten. Nun ging’s im raschen Tempo auf schattigem Wege zur Prielerreith, wo uns zwei unserer Gefährten, die hier zurückgeblieben waren, Mitteilung machten,dass der Jäger über uns an seinen Herrn Bericht erstattet habe. Als wir nun an dem letzteren, der in Gesellschaft seiner Frau und des Jägers war, vorbei wollten, teilte er uns sehr aufgeregt mit, sein Jäger habe ihn benachrichtigt, dass wir durch mutwilliges Steineablassen, sowie durch Schreien und Johlen etwa 30 bis 40 Stück Gems- und Hirschwild aus seinem Jagdgebiet über die Grenze gejagt hätten. Wir waren starr vor Erstaunen ob dieser Lüge, war ja doch ein Bergfink auf der Spitze das einzige Tier, das unser spähendes Auge zu entdecken vermocht hatte und außerdem war unsere Wanderung in vollkommener Stille erfolgt. Herr Bachmann beklagte sich auch ferner, dass wir seinen neu angelegten Reitsteig benutzt hätten. Wir wiesen des Jägers faustgroße Lüge energisch zurück und entfernten uns.
Im Jaidhause angekommen, wurde Nachtmahl gegessen. Einige Wochen waren ins Land gegangen, da bekamen sieben von den damaligen Prielbesuchern die Anklageschrift zugestellt, worin wir wegen Störung im ruhigen Besitz des Prielergutes und insbesondere wegen Begehung der Wege auf den Kleinen Priel belangt wurden. Es wurde beantragt, uns das eigenmächtige Begehen der Prielerwege gerichtlich zu untersagen und uns zum Ersatz der Prozesskosten ungeteilter Hand zu verurteilen. Die Sektion Linz des Österr. Touristen-Klubs nahm die juridische Durchfechtung der ganzen Angelegenheit auf sich und deren Vorstand übertrug die Vertretung der Rechtssache dem bewährten Juristen Herrn Dr. Wessely in Linz. Herr Bachmann hatte, in der sicheren Hoffnung Recht zu bekommen, „keine Kosten gescheut“ und sich einen Rechtsanwalt aus Wien kommen lassen. Zum Glück für unsere Taschen entschied das Gericht anders: Herr Bachmann musste einen Weg auf den Priel freigeben, während jedem der streitenden Teile aufgetragen wurde, die eigenen Prozesskosten zu bezahlen. Herr Bachmann hat also neben dem Ärger, den ihm unser gemeinsamer Ausflug verursacht hat, noch die Kosten für seinen Anwalt zu bezahlen, so wie sich’s gehört, jedermann das Recht lassen, neben andern Bergen auch den Kleinen Priel zu besteigen. Der Sektion Linz des Österr. Touristen-Klubs aber gebührt für ihr energisches Eintreten in Sachen dieses Wegverbotes der Dank aller Naturfreunde und Bergsteiger.

Der Text, der mehr als 100 Jahre alt ist, wurde etwas gekürzt und geringfügig unserer Zeit angepasst.



Freitag, 23. Juni 2023

Aus den Aufzeichnungen der Gendarmerie
















Zum besseren Verstehen wurde der Artikel geringfügig der heutigen  Schreibweise angeglichen:

Im Frühjahre 1866 wurde in Hintertambergau, Gemeinde Hinterstoder, Gerichtsbezirk Windischgarsten, im Steyrfluss die Leiche eines neugeborenen Kindes aufgefunden.
Die Gerichtskommission konstatierte durch die Obduktion, dass dieses Kind nach der Geburt gelebt hatte und nur kurze Zeit im Wasser lag. Postenführer Lachnitt des k. k. Gendarmeriepostens Windischgarsten machte es sich zur Aufgabe, diejenigen, die dieses Verbrechen begingen, auszuforschen.
Der Gendarmerie-Unteroffizier Lachnitt besaß eine umfassende Lokal- und Personalkenntnis der Gegend, wodurch es ihm möglich wurde, den angestrebten Erfolg zu erzielen. Hinterstoder bildet ein zwischen den Gebirgsgruppen des Priel und Pyhrgas gelegenes, gänzlich abgeschlossenes Tal, in dessen südwestlichstem Winkel der Steyrfluss entspringt. Im Winter und Frühjahr ist dieses Tal nur von der Nord- und Ostseite durch lang gedehnte Pässe zugänglich. Da nun der Fluss in dem die Leiche gefunden wurde, im Tal selbst entspringt, so musste dieses Kind jedenfalls in dieser Gegend ins Wasser gebracht worden sein. Es fragte sich nur, waren es einheimische oder fremde Personen, welche das taten. Da es kaum möglich war, dass Fremde ungesehen ins Tal kamen, so forschte der Gendarmerieinspektor die zwischen den Pässen gelegenen Objekte ab und gelangte zur völligen Gewissheit, dass keine fremden Personen die Gegend passierten, die dieses Verbrechen begangen haben konnten. Es mussten daher Leute aus der Gegend gewesen sein. Dem Postenführer war bekannt, dass in diesen Gebirgsgegenden ledige schwangere Weibspersonen gerne in den sogenannten Haarstuben einlogierten um da ihrer Niederkunft entgegen zu sehen. Er überprüfte deshalb die ganze Gemeinde, die sehr groß ist und deren Behausungen zerstreut in den Bergen liegen und erkundigte sich um alle Bewohner solcher Lokale.
Nach langen vergeblichen Nachforschungen erfuhr er endlich, dass in einer solchen Hütte ein lediges Mädchen wohne, das bereits zwei uneheliche Kinder habe und sich sehr selten zeigte. Der Eigentümer dieser Haarstube gab an, dass diese Person erst einige Monate dort wohnte und früher bei einem Bauern in Mitterstoder gedient hatte. Es wurden nun auch die Bewohner jenes Hauses, wo sie gedient hatte, genau befragt und in Erfahrung gebracht, dass sie mit einem verheirateten Mann im intimen Verkehr stand und einige Mägde, die mit ihr das Schlaflokal teilten, behaupteten, dass sie einige Monate, bevor sie aus dem Dienste trat, ihre Menstruation nicht mehr gehabt habe. Das veranlasste den Gendarmeriebeamten zum Einschreiten gegen diese Weibsperson. Er ging daher frischweg zu ihr in die Wohnung und machte die Wahrnehmung, dass sie bei dessen Eintreten erschrak und zu zittern anfing. Am Fußboden bemerkte er vertrocknete Blutspuren und fragte deshalb wo diese herstammen. Sie sagte, dass sie durch die Menstruation sehr viel Blut verloren hat und diese Spuren davon herrühren. Der Gendarm hielt ihr vor, dass sie schwanger war und geboren haben musste, was auch durch die ärztliche Untersuchung sofort bestätigt wurde. Auf diese Weise in die Enge getrieben gestand sie die Tat und wurde zu fünf Jahren schweren Kerker verurteilt.



Am 16. Dezember 1869 erschien in der "Gemeinde-Zeitung" ein "Höchst wichtiger Bericht zur öffentlichen Sicherheit".











Kirchengeräthediebstahl“

In der Nacht zum 19. vorigen Monats wurde aus der Kirche zu Hinterstoder mittels Einbruchs entwendet: eine Monstranz von Kupfer mit silberner, vergoldeter Lunula (in der katholischen Liturgie eine sichelförmige Halterung für die Hostie in der Monstranz); ein  Ciborium ( Behälter für die geweihten Hostien), der obere Teil ist aus Silber und der Deckel mit einem Kreuz versehen und vergoldet; dann ein Speistuch.
Dieses Diebstahls erscheint dringend verdächtigt ein Mann, welcher am 24. v. M. dem Gürtler Karl Seitner zu Liezen geschmolzenes Silber und vergoldete Silberplättchen im Gewicht von 15 Loth (als ungenaue, anschauliche Faustregel gilt, dass ein Loth etwa einem „Löffel voll“ entspricht) zum Kauf anbot und unter deren Rücklassung flüchtig wurde. Dieser Unbekannte, der Aussprache nach aus Krain und angeblich Eisenbahnarbeiter, ist beiläufig 22 bis 24 Jahre alt, mittelgroß, kräftig, hat schwarze, kurze gekrauste Haare, braune Augen, Nase und Mund mit kleinem, schwarzen Schnurrbart, brünetter Gesichtsfarbe, guter Zähne und war bekleidet mit alter, silbergrauer Schildhaube, schwarzen Rock und Hose, schwarzem Halstuche und weißem Hemde, Stiefeln und schwarzer Weste mit einer, mit 2 kleinen Knöpfen, versehenen Schlupfe beim Halse. Um Ausforschung und Anlieferung dieses Individuums wird ersucht. (K.k. Bez. Gericht Windischgarsten 1. Dezember 1869).

Bildmuster

Freitag, 16. Juni 2023

Der Maler Johann Babtist Reiter

In der Oberdonau-Zeitung am 28.3.1943 berichtete Dr. Justus Schmidt  über den Maler Johann Baptist Reiter (geb. 1813, gest. 1890) aus Linz-Urfahr, der auf ein bewegtes Leben zurückblicken konnte.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Zur Zeit als Napoleon die Länder Europas mit Waffengetöse erfüllte, lebte in Linz ein armer Handwerksmann namens Johann Reiter. Er war ein gelernter Zimmermann, war aber zur Tischlerei übergegangen und hatte eine Werkstatt im Hause 102.

Johann Baptist Reiter (geb.1813, gest.1890)
Portrait und Genremaler

Mit seiner Ehefrau Theresia, geborenen Fürhauser, lebte er in so ärmlichen Verhältnissen, dass er sich keinen Lehrling oder Gesellen in seiner Werkstätte leisten konnte. Vielmehr mussten ihm die zwei Mädchen und der Knabe, die ihm sein Weib geschenkt hatte, in der Tischlerei allerlei Hilfe und Handlangerdienste leisten.
Johann Baptist, der im Jahre der großen Völkerschlacht (die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 war die Entscheidungsschlacht gegen Napoleon) geboren war, sollte gleichfalls Tischler werden und musste als Lehrling des Vaters emsig Säge und Hobel führen. Dagegen hatte die ältere Schwester Julie mit Farbe und Pinsel zu hantieren. Sie musste die schlichten bäuerlichen Möbel, die aus der Hand des Vaters hervorgingen, nach althergebrachter Weise mit bunten Farben versehen, auch Blumen und Schnörkelwerk zur Verzierung anbringen und ward darob von ihren beiden Geschwistern beneidet.

Besonders den kleinen Johann lockte es immer wieder zu den Pinseln und Farbtöpfen. Manchmal durfte er seiner Schwester helfen und als er eines Feiertags insgeheim in der einsamen Werkstatt einen Kasten von oben bis unten ganz nach seiner Phantasie bemalt hatte, da gab es anderntags nicht, wie er gefürchtet hatte, Schläge und Schelte. Vielmehr fand er sowohl beim Vater wie bei dem Besteller des Möbelstückes Anerkennung und durfte von da ab Entwurf und Anleitung aller malkünstlerischen Bedürfnisse der Werkstätte übernehmen.
Nun war der junge Johann Baptist in seinem Element, so oft er sich von der Hobelbank fortstehlen konnte, machte er sich bei den Farben zu schaffen und den Feierabend wandte er auf immer neue Entwürfe, so dass jedes Möbelstück, sei es Kasten, Truhe oder Bett, immer reicher und kunstvoller bemalt wurde, als das andere.
Eines Tages wollte es nun der Zufall, dass ein kunstverständiger Mann die bescheidene Werkstatt des Meisters Reiter betrat. Mit Staunen sah er diese mit Farbensinn gemalten Erzeugnisse und als er die näheren Umstände erfuhr, war sein mit allem Ernst und Nachdruck gegebener Rat, den Knaben an die Kunstakademie nach Wien zu schicken. So geschah es eines Morgens, dass Johann Baptist Hobelscharten und Sägespäne abschüttelte und mit seinem schmalen Ränzel die Donau hinab nach Wien fuhr. Er zählte siebzehn Jahre und knapp ebensoviele Silbergulden in seiner Tasche.

Als Reisegefährten in das Land der Kunst hatte er den Sohn eines Gärtners aus Linz, Leopold Zinögger, mitgenommen, der gleichfalls in die Akademie eintreten wollte. Auch dieser war durch den Beruf des Vaters zur Malerei gelangt. Die Blumen hatten es ihm angetan und er wollte Blumenmaler werden. Nach Vollendung seiner Studien kehrte er nach Linz zurück, übernahm die väterliche Gärtnerei und die zarten Geschöpfe, die er mit behutsamer Hand heranzog und pflegte, blieben auch zeitlebens der Gegenstand seiner Kunst. Er wurde einer der besten Blumenmaler seiner Zelt.
Anders als Zinögger, dem so friedliche Tage beschieden waren, wie seinen Blumen, wurde Reiter vom Schicksal ergriffen. Mit Fleiß und Feuereifer begann er an der Akademie zu arbeiten. Allein seine Begabung war so unmittelbar, dass unversehens aus dem Schüler ein anerkannter Künstler wurde. Noch gleichsam auf der Schulbank wurde er mit Aufträgen überhäuft. Seine scharfe Beobachtungsgabe hatte ihn zum Bildnisfach geführt, die bald entschwundene Barschaft wohl auch in diese einträgliche Betätigung gedrängt und so kam es, dass Reiter seine Zeit zwischen sorgsamem Zeichnen nach Gipsmodellen in den Sälen der Akademie und frisch fröhlichem Porträtieren reicher Bürger -  Kunstfreunde noch höher gestiegen war.
Der Linzer Tischlersohn drang in die Paläste des Hochadels ein. Die Fürsten Wrede, Liechtenstein, Esterhazy wurden seine Gönner. Er lernte das üppige Wohlleben dieser Kreise aus der Nähe kennen, das Geld strömte Ihm zu, für ein Bildnis bekam er bis zu hundert Dukaten und so fing außer dem Schwelgen in Kunst auch ein schwelgerischer Luxus an. Reiter hielt sich ein prächtiges Atelier am Ufer der Wien und fuhr von diesem mit dem eigenen Viererzug, einen livrierten Mohren auf dem Kutschbock, in die Stadt. Seine Heimat hatte Reiter aber keineswegs vergessen. Noch auf der Akademie hatte er für die Kirche von Scharten zwei Altarbilder gemalt und die reiche Folge seiner Sittenbilder leitete er im Gedenken seines Vaterhauses mit dem Bild „Die fleißige Tischlerfamilie“ ein.
Aus der Heimat holte er sich auch seine Braut Nina heim und als Ihm ein Söhnchen geschenkt wurde, schien neben Erfolg und Reichtum auch sein Familienglück erfüllt.
Allein das Schicksal hatte für ihn kein ebenmäßiges Los bestimmt. Sein Kind entriss ihm der Tod, der Gattin entfremdete er sich, er selbst fiel in die Netze eines blutjungen Geschöpfes, durch das seine im Wohlleben erlahmte künstlerische Kraft neu entflammt wurde. In meisterlichen Bildern hat er die nackte Schönheit dieses glutäugigen und dunkelhaarigen Mädchens festgehalten, das er nach dem Tod seiner Gattin zum Altar führte. Anna, seine zweite Gattin, schenkte ihm Sohn und Tochter, allein auch sie vermochte ihn nicht dauernd an sich zu fesseln. Obwohl sie sich nur als arme Näherin fortgebracht hatte, begann sie einen verschwenderischen Haushalt zu führen, im Atelier duldete sie keine weiblichen Modelle und da seine Arbeitslust bald erlahmte, wollte sie ihn nur um des Geldes willen zur Malerei zwingen.
Reiter begann sein Heim zu meiden, ein unsteter Wandertrieb hatte ihn erfasst. Oft blieb er lange Zeit von daheim fort, ohne dass man Näheres von Ihm wusste. Einmal wurde erzählt, er wäre mit Zigeunern ziel- und planlos durch das Land gezogen, ein andermal hieß es, ein russischer Fürst hätte ihn mit sich auf sein Schloß genommen, wo er lange Zeit mit ihm gehaust hat.
Es waren nur Irrfahrten, denn missmutig und erschöpft kehrte er jedes mal von ihnen zurück. Wenn er noch den Pinsel zur Hand nahm, so nur, um die drückende Not abzuwenden. Doch die Glut war aus seinem Herzen gewichen und mit ihr das Leben aus seinen künstlerischen Geschöpfen. Das Urteil, das nun in Kunstkreisen über ihn gefällt wurde, war vernichtend. Reiter warf den Pinsel hin und brachte in den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens kein Bild mehr in eine Ausstellung.

Um sein Leben und das der seinen zu fristen, verkaufte er kleine Berichte an die Zeitungen, die nach der Zeile bezahlt wurden. Der Glanz eines strahlenden Künstlerlebens war zu Asche und grauem Elend verfallen. Doch das Schicksal wollte es auch dieses mal noch anders und ließ im Herzen des vergrämten und alternden Mannes den ewigen Funken der Kunst aufglimmen, reiner und klarer als je zuvor.
Lexi, sein Töchterchen, war herangeblüht und an ihrer reinen Schönheit entflammte sich das Künstlerauge des Vaters. Die Welt hatte den Maler Johann Baptist Reiter vergessen, niemand wollte ein Bild bei ihm bestellen, er aber begann nun ganz für sich allein, einzig um der Kunst willen, zu malen.
Immer wieder malte er Lexi, nur sie allein. Alle Weltliebe war nach reichstem Genuss und bitterer Not in ihm erloschen, zuletzt hat ihn die Liebe zu seinem Kind in reinste Sphäre der Kunst erhoben und zur wahrhaften Meisterschaft geläutert.

Tischlerfamilie Reiter

Bilder von Johann Baptist Reiter



Selbstbildnis als 60 jähriger
Johann Baptist Reiter

Freitag, 9. Juni 2023

Musikergeschichten

In alten Zeitungen, wie im Prager Tagblatt und im Grazer Tagblatt, kann man folgende Anekdoten lesen. Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Wolfgang Amadeus Mozart (geb.1756, gest.1791)  Christoff Friedrich Bretzner (geb.1748, gest.1807)
Weltberühmter Komponist                          Dichter, Librettist

Prager Tagblatt 9. Dezember 1931

In der „Leipziger Zeitung" stand 1782 zu lesen:
„Ein gewisser Mensch, namens Mozart, hat sich erfrecht, mein Schauspiel „Belmonte und Konstanze" zu einem Operntext zu verunstalten. Ich protestiere hiermit feierlich gegen diesen Eingriff in meine Rechte und behalte mir alles weitere vor. Christoph Bretzner, Verfasser des „Räuschchen".

Von den Singspielen ist „Belmonte und Constanze", aus der nach Mozarts Komposition „Die Entführung aus dem Serail“ wurde, sehr bekannt geworden.

                                                       ********


Wolfgang Amadeus und Constanze Mozart , geborene Weber (geb.1762, gest.1842)

Am 29. April 1780 schrieb Mozart seiner Braut Constanze Weber in einem Brief: „Sie haben mir (ungeachtet aller meiner Bitten) dreimal einen Korb gegeben und mir gerade ins Gesicht gesagt, dass sie mit mir nichts mehr zu tun haben wollen. Ich, dem es nicht so gleichgültig ist wie ihnen, den Geliebten  zu verlieren, bin nicht so hitzig, unüberlegt und unvernünftig, den Korb anzunehmen. Zu diesem Schritte liebe ich sie zu sehr.

Ich bitte Sie also noch einmal, die Ursache dieses ganzen Verdrusses wohl zu bedenken, wie es war das ich mich aufgehalten, dass sie so unverschämt waren ihren Schwestern N.B. in meiner Gegenwart zu sagen, dass sie sich Chateau (Beschwipst) haben die Waden messen lassen. Das tut kein Frauenzimmer, welches auf Ehre hält.

                                                     ********


Joseph Anton Bruckner (geb.1824, gest.1896)
Komponist, Organist

Bruckner hatte Musiktheorie studiert, viele Jahre und bei großen Meistern. Eines Tages ließ er sich prüfen. Die Professoren, die ihn prüfen, schreiben ein Thema auf, etwa acht Takte und fragen den Prüfling, ob er es wage, dieses Thema als Fuge auf einem Klavier wiederzugeben. Bruckner bejaht das, sieht die wenigen Takte an — die Herren lächeln, weil sie glauben, diese Aufgabe kann niemals gelöst werden. Aber Bruckner setzt sich ans Klavier, baut aus den gegebenen acht Takten des Themas eine wundervolle Fuge auf und spielt, dass es den Herren vor Bewunderung und Neid ganz sonderbar wird.
Nachdem man den jungen Mann zu seiner Leistung beglückwünscht hat, sagt einer der alten Professoren: „Ich meine der Kerl hätte uns prüfen sollen!"

                                                     ********

Robert (geb.1810, gest.1856) und Clara Schumann (geb.1819, gest.1896)
Komponist, Musikkritiker und Dirigent,               Pianistin, Komponistin 

Grazer Tagblatt 8. August 1926

Eine peinliche Frage.
Wie die meisten fortschrittlichen Komponisten brauchte auch Schumann eine Reihe von Jahren, ehe er sich beim Publikum durchsetzte. Vorher war sein Name weniger durch seine Kompositionen, als durch den Pianistenruhm seiner Gattin Clara Schumann bekannt. Im Jahre 1847 unternahm das Ehepaar eine Konzertreise nach Wien. Die Künstlerin wurde wie überall mit Ehren überhäuft. Anlässlich eines Hofkonzertes ließ sich der Kaiser huldvoll herab, sie in ein längeres Gespräch zu ziehen. Schumann stand währenddessen unbeachtet beiseite, nicht gerade in bester Stimmung. Schließlich fiel dem Herrscher die Situation auf in dem Empfinden, dem Gatten einer so berühmten Frau auch etwas sagen zu müssen, winkte er Schumann heran und begann das Gespräch mit den Worten: „Sind Sie auch musikalisch?"

Donnerstag, 8. Juni 2023

Fronleichnam 2023 in Hinterstoder





























                                                             Fotos: Traude Schachner