Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.
Mit seiner Ehefrau Theresia, geborenen Fürhauser, lebte er in so ärmlichen Verhältnissen, dass er sich keinen Lehrling oder Gesellen in seiner Werkstätte leisten konnte. Vielmehr mussten ihm die zwei Mädchen und der Knabe, die ihm sein Weib geschenkt hatte, in der Tischlerei allerlei Hilfe und Handlangerdienste leisten.
Johann Baptist, der im Jahre der großen Völkerschlacht (die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 war die Entscheidungsschlacht gegen Napoleon) geboren war, sollte gleichfalls Tischler werden und musste als Lehrling des Vaters emsig Säge und Hobel führen. Dagegen hatte die ältere Schwester Julie mit Farbe und Pinsel zu hantieren. Sie musste die schlichten bäuerlichen Möbel, die aus der Hand des Vaters hervorgingen, nach althergebrachter Weise mit bunten Farben versehen, auch Blumen und Schnörkelwerk zur Verzierung anbringen und ward darob von ihren beiden Geschwistern beneidet.
Besonders den kleinen Johann lockte es immer wieder zu den Pinseln und Farbtöpfen. Manchmal durfte er seiner Schwester helfen und als er eines Feiertags insgeheim in der einsamen Werkstatt einen Kasten von oben bis unten ganz nach seiner Phantasie bemalt hatte, da gab es anderntags nicht, wie er gefürchtet hatte, Schläge und Schelte. Vielmehr fand er sowohl beim Vater wie bei dem Besteller des Möbelstückes Anerkennung und durfte von da ab Entwurf und Anleitung aller malkünstlerischen Bedürfnisse der Werkstätte übernehmen.
Nun war der junge Johann Baptist in seinem Element, so oft er sich von der Hobelbank fortstehlen konnte, machte er sich bei den Farben zu schaffen und den Feierabend wandte er auf immer neue Entwürfe, so dass jedes Möbelstück, sei es Kasten, Truhe oder Bett, immer reicher und kunstvoller bemalt wurde, als das andere.
Eines Tages wollte es nun der Zufall, dass ein kunstverständiger Mann die bescheidene Werkstatt des Meisters Reiter betrat. Mit Staunen sah er diese mit Farbensinn gemalten Erzeugnisse und als er die näheren Umstände erfuhr, war sein mit allem Ernst und Nachdruck gegebener Rat, den Knaben an die Kunstakademie nach Wien zu schicken. So geschah es eines Morgens, dass Johann Baptist Hobelscharten und Sägespäne abschüttelte und mit seinem schmalen Ränzel die Donau hinab nach Wien fuhr. Er zählte siebzehn Jahre und knapp ebensoviele Silbergulden in seiner Tasche.
Als Reisegefährten in das Land der Kunst hatte er den Sohn eines Gärtners aus Linz, Leopold Zinögger, mitgenommen, der gleichfalls in die Akademie eintreten wollte. Auch dieser war durch den Beruf des Vaters zur Malerei gelangt. Die Blumen hatten es ihm angetan und er wollte Blumenmaler werden. Nach Vollendung seiner Studien kehrte er nach Linz zurück, übernahm die väterliche Gärtnerei und die zarten Geschöpfe, die er mit behutsamer Hand heranzog und pflegte, blieben auch zeitlebens der Gegenstand seiner Kunst. Er wurde einer der besten Blumenmaler seiner Zelt.
Anders als Zinögger, dem so friedliche Tage beschieden waren, wie seinen Blumen, wurde Reiter vom Schicksal ergriffen. Mit Fleiß und Feuereifer begann er an der Akademie zu arbeiten. Allein seine Begabung war so unmittelbar, dass unversehens aus dem Schüler ein anerkannter Künstler wurde. Noch gleichsam auf der Schulbank wurde er mit Aufträgen überhäuft. Seine scharfe Beobachtungsgabe hatte ihn zum Bildnisfach geführt, die bald entschwundene Barschaft wohl auch in diese einträgliche Betätigung gedrängt und so kam es, dass Reiter seine Zeit zwischen sorgsamem Zeichnen nach Gipsmodellen in den Sälen der Akademie und frisch fröhlichem Porträtieren reicher Bürger - Kunstfreunde noch höher gestiegen war.
Der Linzer Tischlersohn drang in die Paläste des Hochadels ein. Die Fürsten Wrede, Liechtenstein, Esterhazy wurden seine Gönner. Er lernte das üppige Wohlleben dieser Kreise aus der Nähe kennen, das Geld strömte Ihm zu, für ein Bildnis bekam er bis zu hundert Dukaten und so fing außer dem Schwelgen in Kunst auch ein schwelgerischer Luxus an. Reiter hielt sich ein prächtiges Atelier am Ufer der Wien und fuhr von diesem mit dem eigenen Viererzug, einen livrierten Mohren auf dem Kutschbock, in die Stadt. Seine Heimat hatte Reiter aber keineswegs vergessen. Noch auf der Akademie hatte er für die Kirche von Scharten zwei Altarbilder gemalt und die reiche Folge seiner Sittenbilder leitete er im Gedenken seines Vaterhauses mit dem Bild „Die fleißige Tischlerfamilie“ ein.
Aus der Heimat holte er sich auch seine Braut Nina heim und als Ihm ein Söhnchen geschenkt wurde, schien neben Erfolg und Reichtum auch sein Familienglück erfüllt.
Allein das Schicksal hatte für ihn kein ebenmäßiges Los bestimmt. Sein Kind entriss ihm der Tod, der Gattin entfremdete er sich, er selbst fiel in die Netze eines blutjungen Geschöpfes, durch das seine im Wohlleben erlahmte künstlerische Kraft neu entflammt wurde. In meisterlichen Bildern hat er die nackte Schönheit dieses glutäugigen und dunkelhaarigen Mädchens festgehalten, das er nach dem Tod seiner Gattin zum Altar führte. Anna, seine zweite Gattin, schenkte ihm Sohn und Tochter, allein auch sie vermochte ihn nicht dauernd an sich zu fesseln. Obwohl sie sich nur als arme Näherin fortgebracht hatte, begann sie einen verschwenderischen Haushalt zu führen, im Atelier duldete sie keine weiblichen Modelle und da seine Arbeitslust bald erlahmte, wollte sie ihn nur um des Geldes willen zur Malerei zwingen.
Reiter begann sein Heim zu meiden, ein unsteter Wandertrieb hatte ihn erfasst. Oft blieb er lange Zeit von daheim fort, ohne dass man Näheres von Ihm wusste. Einmal wurde erzählt, er wäre mit Zigeunern ziel- und planlos durch das Land gezogen, ein andermal hieß es, ein russischer Fürst hätte ihn mit sich auf sein Schloß genommen, wo er lange Zeit mit ihm gehaust hat.
Es waren nur Irrfahrten, denn missmutig und erschöpft kehrte er jedes mal von ihnen zurück. Wenn er noch den Pinsel zur Hand nahm, so nur, um die drückende Not abzuwenden. Doch die Glut war aus seinem Herzen gewichen und mit ihr das Leben aus seinen künstlerischen Geschöpfen. Das Urteil, das nun in Kunstkreisen über ihn gefällt wurde, war vernichtend. Reiter warf den Pinsel hin und brachte in den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens kein Bild mehr in eine Ausstellung.
Um sein Leben und das der seinen zu fristen, verkaufte er kleine Berichte an die Zeitungen, die nach der Zeile bezahlt wurden. Der Glanz eines strahlenden Künstlerlebens war zu Asche und grauem Elend verfallen. Doch das Schicksal wollte es auch dieses mal noch anders und ließ im Herzen des vergrämten und alternden Mannes den ewigen Funken der Kunst aufglimmen, reiner und klarer als je zuvor.
Lexi, sein Töchterchen, war herangeblüht und an ihrer reinen Schönheit entflammte sich das Künstlerauge des Vaters. Die Welt hatte den Maler Johann Baptist Reiter vergessen, niemand wollte ein Bild bei ihm bestellen, er aber begann nun ganz für sich allein, einzig um der Kunst willen, zu malen.
Immer wieder malte er Lexi, nur sie allein. Alle Weltliebe war nach reichstem Genuss und bitterer Not in ihm erloschen, zuletzt hat ihn die Liebe zu seinem Kind in reinste Sphäre der Kunst erhoben und zur wahrhaften Meisterschaft geläutert.
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