Freitag, 25. Oktober 2019

Unglück im Gebirge.











Aus Vorderstoder meldete man uns am 29. August 1893.

Am Montag 28.8.1893 ereignete sich am Hochstein, einem Berg an der
steiermärkischen Grenze, ein äußerst betrübender Unglücksfall.
Der Hergang dabei war folgender: Früh morgens an dem genannten Tage gingen die beiden auf der „Schellerbauern-Alm" bediensteten Mägde Mathilde Ramsebner und Ludmilla Lang gegen den Hochstein zu, um dort  Klee zu mähen. Dabei wagte sich letztere, ein blühendes Mädchen von 19 Jahren, mit den Worten: ich muss doch einmal da hinunterschauen", zu weit vor, rutschte in dem vom Tau feuchten Klee aus und stürzte in den unergründlichen, schauerlich zerklüfteten Abgrund hinab. Das andere Mädchen, von dem Unglück ihrer Freundin aufs tiefste erschüttert, rannte nun eilends nach Hause und erzählte dort das Geschehene. Nun schritt man an die Bergung der Leiche. Da man aber nur mit Hilfe von Seilen in die Tiefe gelangen kann und die mitgenommenen Seile sich als zu kurz erwiesen, musste für diesen Tag davon Abstand genommen werden. Am nächsten Tag wagte man neuerdings das Unternehmen, dessen Ausgang bisher noch nicht bekannt ist. Wenn nur bei diesem ebenso traurigen als gefährlichen Geschäfte nicht abermals ein Unfall passiert.

Über dieses Unglück wird uns aus Hinterstoder unterm
gleichen Datum folgender Bericht übermittelt:

Montag  den 28. d. M. ereignete sich in Hinterstoder ein Unglück. Die Schwaigdirnen von der Hochstein-Alm und zwar von der Schellerbauernhütte waren mit „Kleegrassicheln" beschäftigt. Die etwa 20jährige Ludmilla Lang
trat auf einen Mauerkopf, um ihre Neugierde zu stillen, „zu sehen, wie hoch es da hinabgehe". Dabei musste sie gestrauchelt sein oder das
Übergewicht erhalten haben; sie stürzte über die Mauer hinab
und fiel nicht sehr tief unterhalb auf eine grasige, aber auch sehr
geneigte Fläche auf. Hier sichelte ihre Genossin, die Schwaigerin
(Legertochter von Vorderstoder) bereits Gras. Diese wollte die
Magd anhalten, aber umsonst. Jene entkam ihr wieder und
stürzte nun neuerlich über eine etwa 60 Meter hohe Wand in
eine Felsschlucht ab. 
Die nachmittags begonnenen Bemühungen,
die Verunglückte zu erreichen, blieben erfolglos. Erst heute, den
29. August, gelang es mittels vier aneinandergeknüpfter Wagen- ­
seile dem Stephan Ramsebner, Stocker in Hinterstoder und
dem Prentner, Maier Georg Radlugmaier, die Tiefe zu
erreichen, wo das Mädchen tot, mit Löchern und Wunden im
Kopfe zugerichtet, lag. Die Tote wurde nun mit dem Seil
aus der Tiefe geholt und in das Dorf gebracht, wo sie am
30. August am Ortsfriedhof in Jnnerstoder beerdigt wird.







Freitag, 18. Oktober 2019

Im Zauberbann der Bergwelt


Die "Oberdonau Zeitung" berichtete am 8.8.1943 von einer, wie man damals sagte, "Gebirgsfahrt" auf den Großen Priel.
Diese "Gebirgsfahrt" war vor rund 80 Jahren. Die Fotos wurden 2019 gemacht.
Der Text wurde etwas gekürzt und der heutigen Schreibweise angepasst.  

Aus dem Tal von Hinterstoder hinauf zum Großen Priel. Geblrgsfahrt, einmal nicht ganz streng alpinistisch gesehen.

"Aus der langen Kette unserer nördlichen Kalkalpen schaut die Prielgruppe weit ins Land als nordöstlicher Grenzpfeiler des Toten Gebirges. So gewaltig und mächtig sich der Große Priel auftürmt, ebenso reizvoll und anmutig liegt das grüne Stodertal mit dem Kirchlein an seinem Fuße, zehn Kilometer vom Bahnhof Hinterstoder entfernt. Mit Zaubermacht zieht es uns hinauf zu den Felsenhöhen des Bergriesen. Die Steyrbrücke hinter dem Alpendorf führt ins Tal der Krummen Steyr, die ihre Wiege im Prielgebiet hat. Hinter dem Klinserkogel öffnet sich ein weites Talbecken mit großen Almwiesen, umrahmt vom Hochwald des Ostrawitz und dem stolzen Felsenbau der Spitzmauer, vom waldigen Öttlberg und himmelanragenden Großen Priel. Ein stattlicher Hof, der „Polsterbauer“, gebot einst über diesen wirtschaftlichen Reichtum. Nach zweieinhalbstündiger Wanderung von Hinterstoder aus treten wir auf die freie Höhe der Unteren Polsteralm und erreichen eine halbe Wegstunde später die Obere Polsteralm mit dem Schutzhaus. Unten in der Talsenke erscheint die Klinseralm. Großartig und erhaben ragt die Zackenkrone der Spitzmauer ins unendlich Himmelsblau. Ihr Südgrat fällt, wild zerrissen in tausend Spitzen und Hörner zum vorgelagerten Ostrawitz ab, der Ostgrat stürzt scharf und schneidig in die Tiefe und verläuft hier in die Bänder grüner Matten. Der Nordgrat zieht seine stolze Bahn über die Klinserscharte zum Großen Priel. Kühn steigt der Allgewaltige im Süden zu den Mauersäulen des Brotfalles empor, baut daran einen breiten, massigen Felsenkegel und erhebt sich endlich von der Brotfallscharte an im kühnen Aufschwung zum höchsten Gipfel, von dem das Kreuz herunterschaut. Die Alpenblumen entwickeln im Alpenlicht die sattesten und leuchtendsten Farben von höchster Pracht. Weithin strahlen im Frühling und Frühsommer feuerrote Almrosen, goldgelbe Alpenschlüsselblumen (Petergstamm) und tiefblaue Enziane, große Alpennelken neben kleinen, rosenroten "Polsternagerln". Auf einer Blütendolde des weißen Mauerpfeffers sonnt sich ein Paar Alpenfalter. In vornehmer Schönheit entfaltet das Männchen sein Flügelkleid und zeigt das prächtige Schwarz-weiß mit einem Paar karminroter schwarz umringter Kreise auf jedem Hinterflügel. Die Wanderung vom Schutzhaus zum großen Schneefeld währt etwa zwei Stunden, der Aufstieg zur ßrotfallscharte ein halbe Stunde. Nach einstündiger Kammwanderung stehen wir auf dem Gipfel. Eine Rundschau von überwältigender Schönheit öffnet sich vor unseren staunenden Augen. Ein unabsehbares Gipfelmeer wogt in weiten Fernen, von den Zillertaleralpen Tirols, bis zum niederösterreichischen Schneeberg. Das ganze Hochland des Totengebirges mit seinen mannigfachen Felsgestalten liegt in einer Länge von 80 Kilometern vor uns, der Dachstein grüßt in kristallenem Schimmer. Im äußersten Westen aber schließen die Gewaltigsten und Mächtigsten des Alpenreiches, die Beherrscher der Hohen Tauern, den Gesichtskreis, ragen aus Schnee und Eis Großglockner und Großvenediger, mit ihrem Gefolge in die Wolken".        
Reg.-Rat Prof. R. BerndL 


























                                  Fotos: Margit Wright, Edeltraud Pirker

Freitag, 11. Oktober 2019

Eine Eisenbahnfahrt durch den Bosrucktunnel nach Linz mit Peter Rosegger

In der "Österreichischen Alpenpost" Ausgabe 1910 erzählt der berühmte  steirische Heimatdichter und Schriftsteller Peter Rosegger von einer Eisenbahnfahrt von der Steiermark durch den neu eröffneten Bosrucktunnel nach Linz.

„Jetzt will er wieder einmal mit dem Kopf durch die Wand!" rief unser Dorfhumorist, als er von meiner Absicht hörte. Zum Glück hat die Wand dort, wo ich mit dem Kopf durchwollte, ein großes Loch, durch das die Eisenbahnzüge fahren. Ja, das ist der wildwändige Bosruck im Ennstal, der rauhe, über 2000 Meter hohe Grenzwächter zwischen Steiermark und Oberösterreich, an dem sich über den Pyhrnpaß bisher nur ein Bergsträßlein vorbeidrückte. Es ist dies der „bös' Rucken", der sich manch böse Tat schon hat zuschulden kommen lassen und ach bei den arglosen Kronländern so grausig drohend abstürzt. Man könnte — um erklecklich sprachkundig zu erscheinen — den Namen auch ableiten von „boser", steirisch so viel als: besser, stärker, vornehmer, hervorragender, der „böser Rucken". Oder soll er des nahen Passes wegen einmal Passruck geheißen haben? Das Nächstliegende ist unseren Sprachgelehrten manchmal das Fernliegende. Doch bleiben wir beim, „bös' Rucken", der geniert uns nicht, wir haben es nur mit seinem Fuße zu tun. Ohne viel an ihm hinaufzuklettern, hat die Eisenbahn kurzen Prozeß gemacht, hat ihn in einer Talhöhe von siebenhundert und soviel Metern kurzerhand durchbohrt. Und jetzt ist das Loch offen ins Nachbarland, durch das man auch mit dem Kopf durch die Wand fahren kann, ob's nun ein steirischer Dickschädel oder ein oberösterreichischer Mostschädel ist. Damit sind nun die beiden Landeshauptstädte, die bisher auf Umwegen erreicht werden mußten, sich so nahe gerückt, daß der Eilzug von Linz bis zur steirischen Hauptstadt kaum mehr als fünf Fahrstunden braucht. Unser Graz wird durch die Ablenkung kaum leiden. Ohne daß an der Bahnhofecke von St. Michael eine hölzerne Hand wird angenagelt werden müssen: Weg nach Graz!, werden manche Reisende aus aller Herren Länder gewahr werden, was der Besucher der Ostalpen am wenigsten versäumen darf. Eines Tages im September machte ich meine Poeten-Jnspektionsreise auf der neuen Bahn nach Linz. Der Verkehr war so ungeheuer, daß in den Bahnhofrestaurationen um Bier, Würste und Kaffee förmliche Schlachten geliefert wurden, wobei gerade die Stärkeren, die es weniger nötig hätten, den Schwächeren die Nahrung wegnahmen. Auf den Korridoren der Züge standen die sitzlosen Leute zu Dutzenden herum, so daß jemand dem Schaffner den Rat gab, er sollte doch die Räume ganz voll pfropfen, dann stünden die Leute leichter, weil sie nicht umfallen könnten. In Selztal, ein wenig gegen Admont hin, zweigt die Bosruckbahn von der alten Kronprinz Rudolf-Bahn links ab, durchquert das braune, moorige Tal und übersetzt die hier fast unbewegliche, spiegelglatte Enns. Zum Abschied entfaltet das Ennstal noch einmal seine Herrlichkeit. Dort oben, alle hohen Berge massig überragend, der stolze Grimming. Dort unten die wie Flammen leuchtenden Felsenberge des Gesäuses. Davor auf dem Waldhügel steht die zweitürmige Wallfahrtskirche Frauenberg. In der Station Ardning steckt der Schaffner noch drei bäuerliche Wallfahrer in die erste Klasse, wo allein noch knapp so viel Raum vorhanden war, um die Leutchen mitzunehmen. Als im drohenden Gewitter einen vier Stunden langen Umweg über den Pyhrnpaß zu nehmen, bequemten sie sich doch lieber, zwanzig Minuten lang, in den roten Samt gedrückt, mitten unter lauter „herrischen" zu fahren, wenngleich es dem Weibel fraglich schien, ob derlei zur wallfahrlichen Buße gehöre oder nicht. Hinter dem Bosruck stieg ein so finsteres Gewitter auf, daß der Berg davor ganz magisch leuchtete; da flogen durch die Scharten schon die weißen Nebel nieder, und wir wollten in den Berg. Dreizehnhundert Meter tief unter der Erde hat man den solidesten Regenschirm, obschon auch hier das Wasser beim Bau unangenehm geworden ist. Nach einer ziemlich raschen Fahrt von stark sechs Minuten (der Tunnel ist nahezu fünf Kilometer lang) waren wir im regnenden Oberösterreich. Zwischen steilen, bewaldeten Bergen ein enges, frisch grünes Wiesental, und da unten liegt malerisch das alte Spital am Pyhrn, jahrhundertelang ein Hort an der Römerstraße. Das Klostergebäude ­ mit der Kirche, über der zwei Kuppeltürme gleich Silber schimmern, liegt wie ein lichter Edelstein aus grünem Samt. Bald weitet sich das Tal, das im Norden durch den ruhigen Wall des Sengsengebirges begrenzt wird. Und da liegt das freundliche Windischgarsten mitten in Wiesen und Matten, umgeben von einem reich und schön gegliederten Gebirgskranz. Die Gegend hat schon den Charakter des nördlichen Alpenauslaufes. Die Berge sind noch steil, aber niedriger, mit Felswänden und Kämmen bestanden; die hohen Felsgebirge bleiben im Hintergrunde und treten nur bei Stoder noch einmal hart an unser Auge, als der Priel, des Toten-Gebirges erhabener König und Herr, majestätisch auf uns niedergrüßt. Von seinem Thronscheme!, dem Hinterstoder herab, aus steirischen Bergen quellend, kommt die rührige Steyr; sie hat ihr tiefes Bett gegraben, es ist eine hin und hin durch das Tal ziehende Engschlucht, an deren senkrechte Lehnen die Erd- und Steinschichten von Jahrzehntausenden Zeugnis geben. Eine Stunde lang fahren wir an diesem Bergwasser über hohe Brücken, durch Tunnels, bis endlich bei Kirchdorf das Tal sich lichtet und das Hügelgelände anhebt. Die Berge stehen im Hintergrund, ihre braune Farbe wird blau und fremd stehen sie in der Ferne, als hätten wir nicht erst vor einer Stunde in ihrem Bereiche geschwelgt, wir rollen dahin unter, dem weiten Himmel der Donaulande. Doch über diesem Himmel treiben Wolken, ein Gewitter jagt das andere, dazwischen stechender Sonnenschein, in welchem die Bahnhofgebäude grell dastehen. Da und dort Haltestellen, selten eine größere Ortschaft. Aus Matten, die sich sanft über Anhöhen hinziehen, stehen üppige Baumgruppen von Buchen, Eschen und Eichen, die sanften Höhen sind berandet mit Wald. Schon begegnen uns die geschlossenen, viereckigen Bauernhöfe, die einfach, aber trotzig wie Burgen dastehen, und Obstbäume beginnen die Landschaft zu beherrschen. Mittlerweile hat die neue Bahn, sich ohne Effekt ablösen lassen, von der älteren Kremstalbahn, und wir nahen dem berühmten Kremsmünster. Links auf der Anhöhe liegt das Stift vornehm da, überragt von dem astronomischen Turm, der, ähnlich einem amerikanischen Wolkenkratzer, das behagliche Bild ein wenig stören würde, wenn der Zweck nicht wirklich das Mittel heiligte. Diese Mönche blicken auch mit wissenschaftlichem Auge gegen den Himmel, während am Fuße ihres Klosters der Marktflecken blüht, eine reiche Kultur sich breitet über das schöne Land und bedeutende Männer dem Staate dienen, die aus dem freieren Geiste dieser Benediktinerabtei hervorgegangen sind. Wir kommen nach Unterrohr, wo nach beiden Seiten Bahnen abzweigen, links nach Wels, rechts nach Bad Hall und Steyr. Ein mit Gewitterdunkel vereinter Abenddämmer hat rasch die Nacht gebracht. Im Norden, vom Böhmerwald her, zucken Blitze auf und ab, deren Schein einen spitzen, mit Türmen gekrönten Berg und die Konturen einer Stadt zeigt. Wir nahen uns dem Bahnhof von Linz, in den der Zug vorsichtig einfährt. Am nächsten Tage hatte ich Gelegenheit, das großstädtische Treiben auf dem Linzer-Bahnhof zu beobachten. Fortwährend hatte der Ausrufer ankommende und abfahrende Züge der Restauration zu melden, mit der Bezeichnung des Geleises, auf dem sie einfuhren. Da kamen in kurzer Zeit die Eilzüge von Wien, von Prag, von Nürnberg, von München, von Salzburg nebst den gewöhnlichen Personenzügen dieser und anderer Strecken. Auf der Wiener Strecke allein verkehren täglich, wie der Sommer-Kurier zeigt, an fünfzig Eil- und Personenzüge wie dazwischen noch die zahllosen Lastenzüge weiter kommen können, ist ein Kunststück der Verwaltung. Die schöne Linzerstadt war meine Jugendgeliebte, allerdings nicht die einzige. Dort war einer meiner Studienkollegen daheim, den ich in den Ferien mehrmals besuchte. Eines Kaufmannes Sohn, wohnte er auf dem großen Platz, dem schönsten Punkte der Stadt. In Linz sah ich auch das erste mal den klassischen Mundartdichter Franz Stelzhamer. In Linz lernte ich Adalbert Stifter kennen, der damals ein kranker Hofrat war, sehnsüchtig von seinen Fenstern aus die sommerlichen Berge anschauend, die er nicht mehr erreichen konnte. Von Linz aus machte ich damals Wanderungen durch den Haselgraben nach Kirchschlag hinauf, wo Stifter seine rührenden Sommerbriefe geschrieben hatte; durch den Kürnbergerwald, wo der Nibelungenlied-Dichter gewaltet haben soll, nach dem Stifte Wilhering, wo mich und meinen Studienfreund der weißköpfige Abt einmal zu einem Pfingstmahl mit Knödel und Sauerkraut eingeladen hatte, wonach weil wir damit so demütig zufrieden waren, er uns erst zur großen Tafel ins Refektorium führte. Damals war ich über die nordischen Alpen gerne zu Fuß hergekommen und dann auf der Donau nach Wien gefahren. O, ihr goldenen Zeiten! Ich bin mittlerweile zwar um vierzig Jahre älter geworden, aber Linz hat sich verjüngt. Trotz des regnenden Tages besuchte ich nun alte Erinnerungsstätten. Mit besonderem Hochgefühl auch eine neue auf der Promenade: das Denkmal Adalbert Stifters. So weit der Dichter nach persönlicher Begegnung und nach dem Eindrucke seiner einzigen Werke in mir lebt, könnte diese Statue kaum vollkommener sein, als sie ist. Da sitzt er in ganzer Gestalt als Wanderer, ruhend auf einem Fels seines Böhmerwaldes. Und so freundlich und behaglich blickt er hinaus über seine weite, sonnige Heide bis hin, wo in fernster Ferne das Band der Alpen liegt. Nun sinnt er und dichtet; über dem alltäglichen Lärm des Tages dichtet er das hohe, friedliche Lied der Natur. Viele Denkmale habe ich schon gesehen, keines ist mir so lebendig geworden als dieses. Der ganze Stifterische Dichter-Genius lächelte aus diesem, Antlitz auf mich herab. Und inniger als je konnte ich ihm in solchem Augenblicke danken für das, was seine Dichtung mir geworden ist. Und dann zum Dom. Viele Jahre schon baut man an ihm und viele Jahre wird es noch dauern, bis er fertig ist. Er wird ganz aus Quadern ausgeführt und ist eine grandiose Steinmetzarbeit. Erst das kommende Geschlecht wird seine Vollendung erleben und, seltsam, das jetzige sieht schon, wie er sein wird. Ganz fertig und frei steht der hohe, gotische Turm da als Wahrzeichen der Donaustadt, und es steht da das Vorderteil der Kirche mit dem Hochaltar; ebenfalls völlig fertig. Diese Hochaltarkapelle an sich ist schon so groß oder größer als die größte Kirche des Landes. Nun liegt aber zwischen diesem Hochaltarteil und dem Turm noch ein weiter, langer, freier Raum, auf dem erst einige Quaderpfeiler langsam aus der Erde hervorwachsen zwischen grünem Gras, auf das die Sonne scheint. Erst wenn dieser Hauptbau die Hochaltarkapelle und den Turm verbindet zu einem Ganzen, wird man staunen über ein architektonisches Wunderwerk, wie unser großes Vaterland kaum ein zweites hat. Der etwas finstere Bischof Rüdiger hat hier ein Werk gestiftet, in das künftige Jahrhunderte ihren Geist und ihr Licht hineintragen werden. So war ich in der Muße des Alleinseins einen halben Tag in Linz herumgebummelt. Da der Himmel trübe blieb und die Regenwolken immer noch tiefer sanken, so tief, daß schon die Spitze des Domturms in den Wolken verschwand, ging ich zum Bahnhof, um durch das kühle, frische Land wieder den steirischen Alpen zuzufahren. Als nachmittags der Zug drüben aus dem Bosruck rollte, lagen die rötlichweißen Felsen des Ennstales in Sonnenschein.


Peter Rosegger (geb. 1843 in Alpl, Stmk, gest, 1918 in Krieglach, Stmk.)