Freitag, 25. Oktober 2024

Vom stolzen Hutschmuck unserer Gebirgler

Die Oberdonau-Zeitung vom 29.10,1943 berichtet "vom stolzen Hutschmuck unserer Gebirgler"  wie ein Gams-, Hirsch- oder Dachsbart bei der „Bartbinderin“ Rosa Fahrnberger in Micheldorf vor rund 100 Jahren entstanden ist. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Ein kleines Stück außerhalb Kirchdorf an der Krems, auf halbem Weg zum Schloß Pernstein, liegt das „Gasthaus am Buchenhain“ — die „Groileiten“ —, ein beliebter Ausflugspunkt der Kirchdorfer und zahlreicher Fremder, die die Schönheiten des Kremstales näher kennen lernen wollen.
Durch einen schönen Buchenhain, der in allen Farben seines herbstlichen Kleides prangt und den schon die kalten Nebel durch ziehen, kommen wir hinaus in freies Gelände. Gleichzeitig sind wir aus dem Nebel heraus und können nun das wunderbare Schauspiel eines wogenden Meeres bewundern, das sich unter uns breitet und das ganze Kremstal erfüllt, während die herbstliche Sonne warm aus wolkenlosem Himmel auf uns herniederstrahlt. Ein Rundblick zeigt uns, fast greifbar nahe, Schloß und Ruine Pernstein, darüber den Hungerturm, und gibt den Blick frei auf den Hirschwaldstein, dann gleitet unser Auge über die Gipfel des Sengsengebirges, springt hinüber auf die reich gezackte Kette der Kremsmauer,ein weiter auf hügeliges Gelände, von dem uns der Magdalenaberg mit seinem Bergkirchlein grüßt, um schließlich in dem immer breiter werdenden und unter dem Nebeimeer ruhenden Kremstal sich zu verlieren.
Das so malerisch gelegene Gasthaus lädt zum Eintreten ein.
Hier wohnt Frau Rosa Fahrnberger, eine Siebzigerin,(1943) die seit über vierzig Jahren das seltene Gewerbe des Bartbindens ausübt. Ein Besuch in ihrem Stübchen offenbart uns das Geheimnis ihrer Kunst. Ein Tisch und ein Sessel sind ihre gesamte Arbeitsstätte. Auf dem Tisch liegt eine Unmenge von Barthaaren, die durch die Geschicklichkeit dieser Frau bald einen schönen Hutschmuck bilden werden. Frau Fahrnberger hat gerade Bärte von Gemsen, Hirschen, Dachs und Wildschweinen in Arbeit. Die Haare für den Hirschbart stammen vom Hals dieses Königs unserer Hochgebirgswälder, der Gamsbart wird aus den Haaren am Rücken der Gemse gemacht. Auch der Dachsbart stammt vom Rücken des Meisters „Isegrimm“. Wir sehen, wie die Barthaare ausgekämmt werden. Wir staunen wie wenig von einer an sich so großen Menge Haare für einen Bart übrig bleibt. Nun werden die Haare sortiert. Zu diesem Zweck kommen sie in schmale Glasröhrchen, werden geschüttelt, damit die Reifen — das ist das meist lichter gefärbte Ende der Haare — gleich werden und es ist eine äußerst mühsame Arbeit, bis in den zahlreichen Glasröhrchen Haare gleicher Länge beisammen sind. Ein Bart ohne Reifen ist wertlos. Je stärker und breiter und je weißer der Reifen ist, desto schöner, begehrter und teurer ist der Bart.
Die nach Längen sortierten Haare werden nun „gebrückt“, das heißt, das untere Ende der Haare wird in flüssiges Wachs getaucht und nach dem Erhärten sehen die Büschel schon wie kleine Bärte aus. Eine selbstgezimmerte Vorrichtung aus einem Holzklotz, auf dem ein kleines Petroleumlicht brennt und auf einem stehenden, mehrfach eingekerbten Stock ein Löffel verstellbar angebracht ist, in welchem durch das Licht das Wachs zum Schmelzen gebracht wird, dient zum „Brücken“ der Haare. Die gebrückten Büschel werden nun auf dem Tisch wieder nach Längen sortiert und so viele bereit gelegt, als man zu einem Bart braucht. Nun werden die kurzen Büschel, eines nach dem anderen, auf einem Draht zusammengedreht, die längeren außen, und so entsteht vor unseren Augen allmählich der Bart.
Wir erfahren auch, dass ein schöner Bart nur bis zu einem Drittel seiner Gesamtlänge unterbunden sein darf, zwei Drittel der Haarlängen also frei stehen sollen. Auch soll ein Bart stehen wie eine Rose, d. h. die Haare sollen nach allen Seiten leicht und weich auseinanderfallen. Der fertige Bart wird unten noch mit einem grünen Tuch eingefasst.
Aus aller Herren Länder hat Frau Fahrnberger Aufträge und sie zeigt uns manchen Dankesbrief, worin ihre Kunst gewürdigt wird. Der Gams- und Hirschbart ist von unserer landesüblichen Tracht nicht wegzudenken und stolz trägt der Jäger und Förster, genau so wie der Holzknecht, den Bart eines Hirschen oder einer Gemse zur Ledernen, wochentags wie im Sonntagsstaat.
Und ob sich nicht über manchen schönen Bart der Förster den Kopf zerbrechen mag? Heißt es doch im Volksmund, dass der Bart nur dann richtigen Wert hat, wenn man auch das Wild selbst erlegte ...
Wir haben die genaue und feine Arbeit der Frau Fahrnberger bewundert, die trotz ihrer 70 Jahre noch sehr rüstig ist und mit sicherer Hand die schönsten Bärte bindet. Jedenfalls aber lernten wir hier ein Gewerbe kennen, das gewiß mit zu den seltensten gezählt wird.                                                                   Rudolf Fina

Rosa Fahrnberger




Freitag, 18. Oktober 2024

Aus dem Toten Gebirge.

Bergsteigen und Wandern im Toten Gebirge war schon im 19. Jhdt. für manche Städter ein begehrtes Ferienziel. Der Fremdenverkehr (heute Tourismus) wurde beworben. Bergführer boten ihre Dienste an und Schutzhütten wurden gebaut.




















"Wenn man dem Laufe der Steyr, jenes Flusses, der einer ganzen Stadt den Namen gab entgegenstrebt, erreicht man nach mehrstündigem Wandern einen von hohen und malerisch geformten Bergen eingeschlossenen Talkessel, auf dessen Grund zerstreut liegende Gehöfte und Hütten nebst einer kleinen Kirche den Ort Hinterstoder bilden. Wir befinden uns hier am Fuße des interessantesten und zugleich höchsten Gipfels des Toten Gebirges, nämlich des 2514 Meter hohen Großen Priel.
Von hier aus ist die Besteigung desselben, sowie überhaupt ein Besuch des Toten Gebirges, das sowohl für den Maler als für den Geologen gleich interessant ist, am bequemsten auszuführen. Man erreicht, nachdem man den eine Wegstunde entfernten pittoresken Felskessel die Polsterlucke durchschritten hat, nach 2 Stunden, beinahe immer durch schönen Wald ansteigend, die obere Polsteralm, wo ein bequem eingerichtetes Schutzhaus zur Ruhe einladet. Von hier aus präsentiert sich nun der Große Priel in nächster Nähe und wir können bereits ganz genau das eiserne Kreuz auf seiner Spitze unterscheiden. Nun geht es über Geröll zu einem ziemlich großen schräg abfallenden Schneefeld, dem weithin sichtbaren Wahrzeichen des Großen Priel und nach Überschreitung desselben, vorüber an der alten Schutzhöhle, hinauf über Felsen und grobes Geröll, den zerrissenen Kamm entlang zur Spitze, die wir vom Schutzhaus aus in vier Stunden erreichen. Wir lagern uns nun unter dem 8 Meter hohen und 2240 Kilogramm schweren, schon erwähnten, eisernen Kreuz, und bewundern das großartige und in seiner Art einzigartige Panorama, das sich hier vor unserem Auge aufrollt.
Die weiße, zackige Linie der hohen Tauern, der Dachstein mit all seinen Vasallen, die schroffen Berge des Ennstales, in weiter Ebene die Lieblinge der Wiener, Rax und Schneeberg, noch weiter hinaus die Grenzmarken Ungarns, des Böhmerwaldes und die bayerische Ebene im Westen bilden einen Kranz um uns, an dem sich das Auge trunken schaut; und nun aber, nachdem wir auch unserer näheren Umgebung einige Aufmerksamkeit schenken wollen, finden wir uns auf's Neue und nicht weniger gefesselt durch ein Bild großartiger Wildheit und Verödung. Meilenweit ausgedehnt liegt zu unseren Füßen ein Chaos von Felstrümmern und stellenweise mit Schnee bedeckten Karrenfeldern, oft stundenlang ohne jede Vegetation, ohne Spur von etwas Lebendem; kühn ragen einzelne Kolosse über diese Steinwüste heraus; so in nächster Nähe die zuckerhutförmige, sich aufbauende Spitzmauer, das Rotgeschirr und der Elmkogel.

Es ist das Tote Gebirge im vollsten Sinne des Wortes und wann auch dieser Name nicht bei dem ganzen, weit ausgedehnten Gebirgsstock gerechtfertigt erscheint, so ist er doch für den allgemeinen Charakter zutreffend. Wer nun gut zu Fuß ist und einen weiteren Marsch von 8 Stunden nicht zu scheuen braucht, der kann von hier aus eine beschwerliche, aber äußerst interessante Wanderung über das Plateau antreten. Vor Allem gehören aber dazu ein guter Führer und sicheres Wetter: der eintretende Nebel kann verhängnisvoll werden.
Zuerst geht es nun ein Stück den Grat zurück und dann über grobes Gerölle hinab in das mit Felstrümmer und Schnee ausgefüllte Fennerthal, von dem unser unteres Bild einen Teil darstellt; man sieht das Massiv des Rotgeschirrs und mehr in der Mitte grüßt über dem Elmkogel der leuchtende Gletscherschild des Dachsteins herüber. Von hier aus geht's auf und ab über Karre und Trümmerflächen ohne jede Vegetation. Erst nach mehreren Stunden steigen wir einen steilen Hang hinunter und wir begrüßen wieder die ersten Spuren von Baumwuchs. Bald darauf kommen wir auch zu einer Quelle, die unterhalb der langgedehnten Wand des sogenannten Geiernestes hervor rieselt und uns den schon heiß ersehnten Labetrunk spendet. Weiterhin kommt ein kleiner, stiller See, der Elmsee und nun geht es, an dem fürstl. Kinsky'schen Jägerhaus in der Elmgrube und dem tief unten liegenden hinteren Lahngangsee vorüber, durch einen schönen Lärchenwald zur Lahngangalpe am vorderen Lahngangsee, den unser Bild darstellt und der, in einer Höhe von nahezu 1600 Metern gelegen, so recht den Charakter eines Hochgebirgssees trägt. Von hier geht es nun den See entlang, von dessen jenseitigem Ufer nochmals die lichten, kahlen Wände des Roitgeschirrs sichtbar werden und dann über steile Waldhänge, vorüber an der im reizenden Talkessel tief unter uns liegenden Vorderbachalpe, hinunter zum herrlichen Grundelsee, wo wir im Gasthaus der wohlverdienten Ruhe pflegen. Von hier aus darf man auch nicht versäumen, dem einige Minuten entfernten, lieblichen Toplitzsee, sowie dem kleinen Kammersee einen Besuch abzustatten".








Freitag, 11. Oktober 2024

Die bescheidene Haferration

Die Oberdonau-Zeitung berichtete am 6.6.1944 über den berühmten Maler Edgar Degas (geb. 1834, gest. 1917). Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Einer der berühmtesten Impressionisten Frankreichs war der 1917 verstorbene Maler Degas, der die letzten Jahre seines Lebens in einem ziemlich armseligen Atelier im Montmartre verbringen musste, obwohl seine Bilder bei den verschiedensten Versteigerungen sensationellste Preise erzielten.

An einem Frühlingstag des Jahres 1912 wurde zum Beispiel sein Gemälde „Les danseuses ä la barre“, für das er, sage und schreibe, 500 Francs bekommen hatte, mit 435.000 Francs bezahlt.

Ein Journalist, der dieser Versteigerung beigewohnt hatte, geriet darüber, dass der Maler auch nicht einen Centime von diesem Riesenbetrag bekam, in helle Empörung. Er eilte sofort zu Degas und teilte ihm atemlos mit, dass sein Bild „Les danseuses ä la barre“ soeben einen Verkaufspreis von 435.000 Francs erzielt habe. „Das ist ein schöner Preis", sagte Degas, nicht mehr und auch nicht weniger. „Ist das alles, was Sie zu diesem Irrsinn zu sagen haben, Monsieur?“ fragte der Journalist. „Eigentlich ja“, erwiderte der halbblinde Maler. „Ja, sind Sie denn gar nicht empört darüber, dass man sie, den so berühmt gewordenen Künstler, dessen Bilder von Jahr zu Jahr höhere Preise erzielen, in diesem kahlen Atelier hausen lässt? Dass Sie auch nicht einen Centime nur von diesen 435.000 Francs erhalten? Dass die herrlichen Bilder, die Ihre Hand gemalt hat, anderen, die kaum einen höheren Gedanken denken können, Vermögen einbringen?!“

 „Nein, Monsieur", lächelte Degas. „Ich bin eben wie das Rennpferd, das den Großen Preis gewonnen hat: Ich begnüge mich mit meiner Haferration.“ Kopfschüttelnd nahm der junge Journalist Abschied von Degas, der schon längst über den Irrsinn der Welt lächeln gelernt hatte.

Edgar Degas

Edgar Degas Selbstbildnis

                                                                              Gemälde







Edgar Degas 

Freitag, 4. Oktober 2024

Verheerendes Hochwasser im August 1897

Das "Linzer Volksblatt" berichtete von einem gewaltigen Hochwasser am
4. August 1897 in Innerstoder (Hinterstoder) das großen Schaden anrichtete.

"Der Hinterberg und die Polsterlucke wurden am wenigsten betroffen. Erst nach der Vereinigung der beiden Steyrstränge (die Steyr mit der Krummen Steyr) begann das Wasser, insbesondere bei den scharfen Krümmungen, aus den Ufern auszutreten, Schächte zu schädigen, die Dietl-, Goier-, Melch-, Jaidhauser- und Schramthalerbrücke, 3 Stege, 1 Wehre und die Holzsperre "d´Goaßsulz" wegzureißen. Großen Schaden erlitten die Bauern : Klinz, Leitner, Huemer und Steger. Die Strumboding war fast kein Wasserfall mehr; schon bald eben schoss die Flut dahin. Aus dem finsteren Schlund der Kreidelucke strömten große Mengen Wasser.
Seine königliche Hoheit Herzog Philipp von Württemberg weilte mit dem Prinzen Robert und einem Kämmerer zum Jagdaufenthalt hier. Die Jagdhausbrücke war bereits weggerissen, die Kohler- und Stegerbrücke standen in höchster Gefahr ebenfalls weggerissen zu werden. Mit den Pferden war an kein Überschreiten zu denken. Da wurde auf einem Leiterwagen bespannt mit starken Ochsen  im Wasser gestützt von Jägern und kräftigen Männern, die Überfahrt über die schwankende Stegerbrücke gemacht und Herzog Philipp konnte über Vorderstoder abreisen".


 Instandsetzung der Schramthaler Brücke


Die Steyr bei der Schmalzer Kapelle


Rechts im Bild Herzog Philipp von Württemberg nach der Jagd