In einem Zeitungsartikel in der Oberdonau-Zeitung vom 19.3.1943 berichtete er über eine Wanderung durch das Tal der grünen Steyr. Der Artikel wurde etwas gekürzt und an unsere Zeit angepasst.
Nicht aus der Vogelschau, ja nicht einmal von der lieben kleinen Bahn aus, die so gut in dieses reizende Flusstal passt, können die heimatkundlichen Werte so gut erfasst werden, wie bei einer Fußwanderung. Als wir noch Buben waren und keine Bahn, kein Auto das Tal durchfuhr, wie ergötzten wir uns an der abenteuerlichen Fahrt der „Ladenkahndln“, kleine Flöße, welche das Schnittholz beförderten, wobei die Flößer oft durch brausende Floßgassen die vielen Wehren überwinden oder gar über Holzbrücken wieder auf ihr Fahrzeug springen mussten. Es war wohl ein lebensgefährliches Handwerk, denn die Steyr, wenn auch lockend klar und smaragdgrün, ist ein Kind der Berge.
Heute, da wir erkennen, welch schöner Kranz Natur, Kunst und Geschichte in diesen wenigen Kilometern des Steyrtales entstanden ist, verstehen wir erst, weshalb wir es schon in der Jugend so oft aufgesucht und durchwandert haben.
Selbst die großen Baumeister und Stiftebauer aus der Familie Carlone haben hier in diesem edlen Barocktempel der Kirche von Christkindl ein Denkmal ihrer großen Kunst hinterlassen. Tief darunter standen einst die Rohrhämmer und Bohrmühlen, als die Gewehre noch durch Handarbeit erzeugt wurden. Und lugt da nicht durch Bäume, die einen stillen Teich umgeben, das uralte Schloss Rosenegg, das in alter Zeit den Losensteiner Rittern gehörte und schon im Jahre 1383 dem Garstener Kloster als Ersatz dafür geschenkt wurde, weil Hartwid von Losenstein 1371 in Garsten kein Frühstück bekam und dafür den großen Klostermeierhof anzündete.
Vom linken Ufer grüßen die niedlichen Häuser von Neuzeug, wo schon die Römer Waffen erzeugt hatten. Besonders zur Zelt des ersten Bauernkrieges (1595) blühte hier das Handwerk der Messerer und Waffenschmiede. Ehrwürdig ist uns dieser Ort auch deswegen, weil hier in der alten Hoftaverne im Jahre 1801 Theresia Helm geboren wurde. Sie ist die Mutter eines der Größten im Reich der Musik, nämlich Anton Bruckner. Die Räder unserer kleinen Bahn knarren und singen um scharfe Kurven, große Sägemühlen flitzen vorbei und plötzlich grüßt uns schon die mauerumgürtete Kirche des Doppelortes Grünburg-Steinbach, wo am sogenannten Burgstall einst die Burg der Herren von Reinbach stand, heute verschollen und vergessen. Und noch eine hochragende Burg, eine Stunde flußaufwärts, stand schon 1120 die Grünenburg, an deren Stelle heute die mauerbewehrte Kirche von Obergrünburg weit in die Lande schaut. Sie enthält ein prachtvolles Schnitzwerk des berühmten Bildschnitzers Schwanthaler.
Pustend und ratternd klettert nun die starke Lokomotive zur Hochterrasse empor und lässt von nun an die grüne Steyr tief unten wie in einem Canon zurück. Wir treten in das Reich der Sensenschmiede, der Maultrommelmacher und Schaufelhacker. Immer näher treten die Berge heran und bieten dem Wanderer und Bergsteiger eine Fülle von oft noch unerschlossenen Naturschönheiten, reich an Alpenblumen, Quellen, Hochwild, und wundersame Fernblicke. Efeu überwuchert den Burgfels am steilen Hausberg, wo früher die Burg der mächtigen Herren von Rohr stand, welche die Umgebung mit Raub und Plünderung bedrängten. Die bewaffneten Bürger von Steyr verwendeten hier zum ersten mal das Schießpulver bei den Geschützen (1380) und eroberten die Feste, womit die Macht der gefürchteten Rohrer für immer gebrochen war. Und wieder begegnen uns Natur und Kunst in rascher Folge, denn bevor wir zur alten Wallfahrtskirche Frauenstein emporsteigen, werfen wir einen bewundernden Blick in die Tiefe des Steyr-Durchbruches, der den Fluss auf wenige Meter zusammenpresst und sehen uns plötzlich auf der alten Römerstraße, die aus dem Kremstale kommend, dem Pass Pyhrn zustrebt. Das Innere der Kirche von Frauenstein birgt die aus dem 15. Jahrhundert stammende Plastik der sogenannten „Mantelmadonna“.
Auch an dieser Stelle stand einst eine Burg, Steyrberg oder Steyrstein geheißen, über die aber nichts Näheres bekannt ist. Rundum Wald, am rechten Ufer der Steyr der gewaltige Sperring, am linken die steilen Grate der Kirchmauer. Im tiefen Wald, fast ganz versteckt, ein Kirchlein und auf hohem Fels die Doppelburg Klaus, deren ältere schon in Trümmer zerfällt. Die Häuser auf der Terrasse der Steyr malerisch gruppiert, das ist Klaus (spätlateinisch clausum = Enge), das schon bei den Römern ein wichtiger Punkt ihrer Heeresstraße gewesen ist. Der Ort wird 1192 schon urkundlich genannt, die Geschichte seiner Burgen kann hier nicht weiter behandelt werden.
Aber ein feinsinniger Dichter und Arzt, Josef Moser, der „Bader z’ Klaus“, übte hier durch mehr als 30 Jahre seinen beschwerlichen Beruf aus und hat Land und Leute in prächtigen Dichtungen geschildert. In seinem berühmten Gedicht „Hoamweh" sagt er;
„Und muasst wieda fort und ös zwingt di zum Gehn,
— wia oft schaut ma um und wia oft bleibt ma stehn.
— So gehts halt uns Landlern, wia hart als oan g’schiacht,
— wann oana sein’ Traunstoan und Priel nimma siacht."
Mosers Bronzebild grüßt uns von einer Felsnische an der Straße. Die kleine Bahn rückt nun bescheiden zur Seite, denn jetzt gilt der Pfiff der größeren Schwester, die weiterer Schönheit entgegeneilt. Die Steyr tritt nun bald in das herrliche Gebiet von Stoder ein. Ist es wirklich notwendig, ein Wort über diese heroische Landschaft zu verlieren? Nur zur tief versteckten Wiege unseres Flusses wollen wir noch hinabsteigen. Sie ist sorgsam gehütet von den himmelanstürmenden Kalkriesen des Toten Gebirges. Da unten aber, beim Baumschlagerreith, beschattet von mächtigen Wetterfichten, quillt aus moosüberkleidetem Gestein die junge Steyr. Doch sie ist schnell urkräftig und die ganze Almenpracht des Stodertales weitet sich rund um sie.
G. Goldbacher.