Freitag, 8. März 2024

Was "Seinerzeit" geschah.

Im Grazer Tagblatt, in der Linzer Tages-Post und in der Zeitschrift des Alpenvereins konnte man folgende Artikel lesen. Sie wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

 

Oper in Paris

Grazer Tagblatt 30. Juli 1896
Bei der Aufführung der „Walküre", die Donnerstag in der Pariser Großen Oper stattfand, ereignete sich ein kleiner Zwischenfall. Im zweiten Akt, während Siegmund die ohnmächtige Sieglinde in seinen Armen hielt, sah man einen Menschen in blauer Bluse hinter einer Felsenkulisse hervorkommen und eiligst über die Bühne laufen. Die Engländer im Zuschauerraum glaubten, das sei der, der das treulose Paar belauschte, aber M. Gailbard ließ sich nicht täuschen. Er erkannte in dem Blusenmann einen Maschinisten, der sich verirrt hatte, eilte aus seiner Loge und verhängte über den Schuldigen die entsprechende Strafe. 
Dieser Vorfall erinnert an einen ähnlichen, der sich vor wenigen Monaten in der Grande Opera ereignete und von dem die Eingeweihten noch heute mit sehr zufriedenem Lächeln sprechen. 
Es war während einer „Hamlet"- Aufführung. Der Friedhofsakt hatte eben begonnen. Plötzlich erschien ein sehr modern gekleideter Mann auf der Szene. Schwarzer Salonanzug, schwarzer Hut, weiße Krawatte. Er ging bis fast in die Mitte der Bühne, dort erst bemerkte er seinen Irrtum, sah verwirrt um sich, zögerte, ging wieder ein paar Schritte und wusste nicht, was er anfangen sollte. Vor ihm befand sich ein Dekorationsstück, einen Grabhügel darstellend, circa 80 Zentimeter hoch. Regisseur, Statisten, Schauspieler, die zu beiden Seiten der Bühne am Donnerstag den 23. Juli 1896 hinter den Kulissen standen, winkten und deuteten dem Herrn, er solle sich hinter dem Hügel nieder ducken. Er gehorchte, kauerte sich zusammen und verschwand hinter dem Grabhügel. Unglücklicherweise ist der Friedhofsakt sehr lang. Der schwarze Herr bekam Krämpfe. Er machte Miene aufzustehen, er zeigte, dass er nur auf einen unbewachten Moment warte, um zu entwischen. Sobald er aber den Kopf hob rief man ihm in gedämpften Ton aus der Kulisse zu: Rühren sie sich nicht!— sie sollen ruhig bleiben!—
M. Gailbard rief hinüber: Wird der Idiot hocken bleiben?! 
Und der eingeschüchterte „Idiot" duckte sich von neuem. Endlich, endlich war der Akt zu Ende. Der Idiot kam ächzend aus seinem Versteck hervor. Der Direktor stürzte wütend auf ihn zu, aber plötzlich wich sein Grimm einer grenzenlosen Verlegenheit. Der schwarze Herr war— der Justizminister.

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Linzer Tages-Post 14. Mai 1932 
Anton Bruckner und Goisern. 
Während gegenwärtig durch Veranstaltungen großer musikalischer und anderer Feiern, besonders aus Anlass der Einweihung der Bruckner-Orgel in St. Florian die ganze Bevölkerung Oberösterreichs an die überragende Bedeutung des größten Tondichters des Landes erinnert wird, denkt man auch in Goisern gerne daran, dass der unsterbliche Meister in den Siebziger - und Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts (1870/80) öfter in dem lieben, verträumten Ort weilte und hier Tage der Erholung genoss.
Wenn Bruckner, der damals bei des Kaisers Geburtstagsfeier in der Bad Ischler Pfarrkirche alljährlich die Orgel spielte, das Hofleben in Bad Ischl satt hatte, dann hielt er in Goisern für einige Tage Einkehr. Anfänglich kam Bruckner nur deshalb nach Goisern, um seinen väterlichen Freund, den Lehrer Franz Perfahl, zu besuchen, der einst, als er Schulgehilfe in Ansfelden war, den damals 13jährigen Bruckner im Violinspiel und anderen musikalischen Fächern unterrichtet hatte. Bei seinen Besuchen im Salzkammergut lernte Meister Bruckner bald die landschaftlichen Reize und Schönheiten Goiserns schätzen und lieben, so dass er fortan ein treuer Freund des lieben Tales blieb.
Wenn Bruckner nach Goisern kam, eilte er nach der ersten herzlichen Begrüßung mit seinem Freund Perfahl in die katholische Pfarrkirche. Gewaltig brausten dann die Töne in Fugen und Chorälen, in Thematen und Variationen in allen möglichen Dur- und Moll-Arten durch das Gotteshaus. Auch in der evangelischen Kirche, in der damals ein lieber Freund Anton Bruckners, der Schulmeister Fettinger, als Organist wirkte, spielte Bruckner mit Begeisterung an der Orgel, bis ihm warm wurde; dann zog er gewöhnlich seinen Rock aus. Nach einem Spaziergang kehrte Bruckner gern in der „Goiserermühle", einem beliebten, alten Gasthof ein, in dem die damals über die Grenzen des Salzkammergutes hinaus bekannte, tüchtige Wirtin, Frau Klackl, ihren Gästen so vortrefflichen Kaffee vorsetzte, dass ihn Bruckner nie in seinem Leben vergaß.
Wenn Bruckner auf den Orgeln in Goisern gespielt hatte, streikten sie meist am anderen Tag, denn sie waren nicht so fest gebaut, dass sie das gewaltige Spiel Bruckners ohne Beschwerden ausgehalten hätten. Oft musste ein Orgelbauer geholt werden, der die Instrumente in sorgfältige und erfolgreiche Behandlung nahm. Bruckner kam viele Jahre hintereinander nach Goisern, bis der Tod Perfahls den Freundesbund löste. Von den Goiserern, die mit Bruckner in nähere Berührung kamen, lebt nur noch einer: der Sohn des Schullehrers Perfahl, der pensionierte Gerichtsbeamte Franz Perfahl, der sich heutzutage noch freut, dass er für den großen Bruckner als Jüngling die Orgel aufziehen durfte, auf der er heute selbst mit Fleiß und Liebe den Organistendienst versieht.
Ist auch die Orgel in der katholischen Kirche in Goisern vor mehreren Jahren umgebaut bzw. erneuert worden so spricht man trotzdem noch immer von der Orgel Bruckners. Jene in der evangelischen Kirche ist ebenfalls schon sehr reparaturbedürftig und wird früher oder später umgebaut werden müssen. Unvergessen aber wird bleiben, dass auf ihr der größte Tondichter Oberösterreichs durch sein Spiel Gott den Schöpfer lobte.

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Dr.Fritz Benesch (geb.1868, gest.1949)
Alpinist, Schriftsteller und Fotograf.

Vom Stodertal -  aus der Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins: Text 1912
Aus dem Toten Gebirge von Dr. Fritz Benesch
Die Stoderer schreiben die Entstehung der Kreidenlucke dem überall aushelfenden Teufel zu. Dem sollen einst— es ist schon lange her,— die Leute von Hinterstoder zu fromm gewesen sein, so dass sein Geschäft ins Stocken geriet. Als alle Lockmittel nichts halfen und sich keine Seele mehr ergattern ließ, beschloss er, das ganze Tal zu ersäufen. Er machte sich daran, den Kleinen Priel und den Steyrsberg auf der anderen Seite der Stromboding übereinander zu werfen, hatte aber seine Kraft doch überschätzt, denn über ein paar Felsblöcke, die man heute noch unten an der Steyr sieht, kam er nicht, trotzdem ihm der schwarze Schweiß so herabrann, dass daraus der heutige Schwarzbach entstand. Da stampfte er in ohnmächtiger Wut auf den Boden, dass man den „Teufelstritt“ heute noch sieht und fuhr unter dem üblichen Gestank durch den Berg in die Hölle. 
Das Loch, das aus dieser Kraftleistung entstand, ist die Kreidelucke. Später soll auf irgend eine Weise ein Schatz hineingekommen sein. Er füllt eine eiserne Kiste, und darauf sitzt ein schwarzer Hund, der den Schlüssel dazu im Maul trägt. 

Auf die Stoderer mochte der Teufel überhaupt schlecht zu sprechen gewesen sein, denn von ihnen wurde er schon einmal scheußlich hinters Licht geführt. Schloss er da einmal mit den Bauern einen Vertrag, wonach er ihnen Reichtum zu verschaffen versprach, wenn sie ihm die Hälfte ihrer Feldfrüchte gäben. Als ihn die Bauern dann fragten, welche Hälfte er wolle, wählte er die obere, weil er sie für die bessere hielt. Da bauten die pfiffigen Bauern nur Rüben und der Teufel erhielt die Blätter. Voll Wut forderte er nun für das nächste Jahr die untere Hälfte der Feldfrüchte. Aber diesmal säten die Bauern Weizen und gaben dem dummen Teufel die Stoppeln, so viel, dass er seitdem die Hölle damit heizt. 

Heute sollen die Stoderer nicht mehr so fromm sein und es wie die Leute vom Hinterberg auf der steirischen Seite halten, wo man nach Rosegger die dritte göttliche Tugend gar zu gerne ins Irdische übersetzt. Das hindert nicht, dass sich die lebenslustige Almerin (Sennerin) doch nebenbei auch für ihren „Zukünftigen“ interessiert und in finsteren Nächten die Zaunstecken zählt, als da um ihre Hütte schlanke, dicke, krumme und gerade, kropfige und bucklige stehen und beim neunten die verlockende Gestalt des Ersehnten mit bebenden Fingern erforscht. Aber auch die „Manderleut“ haben ihre schwachen Seiten. Besonders die Jäger wissen davon viel zu erzählen. Nennt man ja hier die Wilderer einfach „Schützen“. Und welche Schlauheit, welches Raffinement diese Schützen entwickeln, hat einmal eine Ausstellung in Steyr gezeigt. Bei dieser hatte das dortige Kreisgericht in einem eigenen Saal eine Sammlung von Waffen und sonstigen Jagdgeräten ausgestellt, die im Strafverfahren den Wilderern abgenommen worden waren. Die Jury konnte nicht anders, als diesem seltenen Arsenal die höchste Auszeichnung zu geben; so viel raffinierte Schlauheit und Geschicklichkeit war da angewendet worden, um die primitivsten Geräte zu tödlichen Waffen zu machen.

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