Die Oberdonau-Zeitung vom 29.10,1943 berichtet "vom stolzen Hutschmuck unserer Gebirgler" wie ein Gams-, Hirsch- oder Dachsbart bei der „Bartbinderin“ Rosa Fahrnberger in Micheldorf vor rund 100 Jahren entstanden ist. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.
Ein kleines Stück außerhalb Kirchdorf an der Krems, auf halbem Weg zum Schloß Pernstein, liegt das „Gasthaus am Buchenhain“ — die „Groileiten“ —, ein beliebter Ausflugspunkt der Kirchdorfer und zahlreicher Fremder, die die Schönheiten des Kremstales näher kennen lernen wollen.
Durch einen schönen Buchenhain, der in allen Farben seines herbstlichen Kleides prangt und den schon die kalten Nebel durch ziehen, kommen wir hinaus in freies Gelände.
Gleichzeitig sind wir aus dem Nebel heraus und können nun das wunderbare Schauspiel eines wogenden Meeres bewundern, das sich unter uns breitet und das ganze Kremstal erfüllt, während die herbstliche Sonne warm aus wolkenlosem Himmel auf uns herniederstrahlt. Ein Rundblick zeigt uns, fast greifbar nahe,
Schloß und Ruine Pernstein, darüber den Hungerturm, und gibt den Blick frei auf den Hirschwaldstein, dann gleitet unser Auge über die Gipfel des Sengsengebirges, springt hinüber auf die reich gezackte Kette der Kremsmauer,ein
weiter auf hügeliges Gelände, von dem uns der Magdalenaberg mit seinem Bergkirchlein grüßt, um schließlich in dem immer breiter werdenden und unter dem Nebeimeer ruhenden Kremstal sich zu verlieren.
Das so malerisch gelegene Gasthaus lädt zum Eintreten ein.
Hier wohnt Frau Rosa Fahrnberger, eine Siebzigerin,(1943) die seit über vierzig Jahren das seltene Gewerbe des Bartbindens ausübt. Ein Besuch in ihrem Stübchen offenbart uns das Geheimnis ihrer Kunst. Ein Tisch und ein Sessel sind ihre gesamte Arbeitsstätte. Auf dem
Tisch liegt eine Unmenge von Barthaaren, die durch die Geschicklichkeit dieser Frau bald einen schönen Hutschmuck bilden werden. Frau Fahrnberger hat gerade Bärte von Gemsen, Hirschen, Dachs und Wildschweinen in Arbeit. Die Haare für
den Hirschbart stammen vom Hals dieses Königs unserer Hochgebirgswälder, der Gamsbart wird aus den Haaren am Rücken der Gemse gemacht.
Auch der Dachsbart stammt vom Rücken des Meisters „Isegrimm“. Wir sehen, wie die
Barthaare ausgekämmt werden. Wir staunen wie wenig von einer an sich so
großen Menge Haare für einen Bart übrig bleibt. Nun werden die Haare sortiert. Zu diesem Zweck kommen sie in schmale Glasröhrchen, werden geschüttelt, damit die Reifen — das ist das meist lichter gefärbte Ende der Haare — gleich werden und es ist eine äußerst mühsame Arbeit, bis in den zahlreichen Glasröhrchen Haare gleicher Länge beisammen sind.
Ein Bart ohne Reifen ist wertlos. Je stärker und breiter und je weißer der Reifen ist, desto schöner, begehrter und teurer ist der Bart.
Die nach Längen sortierten Haare werden nun „gebrückt“, das heißt, das untere Ende der Haare wird in flüssiges Wachs getaucht und nach dem Erhärten sehen die Büschel schon wie kleine Bärte aus. Eine selbstgezimmerte Vorrichtung aus einem Holzklotz, auf dem ein kleines Petroleumlicht brennt und auf einem stehenden, mehrfach eingekerbten Stock ein Löffel verstellbar angebracht ist, in welchem
durch das Licht das Wachs zum Schmelzen gebracht wird, dient zum „Brücken“ der Haare.
Die gebrückten Büschel werden nun auf dem Tisch wieder nach Längen sortiert und so viele bereit gelegt, als man zu einem Bart braucht. Nun werden die kurzen Büschel, eines nach dem anderen, auf einem Draht zusammengedreht, die längeren außen, und so entsteht vor unseren Augen allmählich der Bart.
Wir erfahren auch, dass ein schöner Bart nur bis zu einem Drittel seiner Gesamtlänge unterbunden sein darf, zwei Drittel der Haarlängen also frei stehen sollen. Auch soll ein Bart stehen wie eine Rose, d. h. die Haare sollen nach allen Seiten leicht und weich auseinanderfallen. Der fertige Bart wird unten noch mit einem grünen Tuch eingefasst.
Aus aller Herren Länder hat Frau Fahrnberger Aufträge und sie zeigt uns manchen Dankesbrief, worin ihre Kunst gewürdigt wird.
Der Gams- und Hirschbart ist von unserer landesüblichen Tracht nicht wegzudenken und stolz trägt der Jäger und Förster, genau so wie der Holzknecht, den Bart eines Hirschen oder einer Gemse zur Ledernen, wochentags wie im Sonntagsstaat.
Und ob sich nicht über manchen schönen Bart der Förster den Kopf zerbrechen
mag? Heißt es doch im Volksmund, dass der Bart nur dann richtigen Wert hat, wenn man auch das Wild selbst erlegte ...
Wir haben die genaue und feine Arbeit der Frau Fahrnberger bewundert, die trotz ihrer 70 Jahre noch sehr rüstig ist und mit sicherer Hand die schönsten Bärte bindet. Jedenfalls aber lernten wir hier ein Gewerbe kennen, das gewiß mit zu den seltensten gezählt wird. Rudolf Fina
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Rosa Fahrnberger |