Freitag, 26. August 2022

Als sie starben.

Im Prager Tagblatt vom 6.Juli 1929 berichtet Rösler von den letzten Worten berühmter Persönlichkeiten.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

 

Als sie starben.

In Paris erzählt man sich, dass Tristan Bernard (Rechtsanwalt, Schriftsteller) vor einiger Zeit mit missmutiger Miene wochenlang durch die Straßen lief. „Warum?" fragte man ihn. „Ich denke daran,"grübelte Tristan Bernard finster weiter, „dass doch auch ich einmal sterben muss, und mir fällt und fällt nichts ein, was ich als letzte Worte sagen soll." Diese Anekdote erinnert uns an das Sterben großer Männer und an ihre letzten Worte.
Eigenartigerweise sind fast nur Goethes Worte „Ach, mehr Licht!" und Caesars „Auch du, mein Brutus?" im Volksbewusstsein erhalten geblieben, während Napoleons „Töte de l'armee!" (Töte die Armee).
Haydns „Gott erhalte den Kaiser!" und Byrons (Dichter) „Lasst uns schlafen!" längst der Vergessenheit angehören.
Das Sterbewort Voltaires (Philosoph, Schriftsteller) „Lasst uns jetzt ernst werden" ist nicht verbürgt, hingegen der letzte Wunsch des Seehelden Admiral Nelson , der im letzten Bewusstsein „Einen Kuss!" hervorstieß.
Königin Elisabeth von England flehte unköniglich: „Alle meine Schätze für eine einzige Minute", während Frau von Stael (Schriftstellerin) königlicher von ihrer Schönheit Abschied nahm: „Jetzt sind sie kalt. meine geliebten Hände, jetzt sind sie schon ganz prosaisch.
"Ihr gleich tat es Anna Boleyn, (Gattin von Heinrich VIII wurde enthauptet) die sich noch einmal über ihren feinen Hals strich, ehe ihn der tödliche Stahl durchschnitt. „Er war so schön." streichelte sie ihn, „ist noch schön."
Als dritte von den Frauen, die königlich starben, wie sie lebten, sagte Sarah Bernhard, (Schauspielerin) die große Tragödin: „Ich wollte wohl, diese letzte tragische Szene wäre schon zu Ende gespielt. Doch hoffe ich sie mit geziemendem Anstand durchzuführen." Nach diesen Worten verschied sie.
 
Ludwig Börne (Literatur und Theaterkritiker) verließ auch in seiner letzten Stunde nicht der Humor. Als am Morgen seines Todestages der Arzt zu ihm trat, befiel den Sterbenden ein bösartiger Hustenanfall. „Sie husten immer schwerer," half ihm der Arzt. „So?", lächelte Börne unter Schmerzen, „das ist doch seltsam, wo ich doch die ganze Nacht über das Husten geübt habe."
Der bekannte Arithmetiker Lagny gab, als er im Sterben lag, während der letzten sechsunddreißig Stunden auf alle Fragen keine Antwort. Vergebens bemühten sich die Umstehenden ihn zum Sprechen zu bringen. Da trat Maupertius (Mathematiker) zu seinem Bett: „Herr von Lagny, wissen Sie noch die Ouadratzahl von zwölf?" hundertvierundvierzig", lächelte Lagny müde und verschied.
Mirabeau (Politiker, Schriftsteller) gab kurz vor seinem Tod dem Arzt seine goldene Uhr. „Nehmen Sie, lieber Freund," sagte er, „die Uhr zeigt die Zeit an, ich aber gehe in eine zeitlose Ewigkeit."
Nicht so günstig war Fürst Talleyrand (Politiker, Diplomat) auf seine Ärzte zu sprechen. Als er im Sterben lag umstanden eine große Anzahl Ärzte sein Krankenlager. „Versuchen Sie ob sie noch husten können" bat ein Arzt und Talleyrand versuchte es. Es misslang. „Und pfeifen?" „Erlassen Sie mir den Versuch" meinte da der Fürst ärgerlich, „es könnte sein, dass es gelänge, und ich möchte nicht, dass man sagt, ich hätte sie, meine hochgelehrten Herren, am Schluss der Komödie ausgepfiffen, obgleich Sie es reichlich verdient haben."

Der große Arzt des Mittelalters Haller fühlte sich selbst den Puls bis zu seinem letzten Schlag. „Noch schlägt er," zählte er, „noch— noch— aber schwächer— jetzt stockt er." Und damit verschied er.
Wilhelm Busch, der Philosoph des Humors, tröstete am Sterbebett seine Freunde und nächsten Verwandten mit den Worten: „Meine Lieben, Ihr werdet über mich nie so viel weinen, wie ihr schon über mich gelacht habt."
Friedrich V. von Dänemark verschied mit den schönsten Sterbeworten, die wohl jemals ein Fürst aussprechen konnte: „Auch nicht ein Tropfen Blut klebt an meinen Händen."

Zum Schluss noch eine heitere Anekdote, die sich in England ereignete. Nach der Hinrichtung des Pastors Dodd erschien eine Broschüre: „Letzte Worte des Pastors Dodd." Das Buch fand großes Interesse und die Auflagen stiegen bald ins Grenzenlose. Der Erfolg ließ nun den Verleger nicht ruhen und er brachte nach wenigen Wochen einen zweiten Band heraus, unter dem Titel: „Weitere letzte Worte des Pastors Dodd“.

Freitag, 19. August 2022

Geschichten von anno dazumal.



Im Mährischen Tagblatt vom 11. August 1888  konnte man folgenden Artikel lesen.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst. 

Das Konzert.


In englischen Blättern finden wir folgende reizende Rubinstein-Anekdote:
„Bei einem der letzten Konzerte in Saint-Jams-Hall wurde der Meister im Vestibül von einer eleganten Dame in dem Augenblick angehalten, als er sich anschickte, den Konzertsaal zu betreten. „O, Meister Rubinstein, wie glücklich bin ich, Sie zu treffen. Denken Sie nur, ich war nicht im Stande, auch nur ein einziges Billet zu erhalten, könnten nicht Sie mir eines verschaffen?" „Madame," entgegnete der große Pianist, „ich kann nur über einen einzigen Platz verfügen, allein wenn Sie auf diesen reflektieren wollen, bin ich gerne bereit, Ihnen denselben abzutreten."

„Ich nehme Ihr Anerbieten dankbarst an, Meister, und — wo ist Ihr Platz?"
Am Klavier, meine Gnädige.“

Eine Anekdote von Pius IX.

Pius IX. (geb.1792, gest.1878)

Im Laibacher Tagblatt 27. August 1874  konnte man folgenden Artikel lesen.In einem in London erschienenen Buch, erschien von Papst Pius folgende Anekdote.  „Als Pius IX. die Nachricht von der Verheiratung des Paters Hyacinth erhielt, rief er aus: „Die Heiligen seien gepriesen! Der Renegat (Abtrünnige) hat seine Züchtigung in seine eigenen Hände genommen! Die Wege der Vorsehung sind unergründlich!“


Über die Gebührenverordnung
Prager Tagblatt 5. Juli 1891

Man erzählt folgende Anekdote, die jedenfalls charakteristisch ist, wenn sie auch vielleicht nicht ganz stimmt:
Als der Referent mit den Entwürfen des Gebührengesetzes zum Minister kam, sagte dieser: „Taugt nichts, das versteht jeder, da zahlt niemand mehr Strafe". Der Referent kam zum zweiten Mal, der Minister sagte: „Schon besser, aber der Advokat versteht das noch". Als der Referent mit dem dritten Entwurf kam. sagte der Minister-. „Sehr gut; das verstehe ich selbst nicht mehr.“

Freitag, 12. August 2022

Der geheimnisvolle Sechzehnender.

Im Bregenzer/Vorarlberger Tagblatt vom 12. Mai 1939 konnte man folgenden Artikel lesen.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst. 


Vor vielen Jahren geschah es, dass der Fürst eines deutschen Kleinstaates auf einer Besichtigungsreise durch sein Ländchen an einem Försterhaus vorüberkam, unter dessen Dach am hölzernen Giebel ein Hirschgeweih angebracht war. Der Fürst ließ seinen Wagen halten und stieg aus.
Die Herren seines Gefolges lächelten verständnisinnig. Natürlich, dieses Geweih erschien Seiner Durchlaucht wieder einmal reizvoller als Vorträge und Regierungsverhandlungen. Aber jeder musste zugeben: ein solches Prachtstück von einem Geweih gab es selbst in der fürstlichen Sammlung nicht. Es war das Geweih eines Sechzehnenders, aber von ungeheuren Ausmaßen und von sehr schönen Formen. Man hätte glauben können, ein Hirsch aus grauer Vorzeit, wo es noch Auerochsen und ähnliche Riesentiere gab, habe es getragen.
Der Revierförster Jentzsch schmunzelte, als der Fürst ihn nach der Herkunft des rätselhaften Riesengeweihs befragte. „Mein Vater hat den Hirsch vor zwanzig Jahren geschossen, Durchlaucht!" sagte er nicht ohne Stolz. „Viele Fremde, die in die Gegend kommen, wandern hierher, um ein Glas Milch zu trinken und das Geweih zu sehen. Mein Vater erzählte, dass er den Hirsch drüben im Grenzwald traf. Es war ein Geselle von fast zwei Meter Höhe. Mein Vater gab ihm einen Blattschuss aber der Riese hielt sich noch aufrecht und stürzte mit gesenktem Geweih auf ihn los. Erst ein zweiter Schuss warf ihn nieder..."

„Wirklich, es ist die größte Sehenswürdigkeit in meinem Lande!" sagte der Fürst. „Hören Sie, lieber Jentzsch, ich muss dieses Geweih haben! Ich kaufe es Ihnen ab!" „Durchlaucht mögen mir gnädigst verzeihen, aber ich verkaufe es nicht. Ich habe es meinem Vater versprechen müssen...". "Ich zahle Ihnen dreißig Taler!" Der Förster schüttelte mannhaft den Kopf. „Fünfzig!" rief der Fürst. „Nicht für tausend, Durchlaucht!" Der Fürst stieg unwillig in den Wagen und fuhr davon. Aber das rätselhafte Riesengeweih ließ ihm fortan keine Ruhe. Als auch der mit neuen Verhandlungen vom Hof beauftragte Forstmeister von dem störrischen Jentzsch abgewiesen wurde, beschloss der Fürst in einem geheimen Rat mit vertrauten Beamten, das Geweih durch einen listigen Handstreich in seinen Besitz zu bringen. In aller Heimlichkeit zeichnete der Kammerherr van Prutzewitz das Geweih ab und brachte es einem alten Drechsler, der sich durch seine kunstvollen Schnitzereien einen Namen in der Residenz gemacht hatte. Dieser Mann wurde beauftragt, eine hölzerne Imitation des Geweihs anzufertigen. Die Arbeit gelang ihm überaus gut. Von drei Meter Entfernung aus sah das Holzgeweih genau so aus wie das echte am Försterhaus. Der Drechsler beteuerte, niemand etwas von dieser Arbeit zu erzählen, und empfing 30 Taler.
In einer dunklen Nacht, als Sturmgeheul und prasselnder Regen jedes andere Geräusch erstickten, kletterten drei kühne Männer auf einer Leiter zum Giebel des einsamen Försterhauses empor, nahmen das Geweih ab und ersetzten es durch die wohlgelungene Imitation. Unbehelligt kamen sie mit der Beute in die Residenz zurück, wo der Kammerherr das Geweih in Empfang nahm und ein paar Silberstücke in ihre Hände drückte. Am folgenden Tag ließ sich Herr von Prutzewitz bei dem Fürsten melden. „Nun, lieber Baron", rief der Fürst und schob achtlos sämtliche Staatsdokumente beiseite, „haben Sie den Riesenhirsch zur Strecke gebracht?" Der Kammerherr senkte verlegen den Blick: „Durchlaucht, leider ist... äh, ich meine..." „Also nicht?" fragte der Fürst ärgerlich. „Doch, doch, das Geweih haben wir..." „Na also! Glänzend, lieber Prutzewitz! Haben Sie es mitgebracht?" Der Kammerherr raffte sich zusammen. „Durchlaucht, wir haben das Geweih zwar erbeutet, aber— es ist auch aus Holz." „Aus Holz?". „Jawohl. Eine täuschende Imitation. Wir haben es in der Dunkelheit nicht gleich bemerkt..."

Der Revierförster Jentzsch, der natürlich nichts von dem Umtausch der Geweihimitation ahnte, fuhr fort, den Leuten die von seinem Vater erfundene Hirschgeschichte zu erzählen, und erwarb im Laufe der Jahre ein ansehnliches Vermögen durch den Milchverkauf an neugierige Fremde. Und nur der alte Drechslermeister in der Residenz durchschaute die tieferen Zusammenhänge der seltsamen Affäre und lachte sich ins Fäustchen. Die beiden hölzernen Riesengeweihe hatten ihm sechzig Taler eingebracht; denn das erste stammte auch aus seiner Werkstatt. Der alte Förster Jentzsch hatte es vor zwanzig Jahren bei ihm bestellt...

Freitag, 5. August 2022

Der Dümmste im Saal.

Im Grazer Tagblatt vom 7. Juni 1914  konnte man folgenden Artikel lesen. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Von einem berühmten Gelehrten, der seine Kindertage in einem kleinen Landstädtchen verbrachte, weiß jetzt eine Londoner Wochenschrift eine hübsche kleine Geschichte zu erzählen.
Der Forscher hatte schon längst versprochen, den Stätten seiner Kindheit einen Besuch abzustatten und dabei in dem Ort einen Vortrag zu Gunsten einer der Wohlfahrtseinrichtungen der Gemeinde zu halten. Endlich kam er dazu, das alte Versprechen einzulösen, der Vortrag fand statt. Als er nach Beendigung seiner Vorlesung mit einer Anzahl jener Herren sprach, die den Abend veranstaltet hatten, beglückwünschte man den Meister der Wissenschaft und dankte ihm. Vor allem aber, so hob einer bewundernd hervor, sei es gerade zu großartig, in wie meisterhaft er und in klarer Weise der Forscher es verstanden habe, sein schwieriges Thema, der im Durchschnitt nicht gerade hochgebildeten Zuhörerschaft, anschaulich zu machen. „Ach," meinte der Gelehrte erklärend, „sehen Sie, ich blicke bei meinem Vortrag in solchen Fällen immer den Zuhörer an, der mir das am wenigsten kluge Gesicht zu haben scheint. Und nun erkläre ich die Sache solange und so genau, bis ich an seinem Gesicht ablese, dass der Mann es verstanden bat."
Einen Augenblick später betrat der Herr Bürgermeister den Raum und ging auf den Gelebrten zu. .“O“ Sie glauben nicht, welche Freude Sie mir heute abends bereitet haben. Während des ganzen Vortrags hatte ich das Gefühl, als blickten Sie nur mich an und als sprächen Sie nur zu mir."