Freitag, 28. Januar 2022

Der preußische Kniff.

Der Preußenkönig Friedrich II oder Friedrich der Große (geb.1712, gest.1786), volkstümlich der „Alte Fritz“ genannt ging gerne unerkannt in Gasthäuser um seinen Untertanen aufs „Maul“ zu schauen. Darüber berichtet in einer heiteren Anekdote im Wiener Tagblatt am 22. August 1936 Otto Andrien. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Dem alten Fritz beliebte es, sich gelegentlich unter sein Volk zu mischen. Er tat dies, wo es ging unerkannt und suchte deshalb am liebsten dunkle Schenken auf, wo es fröhlich und lustig herging und auf den einzelnen nicht so geachtet wurde.

Eines Tages trat er außerhalb Potsdams in ein Wirtshaus ein und traf dort einen Grenadier (Soldat), der unaufhörlich trank. Den Kerl wollte er sich näher ansehen und deshalb setzte er sich an dessen Tisch und hatte sich bald mit ihm angefreundet. Der Grenadier ließ einen neuen Humpen bringen und wollte mit seinem neuen Freund um die Wette trinken. In solchen Dingen war der alte Fritz kein Spaßverderber, nur wollte er auch wissen, wer die Zeche begleichen werde. Das lasse nur meine Sorge sein, sagte der Grenadier und nötigte den König zur Bruderschaft. Als sie eine Weile getrunken hatten, fragte der alte Fritz noch einmal: „Woher hast du das Geld? Der preußische König zahlt doch wenig Sold.“ „Ei freilich,“ lächelte der Soldat, „wenn man auf des Königs Sold angewiesen wäre, könnte man sich nur selten einen guten Schluck vergönnen. Wir Soldaten wissen aber auch anderswo Geld zu kriegen.
Hast du schon einmal vom preußischen Kniff gehört ?“ „Vom preußischen Kniff... ?“ Der König horchte verwundert auf. Er hatte noch nie davon reden gehört. Der Grenadier war darüber belustigt. „Du weißt nicht, was der preußische Kniff ist? Ja was bist du für ein Soldat? Ich will dir die Sache gleich erklären: Der preußische Kniff besteht darin, dass man alles versetzt, was vom preußischen König ist. Beispielsweise: „Wozu brauchen wir Soldaten jetzt mitten im Frieden eine geschliffene Säbelklinge? Ich habe die meine versetzt und mir dafür eine solche aus Holz geschnitzt.“ Dabei zog er den Säbel und hielt dem verdutzten König tatsächlich eine hölzerne Säbelklinge unter die Nase. Der König schaute eine Weile, dann verabschiedete er sich. Dieser preußische Kniff hatte ihn ein wenig hergenommen.
Einige Tage später musste das Regiment, dem der trinkfeste Grenadier angehört hatte, zur Inspektion aufs Truppenfeld. Der alte Fritz tritt mit finsterer Miene die Front ab und hatte bald den Zecher mit der hölzernen Klinge entdeckt. Er ließ nun ihn und seinen Nebenmann vortreten und befahl mit drohender Stimme dem ersteren: „Zieh’ deinen Säbel und schlage deinem Nebenmann den Kopf ab“. Der Grenadier, der nun in seinem König seinen Zechkumpan erkannte, wurde kreidebleich, fasste sich aber dennoch und bat: „Majestät, mein Nebenmann hat mir ja nichts zuleid’ getan, er ist mein bester Freund... .“ Der König wollte aber eine Lehre geben. Er gab deshalb nicht nach und schrie: „Zieh’ den Säbel, sonst befehle ich deinem Nebenmann, dass er dir den Kopf abschlägt“. Da blieb dem Grenadier nichts andres übrig, als zu tun, wie es der König befohlen hatte, er legte seine Hand auf den Griff, schöpfte tief Atem und rief: „Wenn mir der König so etwas befiehlt dann möge Gott meiner Seele gnädig sein und meine Säbelklinge zu Holz werden lassen!“ Damit zog er sein Holzschwert und schlug seinem Kameraden auf die Schulter, dass es in Stücke brach. Die andern Soldaten glaubten, es sei ein Wunder geschehen.
Nur der König wusste, was sich wirklich zugetragen hatte, lächelte und sagte: „Er versteht seinen preußischen Kniff wirklich gut. Da er aber mit seinem Mund nicht minder schlagfertig als mit seiner Faust ist, so sei ihm dieser preußische Kniff verziehen.“
Dann wendete er sein Pferd und befahl, dass man dem Grenadier aus den Heeresbeständen einen neuen Säbel geben möge. Der preußische Kniff wurde fortan aber in der Armee des alten Fritz nie mehr angewandt.

Preußenkönig Friedrich II

Das Schloss Sanssouci (französisch "ohne Sorge")
 wurde von 1745-1747  nach Ideen von König Friedrich II erbaut. 

Das Arbeitszimmer von König  Friedrich II 

Freitag, 21. Januar 2022

Wäsche von Einst

Gemälde von dem berühmten Pariser Maler Edgar Degas 












In der Zeitung „Salzburger Wacht“ vom 4. August 1932 wird unter dem Pseudonym „Phönix“ über Wäsche, genauer Unterwäsche, berichtet, wie sie in den vergangenen Jahrhunderten getragen wurde. Dabei erfährt man ungewöhnliche und lustige Geschichten aus der Vergangenheit.


In den Kleiderbedürfnissen der Menschen von heute spielt die Wäsche eine große Rolle. Wir können uns nicht mehr vorstellen, wie man ohne sie auskommen könnte und bedauern mit Recht einen jeden, den Armut zwingt, in diesem Punkt darben zu müssen. Begreiflich: denn saubere Wäsche in genügender Menge, die das Wechseln ermöglicht und die Haut teils wärmt, teils bedeckt, gehört zu den notwendigsten hygienischen Erfordernissen.
Dem war aber weitaus nicht immer so.
 
Das frühere Mittelalter, eine reinliche Zeit, die Waschen und Baden liebte und übte, kannte trotzdem den regelmäßigen Gebrauch von Wäsche nicht— nur bei den Vornehmsten finden wir z. B. Hemden, dann allerdings kostbar genug. So wird im Tristan-Epos von der schönen Isolde erzählt, wie sie in seidenem Hemde zu Bette ging. Jene Epoche, die der Ritterzeit folgte, also der Ausgang des Mittelalters, und das sechzehnte Jahrhundert, waren schon nicht mehr so auf Sauberkeit bedacht. Allmählich kam auch das Baden mehr und mehr ab; eine missverstandene Moral stemmte sich dagegen, das Auftreten von Infektionskrankheiten, wie die Syphilis, die ja oft genug in Badestuben übertragen worden sein mag, tat das übrige und es dauerte gar nicht lange, so war die europäische Menschheit in eine Gesellschaft von Schmutzfinken verwandelt.

Außen hui— innen pfui! Das konnte besonders das 17. Jahrhundert von sich sagen. Herren und Damen waren luxuriös und „a la mode" gekleidet, doch man hatte nur wenig Wäsche und die war unpraktisch und unzweckmäßig. Vom Waschen hielt man überhaupt nicht viel; um 1647 schreibt ein modischer Autor, man solle sich manchmal baden, täglich das Gesicht und fast so oft die Hände waschen. Es hatte seinen Grund, dass der Verbrauch von Parfüm in jenen Tagen ein enormer war. In einem Brief von 1672 heißt es: „Die französischen Damen halten auf schöne Kleider äußerlich, da doch die Hemdder und der Leib öfters sehr unsauber sind." Höchstens einmal im Monat wechselte man dies innerste Kleidungsstück. Die Art der Wäsche, ihre Anfertigung aus kostbarsten Stoffen, zwang förmlich dazu, sie vor dem Waschen zu bewahren. Maria von Medici, die Königin von Frankreich, besaß Hemden aus rotem Brokat mit Goldspitzen oder aus golddurchwirktem Leinen. Lady Lambert kaufte 1660 sechs Spitzenhemden, Wert 300 Pfund. Das waren Prunk-, keine Gebrauchsstücke. Ähnlich hielt man es mit den Taschentüchern. Ein venezianischer Gesandter bot einmal solch ein spitzenbesetztes Kleinkunstwerk um den Preis von 200 Dukaten dem Großherzog von Toskana an, aber man schneuzte sich in die Finger... Weil die Wäschestücke kostbar waren und man wenig wechselte, brauchte man keinen großen Vorrat davon.
Komisch mutet es uns an, wenn wir die Wäschebestände großer Herren von damals betrachten! Heinrich IV. von Frankreich hatte 12 Hemden und vier Taschentücher, die Mehrzahl davon zerrissen. Karl II. von England, ein luxuriöser Herr, besaß gar nur zwei Taschentücher und drei Hemden und ein zeitgenössischer Schriftsteller berichtet, dass drei Millionen Spanier überhaupt kein Hemd ihr eigen nannten. Die Kunst des Waschens scheint damals nicht in allen Ländern gleichmäßig gut verstanden worden zu sein. Eine Habsburgerin ließ ihre Wäsche nicht in Innsbruck, sondern in Florentiner Nonnenklöstern waschen und die Modeherren und  Damen von Paris schickten ihre paar Stücke nach Holland zur Reinigung. Was man damals in verschwenderischer Fülle besaß und brauchte, das waren Dinge, die mit unserem heutigen Wäschebegriff sehr wenig gemein haben: Halskrausen in allen erdenklichen Größen und Arten, oft wie Mühlsteine und breite Manschetten, alles aus Batist, Leinen und Spitzen. Und das allerwichtigste Stück der Unterkleidung — die Hosen —, wie war es mit der bei den Frauen dieser Jahrhunderte bestellt? Sie existierte nicht— und ihre Nichtexistenz spricht Bände... Gerade das, was Anstand und Gesundheit erfordert hätten, daran mangelte es.
Als es noch Mode war, dass die Damen an Jagdausflügen teilnahmen und selber zu Rosse stiegen, da trug man zu solchen Anlässen Hosen aus grünem Samt oder schwarzer Seide. Aber als mit der steifen und unnatürlichen Kleidung, die der Frau jede Bewegungsfreiheit raubte, Jagen und Reiten für sie fast unmöglich wurde, da verschwanden auch die Hosen. Unter dem weiten und breiten Reifrock waren die Damen ohne Hosen, wie nur je ein Sansculotte...(Die Sansculottes – von französisch sans culotte – ohne Kniebundhose, so wurden in Frankreich des 18. Jhdt. die unteren Bevölkerungsschichten genannt). Und natürlich war es beim niederen Volk nicht anders, nur daß die holländischen Mägde wenigstens zum Fensterputzen Beinkleider anlegten! Die Tänzerinnen mussten natürlich Hosen tragen, aber es war ihnen strengstens verboten, solche bei ihren Sprüngen und Drehungen etwa sehen zu lassen. Darüber erzählt Casanova, folgende komische Anekdote:
Die berühmte Ballerina Nina hatte einst auf der Bühne von Madrid im Eifer des Tanzes das Verbot überschritten und war so hoch gesprungen, dass man ihre Hose erblicken konnte. Der Gouverneur verurteilte sie zu einer Geldstrafe. Wütend darob, legte sie zur nächsten Vorstellung dieses Kleidungsstück erst gar nicht an — und wieder konnte sich ganz Madrid davon überzeugen. Als sie nun neuerlich vorgeladen und zur Rede gestellt wurde, sagte sie ganz kaltblütig: „Es ist mir nur verboten, meine Hosen zu zeigen und ich glaube, kein Mensch kann behaupten, dass er sie heute abends gesehen hat..."

                        Gemälde von Edgar Degas (geb.1834, gest.1917)





Freitag, 14. Januar 2022

Der Pockenpelz.

Der bekannte Biedermeiermaler mit Künstlernamen Hans Canon (eigentlich Johann Strasiripka geb. 1829, gest. 1885) war Schüler von Ferdinand Georg Waldmüller. Über den Beginn seiner Karriere berichtete der „Niederösterreichische Grenzbote“ vom 29.4.1917. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

In Bad Ischl erzählte man sich von dem Wiener Maler Canon, der damals schon ein berühmter Mann war, folgende Anekdote aus der Zeit seiner Kämpfe um Anerkennung und Aufträge.

Eines Tages kam ein Herr und bestellte bei ihm ein Portrait. Der erste Auftrag! Er schuf das Gemälde. Das Bildnis gefiel und der Herr ließ seinen kostbaren Pelz bei dem Künstler, damit Canon den Pelzmantel auf dem Bild ohne seinen Träger fertig malen konnte.

Aber Canon hatte Schulden und etwas später kam der Gerichtsvollzieher und wollte ihn pfänden. Keine Beteuerung, kein Lamentieren half, der Pelz wurde gepfändet. Canon war ratlos. Der Auftraggeber wollte am nächsten Tag wiederkommen und seinen Pelzmantel abholen. Was tun? — Canon schrieb in seiner Verzweiflung mit Kreide an die Tür: „Hier sind die Pocken."
Der Auftraggeber kam, las die Schreckenszeile, eilte entsetzt von dannen, setzte sich zu Hause hin und schrieb dem Maler, er möge um Gotteswillen den Pelz behalten oder verbrennen, er wolle ihn jedenfalls nie mehr zurückhaben, da nichts so leicht Krankheiten übertrage als so ein langhaariger Pelz. Canon war mit diesem Bescheid wohl sehr zufrieden, versicherte dem Herrn, sein Bild sei gut desinfisziert und stellt sich in der Folge andern Kunstfreunden nur noch in dem „Pockenpelz" vor, der ihm danach ein würdiges Auftreten verlieh. Das verhalf ihm zu manchem lukrativen Auftrag und zur Grundlage seines späteren Wohlstands. 







Freitag, 7. Januar 2022

Auf das Tempo kommt es an

In der Oberdonau-Zeitung vom 24.2.1945 berichtete Johannes Schima über den weltberühmten Komponist Giuseppe Verdi. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.  

Giuseppe Verdi, der geniale italienische Musiker, benötigte, wie eben alle Komponisten, zu seiner Arbeit unbedingt Ruhe. Längst schon zu Ruhm und Ansehen gelangt saß er einmal in seinem Arbeitszimmer, als die Klänge eines Leierkastens an sein Ohr drangen. Obwohl diese quietschende und krächzende Drehorgel nicht wenig falsch spielte, so konnte Verdi doch entnehmen, dass der Werkelmann eine Arie aus seiner „Traviata“ langsam herunterleierte. Er sprang wie von einer Tarantel gestochen auf und stürzte auf die Straße hinunter, wo der Werkelmann mit seinem Marterkasten Posten bezogen hatte. Verdi machte dem Mann begreiflich, dass es ihm gänzlich ferne läge, ihm seinen Verdienst irgendwie schmälern zu wollen, andererseits wieder benötige er aber zu seiner Arbeit absolute Ruhe. Der Leierkastenmann könne sich jeden Monat 10 Lire bei ihm beheben wenn er den Umkreis von Verdis Haus meide. Der Werkelmann wollte sein Spiel momentan abbrechen, doch hielt ihn Verdi zurück und erklärte ihm noch, dass das Tempo, das er bei dieser Arie einschlage, viel zu langsam sei. Er ergriff die Kurbel und zeigte dem Mann, wie schnell er zu drehen habe.

Monate waren vergangen, der Leiermann behob sich allmonatlich 10 Lire bei Verdi und dieser hatte seine heilige Ruhe.
Da fügte es der Zufall, dass Verdi auf einem Spaziergang wieder den Leiermann die Arie aus „Traviata" herunterleiern hörte, diesmal jedoch im richtigen Tempo. Verdi, hocherfreut darüber, dass seine Worte auf fruchtbaren Boden gefallen waren, wollte ihm eine Extraspende geben. Aber als er in dessen Nähe kam, machte er schleunigst kehrt und verließ fluchtartig die Stätte. Am Leierkasten hing nämlich ein Schild mit der Aufschrift:
„Schüler des weltberühmten Maestro Verdi.“ 

Giuseppe Verdi

 Werkelmann