Freitag, 25. Dezember 2020

Wie der Krämerbub Hansele das Christkind suchen gegangen ist.

In der Weihnachtsbeilage der "Mühlviertler Nachrichten" vom 25. Dezember 1925 findet man eine berührende Weihnachtsgeschichte, geschrieben von dem Tiroler Pfarrer Sebastian Rieger (geb.1867, gest.1953), der "Reimmichl" genannt wurde.

In den ersten Tagen der Weihnachtswoche fuhr ein Herr mit dichtem, schwarzem Vollbart, einen breiten Pelzkragen um die Schultern, auf einem raschen Schlitten nach Zaisberg und stieg beim Rößlwirt ab. Nachdem er eine Halbe Spezial und ein Essen angeschafft hat, erkundigte er sich nach einer gewissen Maria Permer, Krämersfrau (Frau des Kaufmanns), dortselbst. Er sei ein weitschichtiger Verwandter der Frau, habe schon viele Jahre nichts mehr von ihr gehört und komme eigens von Wien, sie zu besuchen.

Vom Unglück der Familie vor sechs Jahren werde er doch gehört haben, forschte der Wirt. Als der Fremde verneinend den Kopf schüttelte, erzählte der Wirt folgendes: „Den armen Leuten ist es schlecht gegangen. Der Krämer Jos, so hieß der Mann der Krämerin, hat sich in unglückliche Spekulationen eingelassen und plötzlich ist der Konkurs dagewesen. Schulden waren ein paar Tausend mehr als Vermögen und so hat es den Krämer auch ins Zuchthaus hineingerissen. Betrügen hat er nicht wollen, der Jos, denn er ist gewiss kein schlechter Mensch gewesen. Aber vom Geschäft hat er nichts verstanden. Als seine Strafzeit aus war, ist er nicht mehr nach Zaisberg zurückgekehrt, sondern ist nach Amerika ausgewandert. Seitdem hat er keine Silbe mehr von sich hören lassen.

Ein Wiesberger, der von drüben herübergekommen ist erzählt, der Jos sei in den Goldgruben von Kalifornien erschossen worden. Auch die Frau Krämerin ist nach dem Unglück kein halbes Jahr mehr in Zaisberg geblieben, sondern hat sich nach Meran gewandt und dort versucht mit Waschen und Nähen den Unterhalt für sich und die Kinder aufzubringen. Es scheint ihr aber in Meran nicht gut gegangen zu sein; denn soviel ich weiß, hält sie sich gegenwärtig in Bozen auf." Der fremde Herr dankte für die Auskunft und fuhr nach kurzer Rast wieder zum Tal hinaus. In Bozen erfragte er durch die Polizei, dass die Maria Permer mit ihren Kindern zwar dagewesen, vor drei Monaten aber fortgezogen sei, man wisse nicht wohin.

Am heiligen Abend reiste der fremde Herr mit dem Schnellzug nach Innsbruck und logierte sich dort im Gasthaus zum „H.“ ein. Den ganzen Nachmittag schrieb er Briefe, und abends um 8 Uhr ging er aus, die Briefe aufzugeben. Beflügelten Schrittes eilte er die Häuserreihe der breiten Straße entlang. Beinahe hinter allen Fenstern war heller Lichterglanz, hie und da sah er noch einen brennenden Baum, der riesige Schatten auf den Weg warf und für Sekunden seine Aufmerksamkeit fesselte. Fast schon am Ziel, hemmte er plötzlich seine Schritte. Aus den unverhüllten Fenstern eines besonders stattlichen Hauses drang eine solche Lichtflut auf die Straße, dass er unwillkürlich anhielt. Da stand, dicht an eines der hohen Fenster gerückt, eine mäjestätische Tanne; ihre schlanke Spitze berührte die Zimmerdecke, auf ihren dichten Zweigen brannte Kerze an Kerze. Lautes, fröhliches Stimmengewirr und Gläserklirren drangen an sein Ohr — Weihnachtsjubel glücklicher Menschen! Plötzlich löste sich dicht neben ihm von der dunklen Türnische ein kleiner, runder Schatten ab und ein unterdrücktes Wimmern tönte an das Ohr des Mannes. Er trat einen Schritt näher und erblickte die zitternde Gestalt eines bleichen, etwa siebenjährigen Knaben in einem dünnen Röckchen. „Was tust denn da. Kleiner?" fragte der Herr mitleidig. „Ich bin 'gangen, das Christkind zu suchen", schluchzte der Knabe, und ich find es nirgends — es ist überall schon fort." „Ist das Christkind bei euch daheim nicht gekommen?" forschte der Herr. „Nein, noch nicht," erwiderte bebend der Kleine; „die Mutter sagt, es komme heuer gar nicht, wir hätten ein zuviel armes, wüstes Quartier und das Christkind finde nicht zu uns . . . Wir haben viel gebetet, ich und das Mariele, auch einen Brief hab ich dem Christkind geschrieben, dass wir in der Sp.-gasse Nr. 17 wohnen und dass man rückwärts hineingehen muss; es ist aber nicht gekommen. Am End ist`s ihm zu schlecht bei uns. — Jetzt bin ich herausgegangen auf die Straße und hab bei allen Fenstern hineingeschaut, ob das Christkind bei anderen Leuten kommt…. Wenn ich es an einem Ort getroffen hätt, wär ich gleich hineingesprungen und hätt so lang mit aufgereckten Händen gebettelt, es soll doch auch zu uns kommen, weil wir täten soviel notwendig brauchen. Ich hätt bettelt bis das Christkind mit mir gegangen wäre. — Die Mutter und das Mariele hätten geweint vor Freude, wenn ich das Christkind mitgebracht hätt. Wir müssen soviel frieren und Hunger leiden und das Christkind tät uns helfen. — Aber es ist nicht zu finden. — Bei den reichen Leuten, wo ich zum Fenster hineingeschaut hab, hats viele schöne Sachen, warme Kleider und Zuckerbrot, einen glänzenden Christbaum, goldene und silberne Spiele zurückgelassen; aber das Christkind selber ist überall schon fort, ich habs nirgends mehr erwischt."

„Wie heißt du denn, Kleiner?" fragte gerührt der Herr. „Hänsele heiß ich." „Hast du keinen Vater mehr?" „Nein." „Wie heißt denn deine Mutter?" Der Knabe besann sich einen Augenblick, dann sagte er: „Die Leute heißen sie Marie." „Weißt du auch, wie sich deine Mutter schreibt?" „Ja — Maria Permer." Der Fremde fuhr heftig zusammen. „Maria Permer!" rief er.... . „Ist dein Vater gestorben?" „Die Mutter sagt, er wär im Himmel und wir müssen alle Tage beten für ihn dann tut die Mutter allemal weinen." Der Fremde tat einen Schritt zurück, dann fragte er wieder: „Seid ihr immer in Innsbruck gewesen?" „Nein, wir sind von Bozen herausgekommen." „Und ihr wohnt in der Sp….gasse Nr. 17? Ist das gewiss?" „Ja, gewiss — rückwärts geht man hinein." Der Herr besann sich eine Weile, dann nahm er den Knaben bei der Hand, drückte Dieselbe heftig und sagte: „Hänsele, geh nur geschwind heim, wirst sehen, das Christkind kommt schon zu euch — ich weiß es gewiss; geh schnell, sonst könntest es leicht versäumen." Der Knabe ließ sich das nicht zweimal sagen und rannte davon. Auch der Fremde eilte raschen Schrittes in sein Gasthaus, sprach dort lange Zeit mit dem Wirt, dann gingen die beiden mitsammen wieder aus. Kaufladen war natürlich längst keiner mehr offen; aber der Wirt hatte in der Nähe einen Freund, der ein großes Geschäft besaß und bei dem er, wenn auch zu so später Stunde, doch noch leicht Eintritt in die Privatwohnung hatte. Mit dem Kaufmann war die Sache bald ins Reine gebracht. Sie gingen in den Laden und der bärtige Herr machte große Einkäufe. Mehrere Diener brachten die Waren rasch in Päckchen und Körben zum „H….- Wirt“. Dort wurde ein großes Fremdenzimmer warm geheizt und alles Nötige zu einer Christbescherung vorbereitet. — Unterdessen hatte der Wirt sich schon nach der „Sp..gasse“ aufgemacht, um die Frau Permer mit ihren Kindern herzuholen. Er sollte melden, dass ein unbekannter Wohltäter ihren Kindern eine Weihnachtsfreude machen wolle.

Es kostete den Wirt aber große Mühe und viele Überredung, die verschämte Frau zu dem Gang zu bewegen. Sie machte die verschiedensten Einwände. Es wär eine Schande zu betteln, sagte sie, auch wären ihre Kleider so schlecht, dass sie sich vor dem Herren schämen müßten und sie könne gar nicht glauben, dass ein nobler Herr nach ihnen nachfragen würde. Der Wirt erzählte, wie der Herr ihren Knaben auf der Straße getroffen und wie ihm das Kind gar so erbarmt habe. Der Fremde komme von Wien und scheine ein überaus gutes Herz zu haben. Es sei nicht recht von ihr, die wohltätige Hand zurückzuweisen und ihren Kindern die heißersehnte Christfreude zu rauben. Jetzt siegte bei der Frau die Mutterliebe; sie ging, sich und die Kinder anzukleiden, dann machten sich alle drei mit dem Wirt auf den Weg. — Als sie das Gasthaus erreichten, kam die Frau Wirtin schon bei der Türe heraus, grüßte freundlich, nahm das zitternde arme Weib unter den Arm und führte es mit ihren Kindern eine Treppe hinauf. Droben öffnete sie eine Tür und schob die drei Leutchen vor sich in ein behaglich erwärmtes, lichtschimmerndes Gemach hinein. Die Mutter und die Kinder blieben überrascht beim Eingang stehen. Am oberen Ende des Zimmers stand ein weißgedeckter Tisch und darauf ein hochragender, von Licht und Glanz umfluteter Christbaum, viele prächtige Geschenke lagen unten herum. Die armen Leute waren wie gebannt und ließen ihre trunkenen Augen an den Herrlichkeiten haften. Da schob sie aber die Wirtin näher an den Tisch und sagte lächelnd: „Geht nur hinzu — das hat euch das Christkind gebracht; es gehört alles euch." „Ihr macht wohl Spaß mit uns," flüsterte Frau Permer. „Durchaus nicht," entgegnete die Wirtin, „greift nur zu!" Es waren eine Menge warmer Kinderkleider da, Zuckerwerk und Spielsachen, auch ein Frauenmantel mit Pelzkragen und verschiedene andere Kleidungsstücke. „Ich kenn mich rein nicht aus," hauchte die arme Frau, „oder ist alles nur ein Traum?" „Nein, es ist schon Wirklichkeit," lächelte die Wirtin, „das Christkind ist soviel gut." „Und wem gehören denn die Frauenkleider da?" fragte das arme Weib. „Die werden wohl für Euch passen." „O nein, nein! — Ich müsste mich schämen mit diesen noblen Kleidern, wir sind so schrecklich arm und heruntergekommen."

Da ging die halbangelehnte Tür des anstoßenden Zimmers auf und der fremde Herr mit dem dichten, schwarzen Vollbart trat heraus. Als er die junge, abgehärmte, aber immer noch hübsche Frau, die bleichen Kinder in ihren armseligen und doch reinlichen Kleidern erblickte, ging es wie eine Erschütterung durch seinen Körper. Er fasste sich aber schnell und sagte freundlich zu dem Knaben: „Siehst du Hänsele, das Christkind ist schon noch gekommen; es hat für euch da den Tisch decken lassen und euch herrufen. — Weißt, sehen läßt sich das Christkind nie." Frau Permer ging weinend auf den Fremden zu, ergriff dessen Hand und küsste sie mit den Worten: „O lieber, guter Herr, das ist zuviel, das können wir nicht annehmen." „Was das Christkind bringt, darf man nicht ablehnen," sagte der Mann. „O lieber Herr, ich weiß nicht, warum Ihr so gut mit uns seid .... Es hat sich schon lange um uns niemand mehr gekümmert," schluchzte das Weib. „Ihr seid wohl recht verlassen? Euer Mann ist gestorben, gelt?" „Er ist fort und wahrscheinlich gestorben." „Hat er Euch also verlassen?" „Er hat sich so viel geschämt — er hat nicht anders können." „Ja, hat er etwas Schlechtes angestellt?" „O nein, nein, nein! Schlechtes nicht, gewiss nicht! Er ist nur viel zu gut gewesen, zu leichtgläubig. . . Aber, lieber Herr, schenkt mir das Erzählen, es tut soviel wehe." „Und Ihr wisst nicht sicher, ob euer Mann gestorben ist?" „Einer, der von Amerika kam, hat es erzählt und es wird wohl so sein, sonst hätte der Jos längst von sich was hören lassen und mir geschrieben . . . Wir haben uns so gern gehabt." „Die Briefe konnten ja verloren gegangen sein oder auch falsch adressiert sein." „Möglich wärs wohl, wir haben auch unseren Aufenthalt immer gewechselt; — aber es ist so lange her." „Das ist kein Grund, die Hoffnung aufzugeben. Wenn ich Euch von Eurem Gatten Nachricht bringen würde, tätet Ihr mir danken?" „O Herr, Herr — lieber Herr!" stürmte die Frau, „Ihr wisst etwas von ihm! Redet, ich bitt Euch, redet." „Er schickt euch diese Weihnachtsgaben," sagte gerührt der Mann. „Er? Der Jos?" schrie die Frau in höchster Erregung, „sagt, sagt, wo ist er denn, damit ich ihn suchen kann? Bis ans Ende der Welt geh ich ihm nach."

Der Mann trat einen Schritt näher und sagte weich: „Ja, Moidl, kennst du mich nicht mehr?" Da flog das Weib an seinen Hals und weinte: „Jos, ists möglich? — Du bists selber — mein lieber Jos!" Lange hielten sie sich umarmt, dann schob die Frau die zwei Kinder heran und sagte: „Mariele, Hänsele, schaut, das Christkind hat euch den Vater wieder gebracht! .... Geht her, gebt ihm die Hand." Der Vater hob die Kinder zu sich empor und küßte sie unter Tränen. Dann erzählte er, wie es ihm ergangen. Er habe sich tatsächlich vor den Leuten und besonders vor ihr, der Moidl, so geschämt, dass er nimmer gewagt hat, ihnen vor die Augen zu treten; darum sei er nach Amerika geflohen. Oft habe er Briefe an sie, die Moidl, geschrieben und auch Geld geschickt.... Die meisten Briefe seien als unbestellbar zurückgekommen, die anderen sowie das Geld müssten verloren gegangen sein. — In Kalifornien sei er gar nicht gewesen, sondern in Alaska. Er habe viel Gold gefunden, sei jetzt mehr als reich, könne alle Schulden bezahlen, das Geschäft in Zaisberg wieder kaufen und es blieben ihm noch viele Tausende übrig. „Jos, weil ich nur dich wieder hab!" schluchzte die Frau, „das freut mich mehr, als wenn die ganze Welt uns gehören tät."

Die drei Beglückten kehrten nicht mehr in ihre armselige Wohnung zurück; sie blieben beim Vater im Gasthaus, wo sie in warmen, weichen Betten schliefen und einen seligen Weihnachtstraum träumten.


Gemälde von Adolf Seuffert, dem früh verstorbenen Sohn des ehemaligen Schuldirektors Karl Seuffert aus Hinterstoder

Frohe Weihnachten

 

Gemälde von Dr. Helmut Schachner

Freitag, 18. Dezember 2020

Hans Hammerstein-Equord, ein Minister und Dichter aus Micheldorf .

Dieser Text aus "Literatur und Musik" wurde etwas gekürzt und der heutigen Schreibweise angepasst. 

Für Hans August Freiherr von Hammerstein-Equord war trotz Paragraphen und Akten die Welt ein holdes Wunder geblieben. Er sah die blaue Blume blühen und hat darüber ein Märchen geschrieben. Ein dichtender österreichischer Beamter — seit Grillparzer war das nichts Außergewöhnliches mehr, ja es schien fast, als vermöchte die Luft österreichischer Ämter und Kanzleien in besonders nachhaltiger Weise zum kreativen Schaffen anzuregen.
Er ist nicht dämonisch, wild und revolutionär wie der Grafiker und Schriftsteller Alfred Kubin, aber er ist derselbe Romantiker von Geblüt. Man könnte vielleicht weiter gehen und ihn den letzten Romantiker nennen. Und er selbst fühlt sich wohl als solcher, und ist sich dessen zweifellos bewußt. Er schreibt Romane wie „Roland und Rotraut“, „Ritter,Tod und Teufel", „Februar", "Mangold von Eberstein", und alle, mögen sie im modernen Lebensumkreis spielen oder in verschollener Zeit, sind auf eine höhere Ebene der Betrachtung erhoben. Sie sehen die Welt aus der Entfernung und durch Schleier. Sie weichen der allzu krassen Wirklichkeit aus. Dabei aber sind sie von einer nicht gewöhnlichen Kraft der Darstellung, und sie beweisen vor allem, dass sich Hammerstein von einer Untugend der Romantik freizuhalten gewusst hat. Er ist nie zerfahren, nie unklar, nie verschwommen, nie zuchtlos, er ist ein Stilkünstler von strengster Disziplin, der sein Handwerkszeug immer sicher meistert. So gelingt ihm ein ausgezeichneter Roman, wie es „Ritter, Tod und Teufel“ ist, es gelingt ihm ein tiefbesinnliches Märchen "Der Glassturz". Als romantischer Psychologe weiß er Verborgenes aus den Menschen herauszulesen, als romantischer Wanderer weiß er der Landschaft Geheimnisse zu entreißen. Er ist, als Erzähler, auf der Höhe, die ihm erreichbar ist. Neben diesem epischen Werk schafft er reiche lyrische Werke wie sein erstes Gedichtbuch „Zwischen Traum und Tagen“. Die Formkunst Hammersteins läutert sich hier zu ihrem reinsten Glanz, seine visionäre Wucht ist oftmals bezwingend und packend. Es gelingen ihm schöne Gedichte, die es wohl verdienen würden, dass sie von vielen gelesen und geschätzt würden, Gedichte, die den ganzen Reichtum dieses Mannes zeigen. Eines Mannes, der von seinen Fahrten ins Land der Romantik soviel Schönes mitbrachte und dem es widerfuhr, dass er zwischen Traum und Tag die blaue Blume der Romantik fand.

Hans von Hammerstein-Equord (geb. 1891, gest. 1947) war lange Jahre Leiter der Bezirkshauptmannschaft Braunau, wurde 1933 Sicherheitsdirektor von Oberösterreich, 1934 Staatssekretär für Sicherheitswesen, war dann als Sektionschef im Bundeskanzleramt tätig und gehörte 1936 dem Kabinett Schuschnigg als Justizminister an. 1938 wurde er außer Dienst gestellt und nach dem 20. Juli 1944 (Hitler-Attentat) verhaftet. Bis zur Befreiung durch die Alliierten war er in verschiedenen Konzentrationslagern gefangen und entging nur wegen des Kriegsendes der vorgesehenen Ermordung. Hans von Hammerstein-Equord starb 1947 mit 66 Jahren in Pernlehen bei Micheldorf und ist in Kirchdorf begraben.
Hans Hammerstein-Equord, war ein Urenkel des Dichters Friedrich von Stolberg
und von 1935 bis 1938 Präsident des Österreichischen Pen-Clubs.

Über die Widmung von Hans August Freiherr von Hammerstein-Equord in seinem Buch "Roland und Rotraut" für Pfarrer Konrad von Kirchdorf:

Diese Verse nach der Weise der gaja szienza mittelalterlicher Vaganten (umherziehende Sänger) schrieb ich im Oktober 1913 in eines der ersten Exemplare des damals eben erschienenen Märchenromans „Roland und Rotraut", des zweiten Buches, mit dem ich vor die Öffentlichkeit trat, und widmete es damit dem Pfarrer Konrad, mit dem mich sozusagen auf die erste Begegnung hin eine tiefe und feste Freundschaft verbunden hatte.

Pfarrherr zu Kirchdorf, Vogel, der Haide,
schweifender Conrad im schwarzweißen Kleide, 
säumigster aller Aktenerlediger,
Taktstockschwinger und Goetheprediger!
Nicht schürst Du Sündern den höllischen Ofen,
bekehrst sie mit Mozart und Beethoven.
Himmlisch sind Deine klingenden Künste,
irdisch sind meine Musengespinste.
Oft, wenn ich Dir lausche im Chorgestühle,
wallen sie auf mir wie Nebelgewühle,
das Frühwind aufstört aus Alpentiefen, 
fangen Gebilde, die lang in mir schliefen,
beim Orgelbrausen an sich zu regen
und brauen düster dem Himmel entgegen.
Von Klängen gehoben sie wogen und wallen,
bis sie gestaltet im Lichte sich ballen.

Hans  Freiherr von Hammerstein-Equord

Freitag, 11. Dezember 2020

Das "Raubwild" und "Raubzeug"

Am 2. Februar 1945, kurz vor Ende des 2. Weltkrieges berichtete die "Oberdonau-Zeitung" unter dem Titel "Das "Raubwild und Raubzeug" über Füchse, Marder  und Raben etc. im  Monatsspiegel für Naturschutz.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und an die Schreibweise unserer Zeit angeglichen.


Wenn im tiefen Winter die eiskalten Nächte über den im Rauhreif starrenden 
Wäldern stehen, dann hat auch der sonst so findige Fuchs schwere Nahrungssorgen und der unbarmherzige Hunger treibt ihn zu unverschämten Räubereien. Manchem Bergbauern, der seinen Hühnerstall nicht sehr sorgfältig verwahrt hat, hat er schon um mehr als die Hälfte seines Geflügelstandes gebracht. Hasen und Wildhühnern stellt er mit besonderer Hartnäckigkeit nach und selbst das Reh, das mit seinen schmalen Schalen tief in den Schnee einbricht und nur mühsam fortwaten kann ist vor seinen Angriffen nicht sicher, wenn die Harschdecke den heißhungrigen Rotrock gerade noch trägt.

Unter solchen Umständen ist es begreiflich, dass der Jäger dem Fuchs keine Schonzeit zubilligt und ihm, wo er sich stärker vermehrt, mit Büchse und Hund aber auch mit weidgerecht gestellten Fallen scharf zusetzt. Die „führende Fähe“ (Füchsin mit Jungen) aber genießt vom 15. März bis zum 16. Juni Schonzeit, wie überhaupt das Jagdgesetz gemeinsam mit dem Naturschutzgesetz dafür sorgt, dass keine einheimische, wildlebende Tierart ausgerottet wird. Man ist durch Schaden klug geworden. Als vor etwa 50  Jahren (1895) in einem großen Jagdrevier alle Jäger mit dem Vorsatz zusammentraten, das gesamte „Raubwild"  wie z.B. Füchse, Fischotter, Edel- und Steinmarder, Adler und Falken) sowie alles „Raubzeug“ (Habicht, Sperber, Krähen, Elstern, großes und kleines Wiesel) vollkommen auszurotten und dies auch gründlich durchführten, wurde ihre Erwartung auf eine bedeutende Verbesserung des Nutzwildstandes nur im ersten darauffolgenden Jahr bestätigt. Dann aber setzte ein katastrophaler Rückgang ein. Tierseuchen rafften massenweise Hasen und Wildhühner dahin denn es fehlte die „Wald- und Feld Gesundheitspolizei". Außerdem hatten die Landwirte eine furchtbare Mäuseplage.
Die aus alten Lehrbüchern übernommenen Begriffe „nützlich" und „schädlich“ sind meist nur sehr bedingt zu verstehen. So wird der Fuchs in manchem Hochwildrevier kaum als besonderer Schädling anzusprechen sein; andererseits kann er in Niederjagdgebieten besonders in Fasanerien, großen Schaden stiften. Er ist dabei aber ein vorzüglicher Mäusevertilger und frißt auf seinen Streifzügen unzählige Schadinsekten. Viel Unklarheit besteht in Laienkreisen über die rabenartigen Großschnäbler, von denen die drei Krähenarten: die einfach-schwarze gemeine oder Rabenkrähe, dann die schwarz und grau gezeichnete Nebelkrähe und die blauschwarz schillernde Saatkrähe zwar recht gute Mäusevertilger, aber — ebenso wie die Elstern und Häher — arge Nesträuber sind und keine Schonzeit genießen. Die genannten drei Schwarzröcke sind im tiefen Winter ganz vertraute Erscheinungen. Ihr großer Vetter aber, der mächtige Kolkrabe, ist lange schon aus dem Bereiche der Stadtränder verschwunden wo er noch, vor nicht allzu langer Zeit, an den dort zur allgemeinen Warnung errichteten Galgen seinen „Rabenbraten“ fand (Galgenvogel!). Jetzt hat er sich in einsame Gebirgstäler zurückgezogen, gilt uns — ebenso wie Adler und Uhu — als lebendes Naturdenkmal und hat das ganze Jahr Schonzeit.
Die Verbundenheit von Jagd- und Naturschutzgesetz, aber auch mit dem Tierschutz, geht aus den Verordnungen über das Fallenlegen hervor. So dürfen Schlageisen im Jagdrevier nur vom Forstbeamten und Berufsjäger ausgelegt werden. Sehr wesentlich ist die „optische Tarnung“ von Fuchs- und Marderfallen gegen Raubvögel, von denen bekanntlich alle — mit Ausnahme des Hühnerhabichts und des Sperbers — geschützt sind. Der Köder soll vom Fuchs nur durch den Geruch gefunden werden. Erst kürzlich ist im benachbarten Niederösterreich ein Seeadler in ein nicht genügend getarntes Fuchseisen geraten und auf gleiche Art hat Oberösterreich einen seiner wenigen herrlichen Steinadler im Sengsengebirge verloren. In einer Zeit, in der wir um so viele Kulturwerte gebracht werden, ist es um so mehr Gebot der Stunde, den Reichtum unserer Heimatnatur zu wahren, der eine dauernde Quelle unserer Kraft bleiben soll. 
                                                                                     Dr. Heinrich Seidl





Freitag, 4. Dezember 2020

Schulrat Rudolf Kusché - Lehrer und Heimatforscher aus Windischgarsten.

Rudolf Kusché wurde am 18.7.1908 in Gallsbach geboren und starb am 1.12.1987 in Windischgarsten.

Heimatmuseum in Windischgarsten

Für das interessante, sehenswerte Heimatmuseum in Windischgarsten opferte er viel Zeit und Energie. 

Als Lehrer wirkte er in Kirchdorf, Großraming, Weyer und Windischgarsten. Er leistete Großartiges, um altes Volksgut und Brauchtum zu erhalten. Aber nicht nur das. Neben seinem Beruf schnitzte er, bemalte und restaurierte alte Möbel mit viel Liebe und Begeisterung. Vieles von dem Wissen unserer Vorfahren hat er damit für Generationen bewahrt und wir können es in seinen Aufzeichnungen "Leutgeschichten“ und "Gold, das nicht glänzt“ nachlesen.

Auch der jährlich am 5. Dezember stattfindende Niglo–Umzug in Windischgarsten, den Herr Schulrat Kusché wieder belebte, ist gelebtes Brauchtum aus der Pyhrn–Priel Region. Dieser Brauch wurde sogar 2011 von der UNESCO Kommission zum immateriellen Kulturerbe Österreichs erhoben. 

Eine bunte Gesellschaft bestehend aus Niglo-Herrn, Niglo-Frau, Engel, Teufeln, Zwergen, Habergeiß, Klaubauf, Leut´zammfresser, Grassertmandl und dem
St. Nikolaus versammelt sich beim Heimathaus und zieht in einer Prozession zum Rathaushof.
Dort stellt der Niglo–Herr die Figuren mit einem Gedicht von Schulrat Rudolf Kusché vor und der Sankt Nikolaus beschenkt die Kinder.



Mit vielen seiner Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften und Bücher hat Schulrat Rudolf Kusché dazu beigetragen, Vergangenes zu bewahren und in Erinnerung zu behalten.

Z.B. Den Brand von Spital 

Es ist ein Herbsttag des Jahres 1841. Ein warmer Südwind stürzt über den Pyhrgas und Bosruck herab ins Tal. Trocken und ausgedörrt liegen Felder und Wiesen.
Aus einer kleinen Hütte nahe dem ehemaligen Stift züngeln plötzlich Flammen. Der Herbstföhn facht das Feuer an, und bald brennt die ganze Hütte lichterloh. Die Funken stieben auseinander. Der stürmische Wind trägt sie über Dorf und Stift. Schon lodern auf den Dächern Brände auf. Hilflos rennen die Menschen zwischen den brennenden Häusern umher und versuchen zu löschen. Doch alles ist vergebens. Balken bersten, Gemäuer krachen und plötzlich stürzen auch die Kirchtürme ein. Die große Hitze bringt sogar die Orgelpfeifen zum Schmelzen. Der Sturm trägt glühende Metallfäden aus den Fenstern. Nur das Kirchengewölbe hält stand, die Stiftsgebäude aber brennen fast alle nieder.

Wie durch ein Wunder blieb das berühmte Wandgemälde hinter dem Altar von Bartolomeo Altomonte von den Flammen verschont, aber es war durch die dichten Rauchschwaden in der Kirche ganz schwarz geworden. Das Gemälde mußte später mit Brotkrumen gereinigt werden.

                                                                                                  Rudolf Kusché