Freitag, 24. Februar 2023

Was sich dereinst so zugetragen hat.

Im Neuen Wiener Tagblatt, im Grazer Tagblatt und im  Prager Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen.

Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

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Jakob Grimm (geb.1785, gest.1863)
Begründer der deutschen Altertumswissenschaft
Märchensammlung der Brüder Jakob und Wilhelm Grimm


Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 29. Mai 1876
Jakob Grimm hatte einmal folgende Geschichte erlebt. Er saß eines Tages in seiner Studierstube, als ihm ein etwa neunjähriges Mädchen, das ihn zu sprechen wünsche, gemeldet wurde.
„Was willst Du mein Kind?“ Sind Sie der Herr Professor Grimm, der die deutschen Haus- und Kindermärchen geschrieben hat? „Jawohl.“ Auch die Geschichte vom klugen Schneiderlein, das die Prinzessin heimgeführt und an deren Schluss es heißt:
„Wer's nicht glaubt, zahlt dreißig Silbergroschen?“– „Auch diese Geschichte,“ erwiderte lächelnd der Gelehrte. „Nun denn, da sind die dreißig Silbergroschen, die ich zu zahlen habe, weil ich das Märchen nicht glaube. Es tut mir herzlich leid, denn ich glaube sonst alles, die Geschichte vom Dornröschen, vom Rotkäppchen, vom Daumendick und Rumpelstilzchen eher, aber die vom klugen Schneiderlein kann ich nicht glauben und just für diesen Unglauben muss ich dreißig Silbergroschen zahlen.

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Grazer Tagblatt 20. Juli 1925
Begeisterte Vegetarianer. „Sagen Sie, Herr Ober, warum sind die Blumen auf den Tischen hier alle künstlich?" fragte ein Gast, der ein vegetarisches Restaurant betreten hatte.
„Ja, Herr" antwortete der Ober, „das ist leider der "Wunde Punkt" bei einem Betrieb eines vegetarischen Restaurants: wenn wir, was wir lieber möchten, natürliche Blumen als Tafelschmuck verwenden würden, so laufen wir Gefahr, dass die Gäste sie aufessen."

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Wilbur Wright (geb.1867, gest.1912
Die Brüder Wilbur und Orville Wright haben den ersten 
Motorflug absolviert

Prager Tagblatt 24. April 1909
Von Wilbur Wright erzählt der französische Maler Broca folgende Anekdote: Anläßlich eines Dinners wurde Wilbur Wright aufgefordert, das Wort zu ergreifen. Er erhob sich und sagte kurz: „In der ganzen Welt kenne ich nur einen Vogel der spricht: es ist der Papagei. Das habe ich beobachtet. Ich spreche nicht, aber ich fliege.

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Prager Tagblatt 31. Juli 1910
Es war in einer finsteren Dezembernacht und zwar nach Mitternacht, als es an die Türe des Hauses klingelte und sich das muhen einer Kuh vernehmen ließ. Der vorsichtige Bauer sah erst einmal durch das geschlossene Fenster hinaus und sah da zwei Männer stehen, die eine Kuh führten. Er öffnete schließlich die Tür und fragte die beiden nach ihrem Begehr. Diese forderten den Bauer auf, die Kuh, die sie zum Markt nach Raudnitz zu führen im Begriff stünden, gegen ein gutes Trinkgeld wenigstens ein Stück Weges durch den Wald zu führen, da die beiden bereits sehr ermüdet seien. Der gute Mann zog sich rasch an und führte die Kuh, die ihm willig folgte, vorwärts während die beiden Männer nebenher gingen.

Nach etwa einer Stunde als es etwas heller zu zu werden begann, beim Verlassen des Waldes, schickten die Kuhtreiber den Bauer wieder zurück und gaben ihm ein gutes Trinkgeld. Als aber der Mann sich seinem Häuschen näherte, kam ihm jammernd sein Weib entgegen und teilte ihm mit, ihre Kuh sei aus dem Stall verschwunden. Jetzt ging dem armen Bauern erst ein Licht auf.
Die Kuh, die er von seinem Haus fortgeführt hatte, war seine eigene gewesen. Die Männer hatten sie aus dem Stall geführt, um sie zu stehlen. Aber das Tier wollte mit den fremden Männern nicht gehen; deshalb riefen die Diebe den Eigentümer der Kuh zur Hilfe und diesem folgte das Tier ohne weiters.
Wohl lief der Bauer sofort zurück und den Dieben nach, bis nach Raudnitz und suchte auf dem Markt seine Kuh. Aber diese war ebenso wenig zu finden wie die beiden frechen und raffinierten Diebe.

Freitag, 17. Februar 2023

Mißverständnisse

Im Prager Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen. Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Johannes Brahms (geb.1833. gest.1897)
Komponist

Prager Tagblatt 8. August 1907
An eine hübsche Brahms-Anekdote erinnert der „Gaulois" anlässlich der Verurteilung des berühmten Geigers Euigene Ysaye zu einer Geldstrafe, weil er einem Schaffner allzu energisch zu Leibe gerückt sein soll.
Auch Brahms war sehr geneigt zu handgreiflichen Demonstrationen, wenn ihm etwas in die Quere kam. Eines Tages kehrte er von einem „kleinen Spaziergang" — es waren so 15 Kilometer - die er in wenig mehr als zwei Stunden zurückgelegt hatte in einem Cafe ein und verlangte ein Bier. Er pflegte immer ein kleines Glas Bier zu trinken, um öfter ein frisches Glas zu erhalten. Der Kellner brachte ihm aber diesmal ein großes Glas. „Tragen Sie das wieder zurück, sagte Brahms, „ich habe ein kleines Glas bestellt." Der Kellner weigerte sich aber, da er einmal eingeschenktes Bier nicht zurückbringen könnte. „Ich sage ihnen, bringen Sie das auf der Stelle zurück!" schrie Brahms mit einer Stimme, dass die Glasscheiben zitterten. Da eilte der Besitzer des Lokals herbei und fragte, warum sein Gast denn so unzufrieden wäre. „Aber das Übel ist ja nicht so groß," sagte er versöhnlich. „Sie haben ein kleines Glas bestellt und man hat Ihnen ein großes gebracht. So werden Sie einmal ein großes Glas trinken. Es ist ja nur ein Unterschied von ein paar Kreuzern ..."
Mit einem Satz war da Brahms aufgesprungen, und sein massiver Spazierstock sauste auf das unglückliche Glas Bier herab, das in tausend Stücke zerschmettert wurde und noch einmal sauste der Stock durch die Luft, diesmal auf den Schädel des Wirtes, der nun in größter Geschwindigkeit seinen Rückzug antrat. Hierauf nahm Brahms wieder Platz, zahlte das große Glas und seinen Inhalt und bestellte, nachdem nun die Wut verraucht war, noch recht viele kleine Glas Bier und als er spät abends aufbrach, waren Brahms, der Wirt und der Kellner die besten Freunde geworden...

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Prager Tagblatt 5. Juli 1910
Beim Besuch der Königin von Dänemark hat es der würdige, greise Bischof van Island übernommen, der hohen Frau alle Sehenswürdigkeiten des weltfernen Eilands zu zeigen und ihr zu erklären, wie das Volk von Island lebt und arbeitet. Die Königin dankte dem wackeren Gottesmann herzlich für alle seine Bemühungen und als sie hörte, dass er eine große Familie habe, erkundigte sie sich nach seinen Angehörigen und fragte ihn, wieviel Kinder er habe. Ohne einen Augenblick zu zögern, antwortete der greise Herr kurz und bündig: „Zweihundert.“
Die Königin wich unwillkürlich zurück und blickte zweifelnd auf diesen fruchtbaren Vater, der ruhig und gelassen vor ihr stand, als sei eine Nachkommenschaft von 200 Kindern die selbstverständlichste Sache von der Welt. „200 Kinder!" rief die Königin. „Ja sagen Sie nur, wie können Sie denn so viele erhalten." „Das macht keine Schwierigkeiten, Majestät", erwiderte der Bischof harmlos und lächelnd,„im Sommer schicke ich sie hinaus auf die Weide und wenn der Winter kommt, dann werden sie geschlachtet und verspeist." Die Königin hatte nicht gewusst, dass der isländische Ausdruck für Schafe fast genau so klingt, wie das dänische Wort für Kinder.
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Napoleon Bonaparte (geb.1769, gest.1821)
Kaiser der Franzosen

Prager Tagblatt 25. August 1906
Eine hübsche Anekdote wird anlässlich der 3000. Madrider Aufführung des „Barbiers von Sevilla" erzählt. Danach sagte Napoleon einst während des spanischen Feldzuges dem Gouverneur von Sevilla: „Wenn die Stadt sich nicht ergibt, so werde ich sie rasieren lassen", eine Drohung, die der Spanier schlagfertig abzuwehren wusste, indem er entgegnete: „Erlauben Sie mir, dies zu bezweifeln: denn ich glaube nicht, dass erwürdige Majestät zu dem Titel ,“Kaiser von Frankreich" und „König von Italien" den eines „Barbiers von Sevilla" werden hinzufügen wollen."

Freitag, 10. Februar 2023

Aus dem Leben gegriffen.

 

Historiograph August Hirsch (geb.1817, gest.1894)
Arzt, Epidemiologe, Medizinhistoriker

Prager Tagblatt 2. August 1905
Ein Mitarbeiter der „Frankfurter Zeitung“ berichtete folgende hübsche Anekdote aus dem Leben des trefflichen medizinischen Historiographen August Hirsch aus Berlin.
Hirsch war ursprünglich zum Kaufmann bestimmt und kam zu einem sehr angesehenen Großhändler in die Lehre. Da er die Kladden (Geschäftsbücher) und Kontokorrentbücher mit allerlei Allotria (Unfug) versah wurde er entlassen. Nach vielen Jahren, als Hirsch bereits berühmt und ordentlicher Professor war, begegnete er seinem inzwischen zum Kommerzienrat avancierten früheren Lehrmeister in Berlin.
„Hirsch“, rief dieser, „Du nichtsnutziger Schlingel, was ist aus Dir geworden“. „Ordentlicher Professor an der Universität in Berlin“, erwiderte er. „Na, es freut mich wenigstens, dass Du ordentlich geworden bist!“

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Karikatur von Anton Bruckner, Komponist (geb.1824, gest.1896)
  mit Kritikern (Hanslik, Kalbeck und Heuberger)

Tagblatt 8. März 1932
Ein Berliner befragte Bruckner einst, wie es käme, dass man so wenig von seinen Kompositionen höre.
„Mir geht es halt so wie Meister Beethoven", entgegnete Bruckner, „den verstanden die Ochsen auch lange nicht“.

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Philosoph Immanuel Kant (geb.1724. gest.1804)

Prager Tagblatt 17. Juni 1923
Der große Philosoph Immanuel Kant führte ein liebeleeres. einsames Junggesellendasein. Gern hatte er eigentlich nur seinen Diener Lampe, an dessen Erfahrung war er gewöhnt und an dessen Treue glaubte er. Aber nach vielen Jahren stellte sich heraus, dass dieser Lampe stahl. Er wurde entlassen. Nun gab es in Kants methodisch abgeteiltem Leben eine gewisse Stunde am frühen Abend, da rückte er seinen Sessel an das offene Fenster, spannte ab und erlaubte sich etwas anderes zu sein als ein zermalmender logischer Hammer.
Und täglich kehrten nun seine Gedanken an Lampe zurück, zu seiner Sorgfalt und Pflege. Er sehnte sich nach diesem Dieb und schämte sich doch Moralist, der er war, seiner Sehnsucht auf das bitterste. Deshalb schrieb er auf ein Stück weißen Karton die Worte: „Lampe muss vergessen werden!“ und stellte diesen Karton allabentlich hin auf die Fensterbank. Man fand ihn noch in seinem Nachlass.

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Prager Tagblatt 19. Dezember 1925
Ein einfältiger Bauernjunge sollte ein Nachbarmädchen heiraten. Er fürchtete sich aber sehr. Der Vater sprach ihm Mut zu.
"Du hattest es leicht." fiel ihm der Sohn ins Wort. „du hast die Mutter genommen; ich aber muß eine ganz fremde Person heiraten."

Kinderfasching in Hinterstoder


 

Freitag, 3. Februar 2023

Missverständnisse

Charlie Chaplin (geb.1889, gest.1977)
Schauspieler, Komiker, Regisseur

Grazer Tagblatt 11. Juni 1929
Von Charlie Chaplins letzter Europareise erzählt sein Privatsekretär eine kleine Anekdote.
Charlie hatte seinem Privatsekretär bestimmte Weisungen gegeben. Wenn er nämlich von einem Menschen, der ihn langweilte, in eine Unterhaltung verwickelt würde, so wollte er sich über das Haar streichen und sofort sollte der Privatsekretär ihn abrufen und unter allen Umständen darauf bestehen, dass Charlie ihm sofort folgte. Diese Verabredung wirkte sich auf der ganzen Europareise vorzüglich aus, Charlie Chaplin brauchte nie länger mit einem Menschen zu sprechen, als es ihm Spaß machte.
Dann aber kehrten sie nach Amerika zurück und hielten sich einige Tage in New York auf. Eines Tages sprach eine sehr hübsche junge Dame Charlie Chaplin in der Halle des Hotels an. In seiner Aufregung strich er sich mit der Hand über das Haar. Sofort trat der Privatsekretär zu ihm und erinnerte ihn an eine wichtige Besprechung. Charlie bedeutete ihm mit seiner weltberühmten Mimik, dass er diesmal durchaus nicht die Absicht hätte, die Unterhaltung abzubrechen, aber sein Privatsekretär ließ sich nicht abschrecken. Er schleifte den unglücklichen Charlie mit, soviel dieser auch protestierte und schalt. Er wurde ein Opfer seiner eigenen Anordnungen.

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Grazer Tagblatt 17. November 1907
Es war zu der Zeit, da der sehr gebildete Mr. Hlll noch Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt war.
Eines Tages erscheint ein Berichterstatter und bittet um Auskünfte über eine heikle politische Angelegenheit; aus politischen Gründen wird dem .Besucher die Auskunft verweigert, aber der Berichterstatter ist zäh und zudringlich und will nicht weichen. „Also gut," sagt Hill schließlich, „ich werde sie zufrieden stellen; aber Sie werden einsehen, dass ich mich dabei einer sehr diplomatischen Ausdrucksweise bedienen muss.. ." Und Hill fängt an, lateinisch zu sprechen. Der Journalist hatte keine humanistische Vergangenheit. „Aber verzeihen sie," sagt er lächelnd, „ich verstehe kein einziges Wort." „Ich werde mich näher erklären." antwortet Hill und beginnt nun griechisch zu reden. Nach einigen Minuten bittet der unglückliche Berichterstatter um Gnade. Hill bleibt unbarmherzig und setzt seine Erklärung auf Französisch fort.
Das war zu viel: der Zeitungsmann ergriff endlich die Flucht und am nächsten Tage erscheint der Verleger der Zeitung im Auswärtigen Amte um sich bei dem Unterstaatssekretär zu erkundigen, warum dem Mann die Auskunft verweigert worden sei. Hill aber konnte darauf lächelnd erwidern: „Aber, ich habe ihm ja die größten Staatsgeheimnisse offen anvertraut."

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Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 13. Juni 1875
Aus den Zeiten der französischen Invasion 1870/1871 wird die Anekdote von einer naiven Küchen-Magd erzählt, die mit schmerzdurchbebter Stimme jammerte, ein französischer Soldat habe mit brutaler Gewalttat an ihrer Tugend gefrevelt. Auf die Frage, ob sie denn nicht um Hilfe geschrieen und sich zur Wehr gesetzt habe, habe sie mit der melancholischen Bemerkung geantwortet:
"Was hätte mir das genützt? ich kann ja nicht französisch.“