Freitag, 31. März 2023

Von einem Jubiläum und andere Anekdoten.

In der Oberdonau Zeitung, im Mährisches Tagblatt und im Laibacher Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen.

Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

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Ein ungewöhnliches Jubiläum.
In der Oberdonau Zeitung vom 25.1.1945 berichtet Sepp Peter Steinbach von einem ungewöhnlichen Jubiläum, das der berühmte humoristische Dichter, Zeichner und Maler Wilhelm Busch (geb.1832, gest.1908) mit seinem Verleger feierte.
Wilhelm Busch war über ein Jahrzehnt lang ständiger Mitarbeiter der Münchener
 „Fliegenden Blätter“, mit deren Verleger und Leiter er gar manche Maß Bier trank. Sie sprachen dabei über alles mögliche, natürlich auch über verschiedene Fragen der Kunst. Da kam es nun dann und wann vor, dass sie so heftig aneinander gerieten, dass einer der beiden wütend aufsprang und davonlief. Die Versöhnung ging dann jedes mal so vor sich, dass Busch eine Zeichnung oder ein paar Verse mit den folgenden Worten einschickte: „Sehr geehrter Herr, es könnte mir eine besondere Freude machen, wenn Sie für meine Arbeit in Ihrem geschätzten Blatt Verwendung hätten.. .“

Er bekam dann gewöhnlich die folgende Antwort: „Sehr geehrter Herr! Ihre Arbeit gefiel mir so sehr, dass ich Sie gerne persönlich kennen lernen möchte um über eine ständige Mitarbeit mit Ihnen sprechen zu können. Ich schlage Ihnen vor, dass wir uns gleich heute um neun Uhr abends im Hofbräuhaus zu einer Maß Bier treffen.. .“
Pünktlich waren dann beide zur Stelle, stellten sich einander vor, tranken nach dem ersten Schluck
lachend wieder Bruderschaft und waren wieder vollkommen versöhnt.

Einmal nun lud der Verleger Wilhelm Busch nicht in das Hofbräuhaus, sondern zu sich nach Hause ein. Als der Eingeladene kam, wurde er feierlichst empfangen und dann in den Salon geleitet, der einen festlich gedeckten Tisch zeigte. „Was ist denn heute los?" fragte Busch, der das Ganze nicht zu deuten wusste. „Was los ist.. .? Wir wollen heute das Fest unserer fünfundzwanzigsten Versöhnung feiern!" lachte sein Verleger und Freund. „Und das bedarf doch eines feierlichen Rahmens!“

„Das ist wahr!“ lachte Busch und nahm Platz. Es wurde einer ihrer schönsten Abende.

Münchener „Fliegenden Blätter“

Wilhelm Busch

Max und Moritz

Wilhelm Busch

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Mährisches Tagblatt 4. September 1897
Töchter
Eine drollige Anekdote wird von dem verstorbenen früheren türkischen Botschafter erzählt. Als er sich um die Hand einer Tochter des Kriegsministers v. Bonin bewarb sagte dieser, der mit Töchtern gesegnet war:
„Wie viel wollen Sie haben?"
„Excellenz, ich bin Christ!"
„Schade!" sagte der alte Haudegen.

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Laibacher Tagblatt 24. Oktober 1873
Gute Antwort.
Aus Baiern erzählt die „Frankfurter Laterne“ folgende Anekdote:
Ein hoher Herr begegnete einem Invaliden und redete ihn an:
„Wo sind sie verwundet worden? „Bei Sedan.“„Kennen sie mich nicht?“ „Nein.“ „Ich bin der König.“ Der Invalide salutiert so kerzengerade wie möglich und spricht: „Bitte um Entschuldigung, ich kannte sie nicht.“
„Das wundert mich.“ „Ja sehn's, in's Feld (Krieg) geh'n sie nicht und in's Theater ich nicht, woher soll ich sie kennen ?“


Freitag, 24. März 2023

Anekdoten und wahre Geschichten

Im Neuen Wiener Tagblatt und im Prager Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen.
Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.


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Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 14. September 1874
Da war einst ein Mann, der hatte sich dem Trunk ergeben und die Folgen stellten sich bald ein. Er wurde schwerhörig und konsultierte einen Ohrenarzt, der sofort den Grund des Übels erkannte. „Herr, sie trinken zu viel. Was trinken Sie denn?“ „Branntwein, Herr Doktor.“
„Gut, so meiden sie den Branntwein und sie werden wieder besser hören.“ „Aber was mache ich um die Langweile zu vertreiben?“
„Gehen Sie ins Theater, besuchen sie Gesellschaften, Vereine, hören sie öffentliche Redner.“
Nach Wochen kommt der Patient wieder mit derselben Klage. „Haben Sie meinen Rat befolgt?“ „Jawohl, ich stellte das Trinken ein und hörte in der Tat besser, aber ich griff dann doch wieder zum Glas .“ „Weshalb denn?“ „Das will ich Ihnen sagen, Herr Doktor. Als ich wieder hörte, ging ich in die Kirchen und hörte predigen, in die Theater und hörte die neuesten Dichter, im Parlament hörte ich die geschultesten Abgeordneten.
Allein alles, was ich da hörte, war bei weitem nicht so gut, als ein tüchtiger Schluck Branntwein.
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Giuseppe Verdi (geb.1813, gest.1901)
Italienischer Komponist der Romantik


Die Gegenprobe
Prager Tagblatt 12. Januar 1913

Eine hübsche Anekdote von Verdi erzählt die „Comödia“. 
Als der Komponist eben die letzte Hand an den Troubadour gelegt hatte, besuchte ihn in seinem Arbeitszimmer einer seiner intimsten Freunde, zugleich einer der mächtigsten Musikkritiker. Verdi bat ihn um ein Urteil über das eben vollendete Werk und spielte ihm zunächst einen Chor vor. „Nun, wie findest du's?" fragt er, nachdem er geendet hatte. „Schund!" antwortet der Kritiker. Verdi reibt sich lachend die Hände und fährt eifrig fort: „Also jetzt musst du noch etwas hören!" Er spielt weiter und blickt seinen Richter fragend an. Doch der hat nur das lakonische Urteil: „Schund!" Da springt Verdi auf und umarmt ihn mit einem Freudenausbruch. „Aber was soll denn das?" meint der andere verwundert. „Ach, mein Teurer," antwortete der Maestro, „ich habe eine Volksoper komponiert, bei der ich entschlossen war, allen zu gefallen, nur nicht den gestrengen Kritikern. Hätte es dir gefallen, dann hätte es keinem andern gefallen. 
Was Du mir sagst, macht mich des Erfolges sicher. Von jetzt ab in drei Monaten wird der Troubadour überall gesungen und wieder gesungen und auf allen Pianos und Leierkästen in ganz Italien gespielt werden."

Verdi war diesmal wieder ein guter Prophet.

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Prager Tagblatt 24. September 1932
Bei einem Empfang in der exklusiven englischen Gesellschaft bittet Monseigneur Trench um einen Partner für ein Schachspiel. Eine Dame, die das Spiel fabelhaft beherrscht, bietet sich an.
Er ist nicht mehr jung und lebt in der ständigen Furcht vor einer Lähmung. Nachdem er einige Zeit lang sehr konzentriert gespielt hatte, machte er heftige Bewegungen, wird totenblass und lässt sich auf den Stuhl zurücksinken. Die erschrockene Gesellschaft fragt ihn nach seinem Befinden. Er sagt mit Resignation: „Das, was ich schon lange befürchtete, ist eingetreten. Ich bin auf der rechten Seite gelähmt".— „Aber wieso, das ist doch unmöglich!"— „Ich bin ganz sicher, ich zwickte mich in das Bein und spürte nichts mehr."—
„Dann brauchen Sie nichts zu fürchten, Monseigneur," sagte lächelnd seine Partnerin: „Es war mein Bein in das sie zwickten“.

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Bekanntlich dringen in England Frauen, die die Wahlpropaganda gut verstehen, bis in die Heime vor, drücken der Hausfrau die Hand, waschen Wäsche für sie, säubern die Jungens und passen auf den Kochtopf auf, während sie für ihre Kandidaten werben.
Eines Tages bewirbt sich Lady Astor, von zwei Matrosen begleitet, um die Stimmen in den Docks von Southampton. Sie klopft an eine Haustüre, ein kleines Mädchen öffnet. „Ist deine Mutter zu Hause, Kleine?"—
„Nein, sie ist fortgegangen. Aber sie hat gesagt, wenn jemand mit einem Matrosen käme, könnten sie das Schlafzimmer haben, wenn Sie neun Pence auf dem Kamin zurücklassen. Bitte!"

Freitag, 17. März 2023

Einst begab es sich...

Im  Grazer Tagblatt und im Neuen Wiener Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen. Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

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Exzellenz Kuno Fischer (geb.1824, gest.1907)
Deutscher Philosoph

Grazer Tagblatt 21. Juni 1925
Der berühmte Philosoph Kuno Fischer in Heidelberg war sehr stolz auf seinen Exzellenz-Titel und konnte es schwer vertragen, wenn man diesen im Gespräch mit ihm nicht benutzte. Ein Student, dem das eingeschärft worden war und der sich bei dem Professor zu melden hatte, stammelte daher verwirrt: „Exzellenz, ich habe in Leipzig so viel von Exzellenz Vorträgen über Philosophie gehört und bin glücklich, dass ich nun Exzellenz selbst hören darf. Wenn Exzellenz gestatten, dass ich Exzellenz.. -" „Junger Mann," unterbrach Fischer, „nicht in einem fort Exzellenz, nur so ab und zu, ab und zu.. ."

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Earl Lloyd-George of Dwyfor (geb.1863. gest.1945)
Englischer Premierminister

Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 7. Januar 1924
Aus der Advokatenzeit (Rechtsanwaltszeit) Lloyd Georges.
Englische Blätter erzählen eine köstliche Anekdote aus dem Leben des berühmten Staatsmannes, die aber noch aus der Zeit stammt, in der Lloyd George als Advokat in seiner Geburtsstadt tätig war. Eines Tages fuhr der vielbeschäftigte Advokat von einer langen Gerichtsverhandlung ermattet nach Hause. Auf dem Weg erblickte er ein kleines, blasses, etwa zehnjähriges Mädchen, das offenbar auch ungemein ermüdet war und sich nur schwer weiter schleppte. Der ermüdete, aber bequem in die gepolsterte Wagenecke sich lehnende Advokat empfand verständnisvolles Mitgefühl für das kleine Mädchen, ließ den Wagen halten und lud die Kleine ein, einzusteigen.
Das Kind nahm die Einladung sofort an, gab auf die Frage Lloyd Georges, wo es wohne, Antwort, aber weiter war aus ihm kein Wort herauszubringen. Was Lloyd George auch versuchte, das Kind zum Sprechen zu bringen, seine Bemühungen versagten. Hätte Lloyd George nicht mit eigenen Ohren die Wohnungsadresse vernommen, würde er geglaubt haben, sich in Gesellschaft einer Stummen zu befinden. Er machte sich aber keine weiteren Gedanken über die Sache und ließ das Kind vor dem angegebenen Haus aussteigen.
Einige Tage später erhielt Lloyd George die verblüffende Aufklärung über das seltsame Benehmen der Kleinen. Eine noch junge Frau erschien in seiner Kanzlei, stellte sich ihm als die Mutter des Kindes vor, für das er sich so liebenswürdig eingesetzt hatte und bat ihn zugleich um Entschuldigung für ihr schweigsames Kind. „Meine Kleine"— erzählte sie „kam sehr erfreut nach Hause, sagte mir, der Herr Advokat wäre sehr lieb zu ihr gewesen. Ich frage sie, was sie gesprochen, da sagte sie: „Nicht ein Wort, der Herr Advokat wollte immer, dass ich ihm antworte, aber ich weiß, man muss den Advokaten immer zahlen, wenn man mit ihnen spricht und ich hatte keinen Penny bei mir." ...

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Grazer Tagblatt 7. April 1929
Die uralte Tante Therese erzählte ihren großen Nichten Erlebnisse aus der Jugendzeit. „Ihr müsst nicht glauben," sagte sie, „dass ich immer so verhutzelt ausgesehen habe wie jetzt. O nein, ich habe richtig schön ausgesehen und die Mannsleute sind mir nachgelaufen, so dass es schwer war für ein anständiges Mädchen, sich so zu halten.
Einmal, erinnere ich mich, kehrte ich in der Stadt von einer Besorgung heim. Da schloss sich mir ein sehr feiner Herr an und versprach mir einen wundervollen Schal, wenn ich mit ihm käme." Die Nichten staunten und in ihren Mienen glomm so etwas wie leichter Zweifel. „Ja, Mädels, wenn Ihr es nicht glauben wollt — ich habe den Schal heute noch," sagte Tante Therese.

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„Das ist ein hübsches Boot, nicht wahr, Gretchen?" sagte der große, dunkle, junge Mann. „Wirklich sehr hübsch, Karl," antwortete das hinten im Boot sitzende Mädchen. „Es hat nur einen Fehler," meinte der junge Mann. „So? Was für einen?" fragte das Mädchen. „Ja, weißt du, es ist sehr leicht gebaut und wenn man darin ein Mädchen küssen will, so ist große Gefahr vorhanden, dass es umkippt und dann fallen der Bursche und das Mädchen ins Wasser."
„Wirklich?" sagte das Mädchen gedankenvoll und schwieg dann eine Weile. Endlich fragte sie leise: „Weißt du eigentlich, Karl, dass ich gut schwimmen kann?"

Freitag, 10. März 2023

Erzählungen aus der Vergangenheit

Im Grazer Tagblatt, im Prager Tagblatt und im Neuen Wiener Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen. Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

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Johann Wolfgang von Goethe (geb.1749, gest.1832)     Ludwig van Beethoven (geb.1770. gest.1827)

Grazer Tagblatt 21. Juni 1925

Manche Anekdote ereignete sich beim Spazierengehen hoher Herren. Entweder sie wurden zu viel erkannt oder sie wurden verkannt, was beides heitere Szenen hervorrief. So wandelten Goethe und Beethoven einst in angeregtem Gespräch,
bei ihrem Kuraufenthalt, durch die Straßen von Karlsbad. Die ihnen Begegnenden begrüßten sie ehrfurchtsvoll. Schließlich meinte Goethe, der als weimarischer Staatsminister besonders in Ansehen stand: „Es ist doch höchst verdrießlich, ich kann mich der Komplimente hier gar nicht erwehren." Darauf erwiderte ihm Beethoven lächelnd: „Machen Sie sich nichts daraus, Exzellenz, es ist ja sehr leicht möglich, dass die Komplimente mir und nicht Ihnen gelten."

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Prager Tagblatt 5. August 1906
In Frankreich beschäftigt man sich gegenwärtig lebhaft mit der Aufhebung der Todesstrafe und da so der Henker aus dem öffentlichen Leben des Landes verschwinden soll, widmet ihm schon jetzt ein Pariser Blatt eine Art Nachruf. Dabei wird folgende hübsche Anekdote erzählt, die in einem Restaurant in der Nähe des Palais-Royal spielt.
Ein Stammgast war gewohnt, an jedem Tag seinen Platz an seinem bestimmten Tisch reserviert zu finden. Da findet er eines Tages plötzlich den Platz von einem Unbekannten besetzt. Er ist peinlich überrascht, er läuft zum Wirt und zur Kassiererin und beschwert sich über den Unverschämten, der ihn von seinem Platz verdrängen wollte. „Kennen Sie übrigens den Herrn da?" „Nein." „So mögen Sie wissen, dass es der Henker von Versailles ist." Allgemeines Entsetzen. Der Wirt und die Kassiererin stecken die Köpfe zusammen. Dass ein Henker in diesem eleganten Restaurant verkehre, eine unmögliche Vorstellung!
Der Wirt geht also zu dem unwillkommenen Gast. „Der Herr ist zufrieden?" „Ja, aber ich muss zu lange auf die Speisen warten, die ich bestellt habe." „Da wird der Herr noch lange warten müssen!" „Wie meinen Sie?" „Man wird dem Herrn überhaupt keine Speisen bringen und wir werden ihm dankbar sein, wenn er nicht wieder zu uns kommt." „Unverschämt!... Aber warum das?" „Sie sind erkannt!" „Nun, und?.. ." „Ja, sehen Sie, der Henker von Versailles kann in meinem feinen Haus nicht verkehren." „Wer hat Ihnen denn aber gesagt, dass ich der Henker von Versailles wäre?" „Der Herr da unten." „Ach... Sehr gut, der Herr da also? Dann kann ich freilich weiter nichts dagegen sagen, er muss es ja wissen, denn ich habe ihm erst vor zwei Jahren das Brandmal (das die Verbrecher früher erhielten) aufgedrückt!" Mit diesen Worten, die sehr laut gesprochen und von einer bezeichnenden Gebärde zu seinem Widersacher hinüber begleitet waren, erhob sich der Mann ernst und würdevoll und verließ das ungastliche Haus....

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Clemens Wenzel von Metternich (geb.1733. gest. 1859)
Österreichischer Staatskanzler

Napoleon Bonaparte Kaiser der Franzosen (geb.1769, gest.1821)

 Louis  (geb.1804, gest.1831) König von Holland, Joseph (geb.1768, gest.1844) König von Spanien,
Murat (geb.1767, gest.1815) König von Neapel.

Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 27. Dezember 1929
Eine in anderem Sinne höchst charakteristische Napoleon-Anekdote übermittelt uns noch der erwähnte Historiker Lenotre. Sie beruht aus einem Erlebnis Metternichs, des berühmten österreichischen Diplomaten aus der napoleonischen Epoche.
Metternich war eines Tages von Napoleon zur Jagd und im Zusammenhang damit zu einem Mittagsmahl eingeladen worden, das mitten im Wald stattfand. An der in einer ländlichen Hütte gedeckten Tafel nahmen außer Napoleon und seinem österreichischen Gast nur noch die zwei Brüder des Franzosenkaisers Louis und Joseph und dessen Schwager Murat teil. Die Begleitoffiziere verzehrten in einiger Entfernung unter den Bäumen ihre improvisierte Mahlzeit. Das kaiserliche Mahl ließ auf sich warten. Napoleon wurde ungeduldig. „König von Holland," sagte er im einfachsten Tone der Welt, „erkundigen sie sich doch, warum man nicht aufträgt". Louis ging zur Küche und kehrte mit dem Bescheid zurück, es werde sogleich serviert werden. Einige Minuten vergingen unnütz. Napoleon blieb nicht gern lange untätig. „König von Neapel," wendete er sich an Murat, „machen Sie darauf aufmerksam, dass wir warten!" Murat beeilte sich seinerseits in die Küche und brachte eine beruhigende Versicherung, die jedoch abermals ohne Erfolg blieb. Nun wurde es dem Kaiser zu viel und er begann zornig zu werden. „König von Spanien!" rief er, „befehlen sie, dass man aufträgt, was fertig ist und zwar sofort!" Worauf Joseph sich an den Herd begab und endlich erreichte, dass aufgetischt wurde. Man weiß, Metternich war weder Freund noch Gönner Napoleons. Gleichwohl konnte er nicht unterdrücken: „Das ist doch ein außerordentlicher Mensch, der sich das stolze Vergnügen bereiten kann, drei Könige nacheinander in die Küche zu schicken, um zu sehen, ob sein Mittagsmahl fertig ist."

Freitag, 3. März 2023

Geschichten aus der Vergangenheit

Im Wiener Tagblatt und im Grazer Tagblatt, konnte man folgende Anekdoten lesen. Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

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Cosimo de Medici (geb.1389, gest.1464)
Florentinischer Bankier

Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 7. Oktober 1941
Als der große und weise Cosimo von Medici, den sie den „Vater des Vaterlandes" nannten, auf dem Totenbett lag, neigte seine Gattin sich angstvoll über ihn. „Warum schließest du die Augen?“ fragte sie. Cosimo lächelte ihr ein tröstendes Lächeln zu. „Um dich daran zu gewöhnen", sagte er.

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Grazer Tagblatt 1. Dezember 1929
Das unbekannte Getränk.
Von einem Mitglied des englischen Oberhauses kursiert gegenwärtig in London eine hübsche Anekdote. Der Lord rühmt sich einer der sichersten Portwein-Kenner Englands zu sein und ging kürzlich eine Wette ein, dass er mit verbundenen Augen, allein durch Geschmack und Geruch jede Sorte Portwein nach Herkunft und Alter bestimmen könne.
Nachdem er bereits in allen Punkten das Richtige getroffen hatte, reichte man ihm ein Glas Wasser. Er nahm einen Schluck, spuckte ihn erschrocken wieder aus und erklärte: „Dieses Zeug kenne ich nicht. Sicher ist es kein Portwein. Vielleicht irgend so eine grässliche Flüssigkeit, mit der ihr euch die Zähne putzt."

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Saladin Sultan von Ägypten und Syrien
(geb. 1137/38, gest.1193)

Haremsmädchen

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Grazer Tagblatt 17. Februar 1929
Fische standen als Nahrungsmittel nicht zu allen Festen hoch im Kurs. Man war überzeugt, dass das Fleisch warmblütiger Tiere ganz andere Kraft geben müsse, als das blutlose, weiße Fischfleisch. Dass Fische aber trotzdem den Warmblütern gegenüber gewisse Eigenschaften haben, ergibt sich aus einer alten Anekdote. 

Es war zur Zeit der Kreuzzüge. Der berühmte Sultan Saladin wollte erproben, wie weit die Widerstandskraft der Derwische (islamischer Orden) reicht und lud deshalb zwei von ihnen in seinen Palast ein. Er gab ihnen nur die saftigsten Fleischgerichte. Bald begannen die Spuren ihres bisherigen Lebens, ihr Kasteien und Fasten, zu verschwinden und die frommen Männer setzten Fett an. Als es so weit gekommen war ließ Saladin ihnen zwei junge, wunderschöne Odalisken (Haremsmädchen) zur Gesellschaft geben, die alle nur möglichen Verführungskünste üben mussten,— aber es war vergeblich, die Heiligkeit der Derwische war nicht zu erschüttern.
Der Sultan entließ sie jedoch noch nicht, sondern behielt sie in seinem Palast um ihren Triumph zu feiern. Wie bisher wurden sie mit den leckersten Speisen bewirtet, doch bekamen sie jetzt ausschließlich aus Fischgerichten bestehende Mahlzeiten. Dann schickte Saladin abermals die Odalisken zu ihnen, und... diesmal siegte die Natur.

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Theodor Billroth (geb.1829, gest.1894)

Grazer Tagblatt 23. Juni 1906
In der „Frankfurter Zeitung" wird folgende, in Ärztekreisen altbekannte Anekdote aufgewärmt: Billroth hatte seinen Schülern auseinandergesetzt, dass ein Arzt vor allem zwei Gaben besitzen müsse: er dürfe sich nicht ekeln und müsse beobachten können.
„Sie werden mir," fuhr er fort, „sogleich zeigen, ob Sie diese Forderungen erfüllen können." Damit goss er in ein Glas eine unappetitliche Flüssigkeit, tauchte einen Finger hinein und leckte ihn ab; dann forderte er seine Schüler auf, das gleiche zu tun. Mit Todesverachtung kamen die jungen Herren der Aufforderung nach. Freundlich lächelnd sagte nun Billroth: „Sie haben die erste der beiden Bedingungen glänzend erfüllt. Sie werden alle das Gefühl des Ekels überwinden lernen. Aber mit der Beobachtungsgabe ist es bei ihnen noch recht schlecht bestellt. Sie hätten sonst bemerkt, dass ich meinen Zeigefinger in das Glas getaucht habe und dagegen den Mittelfinger abgeleckt habe.