Freitag, 25. Dezember 2020

Wie der Krämerbub Hansele das Christkind suchen gegangen ist.

In der Weihnachtsbeilage der "Mühlviertler Nachrichten" vom 25. Dezember 1925 findet man eine berührende Weihnachtsgeschichte, geschrieben von dem Tiroler Pfarrer Sebastian Rieger (geb.1867, gest.1953), der "Reimmichl" genannt wurde.

In den ersten Tagen der Weihnachtswoche fuhr ein Herr mit dichtem, schwarzem Vollbart, einen breiten Pelzkragen um die Schultern, auf einem raschen Schlitten nach Zaisberg und stieg beim Rößlwirt ab. Nachdem er eine Halbe Spezial und ein Essen angeschafft hat, erkundigte er sich nach einer gewissen Maria Permer, Krämersfrau (Frau des Kaufmanns), dortselbst. Er sei ein weitschichtiger Verwandter der Frau, habe schon viele Jahre nichts mehr von ihr gehört und komme eigens von Wien, sie zu besuchen.

Vom Unglück der Familie vor sechs Jahren werde er doch gehört haben, forschte der Wirt. Als der Fremde verneinend den Kopf schüttelte, erzählte der Wirt folgendes: „Den armen Leuten ist es schlecht gegangen. Der Krämer Jos, so hieß der Mann der Krämerin, hat sich in unglückliche Spekulationen eingelassen und plötzlich ist der Konkurs dagewesen. Schulden waren ein paar Tausend mehr als Vermögen und so hat es den Krämer auch ins Zuchthaus hineingerissen. Betrügen hat er nicht wollen, der Jos, denn er ist gewiss kein schlechter Mensch gewesen. Aber vom Geschäft hat er nichts verstanden. Als seine Strafzeit aus war, ist er nicht mehr nach Zaisberg zurückgekehrt, sondern ist nach Amerika ausgewandert. Seitdem hat er keine Silbe mehr von sich hören lassen.

Ein Wiesberger, der von drüben herübergekommen ist erzählt, der Jos sei in den Goldgruben von Kalifornien erschossen worden. Auch die Frau Krämerin ist nach dem Unglück kein halbes Jahr mehr in Zaisberg geblieben, sondern hat sich nach Meran gewandt und dort versucht mit Waschen und Nähen den Unterhalt für sich und die Kinder aufzubringen. Es scheint ihr aber in Meran nicht gut gegangen zu sein; denn soviel ich weiß, hält sie sich gegenwärtig in Bozen auf." Der fremde Herr dankte für die Auskunft und fuhr nach kurzer Rast wieder zum Tal hinaus. In Bozen erfragte er durch die Polizei, dass die Maria Permer mit ihren Kindern zwar dagewesen, vor drei Monaten aber fortgezogen sei, man wisse nicht wohin.

Am heiligen Abend reiste der fremde Herr mit dem Schnellzug nach Innsbruck und logierte sich dort im Gasthaus zum „H.“ ein. Den ganzen Nachmittag schrieb er Briefe, und abends um 8 Uhr ging er aus, die Briefe aufzugeben. Beflügelten Schrittes eilte er die Häuserreihe der breiten Straße entlang. Beinahe hinter allen Fenstern war heller Lichterglanz, hie und da sah er noch einen brennenden Baum, der riesige Schatten auf den Weg warf und für Sekunden seine Aufmerksamkeit fesselte. Fast schon am Ziel, hemmte er plötzlich seine Schritte. Aus den unverhüllten Fenstern eines besonders stattlichen Hauses drang eine solche Lichtflut auf die Straße, dass er unwillkürlich anhielt. Da stand, dicht an eines der hohen Fenster gerückt, eine mäjestätische Tanne; ihre schlanke Spitze berührte die Zimmerdecke, auf ihren dichten Zweigen brannte Kerze an Kerze. Lautes, fröhliches Stimmengewirr und Gläserklirren drangen an sein Ohr — Weihnachtsjubel glücklicher Menschen! Plötzlich löste sich dicht neben ihm von der dunklen Türnische ein kleiner, runder Schatten ab und ein unterdrücktes Wimmern tönte an das Ohr des Mannes. Er trat einen Schritt näher und erblickte die zitternde Gestalt eines bleichen, etwa siebenjährigen Knaben in einem dünnen Röckchen. „Was tust denn da. Kleiner?" fragte der Herr mitleidig. „Ich bin 'gangen, das Christkind zu suchen", schluchzte der Knabe, und ich find es nirgends — es ist überall schon fort." „Ist das Christkind bei euch daheim nicht gekommen?" forschte der Herr. „Nein, noch nicht," erwiderte bebend der Kleine; „die Mutter sagt, es komme heuer gar nicht, wir hätten ein zuviel armes, wüstes Quartier und das Christkind finde nicht zu uns . . . Wir haben viel gebetet, ich und das Mariele, auch einen Brief hab ich dem Christkind geschrieben, dass wir in der Sp.-gasse Nr. 17 wohnen und dass man rückwärts hineingehen muss; es ist aber nicht gekommen. Am End ist`s ihm zu schlecht bei uns. — Jetzt bin ich herausgegangen auf die Straße und hab bei allen Fenstern hineingeschaut, ob das Christkind bei anderen Leuten kommt…. Wenn ich es an einem Ort getroffen hätt, wär ich gleich hineingesprungen und hätt so lang mit aufgereckten Händen gebettelt, es soll doch auch zu uns kommen, weil wir täten soviel notwendig brauchen. Ich hätt bettelt bis das Christkind mit mir gegangen wäre. — Die Mutter und das Mariele hätten geweint vor Freude, wenn ich das Christkind mitgebracht hätt. Wir müssen soviel frieren und Hunger leiden und das Christkind tät uns helfen. — Aber es ist nicht zu finden. — Bei den reichen Leuten, wo ich zum Fenster hineingeschaut hab, hats viele schöne Sachen, warme Kleider und Zuckerbrot, einen glänzenden Christbaum, goldene und silberne Spiele zurückgelassen; aber das Christkind selber ist überall schon fort, ich habs nirgends mehr erwischt."

„Wie heißt du denn, Kleiner?" fragte gerührt der Herr. „Hänsele heiß ich." „Hast du keinen Vater mehr?" „Nein." „Wie heißt denn deine Mutter?" Der Knabe besann sich einen Augenblick, dann sagte er: „Die Leute heißen sie Marie." „Weißt du auch, wie sich deine Mutter schreibt?" „Ja — Maria Permer." Der Fremde fuhr heftig zusammen. „Maria Permer!" rief er.... . „Ist dein Vater gestorben?" „Die Mutter sagt, er wär im Himmel und wir müssen alle Tage beten für ihn dann tut die Mutter allemal weinen." Der Fremde tat einen Schritt zurück, dann fragte er wieder: „Seid ihr immer in Innsbruck gewesen?" „Nein, wir sind von Bozen herausgekommen." „Und ihr wohnt in der Sp….gasse Nr. 17? Ist das gewiss?" „Ja, gewiss — rückwärts geht man hinein." Der Herr besann sich eine Weile, dann nahm er den Knaben bei der Hand, drückte Dieselbe heftig und sagte: „Hänsele, geh nur geschwind heim, wirst sehen, das Christkind kommt schon zu euch — ich weiß es gewiss; geh schnell, sonst könntest es leicht versäumen." Der Knabe ließ sich das nicht zweimal sagen und rannte davon. Auch der Fremde eilte raschen Schrittes in sein Gasthaus, sprach dort lange Zeit mit dem Wirt, dann gingen die beiden mitsammen wieder aus. Kaufladen war natürlich längst keiner mehr offen; aber der Wirt hatte in der Nähe einen Freund, der ein großes Geschäft besaß und bei dem er, wenn auch zu so später Stunde, doch noch leicht Eintritt in die Privatwohnung hatte. Mit dem Kaufmann war die Sache bald ins Reine gebracht. Sie gingen in den Laden und der bärtige Herr machte große Einkäufe. Mehrere Diener brachten die Waren rasch in Päckchen und Körben zum „H….- Wirt“. Dort wurde ein großes Fremdenzimmer warm geheizt und alles Nötige zu einer Christbescherung vorbereitet. — Unterdessen hatte der Wirt sich schon nach der „Sp..gasse“ aufgemacht, um die Frau Permer mit ihren Kindern herzuholen. Er sollte melden, dass ein unbekannter Wohltäter ihren Kindern eine Weihnachtsfreude machen wolle.

Es kostete den Wirt aber große Mühe und viele Überredung, die verschämte Frau zu dem Gang zu bewegen. Sie machte die verschiedensten Einwände. Es wär eine Schande zu betteln, sagte sie, auch wären ihre Kleider so schlecht, dass sie sich vor dem Herren schämen müßten und sie könne gar nicht glauben, dass ein nobler Herr nach ihnen nachfragen würde. Der Wirt erzählte, wie der Herr ihren Knaben auf der Straße getroffen und wie ihm das Kind gar so erbarmt habe. Der Fremde komme von Wien und scheine ein überaus gutes Herz zu haben. Es sei nicht recht von ihr, die wohltätige Hand zurückzuweisen und ihren Kindern die heißersehnte Christfreude zu rauben. Jetzt siegte bei der Frau die Mutterliebe; sie ging, sich und die Kinder anzukleiden, dann machten sich alle drei mit dem Wirt auf den Weg. — Als sie das Gasthaus erreichten, kam die Frau Wirtin schon bei der Türe heraus, grüßte freundlich, nahm das zitternde arme Weib unter den Arm und führte es mit ihren Kindern eine Treppe hinauf. Droben öffnete sie eine Tür und schob die drei Leutchen vor sich in ein behaglich erwärmtes, lichtschimmerndes Gemach hinein. Die Mutter und die Kinder blieben überrascht beim Eingang stehen. Am oberen Ende des Zimmers stand ein weißgedeckter Tisch und darauf ein hochragender, von Licht und Glanz umfluteter Christbaum, viele prächtige Geschenke lagen unten herum. Die armen Leute waren wie gebannt und ließen ihre trunkenen Augen an den Herrlichkeiten haften. Da schob sie aber die Wirtin näher an den Tisch und sagte lächelnd: „Geht nur hinzu — das hat euch das Christkind gebracht; es gehört alles euch." „Ihr macht wohl Spaß mit uns," flüsterte Frau Permer. „Durchaus nicht," entgegnete die Wirtin, „greift nur zu!" Es waren eine Menge warmer Kinderkleider da, Zuckerwerk und Spielsachen, auch ein Frauenmantel mit Pelzkragen und verschiedene andere Kleidungsstücke. „Ich kenn mich rein nicht aus," hauchte die arme Frau, „oder ist alles nur ein Traum?" „Nein, es ist schon Wirklichkeit," lächelte die Wirtin, „das Christkind ist soviel gut." „Und wem gehören denn die Frauenkleider da?" fragte das arme Weib. „Die werden wohl für Euch passen." „O nein, nein! — Ich müsste mich schämen mit diesen noblen Kleidern, wir sind so schrecklich arm und heruntergekommen."

Da ging die halbangelehnte Tür des anstoßenden Zimmers auf und der fremde Herr mit dem dichten, schwarzen Vollbart trat heraus. Als er die junge, abgehärmte, aber immer noch hübsche Frau, die bleichen Kinder in ihren armseligen und doch reinlichen Kleidern erblickte, ging es wie eine Erschütterung durch seinen Körper. Er fasste sich aber schnell und sagte freundlich zu dem Knaben: „Siehst du Hänsele, das Christkind ist schon noch gekommen; es hat für euch da den Tisch decken lassen und euch herrufen. — Weißt, sehen läßt sich das Christkind nie." Frau Permer ging weinend auf den Fremden zu, ergriff dessen Hand und küsste sie mit den Worten: „O lieber, guter Herr, das ist zuviel, das können wir nicht annehmen." „Was das Christkind bringt, darf man nicht ablehnen," sagte der Mann. „O lieber Herr, ich weiß nicht, warum Ihr so gut mit uns seid .... Es hat sich schon lange um uns niemand mehr gekümmert," schluchzte das Weib. „Ihr seid wohl recht verlassen? Euer Mann ist gestorben, gelt?" „Er ist fort und wahrscheinlich gestorben." „Hat er Euch also verlassen?" „Er hat sich so viel geschämt — er hat nicht anders können." „Ja, hat er etwas Schlechtes angestellt?" „O nein, nein, nein! Schlechtes nicht, gewiss nicht! Er ist nur viel zu gut gewesen, zu leichtgläubig. . . Aber, lieber Herr, schenkt mir das Erzählen, es tut soviel wehe." „Und Ihr wisst nicht sicher, ob euer Mann gestorben ist?" „Einer, der von Amerika kam, hat es erzählt und es wird wohl so sein, sonst hätte der Jos längst von sich was hören lassen und mir geschrieben . . . Wir haben uns so gern gehabt." „Die Briefe konnten ja verloren gegangen sein oder auch falsch adressiert sein." „Möglich wärs wohl, wir haben auch unseren Aufenthalt immer gewechselt; — aber es ist so lange her." „Das ist kein Grund, die Hoffnung aufzugeben. Wenn ich Euch von Eurem Gatten Nachricht bringen würde, tätet Ihr mir danken?" „O Herr, Herr — lieber Herr!" stürmte die Frau, „Ihr wisst etwas von ihm! Redet, ich bitt Euch, redet." „Er schickt euch diese Weihnachtsgaben," sagte gerührt der Mann. „Er? Der Jos?" schrie die Frau in höchster Erregung, „sagt, sagt, wo ist er denn, damit ich ihn suchen kann? Bis ans Ende der Welt geh ich ihm nach."

Der Mann trat einen Schritt näher und sagte weich: „Ja, Moidl, kennst du mich nicht mehr?" Da flog das Weib an seinen Hals und weinte: „Jos, ists möglich? — Du bists selber — mein lieber Jos!" Lange hielten sie sich umarmt, dann schob die Frau die zwei Kinder heran und sagte: „Mariele, Hänsele, schaut, das Christkind hat euch den Vater wieder gebracht! .... Geht her, gebt ihm die Hand." Der Vater hob die Kinder zu sich empor und küßte sie unter Tränen. Dann erzählte er, wie es ihm ergangen. Er habe sich tatsächlich vor den Leuten und besonders vor ihr, der Moidl, so geschämt, dass er nimmer gewagt hat, ihnen vor die Augen zu treten; darum sei er nach Amerika geflohen. Oft habe er Briefe an sie, die Moidl, geschrieben und auch Geld geschickt.... Die meisten Briefe seien als unbestellbar zurückgekommen, die anderen sowie das Geld müssten verloren gegangen sein. — In Kalifornien sei er gar nicht gewesen, sondern in Alaska. Er habe viel Gold gefunden, sei jetzt mehr als reich, könne alle Schulden bezahlen, das Geschäft in Zaisberg wieder kaufen und es blieben ihm noch viele Tausende übrig. „Jos, weil ich nur dich wieder hab!" schluchzte die Frau, „das freut mich mehr, als wenn die ganze Welt uns gehören tät."

Die drei Beglückten kehrten nicht mehr in ihre armselige Wohnung zurück; sie blieben beim Vater im Gasthaus, wo sie in warmen, weichen Betten schliefen und einen seligen Weihnachtstraum träumten.


Gemälde von Adolf Seuffert, dem früh verstorbenen Sohn des ehemaligen Schuldirektors Karl Seuffert aus Hinterstoder

Frohe Weihnachten

 

Gemälde von Dr. Helmut Schachner

Freitag, 18. Dezember 2020

Hans Hammerstein-Equord, ein Minister und Dichter aus Micheldorf .

Dieser Text aus "Literatur und Musik" wurde etwas gekürzt und der heutigen Schreibweise angepasst. 

Für Hans August Freiherr von Hammerstein-Equord war trotz Paragraphen und Akten die Welt ein holdes Wunder geblieben. Er sah die blaue Blume blühen und hat darüber ein Märchen geschrieben. Ein dichtender österreichischer Beamter — seit Grillparzer war das nichts Außergewöhnliches mehr, ja es schien fast, als vermöchte die Luft österreichischer Ämter und Kanzleien in besonders nachhaltiger Weise zum kreativen Schaffen anzuregen.
Er ist nicht dämonisch, wild und revolutionär wie der Grafiker und Schriftsteller Alfred Kubin, aber er ist derselbe Romantiker von Geblüt. Man könnte vielleicht weiter gehen und ihn den letzten Romantiker nennen. Und er selbst fühlt sich wohl als solcher, und ist sich dessen zweifellos bewußt. Er schreibt Romane wie „Roland und Rotraut“, „Ritter,Tod und Teufel", „Februar", "Mangold von Eberstein", und alle, mögen sie im modernen Lebensumkreis spielen oder in verschollener Zeit, sind auf eine höhere Ebene der Betrachtung erhoben. Sie sehen die Welt aus der Entfernung und durch Schleier. Sie weichen der allzu krassen Wirklichkeit aus. Dabei aber sind sie von einer nicht gewöhnlichen Kraft der Darstellung, und sie beweisen vor allem, dass sich Hammerstein von einer Untugend der Romantik freizuhalten gewusst hat. Er ist nie zerfahren, nie unklar, nie verschwommen, nie zuchtlos, er ist ein Stilkünstler von strengster Disziplin, der sein Handwerkszeug immer sicher meistert. So gelingt ihm ein ausgezeichneter Roman, wie es „Ritter, Tod und Teufel“ ist, es gelingt ihm ein tiefbesinnliches Märchen "Der Glassturz". Als romantischer Psychologe weiß er Verborgenes aus den Menschen herauszulesen, als romantischer Wanderer weiß er der Landschaft Geheimnisse zu entreißen. Er ist, als Erzähler, auf der Höhe, die ihm erreichbar ist. Neben diesem epischen Werk schafft er reiche lyrische Werke wie sein erstes Gedichtbuch „Zwischen Traum und Tagen“. Die Formkunst Hammersteins läutert sich hier zu ihrem reinsten Glanz, seine visionäre Wucht ist oftmals bezwingend und packend. Es gelingen ihm schöne Gedichte, die es wohl verdienen würden, dass sie von vielen gelesen und geschätzt würden, Gedichte, die den ganzen Reichtum dieses Mannes zeigen. Eines Mannes, der von seinen Fahrten ins Land der Romantik soviel Schönes mitbrachte und dem es widerfuhr, dass er zwischen Traum und Tag die blaue Blume der Romantik fand.

Hans von Hammerstein-Equord (geb. 1891, gest. 1947) war lange Jahre Leiter der Bezirkshauptmannschaft Braunau, wurde 1933 Sicherheitsdirektor von Oberösterreich, 1934 Staatssekretär für Sicherheitswesen, war dann als Sektionschef im Bundeskanzleramt tätig und gehörte 1936 dem Kabinett Schuschnigg als Justizminister an. 1938 wurde er außer Dienst gestellt und nach dem 20. Juli 1944 (Hitler-Attentat) verhaftet. Bis zur Befreiung durch die Alliierten war er in verschiedenen Konzentrationslagern gefangen und entging nur wegen des Kriegsendes der vorgesehenen Ermordung. Hans von Hammerstein-Equord starb 1947 mit 66 Jahren in Pernlehen bei Micheldorf und ist in Kirchdorf begraben.
Hans Hammerstein-Equord, war ein Urenkel des Dichters Friedrich von Stolberg
und von 1935 bis 1938 Präsident des Österreichischen Pen-Clubs.

Über die Widmung von Hans August Freiherr von Hammerstein-Equord in seinem Buch "Roland und Rotraut" für Pfarrer Konrad von Kirchdorf:

Diese Verse nach der Weise der gaja szienza mittelalterlicher Vaganten (umherziehende Sänger) schrieb ich im Oktober 1913 in eines der ersten Exemplare des damals eben erschienenen Märchenromans „Roland und Rotraut", des zweiten Buches, mit dem ich vor die Öffentlichkeit trat, und widmete es damit dem Pfarrer Konrad, mit dem mich sozusagen auf die erste Begegnung hin eine tiefe und feste Freundschaft verbunden hatte.

Pfarrherr zu Kirchdorf, Vogel, der Haide,
schweifender Conrad im schwarzweißen Kleide, 
säumigster aller Aktenerlediger,
Taktstockschwinger und Goetheprediger!
Nicht schürst Du Sündern den höllischen Ofen,
bekehrst sie mit Mozart und Beethoven.
Himmlisch sind Deine klingenden Künste,
irdisch sind meine Musengespinste.
Oft, wenn ich Dir lausche im Chorgestühle,
wallen sie auf mir wie Nebelgewühle,
das Frühwind aufstört aus Alpentiefen, 
fangen Gebilde, die lang in mir schliefen,
beim Orgelbrausen an sich zu regen
und brauen düster dem Himmel entgegen.
Von Klängen gehoben sie wogen und wallen,
bis sie gestaltet im Lichte sich ballen.

Hans  Freiherr von Hammerstein-Equord

Freitag, 11. Dezember 2020

Das "Raubwild" und "Raubzeug"

Am 2. Februar 1945, kurz vor Ende des 2. Weltkrieges berichtete die "Oberdonau-Zeitung" unter dem Titel "Das "Raubwild und Raubzeug" über Füchse, Marder  und Raben etc. im  Monatsspiegel für Naturschutz.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und an die Schreibweise unserer Zeit angeglichen.


Wenn im tiefen Winter die eiskalten Nächte über den im Rauhreif starrenden 
Wäldern stehen, dann hat auch der sonst so findige Fuchs schwere Nahrungssorgen und der unbarmherzige Hunger treibt ihn zu unverschämten Räubereien. Manchem Bergbauern, der seinen Hühnerstall nicht sehr sorgfältig verwahrt hat, hat er schon um mehr als die Hälfte seines Geflügelstandes gebracht. Hasen und Wildhühnern stellt er mit besonderer Hartnäckigkeit nach und selbst das Reh, das mit seinen schmalen Schalen tief in den Schnee einbricht und nur mühsam fortwaten kann ist vor seinen Angriffen nicht sicher, wenn die Harschdecke den heißhungrigen Rotrock gerade noch trägt.

Unter solchen Umständen ist es begreiflich, dass der Jäger dem Fuchs keine Schonzeit zubilligt und ihm, wo er sich stärker vermehrt, mit Büchse und Hund aber auch mit weidgerecht gestellten Fallen scharf zusetzt. Die „führende Fähe“ (Füchsin mit Jungen) aber genießt vom 15. März bis zum 16. Juni Schonzeit, wie überhaupt das Jagdgesetz gemeinsam mit dem Naturschutzgesetz dafür sorgt, dass keine einheimische, wildlebende Tierart ausgerottet wird. Man ist durch Schaden klug geworden. Als vor etwa 50  Jahren (1895) in einem großen Jagdrevier alle Jäger mit dem Vorsatz zusammentraten, das gesamte „Raubwild"  wie z.B. Füchse, Fischotter, Edel- und Steinmarder, Adler und Falken) sowie alles „Raubzeug“ (Habicht, Sperber, Krähen, Elstern, großes und kleines Wiesel) vollkommen auszurotten und dies auch gründlich durchführten, wurde ihre Erwartung auf eine bedeutende Verbesserung des Nutzwildstandes nur im ersten darauffolgenden Jahr bestätigt. Dann aber setzte ein katastrophaler Rückgang ein. Tierseuchen rafften massenweise Hasen und Wildhühner dahin denn es fehlte die „Wald- und Feld Gesundheitspolizei". Außerdem hatten die Landwirte eine furchtbare Mäuseplage.
Die aus alten Lehrbüchern übernommenen Begriffe „nützlich" und „schädlich“ sind meist nur sehr bedingt zu verstehen. So wird der Fuchs in manchem Hochwildrevier kaum als besonderer Schädling anzusprechen sein; andererseits kann er in Niederjagdgebieten besonders in Fasanerien, großen Schaden stiften. Er ist dabei aber ein vorzüglicher Mäusevertilger und frißt auf seinen Streifzügen unzählige Schadinsekten. Viel Unklarheit besteht in Laienkreisen über die rabenartigen Großschnäbler, von denen die drei Krähenarten: die einfach-schwarze gemeine oder Rabenkrähe, dann die schwarz und grau gezeichnete Nebelkrähe und die blauschwarz schillernde Saatkrähe zwar recht gute Mäusevertilger, aber — ebenso wie die Elstern und Häher — arge Nesträuber sind und keine Schonzeit genießen. Die genannten drei Schwarzröcke sind im tiefen Winter ganz vertraute Erscheinungen. Ihr großer Vetter aber, der mächtige Kolkrabe, ist lange schon aus dem Bereiche der Stadtränder verschwunden wo er noch, vor nicht allzu langer Zeit, an den dort zur allgemeinen Warnung errichteten Galgen seinen „Rabenbraten“ fand (Galgenvogel!). Jetzt hat er sich in einsame Gebirgstäler zurückgezogen, gilt uns — ebenso wie Adler und Uhu — als lebendes Naturdenkmal und hat das ganze Jahr Schonzeit.
Die Verbundenheit von Jagd- und Naturschutzgesetz, aber auch mit dem Tierschutz, geht aus den Verordnungen über das Fallenlegen hervor. So dürfen Schlageisen im Jagdrevier nur vom Forstbeamten und Berufsjäger ausgelegt werden. Sehr wesentlich ist die „optische Tarnung“ von Fuchs- und Marderfallen gegen Raubvögel, von denen bekanntlich alle — mit Ausnahme des Hühnerhabichts und des Sperbers — geschützt sind. Der Köder soll vom Fuchs nur durch den Geruch gefunden werden. Erst kürzlich ist im benachbarten Niederösterreich ein Seeadler in ein nicht genügend getarntes Fuchseisen geraten und auf gleiche Art hat Oberösterreich einen seiner wenigen herrlichen Steinadler im Sengsengebirge verloren. In einer Zeit, in der wir um so viele Kulturwerte gebracht werden, ist es um so mehr Gebot der Stunde, den Reichtum unserer Heimatnatur zu wahren, der eine dauernde Quelle unserer Kraft bleiben soll. 
                                                                                     Dr. Heinrich Seidl





Freitag, 4. Dezember 2020

Schulrat Rudolf Kusché - Lehrer und Heimatforscher aus Windischgarsten.

Rudolf Kusché wurde am 18.7.1908 in Gallsbach geboren und starb am 1.12.1987 in Windischgarsten.

Heimatmuseum in Windischgarsten

Für das interessante, sehenswerte Heimatmuseum in Windischgarsten opferte er viel Zeit und Energie. 

Als Lehrer wirkte er in Kirchdorf, Großraming, Weyer und Windischgarsten. Er leistete Großartiges, um altes Volksgut und Brauchtum zu erhalten. Aber nicht nur das. Neben seinem Beruf schnitzte er, bemalte und restaurierte alte Möbel mit viel Liebe und Begeisterung. Vieles von dem Wissen unserer Vorfahren hat er damit für Generationen bewahrt und wir können es in seinen Aufzeichnungen "Leutgeschichten“ und "Gold, das nicht glänzt“ nachlesen.

Auch der jährlich am 5. Dezember stattfindende Niglo–Umzug in Windischgarsten, den Herr Schulrat Kusché wieder belebte, ist gelebtes Brauchtum aus der Pyhrn–Priel Region. Dieser Brauch wurde sogar 2011 von der UNESCO Kommission zum immateriellen Kulturerbe Österreichs erhoben. 

Eine bunte Gesellschaft bestehend aus Niglo-Herrn, Niglo-Frau, Engel, Teufeln, Zwergen, Habergeiß, Klaubauf, Leut´zammfresser, Grassertmandl und dem
St. Nikolaus versammelt sich beim Heimathaus und zieht in einer Prozession zum Rathaushof.
Dort stellt der Niglo–Herr die Figuren mit einem Gedicht von Schulrat Rudolf Kusché vor und der Sankt Nikolaus beschenkt die Kinder.



Mit vielen seiner Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften und Bücher hat Schulrat Rudolf Kusché dazu beigetragen, Vergangenes zu bewahren und in Erinnerung zu behalten.

Z.B. Den Brand von Spital 

Es ist ein Herbsttag des Jahres 1841. Ein warmer Südwind stürzt über den Pyhrgas und Bosruck herab ins Tal. Trocken und ausgedörrt liegen Felder und Wiesen.
Aus einer kleinen Hütte nahe dem ehemaligen Stift züngeln plötzlich Flammen. Der Herbstföhn facht das Feuer an, und bald brennt die ganze Hütte lichterloh. Die Funken stieben auseinander. Der stürmische Wind trägt sie über Dorf und Stift. Schon lodern auf den Dächern Brände auf. Hilflos rennen die Menschen zwischen den brennenden Häusern umher und versuchen zu löschen. Doch alles ist vergebens. Balken bersten, Gemäuer krachen und plötzlich stürzen auch die Kirchtürme ein. Die große Hitze bringt sogar die Orgelpfeifen zum Schmelzen. Der Sturm trägt glühende Metallfäden aus den Fenstern. Nur das Kirchengewölbe hält stand, die Stiftsgebäude aber brennen fast alle nieder.

Wie durch ein Wunder blieb das berühmte Wandgemälde hinter dem Altar von Bartolomeo Altomonte von den Flammen verschont, aber es war durch die dichten Rauchschwaden in der Kirche ganz schwarz geworden. Das Gemälde mußte später mit Brotkrumen gereinigt werden.

                                                                                                  Rudolf Kusché


Freitag, 27. November 2020

Die Eisenwurzen, eingebettet zwischen den Bergen.

Der Artikel aus der Oberdonau Zeitung vom 22.6.1943 von Schulrat Rudolf Kusche wurde etwas gekürzt und der heutigen Schreibweise angepasst. 

Mit "Eisenwurzen" gemeint ist der schöne Fleck Erde unseres Landes, der zwischen Totem Gebirge und Phyrgas, zwischen Nock und Warscheneck liegt. Die Täler sind nicht nur wunderschön, sie ernähren auch seit alter Zeit ihre Bewohner.

Die bayrischen und fränkischen Siedler hatten es nicht leicht, dem Wald und den Mooren den Boden zu entreißen um ihm ihr tägliches Brot abzuringen. Zugleich mussten sie den Kampf gegen die "Windischen" führen, die von Süden her eingedrungen waren. Aber sie haben es geschafft. Und weil dieses Land ihnen noch mehr zu geben hatte als Ackerboden, machten sie sich die Fülle des Waldes und die Kräfte des Wassers dienstbar. Der Wald gab Holz, die Köhler brannten Holzkohle und das Wasser konnte Mühlen treiben und Hämmer in Bewegung setzen. Und so wurde unser Gebiet einbezogen in den großen Kreis rund um den steirischen Erzberg, genannt die Eisenwurzen.

Fuhren mit Holz und Kohle rollten hinüber nach Eisenerz, zum Erzberg in das Gebiet der Schmelzöfen. Auf dem Rückweg hatten sie Roheisen geladen. Sie brachten es den Schröckenfux und Pießlingern in Roßleiten, den Grünauern und Weinmeistern nach Spital und Rosenau. Die dann daraus Sensen, Sicheln und Messer fertigten. Unseren Bauern gab das Arbeit. Sie gingen im Winter ins Holz, sie kohlten und fuhrwerkten für die Sensenhämmer. Die Gulden und Kreuzer, die sie dabei verdienten, waren ihnen eine Hilfe über manches schlechte Jahr, das ihnen der karge Boden und die späten Fröste brachten. So war aus dem Bauer auch ein Sensenschmied geworden, ein Holzknecht und ein Fuhrmann. Die Straße, die alte Verkehrslinie über den Pyhrn seit der Römerzelt, war nun auch Lebensader. Und nicht nur die Pyhrnstraße, eine zweite Straße führte über den Hengstpaß und über St Gallen weiter, eine dritte über den Haslersgattern nach Molln. An der Stelle, wo sich diese drei Straßen gabeln, entstanden Einkehrgasthöfe für die Fuhrleute, die man Tafernen nannte.

Sie waren der Anfang des Marktes Windischgarsten. So war Windischgarsten der natürliche wirtschaftliche Mittelpunkt des Tales geworden. Der vielfältige Verkehr brachte es mit sich, dass viele Bürger nicht über "den Zaun" zu heiraten pflegten. Sie holten sich vielmehr ihre Frauen aus dem Gebiet der Eisenwurzen. Dabei mochte sich mancher Fuhrmann einen schönen Kuppelpelz (Vermittlung einer Ehe) verdient haben.

Kulturell und politisch aber war das Tal vom Stift Spital abhängig. Um auch die Pyhrnstraße, als die Straße nach Rom der Kirche zu sichern, gründete im Jahre 1190 Bischof Otto II. von Bamberg dort ein Hospital. Durch Schenkungen geriet fast die ganze Eisenwurzen in Abhängigkeit des Stiftes Spital. Der Propst von Spital nahm von den Bauern und Bürgern des Tales Zehent und Robot (Steuern) und er saß über sie zu Gericht. Kein Wunder, dass sie diesen Zustand drückend empfanden und „unruhige Bewegungen“ im Tal entstanden. Die Untertanen des Klosters Spital waren fast alle "lutherisch" (Protestanten) geworden. Doch die Gegenreformation bereitete dem Aufstand ein blutiges Ende. Graf Gotthart v. Starhemberg kam 1595 mit einer Schar Soldaten und ließ acht Windischgarstner- und Stodertaler Bürger und Bauern, die "lutherisch" waren, hängen. Im 16. Jahrhundert aber war die Zeit noch nicht reif für einen Bauernaufstand. Der Propst hatte gesiegt und die Bauern standen an den Zinstagen wieder mit ihren Fuhrwerken Schlange, um ihren Zehent an ihren geistlichen Herrn abzuliefern. Sie wurden vom Pfleger (fürstlicher Beamter, Richter) in Spital in Eisen geschlagen (in das Gefängnis geworfen), wenn sie sich etwas zu Schulden kommen ließen.

Bis das Freiheitsjahr 1848 schlug ("Bauernbefreiungsgesetz" durch Hans Kudlich). Da hörte all der Jammer auf. Das Pflegschaftsgericht wurde ein Amtsgericht. Es konnte sich aber in seiner Randlage in Spital nicht halten und wurde einige Jahre später laut kaiserlicher Verfügung nach Windischgarsten verlegt. Es hat von seiner Bedeutung nichts verloren, wenn auch mancher Eisenhammer seither verstummt ist. Die Straßen führten es aus der Vergangenheit in die Zukunft. 

Hinterstoder  von E.T. Compton

Vorderstoder

Windischgarsten

In Frankenburg mußten Bauern um ihr Leben würfeln.


Hans Kudlich der Bauernbefreier


An der Linde neben der Filzmoser Kapelle
 in Vorderstoder wurden drei Bauern gehängt.


Köhler aus Windischgarsten


Sensenschmied aus Roßleiten

                                                                                     

Freitag, 20. November 2020

Peter Rosegger zu Besuch in Windischgarsten

Am 1. August 1912 saß auf einem Bankerl vor der Kalvarienbergkirche in Windischgarsten ein berühmter Dichter. Er war an die 70 Jahre alt, herrisch gekleidet und genoß die ruhige Mittagsstunde und den weiten Blick auf Windischgarsten. Im ganzen deutschen Sprachraum und weit darüber hinaus waren seine Werke bekannt, denn seine Bücher sind in viele Sprachen übersetzt worden. Der steirische Schriftsteller Peter Rosegger (geb. 1843, gest. 1918) war beim damaligen Bürgermeister von Windischgarsten, Franz Schröckenfux, zu Besuch um einige Tage Urlaub zu machen.

Man kann nur vermuten wie der Dichter aus Krieglach und der Bürgermeister aus Windischgarsten miteinander bekannt geworden sind. Vermutlich hat der Gewerke (Sensenfabrikant) Schröckenfux den Dichter einmal in seiner Heimat besucht, weil er nach Daten für seine Häuser und Sensenchronik gesucht hat. Die Mürztaler Sensenschmiede waren daher ein interessantes Gebiet zum Nachforschen für ihn. Bei dieser Gelegenheit dürfte Schröckenfux Peter Rosegger eingeladen haben. Es gefiel ihm in Windischgarsten sehr gut und er plante gleich im selben Jahr noch einmal zu kommen. Leider verhinderten seine Asthmaanfälle und seine Schlaflosigkeit einen weiteren Besuch.

Herr Schulrat Kusche, der in seinen „Leutgeschichten“ von diesem Besuch berichtete, besitzt sogar noch ein Schreiben von Rosegger an Schröckenfux in dem er von seiner Krankheit berichtet und versichert, sobald es ihm besser geht … Zitat aus dem Brief: “ So gute Tage, wie der erste August es war, sind selten. Indes, die Hoffnung aufs Besser werden verlässt den Menschen nie, vielleicht wird doch auch mein Traum von schönen Windischgarstner Tagen noch wahr!“

Über eine Prophezeiung von Peter Rosegger sollte man nachdenken: Je länger der sogenannte Volkswohlstand dauert, je häßlicher wird das Land. Die Wälder werden abgeholzt, die Berge aufgeschürft, die Bäche abgeleitet und verunreinigt. Die Wiesen werden mit Fabriken besetzt, die Lüfte mit Rauch erfüllt. Die Menschen unruhig, unzufrieden und heimatlos gemacht. Und so fort. Und alles des Geldes wegen.  

Damals konnte man Windischgarsten schon per Bahn erreichen. Der Dichter konnte gratis reisen, denn die k.k.Staatsbahnen hatten ihm 1889 eine Freikarte 1.Klasse verliehen. Rosegger fuhr sehr gerne mit der Bahn. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, jede Strecke sobald sie eröffnet war, zu befahren und kennen zu lernen. Er war bald nach Eröffnung des Bosrucktunnels 1906 von Graz nach Linz gefahren. Nachstehend ein Link zu einem Bericht in dem er von dieser Fahrt berichtet.

https://stodertalfreunde.blogspot.com/2019/10/eine-eisenbahnfahrt-durch-den.html

Peter Rosegger


Freitag, 13. November 2020

Es soll nicht ungesühnt bleiben

Am 20. März 1946 berichtete die Zeitung "Neue Zeit" vom qualvollen Marsch von etwa 1500 Juden die von NS-Volkssturmleuten im April 1945 von der Steiermark kommend über den Pyhrnpass nach Oberösterreich getrieben wurden. Wenige Tage vor Ende des 2. Weltkrieges sollten sie in das Konzentrationslager Mauthausen gebracht werden. Viele davon mussten in den letzten Tagen des Krieges sterben.
Zum besseren Verstehen wurde der Artikel etwas gekürzt und geringfügig der heutigen Schreibweise angeglichen:






Im April 1945 wurden ungarische Juden zu Fuß über Spital am Pyhrn  gegen Linz getrieben, um in ein Sammellager nach Mauthausen zu kommen.
Dem Verhungern nahe, wankten die Unglücklichen dahin. Sie erhielten von der Bewachungsmannschaft weder Speisen noch Trank. Ihre einzige Nahrung waren einige rohe Kartoffeln. Wer am Weg vor Hunger und Schwäche zusammenbrach, wurde von der Wachmannschaft einfach erschossen und verscharrt. Einige dieser niedergeknallten Opfer wurden kürzlich aufgefunden und geborgen.
Der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde, Dr. Friedmann, ist bemüht, das Schicksal der aus dem Elendszug vom April 1945 Verschwundenen aufzuhellen.  In diesem Zusammenhang wurden zwischen Losenstein und Ternberg drei und bei Reichraming sechs erschossene bzw. erschlagene Juden ausgegraben. Zur Bergung der Leichen hatte man ehemalige bekannte Illegale, herbeigeholt. Unter der Aufsicht des seinerzeitigen Partisanenführers von Losenstein, Anton B. und im Beisein der Ortsgendarmen holten sie die Überreste der unglückseligen Opfer brauner Barbarei heraus, an denen der bei der Exhumierung anwesende Arzt 
Dr. Lederer in drei Fällen Verhungern als Todesursache feststellte. Man begnügt sich nicht damit, die Opfer zu bergen, sondern ging auch daran, die Schuldigen an deren schrecklichem Tod, der Sühne zuzuführen.
Am 13. März wurde bereits ein Teil der Personen, die damals als Begleitpersonen an dem Judentransport teilnahmen, durch die Gendarmerie verhaftet und dem Kreisgericht Steyr eingeliefert. Weitere Verhaftungen sollten bevorstehen.


Baronin Mary von Holzhausen, die in Klaus am Baderkogl wohnte, riskierte ihr Leben, indem sie den Häftlingen zu essen gab. Eine Gedenktafel erinnert daran.


In der Gemeindechronik von St. Pankraz wird über diesen Todesmarsch folgendes berichtet: “Am 17.4.1945 wurden durch St. Pankraz ca. 800 Juden getrieben, dabei wurden 3 wegen Marschunfähigkeit vom Transportführer erschossen und an Ort und Stelle verscharrt. Am 22. 5. 1945 wurden diese 3 Leichen wieder ausgegraben und im Ortsfriedhof zu St. Pankraz beigesetzt. Die hier erwähnten Morde fanden statt: Einer auf der Waldner Höhe, einer beim Krengraben (St. Pankraz) und einer hintern Gasteig (Steyrer Brücke). 1968 wurden alle Opfer exhumiert und vom Friedhof in St. Pankraz in die Gedenkstätte Mauthausen, Quarantänefriedhof, Feld 20 überführt“.

Zwei Frauen erinnern sich noch heute daran. So etwas ist nicht zu vergessen: „Häftlinge sind auf der Straße durchgetrieben worden wie bei einem Viehtrieb. Ich war damals als Dirn in der Landwirtschaft tätig. Ich bin an diesem Vormittag mit der Jause auf die neben der Straße liegende Wiese gegangen, einen Brotlaib unter dem Arm. Ein ganzer Schwung von Häftlingen ist mir entgegengelaufen. "Mensch verschwind sunst daschiaß i di, du Trampl", war die drohende Stimme des Wachtpostens. Ich habe ihnen den Brotlaib zugeworfen. Recht hast g´habt, hat später die Bäuerin zu mir gesagt.

Auch am Wohnhaus von Baronin Mary v. Holzhausen zog dieser Elendszug vorbei: Wie Schafe sind sie auf die Wiese gegangen und haben Gras gegessen. Als die Baronin einen Häfen Erdäpfel hinausstellte, entging sie nur mit Glück einer Verhaftung.

Wie es eine Eintragung in der Gendarmerie-Chronik bestätigt, war der Zug in St. Pankraz nur mehr 800 Personen stark. Handelte es sich tatsächlich um jenen Transport, der in Graz abgegangen war, so war er bis zur Landesgrenze auf 2/3 seiner ursprünglichen Größe, also um rund ein drittel reduziert worden, was soviel heißt, dass mehr als 400 Menschen ihr Leben lassen mussten.

Immer wieder hört man, dass beobachtet wurde, wie diese vor Hunger und Anstrengung völlig Entkräfteten und von ihren Bewachern Gepeinigten, Würmer und Schnecken sammelten und vom Straßenrand Gras abrissen. Dies wird auch von Klaus von mehreren Augenzeugen übereinstimmend berichtet. So auch eine damals 22jährige Frau: „Als ich beim Fleischhauer unter dem Schloss, nahe der ehemaligen Schlosstaverne ging, kam ein ganzer Zug elendiger, verhungerter und gänzlich ermatteter Juden daher. Da ich neben der Straße ging, konnte ich alles aus nächster Nähe betrachten. Die Begleiter hatten Schlagstöcke und Gewehre. Sie sind dann hingetrieben worden bis zum Schinagl, sie kamen ja über den Pyhrn. Da war eine große Wiese beim Grübmerhof, dorthin trieb man sie. Dort mussten sie einen Draht herumziehen, dass keiner entweichen konnte. Man kochte ihnen heißes Wasser und goss es in ihr Geschirr. Das Ärgste kommt aber noch. Als sie wieder weggetrieben wurden, war kein Gras mehr auf der Wiese. Es war ca. 10cm hoch gewesen. Sie haben es gegessen.

Freitag, 6. November 2020

Prominente Persönlichkeiten im Stodertal

Gerne waren prominente Persönlichkeiten in Hinterstoder und dem Stodertal. Manche verbrachten hier regelmäßig ihren Urlaub, manche hatten hier einen zweiten Wohnsitz und manche wohnten ständig hier. Zu Allerseelen soll an diese Freunde des Stodertales gedacht werden.



Hilde Zadek (geb. 1917, gest. 2019) Opern-, Konzertsängerin und Gesangspädagogin besaß mehr als vierzig Jahre lang ein Ferienhaus in Hinterstoder.



Ernst Koref, (geb. 1891, gest. 1988) der langjährige Bürgermeister von Linz (1945 bis 1962) der in der Nachkriegszeit sehr viel für unser Land getan hat, verbrachte oft mit seiner Familie den Urlaub in Hinterstoder.




Peter Alexander (geb. 1926, gest. 2011) Sänger, Schauspieler, Entertainer, erholte sich gerne mit seiner Familie im Haus "Prielkreuz" bei Frau Muck.

  


Herbert Boeckl, auf dem Bild mit Studenten, (geb. 1894, gest. 1966) war ein bedeutender Maler und gilt als Vertreter der österreichischen Moderne. Er war gerne Gast in Hinterstoder.


Maxi Böhm (geb. 1916, gest. 1982) Schauspieler und Kabarettist verbrachte hier seinen Urlaub mit Familie.

Oskar Pollak (geb. 1895, gest. 1963) war von 1931 bis 1934 und von 1945 bis 1961 Chefredakteur der Arbeiterzeitung. 

Oskar Just (geb. 1895, gest. 1964) hatte in Hinterstoder seinen Wohnsitz. Er porträtierte in Skandinavien Präsidenten und Minister.



Walter Just (geb. 1921, gest. 2012) war Unternehmer und baute die Firma TRODAT zum Weltmarktführer aus. Den Koglhof in Hinterstoder, den einst der Schöpfer des Schiederweihers besaß, erwarb er als Zweitwohnsitz.

Heribert Sasse (geb. 1945, gest. 2016) war Schauspieler, Regisseur und Theaterintendant. Er war schon als Kind mit seinen Eltern auf Urlaub hier. Seit vielen Jahren wohnte er ständig in Hinterstoder. 

 
 

Freitag, 30. Oktober 2020

Stodertaler "Riesenbauer" als Gastarbeiter in der Türkei

Auf unseren entlegenen, bewaldeten Bergen wuchsen bis zum Ende des
19. Jahrhunderts Urwälder die nicht geschlägert wurden, weil das Holz nicht zu Tal gebracht werden konnte. Um das Holz nützen zu können, begann man Riesen zu bauen, auf denen Holzknechte die Baumstämme im Winter zu Tal gleiten lassen konnten. Diese Riesen überquerten manchmal Täler und Flüsse und mussten deshalb sehr stabil sein. Dabei hatten sich die  Spezialisten aus unserer Gegend, die Riesen bauen konnten, einen so guten Ruf erworben, dass sie bis in die Türkei geholt wurden, um dort zu zeigen wie Riesen zu bauen sind.
Herr Schulrat Rudolf Kusche aus Windischgarsten berichtet davon in seiner Broschüre „Leutgeschichten“ und davon erzählt dieser Beitrag. 

In der Weltwirtschaftskrise 1927, in der bei uns kaum Arbeit zu bekommen war,  stießen Arbeitssuchende aus unserer Gegend auf ein Inserat, in dem Holzriesenbauer für die Türkei gesucht wurden. Die Reise unerfahrenen Holzknechte, für die Kirchdorf schon weit weg war überlegten, wie man zu dieser Arbeit kommen könnte.
Hat nicht der Notar Hornbostl, fragte sich ein Bewerber, einen Bruder der Österreichischer Konsul in der Türkei ist? Über den nahmen fünf arbeitssuchende Männer Verbindung mit der türkischen Gesellschaft auf. Sie bekamen als Reisegeld jeder 40 Dollar zugeschickt und packten ihr Riesenbauerwerkzeug zusammen. Das waren die schmale Lochhacke, die breite Rieshacke, die Asthacke, den Sappel und die Fußeisen. So beladen fuhren sie nach Wien und lösten je vier Visa, ein ungarisches, jugoslawisches, bulgarisches und ein türkisches Visum. Ein D-Zug brachte sie in zwei Tagen, zwei Nächten und zwei Stunden nach Konstantinopel (heute Istanbul).
In der Türkei regierte damals Kemal Atatürk, das heißt "Vater der Türken". Atatürk bemühte sich aus der Türkei ein europäisches Land zu machen.
Fünf Tage hatten die Riesenbauer Zeit sich Istanbul anzuschauen. Dann fuhren sie mit einem Dampfer durch den Bosporus, hinaus in das Schwarze Meer und die Nordküste von Kleinasien entlang. Niemand von ihnen wusste wo ihr Arbeitsplatz lag und mit niemand konnten sie sich verständigen. In der Küstenstadt Sinop, in der sie aussteigen sollten, fanden sie einen Kaufmann der Deutsch konnte und ihnen weiterhalf. Er sagte ihnen, sie sollen ein paar Tage warten, dann kommt ein Motorboot und holt sie ab. Mit diesem Boot kamen sie dann endlich an ihrem Bestimmungsort an. Er hieß Ajantschuk und liegt westlich von Sinop.

Als sie dort ankamen redete sie gleich jemand an: “Seid ihr die Riesenbauer“? Er führte sie in den Hotelgarten des Ortes. Dort saß der Direktor der Firma und besprach mit ihnen die weiteren Schritte. Von diesem Küstenort führte sie am nächsten Tag eine Bahn landeinwärts bis an die Endstation. Zu Fuß ging es bergauf bis 1500 m über dem Meer. Das Gebirge heißt „das Pontische Gebirge“ und ist bis 2000m hoch.

Der Wald, meist Tannen, Föhren und Buchen, aber keine Fichten, reicht bis an den Gipfel des Berges. Der Wald war unberührter Urwald. Es standen Tannen, die waren 50m hoch und hatten in einer Höhe von 35m noch einen halben Meter Durchmesser. Niemand konnte den Wald nützen, weil das Holz nicht geliefert werden konnte. Es gab in dieser Gegend weder Straße noch Bahn. Unsere Riesenbauer hatten die Aufgabe, aus dieser Höhe von 1500m, Riesen hinunter bis zu einer Bahn zu bauen, damit die Stämme mit der Bahn bis zum Meer transportiert werden konnten. Sie zimmerten sich zunächst eine alpenländische Holzknechthütte und aßen Sterz, Teigspatzen und Germnudeln wie in der Heimat. Sie tranken zur Arbeit Wasser, Milch und Joghurt. Fleisch war rar, weil es die Hitze nicht überstanden hätte. Im Sommer war es sehr heiß, aber ohne Thermometer konnten sie nicht sagen wie heiß es war. Die Nächte waren sehr kühl und es regnete wenig. Im Winter hatten sie in 1500m Seehöhe Schnee. Die Türken selbst aßen Fleisch nur an ihren Festtagen. Sie hatten magere Rinder, Schafe und Ziegen.
Brot aßen unsere Landsleute das gleiche wie die Türken. Sie buken den Teig aus Polenta und Weizenschrot auf heißen Steinplatten. Brot, Zwiebel und Joghurt war die Hauptnahrung der Bauern. Da die Türken die Holzarbeit, so wie bei uns, nicht kannten, wurden auch die Rufe der Holzknechte in das Türkische übersetzt. Unsere Riesenbauer versuchten türkisch zu lernen und manchen gelang es sehr gut. Franz Redtenbacher, einer der Riesenbauer sprach türkisch bald so gut, dass ihn die Firma vom Riesenbau abzog und als Dolmetscher auf Baustellen einsetzte.
Inzwischen waren aus Österreich 15 weitere Riesenbauer, die meisten aus dem Bezirk Kirchdorf, nachgekommen und als Partieführer eingesetzt worden. Franz Redtenbacher hatte als Dolmetscher viel zu tun. Er vermittelte wenn die Einheimischen eigenmächtig die Partie (ihre Arbeitsgruppe) wechselten, wenn es sie in das ein paar Tagesmärsche entfernte Dorf heimzog oder sie sich einfach zu einem Schläfchen in die Büsche schlugen.

Aber nach zwei Jahren zog es unsere Riesenbauer zurück in die Heimat. Sie hatten in der Türkei im Tag etwa 15 österreichische Schillinge verdient. Das war dreimal ein österreichischer Tageslohn. Ein türkischer Arbeiter verdiente
3 Schilling am Tag. Sie waren ja auch als Facharbeiter in die Türkei gerufen worden und das ist der Unterschied zwischen einem österreichischen Gastarbeiter in der Türkei und einem Türkischen, der heute nach Österreich kommt.
                                                                                                







In der Gegend von Sinop arbeiteten unsere Riesenbauer

Freitag, 23. Oktober 2020

Josef Werndl - Fabrikant und Arbeitgeber für die ganze Region

Für das Stodertal und überhaupt für das ganze Pyhrn/Prielgebiet war die Waffenfabrik Josef Werndls in Steyr vor rund 150 Jahren ein wichtiger Arbeitgeber. Viele Stodertaler gingen unter der Woche in Steyr zur Arbeit und kamen nur am Wochenende heim. Oft versorgten ihre Frauen die Kinder, eine kleine Landwirtschaft und manchmal auch noch die Großeltern ganz alleine.
In der Waffenfabrik wurden riesige Mengen an Holz gebraucht, die hauptsächlich die Stodertaler Bauern lieferten und für die das natürlich ein wichtiges Einkommen war.

Eine Arbeitsgemeinschaft Steyrer Lehrer hat die Entstehung und den Werdegang von Josef Werndls Unternehmen aufgezeichnet. 

1831 - wurde Josef Werndl in Steyr geboren. Er starb 1889 in Steyr.
1855 - übernimmt er von seinem Vater Leopold Werndl dessen veralteten Betrieb             und konstruierte mit seinem Meister Holub ein Hinterladergewehr. Das                 Gewehr wurde maschinell hergestellt und in die ganze Welt exportiert.
1866 - Elektrische Geräte und Maschinen wurden in das Programm aufgenommen.
1869 - wurde die Firma eine Aktiengesellschaft mit dem Namen “Österreichische              Waffenfabriks-AG“
1874 - feierte die Firma den 10jährigen Bestand mit 4500 Beschäftigten.
1884 - Besuch von Kaiser Franz Josef I anlässlich der Industrieausstellung in                  Steyr. Durch die Herstellung von Bogenlampen und wasserbetriebener                  Dynamos konnte die erste elektrische Beleuchtung am Kontinent gezeigt              werden. Der Betrieb zählte zu dieser Zeit bereits 9000 Beschäftigte.
1886 - Einführung des Jagdgewehrs „Steyr-Mannlicher/Schönauer“. Benannt nach den Konstrukteuren des Gewehrs.
1889 - 29. April plötzlicher Tod Josef Werndls. Damals beschäftigte die Firma bereits ca. 10.000 Mitarbeiter.
1894 - Enthüllung des Werndl-Denkmals mit Figuren von Viktor Tilgner auf der Handel–Mazzetti-Promenade. 
1903 - Während in Steyr „Mannlicher-Schönauer Jagdgewehre hergestellt 
urden,             fertigte in Graz Johann Puch Fahrräder und konstruierte 1906 versuchsweise ein Auto.       
1918 - nach dem verlorenen 1. Weltkrieg durften keine Waffen mehr erzeugt werden und deshalb wurde die Waffenfabriks AG 1926 in die Steyrerwerke AG umgewandelt und es wurden Autos gebaut. 
1934 - Fusion der Steyrerwerke AG mit Austro-Steyr-Daimler-Puch AG. Daimler in Wr. Neustadt wird still gelegt und in Steyr werden Autos erzeugt. In Graz Fahrräder.
1939 - Umstellung auf Rüstungsaufträge (Waffen und Heeresfahrzeuge).
1941 - Bau des Rüstungswerkes Graz Thondorf
1946 - nach Kriegsende Herstellung des 3t-LKWs.
1947 - Aufnahme der Traktorenproduktion nach dem 2. Weltkrieg. 1915 wurde bereits der erste Traktor in Steyr gebaut.
1948 - Produktion der ersten Diesel LKWs.
1959 - Ankauf der Saurer Werke AG
1964 - 100 Jahr Feier der Steyr-Werke gemessen an der Eintragung der Werndl Fabrik in das Handelsregister.


Der Fabrikant Josef Werndl war aber auch ein großzügiger stets zu Scherzen aufgelegter Mensch, den seine Arbeiter und Angestellten wirklich mochten.
Auch seine Freunde am Stammtisch schätzten ihn sehr, wie diese Anekdote aus der "Presse" zeigt.

Ein kleiner Eisenbahnbeamter aus der Stadt Steyr genoss, wegen seiner freundlichen Art das Vergnügen und die Ehre, jener Tischgesellschaft zugezogen zu werden, in welcher Josef Werndl in großzügiger Weise dafür sorgte, dass der gute Spaß nicht ausgeht.
Der kleine Eisenbahnbeamte hatte einen struppigen roten Vollbart und war auf diese Zier nicht wenig stolz. Da fiel es Herrn Werndl einmal ein, den Roten zu fragen, ob er ihm wohl die Hälfte seines Bartes verkaufen würde? Die Anderen von der Tafelrunde redeten dem nicht eben glänzend situierten Eisenbahnbeamten zu, mit dem reichen Werndl doch das Geschäft zu machen. Es wachse ein ganzer Bart nach, erst ein halber! Der bereits etwas beduselte Beamte murrte, er gebe in Gottes Namen den ganzen Bart her, wenn ihn der Herr Wemdl gut bezahle, aber doch nicht eine solche Menschenschändung. Ein halber Bart! Herr Werndl jedoch erklärte mit sehr ernster Miene, dass er den halben Bart haben wolle, oder nichts; er sei gern bereit dreihundert Gulden (3000 €) dafür zu geben, die andere Hälfte des Rotbartes aber müsse auf dem Gesicht des Beamten stehen bleiben, bis Herr Werndl gelegentlich auch für diese Partie Verwendung finde.
Dem nachgrübelnden Eisenbahnbeamten wurde wacker zugetrunken. Dreihundert Gulden sind kein Pappenstiel. Soviel Geld auf einmal hatte er noch nie besessen und als Werndl bald darauf drei knisternde Hunderter aus der Brieftasche zog und auf den Tisch legte, mit der Frage „Also wollen's, oder wollen's nicht?" Da schrie der außer Rand und Band gebrachte Rotbart, mit der Faust auf den Tisch schlagend: „Topp! Her mit dem Geld"! Sofort musste der Wirt in später Mitternachsstunde, Seife und Messer herbeischaffen und ein des Rasierens kundiger Herr aus der Gesellschaft setzte das Opferlamm auf einen Stuhl, hing ihm eine Speiseserviette um und fegte ihm kunstgerecht von einem Ohr bis zur Kieferhälfte den Bart weg. Der Rote sah dann aus wie ein geschundener Raubritter und zechte sich zu seinem halben Bart einen ganzen Extrarausch an und sang zehnmal von des Tisches Höhe, in allen Tonarten die verschiedensten Schlager...

Am nächsten Vormittag — der Halbrasierte schnarchte noch — kam ein Diener Werndls mit weiteren 300 Gulden und berichtete dem fürchterlich komisch aussehenden verkaterten Mann, sein Herr erbitte sich dringend jetzt auch die zweite Hälfte des Bartes. Er habe zu diesem Zwecke gleich einen Barbier mitgeschickt. Jetzt erst griff der Mann mit entsetzensgemischter Freude an sein Gesicht und sang dann, mit 600 Gulden in der Tasche, ein lautes Hallelujah. Der ganze Neck war von dem großmütigen Werndl nur deshalb angestellt worden, weil er wusste, dass der rote Eisenbahnbeamte verschuldet sei. Er wollte ihm aus der Klemme helfen, ohne ihm das Geld geradewegs zu schenken. Er kaufte ihm das Einzige ab, was der Arme noch zu verkaufen hatte, den Bart; nach solchen Dingen konnte es freilich nur dem steinreichen und seelenguten Werndl gelüsten.

Allerdings war Werndl auch ein beinharter Geschäftsmann. 
Der steigende Bedarf an Holzkohle wird aus einem Schreiben vom Jahre 1883 ersichtlich, in dem der Rechtsanwalt Dr. Julius Seidl des Fabrikanten Werndl, die Gemeinde Hinterstoder bat, den Bau von 8 Kohlenmeilern für den Betrieb eines neuen Walzwerkes in Steyr zu unterstützen. Der Fabrikant Werndl bekam von der Stadtverwaltung Steyr nicht die Erlaubnis zum Bau der Meiler, da befürchtet wurde, dass die ausströmenden Dämpfe die Stadt in Gefahr bringen würden. Nun sollten die Gemeinden Hinterstoder, wie auch Vorderstoder und St.Pankraz, die Interessen der Waldbesitzer vertreten, die damals größtenteils an Werndl verkauften und den Bau der Meiler in Steyr durch Vorsprachen und Eingaben bei den zuständigen Behörden unterstützen. Werndl wollte dafür statt damals 4 Meiler mehr als 20 in Betrieb nehmen und das notwendige Holz im Stodertal einkaufen. Sollte ihm aber die Betriebsbewilligung für die Meiler nicht erteilt werden, würde er überhaupt kein Holz mehr aus dieser Region kaufen, ließ er mitteilen.

Josef Werndl





Denkmal auf der
Handel–Mazzetti-Promenade