Freitag, 6. März 2020

Das alte Gewerbe der "Pulvermacher"

Prof. Gregor Goldbacher aus Steyr (geb.1875, gest.1950), der auch oft in seinem Haus in Hinterstoder wohnte, erforschte Geschichte und Heimatkunde der Stadt Steyr und der Orte an den Flüssen Enns, Krems und Steyr.
In einem Zeitungsartikel in der Oberdonau-Zeitung vom 14.11.1943 berichtete er über die Schießpulvermacher, die es längst nicht mehr gibt. Der Franziskanermönch Berthold Schwarz aus Freiburg/Breisgau soll ca. 1359 durch Zufall das Schießpulver (Schwarzpulver), das aus Salpeter, Schwefel und Holzkohle besteht, erfunden haben.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und an unsere Zeit angepasst.

Unter den verschiedenen Gewerben, die in den Tälern der Steyr, Enns und Krems einst durch viele Jahre sesshaft waren, gab es auch das Gewerbe der Pulvermacher, dessen Eigenart noch viele der jetzigen Generation (geschrieben 1943) gekannt haben und das doch so viel volkskundlichen Wert besitzt um nicht vergessen zu werden. Der Wanderer, welcher von der Station Haunoldmühle der gemütlichen Steyrtalbahn durch die Forstau der Grünburgerhütte am Fuße das Hochbuchberges zustrebt, geht an einem sehr schön gestalteten spätbarocken Haus vorüber, welches heute noch das „Pulverhaus“ heißt.


Das Foto zeigt eine Gruppe Maturanten mit Prof. G. Goldbacher
in der Nähe der Grünburger Hütte ca.1918

Unweit davon, im tiefen Graben des Rodinger- oder Ruselbaches gab es noch vor einigen Jahrzehnten fünf aus Holz gebaute, durch den Bach betriebene Pulverstämpfe, welche zu dem „Gewerken“, dem Besitzer des schönen Pulvermacherhauses gehörten. Oder wenn man von Micheldorf aus jenen prachtvollen Waldweg beschreitet, der am Fuße der wildgezackten Kremsmauer zum romantischen Kremsursprung und in seinem weiteren Verlauf zur herrlich gelegenen Gradenalm emporsteigt {so genannt nach dem „Graden“, dem Senior der alten Sensenschmiedfamilie Zeitlinger), so bemerkt der erstaunte Wanderer etwas abseits des Weges einige Warnungstafeln mit den Aufschriften „Nicht rauchen! Pulverstampf!“ Denn dort liegen die drei Pulverhütten des Pulverwerkes an der Krems.
Über die Entstehungszeit dieser Pulverstämpfe ist wohl Genaueres nicht bekannt, jedoch ist es sicher, wie Weinbauer in seiner „Heimatkunde des Bezirkes Kirchdorf“ bemerkt, dass „die führende Stellung Österreichs als Militärmacht in der Zeit nach der Erfindung des Schießpulvers, es erklärt, dass dieses an vielen Orten Österreichs hergestellt wurde. Da diese Zeit noch auf das Kleingewerbe eingestellt war, so ist es erklärbar, dass in den Aufzeichnungen aus früheren Zeiten der Name „Saliter“ (Saliter mundartlich für Salpeter) überall aufscheint. Während über das Pulverwerk in der Forstau bei Steinbach keine Aufschreibungen bekannt sind, erscheinen diejenigen von Micheldorf zum Beispiel im Grundbuch Kirchdorf im Jahre 1750 unter dem Namen „Pulvermacher“ an der "Schneidermühl“, zugehörig dem Landgerichte Spital am Pyhrn und unterstanden der Herrschaft Klaus. Bis vor kurzem wurde hier noch Sprengpulver erzeugt, gegenwärtig sind die Stampfe stillgelegt, welche früher Tag und Nacht in Betrieb waren und in die Stille der schönen Bergeinsamkeit durch ihr gleichmäßiges aber unaufdringliches Pochen eine seltsame Musik brachten. Die Pulver- oder Saliterer-Knechte waren zumeist Leute, welche nicht viel Lust zum Militärdienst hatten und waren von diesem auch auf Lebenszeit befreit.
Dieses Handwerk barg allerlei Gefahren in sich, weshalb auch die Stampfe abseits der Wege lagen und die Arbeiter keine genagelten Schuhe trugen, sondern nur in sogenannten „Holztrittlingen" (Holz, damit keine Funken entstehen können) den Stampf betreten durften. Durch Unvorsichtigkeit flog manchmal ein solches Werk in die Luft und verursachte den Tod von Arbeitern. Das erzeugte Pulver wurde zumeist mit zweispännigen Fuhrwerken alle vierzehn Tage nach Linz gebracht und dort bei einem der heute noch teilweise erhaltenen alten Festungstürme, der einstigen maximilianischen Stadtbefestigung, an die Staatsverwaltung abgeliefert.
Nun möge noch ein Blick auf die seinerzeitige Beschaffung der drei Pulverbestandteile Schwefel, Kohle und Salpeter gerichtet werden. Was den Schwefel betrifft, so kann nicht mit Sicherheit behauptet werden ob nicht die Hausierer der damaligen Zeit die sogenannten „Venedigermander“ ihn aus Italien brachten. Jedenfalls stammte dieser wichtige Bestandteil aus Sizilien oder aus der Umgebung von Neapel. Die Beschaffung der notwendigen Holzkohle zur Pulvererzeugung war ziemlich umständlich, denn es eigneten sich dafür nur gewisse Stauden, so insbesondere der Faulbaum, im Volksmund eben Pulverholz genannt, dann die Elexe (Prunus padus) oder Traubenkirsche, deren schöne weiße Blütentrauben in schwarze Beeren übergehen und schließlich für Sprengpulver auch die Roterle. Diese Stauden kommen in Bergwäldern vor; es wurden nur daumendicke Äste genommen, die schwarz-weiß getupfte Rinde entfernt und das schöne gelbe Holz in „Hürdeln“ gebunden. Buben und arme Bauernknechte befassten sich mit dem mühsamen Einsammeln des Pulverholzes um sich bei der Ablieferung etwas zu verdienen. Dass dieses Rohmaterial ziemlich schwierig zu beschaffen war, zeigt der Umstand, dass für ein Klafter (1 Klafter=1.80m) Pulverholz elf Gulden bezahlt wurden.
Um die Kohle zu gewinnen, wurden tiefe Gruben im Erdreich ausgehoben, am Grunde derselben ein Feuer entzündet; das Pulverholz in Bündeln geschichtet, darüber gelegt und das Ganze mit einem eisernen Deckel fest verschlossen, um nur Verkohlung, aber nicht Verbrennung zu erzielen. Auch die Beschaffung des Salpeters war nicht sehr einfach. An feuchten Hausmauern, insbesondere an Stallungen, findet man häufig eine weißliche Ausschwitzung, welche nichts anderes ist als der „Saliter“. Es hätte jedoch das Abkratzen dieses dünnen Belages zur Pulvererzeugung nicht ausgereicht. Über die Herstellung dieses wichtigen Bestandteiles sagt nun Weinbauer in seiner schon erwähnten Heimatkunde, dass den „Saliterern“ das vom Landesherrn erworbene Recht zustand, in allen Häusern unter dem Boden den Grund auf Salpeter auszulaugen.
"Die häufigste Art der damaligen Salpetergewinnung", berichtet Weinbauer, war diese; Der Saliterer schichtete mit seinem Knecht trockene, fette Erde, legte darüber eine Mischung von gebranntem Kalk und Asche von Eichen oder Buchen, dann kam wieder eine Lage Erde, darüber wieder eine Kalk-Aschenmischung usw. bis die schön geschichtete Tortenform da stand; dies alles wurde an einer vor Regen möglichst geschützten Lage ausgeführt. Von Zeit zu Zeit, etwa 2 bis 3 Jahre hindurch, wurde die Masse mit Jauche übergossen. Durch Auslaugung gewann man nun eine unreine Salpeterlösung, welche in einer Siederei gereinigt wurde. Hier kam zur unreinen Lösung Kaliumkarbonat, das die letzte Veränderung im Kessel hervorrief. Das Ganze wurde filtriert, wodurch die kleinsten festen Bestandteile abgefangen wurden. Die sonst schon reine, aber noch wässerige Lösung wurde eingedämpft und der Rückstand, Salpeter, war zum Verkauf bereit." 
Wie man daraus ersehen mag, bedurfte es wohl vieler, über das Land verstreuter Erzeugungsstätten dieser Art, um den Pulverbedarf des Militärs zu decken und eine Kampfhandlung heutigen Ausmaßes wäre hierdurch gänzlich undenkbar. Dem verflossenen heimatlichen Gewerbe der wackeren „Saliterer“ aber sei durch diese Zeilen gedacht und gerne plaudere ich mit jenen Alten, welche als Buben sich durch Pulverholz tragen so manchen „Batzen“ verdienten.
                                                                                              G. Goldbacher.


Der Mönch Berthold Schwarz erfindet das Schießpulver

                                                                             Altes Pulvermacherhaus in der Forstau

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