Freitag, 9. April 2021

Vom kleinen Hüterbuben zum ersten Knecht.

Vor hundert und mehr Jahren waren „Knechte“ von Bauern gesucht und es gab viele am Land. Heute gibt es kaum mehr Bauernknechte. Die nachstehende Geschichte erzählt das Leben eines Knechtes im Mühlviertel. Aber es könnte auch genau so bei uns gewesen sein. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

In der Oberdonau-Zeitung vom 23. Juni 1943 wurde die Lebensgeschichte vom:„Mayrhofer Franzi" der über vier Jahrzehnte einem Haus und drei Besitzern die Treue gehalten hat, mit der Überschrift: „Vom kleinen Hüterbuben zum ersten Knecht“ beschrieben.

Es gibt auch auf dem Lande (der Artikel stammt von 1943) nicht mehr recht viele Leute, die auf eine längere Dienstzeit auf demselben Platz zurückblicken können. Früher war das Los solcher braver Menschen, wenn das Alter und die Arbeitsunfähigkeit nahten, meist ein gar hartes und bitteres, wenn sie nicht einen guten und dankbaren Dienstgeber hatten, der sich ihrer auch in den alten Tagen annahm. Sonst wurden sie in die sogenannten Bürgerspitäler abgeschoben oder in die „Einlag“ gegeben — als Dank für jahrzehntelange Treue und Arbeit.
Die Dienstbotenbetreuung nach dem gefürchteten und berüchtigten Einlegersystem war das Unsozialste, was es überhaupt gab. Oft wurde der alte Knecht, die alte Magd, nur mit Widerwillen gelitten, oft hinausgeekelt und verstoßen. Heute gibt es keine Einlage mehr. Jeder alte treue Dienstbote wird, wenn er nicht bei seinem Dienstgeber den Lebensabend verbringen kann, fürsorglich betreut, bekommt sein Auszugsstüberl, seine Altersrente oder wird in einem Altersheim untergebracht, wo man ihn umsorgt und betreut. Viele aber legen die Arbeit nicht aus der Hand, so lang es halbwegs geht, weil sie ihnen so wie der Hof, auf dem sie jahrzehntelang schon schaffen, Lebensinhalt geworden ist.
Einer dieser alten Dienstboten ist der Mayrhofer Franz, der mit seinen 69 Jahren nun schon durch volle 43 Jahre einem Haus und bereits drei Besitzern die Treue hält. Am vorletzten Jahrestag 1875 wurde Franz Mayrhofer in Fürling bei Rohrbach im Mühlviertel geboren. Da gab es noch keine Eisenbahn im Mühlviertel, kein Auto, nicht Telegraf und Telefon. Den Verkehr nach Linz besorgte der Stellwagen und der damalige Besitzer des heutigen Kaufhauses Binder betrieb zwei solcher Stellwagen und die dazu gehörenden Pferde.
Zweimal in der Woche wurde nach Linz gefahren und die Mitfahrenden mussten sich vorher anmelden. Eine solche Fahrt kostete sieben Gulden. Man fuhr um 4 Uhr früh bereits weg und kam spät nachts wieder heim. Der Mühlviertler Nachtwächter rief den Stundenschlag noch durch die Nacht und die Postknechte auf dem Bock der gelben Postkutschen bliesen das Lied der Heimat.

Nach Besuch der Rohrbacher Volksschule kam unser Franzi zum Bauern Scharnagl nach Niederwaldkirchen als Hüterbub, dann als solcher zum Franz auf Keppling, zum Moar auf Grub, wo er der „kleine Franzi“ war. Beim Schauer in Friendorf war er dann schon „Zweiter“ (Fütterer), ebenfalls beim Asanger in Fürling und beim Moarjörgl in Götzendorf. Beim Moar zu Blumau war er schon „erster Knecht“. Von der Arafmühle bei Lembach kam er dann im Jahre 1901 nach Neufelden zu seinem jetzigen Dienstplatz und ahnte wohl noch nicht, dass er hier gewissermaßen seine endgültige Heimat finden werde. Der damalige Besitzer des Hauses war der Gastwirt und Fleischhauer Czischek in Neufelden. In seinem Gasthaus in der Kirchengasse verkehrten als Honoratioren Herren vom Gericht, die Steuer- einnehmer, Finanzer und Gendarmen waren ständige Gäste. Czischek verkaufte dann dieses Haus und ließ an der Stelle, wo früher das alte Stallmaurerhäusl und die Krumbachsche Hafnerei standen, das heutige Gasthaus Anibas erbauen. Ein Jahr danach starb der Besitzer und die Witwe heiratete wieder.

In diesem Haus arbeitete unser Franzi treu und fleißig: in der Landwirtschaft, im Hause selbst, auf den Wiesen und Feldern und mit seinen Pferden, ob seiner Treue und Anhänglichkeit und auch ob seines guten Humors bei allen, die mit ihm zu tun hatten, geachtet und beliebt. Und Franzi ist heute noch die treue Seele des Hauses. Er erinnert sich noch genau jener Jahre, da die Reisenden der großen Geschäfts- und Warenhäuser aus Linz und der alten Wiener Stadt die Orte des Mühlviertels besuchten, nicht mit dem Auto etwa, sondern mit Einspänner und Fiaker. Oft war er selbst mit Kutsche und Pferden mit solch einem Geschäftsreisenden wochenlang auf der Tour. Alle Notare, die in den letzten 43 Jahren amteten, fuhr er zu den Amtstagen und ertönte der Feuerruf, Franzi war mit seinen Pferden als erster zur Stelle, um die Spritze an den Brandplatz zu führen.
1915 rückte er mit dem 5. Marschbataillon der Zweierlandwehr ins Feld, kämpfte am Isonzo, kehrte krank zurück, marschierte mit dem 27. Marschbataillon nochmals hinaus und kam nach dem Zusammenbruch wieder in die Heimat, wieder an seinen alten Dienst- und Arbeitsplatz. Gespart hat er sein Leben lang, die zurückgelegten 2400 Gulden, mit denen er sich nach dem Krieg ein kleines Landgasthaus mit Grund kaufen und vielleicht auch heiraten wollte, wurden ein Opfer der Inflation und in den Nachkriegsjahren über Nacht wertlos. Franzi blieb trotzdem unverzagt und ließ sich nicht unterkriegen Die Arbeit hielt ihn aufrecht und gesund, denn im ganzen Leben war er noch nie ernstlich krank. In dem Haus, dem er nun über vier Jahrzehnte dient, wurde er stets wie ein Familienangehöriger behandelt, mit Rat und Tat stand er auch selbst zu ihm, auch wenn es schwere Schicksalsschläge gab. 15 bis 16 Pferde waren während der 43 Jahre seiner Obhut anvertraut, sie waren seine besonderen Freunde und hatten sich nie über mangelnde Fürsorge zu beklagen.
Die Augen des treuen Franzi werden ein wenig feucht, als er von seinem Leben, seiner Jugendzeit und den 43 Jahren in diesem Hause spricht. „Mei Lebtag hab i nix anders kennt, als nur Arbeit, in Haus, draußt in dö Wiesen und Felder, und wann ma amal 43 Jahr auf demselben Platz is, dann ziemts oan, es geht oan selber an, ’s Haus, Wiesen und Felder und die Pferd. I hoff, daß i’s nu recht lang damacha kann und arbeiten kann!“ Kommt aber bei ihm einst die Zeit, wo er die Arbeitsgeräte aus der Hand legen muss, er nicht mehr auf den Wiesen und Feldern schaffen oder nicht mehr mit seinen Pferden fahren kann, dann sieht er einem sorglosen Lebensabend entgegen. In dem Hause, dem er solange selbstlos und treu gedient, wird er für immer seine Heimat finden. So steht Franzi, die treue Seele des Hauses, vor uns, als schlichter und einfacher Mensch unserer Heimat.                                                                                E. Scherbaum.



Mayrhofer Franz

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