Freitag, 24. November 2023

Humorvolles aus der Vergangenheit

Im "Tagblatt" und im "Prager Tagblatt" konnte man folgende Artikel lesen. Sie wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.


Tagblatt 20. November 1927

Sonderbare Nachrufe.
Es ist ein allgemeiner, pietätvoller Brauch, dass man den Verstorbenen nur Gutes nachredet. In früheren Zeiten aber hat man auch in dieser Hinsicht keine Mördergrube aus seinem Herzen gemacht. Da war man sogar so ehrlich, die wahre Meinung, die man von dem Toten hatte auf seinen Grabstein zu setzen. Solche sonderbare Grabinschriften sind zum Beispiel auf Friedhöfen in Tirol bis Westfalen zu finden. Auf uralten Steinen stehen unter anderem auch die folgenden Verse:

Peter Anichs Frau scheint nicht zu den Friedfertigen gehört zu haben, denn auf das Grab dieses Ehepaares schrieb man: 
In diesem Grab liegt Anichs Peter. Die Frau begrub man hier erst später. Man hat sie neben ihm begraben. Wird er die ewige Ruh' nun haben? 

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Die Anna Lentner kann dagegen mit dem Wunsch, der auf ihrem Grab eingemeißelt ist, zufrieden sein: 
Hier ist ertrunken Anna Lentner, Sie wog mehr als dritthalb Zentner. Gott geb' ihr in der Ewigkeit nach ihrem Gewicht die Seligkeit. 

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Ein langes Poem hat man dem Schneider, der ein großer Alkoholfreund war, auf den Grabstein geschrieben: 
Der Schneider, der so schrecklich trank. 
Er wurde von dem Saufen krank. 
Als ihm der Tod schon auf der Zunge saß, 
da macht er sie noch einmal nass. 
Mit einer Pulle Doppelkümmel fuhr seine Seele auf zum Himmel. 
Hier liegt er nun in seiner Gruft, bis des Allmächtigen Stimme ruft: 
Schneider, mit deiner Kümmelseele, komm heraus aus deiner Höhle! 
Geh zu Noah, der hat Wein, dem wirst du wohl willkommen sein! 

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Und einem Bäcker, der durch kleine Brötchen das Missfallen seiner Mitmenschen erregt hatte, setzte man auf den Stein: 
Hier ruht der Bäcker Micker, er wurde immer dicker. Die Brötchen immer kleiner, der Herr erbarme, sich seiner.


Prager Tagblatt 10. Juni 1922

Geschichten von Mendel Steinpilz, genannt Rabbi Lach.
Seelenwanderung
.
In Sadagora, dem Städtchen in der Bukowina wo der große Wunderrabbi wohnt, wird ein jüdischer Kutscher dabei angetroffen, wie er das armselige Pferdchen vor seinem Lastwagen prügelt. Ein angesehener Mann der Gemeinde stellt ihn zur Rede. „Cisik", sagt er zu ihm „biste ganz verlassen von Gott? Weißte nicht dass in jedes Tier drin ist, die Seele von einem Menschen, was ist gestorben? Weißte nicht, wenn ein Frommer stirbt, dass er wünschen kann mit seiner Seele zu gehen in das Tier oder jenes Tier zur Buße für seine Sünden? Vielleicht war es sogar der gottselige große Rabbi selbst, was hat sich vorgenommen zu werden das Pferd, was du so geschlagen hast".
„Nu", meint Cisick, „wenn er sich hat vorgenommen zu sein ein Pferd, soll er ziehn …"
 
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Was man darf und was man nicht darf. 
Zu dem Wunderrabbi kommt ein Mann, den das Gewissen drückt. „Was hast du für eine Frage?" spricht ihn der Rabbi an, indem er von den mächtigen Folianten aufblickt. „Darf ich", nimmt der Mann das Wort „darf ich am heiligen Sabbat— gelobt sei der Herr der ihn schuf!— darf ich am Sabbat totknicken einen Floh?" Der Rabbi versinkt in tiefes Sinnen. „Nun",meint er dann, „du darfst ruhig sein. Einen Floh darfst du knicken am heiligen Sabbat." „Und es ist wirklich keine Sünde, Rabbi?" „Nein, es ist keine Sünde, einen Floh am heiligen Sabbat zu töten... Bedrückt dich noch etwas?" »Ja. Ich möchte wissen, ob ich auch darf am heiligen Sabbat — ob ich darf totknicken auch eine Laus?" Der Rabbi versinkt wiederum in tiefes Sinnen. Dann spricht er: „Nun ... das ist so: eine Laus darfst du nicht knicken am heiligen Sabbat." Der Mann verfärbt sich und schweigt; steht betroffen da und meint endlich zaghaft: „Rabbi, sag mir doch eins. Warum ist das eine keine Sünde und das andere eine Sünde, Warum darf ich totknicken am heiligen Sabbat einen Floh? Und warum darf ich nicht totknicken eine Laus?" „Darum", erwidert der weise Rabbi, „darum du darfst totknicken einen Floh, weil dir ein Floh kann wegspringen am heiligen Sabbat... Aber eine Laus darfste nicht totknicken, die bleibt dir doch.. ." 

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Das Jenseits
Reb Scholem Perlmutter in Tarnopol, ein Kleinkinderlehrer, ist ein armer Mann; alles Unglück, das einen Menschen treffen kann, ist über ihn hereingebrochen, und auf seine alten Tage ist er siech und arm. Da die Leute ihn aber als anständigen Menschen achten, besuchen sie ihn in seiner kümmerlichen Behausung und wenn er ihnen in seiner sanften Weise von dem Jammer erzählt, den er in seinem Leben erduldet, dann trösten sie ihn.
„Reb Scholem", sagen sie ihm, „das ist alles traurig. Aber Ihr wisst doch selber, das ist nur in dieser Welt so schlimm, im Jenseits ist das anders. Da werdet Ihr sein wie im Paradies, da wird euch Gott hundertfältig zurückgeben, was er euch genommen hat." Scholem Perlmutter läßt sich gern in dieser Weise trösten und immer wieder sagen sie ihm von den Wonnen des Jenseits. So auch in seiner Todesstunde. Wieder erzählen sie ihm von den wunderbaren Herrlichkeiten „jener" Welt... Da hebt Reb Scholem Perlmutter seinen Kopf und sagt: „Schön, schön... Aber lachen werd' ich, wenn es gar nicht gibt ein Jenseits.

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