"Wenn wir in die so genannte "gute alte Zeit"
zurückblicken, werden wir schnell sehen, daß
es uns noch nie so gut gegangen
ist wie jetzt, in unserer Zeit", sagt ein ehemaliges Schulmädchen wenn es an ihre Jugend in den 1930er Jahren zurückblickt.
"Das begann schon bei der Geburt. Wenn im Stodertal vor rund 80 oder 100 Jahren ein Kind geboren wurde, hatte es bestimmt 10 oder noch mehr
Geschwister. Geburtenkontrolle und Verhütung gab es nicht. Wenn ein Kind oder ein paar Kinder starben,
war das weiter nicht so schlimm, weil die Familie immer noch genug Nachwuchs
hatte. Damals bekam die Wöchnerin nach der Geburt eine Kindlbettsuppe. Das
waren in Leinöl geröstete Semmelschnitten. Darüber kam ein Eidotter mit Salz
und Muskatnuß. Dann wurde Kamillentee darüber gegossen. Für die Wöchnerin war
das eine Spezialität, die sie drei Tage lang zu essen bekam. Sonst aß sie
nichts. Die neu geborenen Kinder wurden in einen Wickelpolster gesteckt, ein so
genanntes Steckkissen. Die Hände des Kindes wurden gerade an den Körper gelegt
und das Kind einbandagiert. Nur der Kopf schaute heraus. Das Kind wurde so fest
eingebunden, dass man es fast hinstellen konnte. Die Hände und Füße wurden eingewickelt, damit das Kind gerade Glieder bekommt, so sagte man. Damals gab
es eine sehr hohe Kindersterblichkeit und es kam oft vor, dass von 10 oder 15
Kindern nur 4 oder 5 überlebten. Viele Kinder starben bald nach der Geburt oder
als Kleinkinder. Oft waren Ernährungs- und Pflegefehler schuld. Manche Frauen
konnten sich nicht die Zeit nehmen das Kind zu stillen. Viele Kinder wurden mit
Mehlkoch gefüttert. Mehl und Milch wurden aufgekocht und den Brei bekamen die Kinder zum essen. Manche besorgte Mütter glaubten Ziegenmilch sei das Beste
für den Säugling. Aber das war noch schlimmer als Kuhmilch, weil sie zu
eiweißreich und fett war und dadurch zu Darmstörungen führte. Erst später kam
Reisschleim auf, der verträglicher war. Allerdings konnten sich viele den Reis
nicht leisten. Wenn ein Kind schrie wurde ihm der "Zuzel" gegeben um
es zu beruhigen. Der "Zuzel" war ein Leinenfleckchen in das ein
Zuckerstückchen eingewickelt war. Das tauchte man in Rum oder Schnaps und gab
es den Babys. Damit wurden die Kinder betäubt, schliefen lang und die Mutter
konnte in Ruhe arbeiten.
Viele Kinder hatten Rachitis. Der Grund war Vitaminmangel.
Gleich am 1. oder 2. Tag nach der Geburt wurden die Kinder getauft, damit sie,
wenn sie nicht überlebten, nicht als Heiden sondern als Christen sterben.
Auch die Kindesmutter starb oft bei der Geburt. Das nächste
Krankenhaus oder der nächste Arzt waren viele Stunden entfernt, so daß man
Hilfe nur in äußersten Notfällen herbei
holen konnte und die kam meistens zu spät. Bei Komplikationen konnte die
Hebamme nicht helfen und wartete oft auf gut Glück sehr lange zu. Die
Einlieferung zum Krankenhaus oder zum Arzt erfolgte meist mit einem
Pferdefuhrwerk und das dauerte viel zu lange".
Leere große Regentonnen wurden als "Gehschulen" für Kleinkinder verwendet. Hier verbrachten sie oft den ganzen Tag weil sie nichts anstellen konnten. |
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