Freitag, 24. Mai 2019

Auf dem Schulweg mit und ohne Schuhe, aber am liebsten barfuß.

Erinnerungen an die Schulzeit eines Mädchens in den 1930er Jahren:
"Im Mai, wenn die Tage länger wurden, durften wir wieder barfuß zur Schule gehen. Ich war dann jedes mal froh, denn mit den Schuhen war es schrecklich. Entweder waren sie zu klein, so dass sich die Zehen verbogen, oder sie waren viel zu groß. Für Kinder gab es fast nur abgetragene Schuhe von Erwachsenen. Ob sie passten oder nicht. Einmal hatten wir vom Schuster gemachte Schuhe. Den ersten Winter passten sie mit drei Paar Socken, den zweiten Winter mit zwei Paar Socken, aber dann im Lauf des Sommers wurden sie mit ein paar Socken knapp. Ein Paar Schuhe für uns Kinder mussten 2-3 Jahre halten. Wenn am Schuh Nägel verloren gingen oder ein Loch war, dann brachte der Vater die Schuhe wieder in Ordnung. Vater konnte sogar auf die Schuhe neue Sohlen machen. Dafür hatte er eine große Blechschachtel, in der er das Werkzeug zum Schuhe flicken aufbewahrte.
Einmal brachten wir Schuhe zum Schuster Ambros zur Reparatur. Ambros wohnte beim Weber Hias im Stübl (Stube). Der Schuster blutschte beim Sprechen. Seine Zunge stieß am Gaumen an wenn er etwas sagte.
Die Werkstatt bestand aus der Hälfte der kleinen Küche. Auf dem Boden lagen kaputte Schuhe in allen Größen herum.Wir hielten uns gerne bei ihm auf und schauten ihm zu, wie er auf seinem Hocker saß und die oft stark abgetragenen groben Schuhe und Stiefel mit Lederflecken aus anderen alten Schuhen flickte. Er nähte die Löcher zu, erneuerte Sohlen und Absätze und beschlug die Schuhe mit Schusternägel. Die Schuhe waren an den Sohlenrändern mit eisernen Nägeln beschlagen, dass der Pechdraht durch die Nägelköpfe geschützt auf steinigen Wegen nicht so leicht zerschliessen werden konnte. Wir sahen dem alten Ambros gerne bei der Arbeit zu. Er arbeitete unglaublich schnell. Wenn er mit der Ahle (spitzes Messer) Löcher in die Schuhsole machte, schlug er ganz geschwind einen Holznagel nach dem anderen ein.
Ambros hat gerne Kautabak gekaut. Wenn er schlafen ging hat er den Kautabak auf das Nachtkästchen gelegt und am nächsten Morgen hat er wieder weitergekaut.
Wenn von Handwerkern gesprochen wurde nannte man immer vor ihrem Namen den Beruf. Sogar heute noch, wo sie längst in Rente sind, sprechen die älteren Leute immer noch vom "Schuster Ambros", vom "Rauchfangkehrer Michl", vom "Schneider Peter", vom "Korbflechter Hias" und vom "Besenbinder Franz". Ein Schuster kam auf seiner Wanderschaft bei der "Störarbeit" (Wanderarbeit) angeblich einmal bis Berlin.Von da an hieß er nur mehr der "Berliner Schuster". Das war aber schon etwas ganz besonderes wenn jemand so weit herum gekommen ist".




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