Freitag, 28. Oktober 2022

Was manche Menschen denken und machen.

Im Grazer Tagblatt, im Prager Tagblatt und im Mährischen Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen.
Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.
  
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 Sisowath I., König von Kambodscha
geb.1840, gest.1927

Majestät Sisowath über europäische Kultur.
Ein Mitarbeiter des „Journal" hatte das hohe Glück, sich mit Sisowath I., dem König von Kambodscha und Sommergast der Pariser, über westeuropäische Kultur zu unterhalten. Es will Majestät nicht in den Kopf, dass wir mit Absicht unsere Häuser so hoch bauen, obwohl uns das zwinge, Treppen zu steigen, eine körperliche Übung, die doch sehr müde mache. Und dann: weshalb haben wir noch Pferde vor den Wagen, wenn wir Wagen haben, die ohne Pferde laufen? Der König kann ferner nicht einsehen, weshalb wir die Füße in so enges Schuhzeug stecken und so schwere Hüte wie unsere Zylinder aufs Haupt setzen. „Aber", so fügte er als echter Philosoph hinzu, „bei Euren Sitten hier mögen sie schon nötig sein; wir in Kambodscha könnten sie jedoch wegen der großen Hitze kaum tragen." Dem König war es in den letzten Tagen in Paris etwas zu kalt, und das benahm ihm die Lust, zu einem Alpengletscher emporzuklettern. Er hatte nämlich vorher den Wunsch ausgesprochen, das Eis, das er in Paris nur in Limonade zu sehen bekam, einmal in größeren Mengen  zu sehen. Der kluge Mann begreift nicht, weshalb man ihm jeden Tag durchaus eine neue Sehenswürdigkeit zeigen will, es liegt ihm gar nichts daran, alle Stunden des Tages auszufüllen und wehmütig fragt er: „Wann soll ich eigentlich ausruhen?"
Eine Dame, Frau Marshal, die in Pnom-Penh Lehrerin war und der Tochter des Königs französisch Unterricht gegeben hat, wird ins Zimmer geführt und fragt den Herrscher, ob die Prinzessin ihm die Fabeln und Märchen, die sie ihr beibrachte, erzählt habe. Sisowath schüttelt sich vor Lachen: „Ja, ja, Rotkäppchen!" schreit er. „Sehr drollig!" Zuletzt fragte er den Journalisten, wie viel Zeitungen es in Frankreich gebe. Als er die Zahl nennen hört, erhebt er voll Entsetzen die Arme zum Himmel und ruft: „In ganz Kambodscha gibt es nur eine!"

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                                     Prager Tagblatt 8. Juni 1929                                                                           
Der Außenseiter.
In der Umgebung von Paris hat ein Lager von Anhängern der Nacktkultur seine Zelte aufgeschlagen. Allerlei Neugierige treiben sich in der Nähe herum. Einen Maler, der an seiner Staffelei sitzt, fragt ein älterer Herr, der sehr geschäftig tut: „Treiben Sie auch Nacktkultur?"— „Persönlich nicht," war die Antwort, „aber ich sympathisiere mit der Bewegung."

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                               Mährisches Tagblatt 9. August 1898

Harun al Raschid auf der Eisenbahn.
Der Kalif (Herrscher) Harun al Raschid mischte sich manchmal unerkannt unter sein Volk.
Eine Anekdote, die einen unzweideutigen Beweis für die Paschawirtschaft auf russischen Privatbahnen liefert, entnehmen wir einem Moskauer Blatt. Die Geschichte, deren Held der Verwaltungsdirektor Mirolubow ist, soll sich vor Kurzem auf der Orel-Archangelska Bahn ereignet haben.
Mirolubow wollte auf einer Station den vorbeikommenden Zug besteigen. Alle Reisenden erster Klasse mussten umsteigen, da es dem Herrn Direktor nicht passt, mit gewöhnlichen Sterblichen  zusammen zu fahren. Nur ein Herr weigerte sich beharrlich, selbst auf die Gefahr hin, von Polizisten hinausbefördert zu werden. Ein einziger Herr weigerte sich nach der Pfeife des Herrn Mirolubow zu tanzen. Schließlich bequemt sich der Herr Direktor, mit dem Fremden, der ihm durch sein vornehmes Aussehen und würdevolles Auftreten unwillkürlich imponierte, zusammenzufahren, ja er sucht ihn sogar huldvollst in ein Gespräch zu ziehen. Jener aber bleibt unnahbar und steigt auf der nächsten Station aus, um sich von dem Stationsvorsteher das Beschwerdebuch geben zu lassen. Herr Mirolubow lächelt überlegen, da er selbst erste Instanz für alle Beschwerden auf seiner Bahn ist. Er kann sich jedoch, nachdem der Fremde wieder eingestiegen ist, nicht enthalten, einen Blick in das Beschwerdebuch zu werfen und bleibt wie versteinert stehen, als er den Namen des Beschwerdeführers liest. Denn dieser, den er durch Polizisten hatte hinauswerfen lassen wollen, ist niemand anderer als sein Vorgesetzter, der Eisenbahnminister.

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