Freitag, 27. August 2021

Legendenumsponnenes, stilles Schloß im See.

Eine der meist besuchten Sehenswürdigkeiten im Salzkammergut ist das Seeschloss Orth am Traunsee.

In der Oberdonau-Zeitung am 6.6.1944 berichtete L.G. Bachmann über die bewegte, wechselhafte Geschichte des Schlosses.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Zwei Schlösser sind es, die in einer stillen Bucht des Traunsees, ostwärts von Gmunden, vor dem großartigen Hintergrund des Traunsteins aufragen; das seinen Grundmauern nach ältere Landschloß und das unendlich malerisch auf einer kleinen Insel im See liegende Seeschloß Orth, das eine lange Brücke mit dem Land verbindet.

Die Herrschaft Orth mit ihrem ausgedehnten, großen Waldbesitz und dem ältesten Bau des Landschlosses gehörte nach der frühest erhaltenen Kunde Anfang des 
12. Jahrhunderts einem Hartnid von Orth. Er war der Ahnherr eines mächtigen Geschlechts, in dem sechs Generationen lang der Name Hartnid vorkam. 
Hartnid V. lag in schwerer Fehde mit Herzog Friedrich dem Streitbaren von Österreich, wurde aber schließlich von seinem Landesherrn doch überwältigt und starb 1245 in der Gefangenschaft des Herzogs. Mit seinem Sohn Hartnid VI.starb das Geschlecht im Mannesstamme aus. Die Herrschaft fiel an die Enkel der Gisela, einer Tochter Hartnids V., die den Besitz alsbald verkauften.

Fast sieben Jahrhunderte sind seither vergangen. Kein Nachfahre derer von Orth lebt mehr. Aber ihr Name haftet noch immer an den beiden Schlössern. Und in dem Sagenkreis des Traunsees spielt das Geschlecht der Grafen von Orth eine nicht unbedeutende Rolle. Von einem Hartnid weiß die Sage, dass er bereits in dem Seeschloß lebte. Als er in den Krieg zog, übergab er die Obhut seiner einzigen Tochter dem Burggrafen von Wolfsegg. Dieser gedachte, die junge Gräfin mit seinem Sohn zu vermählen. Aber das Fräulein schenkte ihre Liebe dem benachbarten Ritter von Wartenburg. Darüber ergrimmt, brachte um die Liebenden zu trennen, der Wolfsegger seine Schutzbefohlene ins Frauenkloster Traunkirchen. Seither saß der junge Wartenburger Tag für Tag beim sogenannten „Jungfernlug“ auf dem Westufer des Sees und blickte sehnsuchtsvoll gegen Traunkirchen. Nachts aber schwamm er heimlich vom Eisenauer Schloß über den Traunsee, so oft ihm vom andern Ufer die Lampe der Geliebten das Zeichen gab. Jedoch einmal erlosch während eines Sturms das Licht. Der kühne Schwimmer ertrank und sein Leichnam wurde am nächsten Morgen beim so genannten “Antlasstein“ an Land gespült. Darüber außer sich vor Schmerz, stürzte sich das Fräulein von Orth vom Söller (Dachterrasse) in den See um dort gleichfalls den Tod zu finden. Der Stein wird heute noch als „Jungfernsprung“ bezeichnet.
Eine ähnliche andere Sage weiß allerdings nichts von einem Grafen von Orth und seiner Tochter. Sie berichtet nur von einem Sohn des Ritters von Eisenau, der auf der Jagd ein Reh über den See bis Traunkirchen verfolgte und dabei die junge Nonne Luitgard kennen und lieben lernte. Da sein Vater ihn deshalb in die Ferne senden wollte, schwamm er um von Luitgard Abschied zu nehmen über den See. Dabei ereilte ihn ein Sturm und warf ihn gegen die Felsen. Durch Luitgards Verzweiflung bei der Auffindung der Leiche erfuhr man im Kloster Traunkirchen von der Liebe der jungen Nonne zu dem Ritter. Die Nonne Luitgard wurde deshalb lebendig eingemauert.
Von den Herren von Orth erwarben die Ritter von Wallsee das Schloß in der Traunseebucht. Sie erbauten etwa 1380 das Seeschloß Orth. Der massige Torturm des Seeschlosses, der erst viel später einen Zwiebelhelm erhielt, die gotischen Fensterstöcke und das Tor entstammen dieser Zeit. Nach 150 Jahren Herrschaft der Wallseer kamen Ende des 15. Jahrhunderts Land- und Seeschloss in den Besitz der adeligen Familie Schärffenberg. In dieser Epoche entstanden die Bogengänge im dreieckigen Hof des Seeschlosses, die Außentreppe und die Sgraffitomalereien von 1578 im Schlosshof. 1597 kaufte die Stadt Gmunden um 90.000 Gulden Schlösser und Herrschaft Orth. Dieser Kauf überstieg aber die Mittel der Stadt weit. Man musste Geld aufnehmen. Die Zinsen betrugen mehr als der Ertrag und man war schließlich froh, als man sieben Jahre später Orth gegen Rückzahlung des Kaufpreises dem Kaiser überlassen konnte. Im Jahre 1625 erwarb die Herrschaft der kurbayrische Pfandvogt des Landes ob der Enns, Graf Adam von Herberstorff. So saß der grimmigste Feind und Gegenspieler der Bauernerhebung auf Schloss Orth. Begreiflicherweise übertrug sich Wut und Hass der Bauern auch auf den Wohnsitz ihres Unterdrückers und Feindes. Das Landschloss Orth wurde 1626 von den Bauern zerstört und kurz nachher von Herbersdorff wieder aufgebaut. Aus dieser Zeit stammt die jetzige Form der quadratischen Gebäudegruppe mit den vier Ecktürmen des Landschlosses. 1634 fiel dann das Seeschloss einem Brand zum Opfer, wurde aber vom Schwiegersohn der Gräfin Herberstorff, Graf Preysing, wieder hergestellt und mit den heute noch erhaltenen Stuckverzierungen und dem Zwiebelhelm geschmückt.
Noch im 17. Jahrhundert kam Orth zum zweiten mal in kaiserlichen Besitz. Kaiser Leopold I. erwarb die gesamte Herrschaft um die damals sehr stattliche Summe von 130.000 Gulden.

Den letzten Schimmer einer romantischen Verklärung empfing Orth aber erst durch seine Besitzer Ende des vorvorigen Jahrhunderts. Damals gehörte das Landschloss dem Großherzog von Toskana, der später einer Liebesheirat wegen allen seinen Titeln und Würden entsagte und den Namen Leopold Wölfling annahm. Dagegen erwarb das Seeschloss Erzherzog Johann Salvator. Auch er löste sich aus dem Verband der kaiserlichen Familie und nahm nach seinem Lieblingsschloss den bürgerlichen Namen Johann Orth an. Seit einer langen Seereise gilt er als verschollen.

Neue Warte am Inn 15. August 1891
Johann Orth.
Immer mehr macht die traurige Gewissheit sich geltend, dass Kapitän Johann Orth (Erzherzog Johann) den Tod in den Wellen gefunden hat. Die österreichische Kriegsmarine hat es nicht an Bemühungen fehlen lassen, Sicheres über das Schicksal des kühnen Seefahrers festzustellen, aber vergeblich. Über diese Bemühungen finden wir einen ausführlichen Bericht, aus welchem unter anderem hervorgeht, dass die Korvette „Saida", unter dem Kommando des Fregattenkapitäns Wachtel von Eltenbruck, die auf einer Weltumseglungsreise begriffen ist, sich im Mai dieses Jahres in der Magellanstraße aufhielt und daselbst, sowie in den Gewässern des Kap Horn Nachforschungen anstellte, die sich bis zu den Falkland-Inseln erstreckten. Der Kommandant erhielt zwar viele Mitteilungen vom Gouverneur in der Provinz Magellans, vom Hafenkapitän in Punta Arenas und dem dortigen englischen Kapitän Stubenrauch, ferner von den dort wohnenden Eigentümern mehrerer Küstenfahrzeuge, von Lotsen und Seeleuten, allein dieselben beruhten insgesamt nur auf Vermutungen und gaben keine positiven Aufschlüsse. Der Gouverneur hatte eine eigene Kommission an Bord des chilenischen Avisodampfers „Toro" unter Kapitän Garzia entsendet, die mehrwöchentliche Fahrten im Süden der Magellanstraße unternommen hat, ohne eine Spur des Schiffes zu finden. Kapitän Garzia zog Erkundigungen bei allen Missions- und Rettungsstationen ein und trat auch mit Indianerstämmen in Verbindung. Er hatte dabei sogar einen Kampf mit einem Indianerstamm zu bestehen und fand im Besitze desselben eine Marinekarte. Über die Herkunft dieser Karte befragt, deuteten die Indianer nach den großen Inseln im Süden. Von dem Eigentümer eines Küstenfahrzeugs erfuhr der Kommandant, das im August vorigen Jahres an der Südküste von Staaten Island während eines Südweststurmes zwei Schiffe gesehen wurden, eines davon mit vier Masten (die „Margerita" war dreimastig), welche sich nicht mehr von der Küste freisegeln konnten. Von einem dieser Schiffe rettete sich ein englischer Matrose, der aber über das zweite Schiff keine Auskunft geben konnte. Der Domherr der katholischen Kirche in Punta Arenas ließ auf Intervention der Mutter Orths von Rom aus an alle Missionen einen Aufruf ergehen, der aber auch keinen Erfolg hatte. Nur so soviel steht fest, dass in den Monaten Juni, Juli und August 1890 ungewöhnlich viele Stürme wüteten, welchen die meisten in das Kap Horn segelnden Schiffe zum Opfer fielen. Die Untersuchung der Buchten der Falklandinseln ergab gleichfalls kein Resultat.

Gewaltige Berge bewachen das Schloss im See, murmelnde Wellen umspülen es. Von Hartnid von Orth und seiner unglücklichen Tochter bis zum geheimnisvollen Ende seines letzten Besitzers aber reißt der Kranz von Sagen und Legenden nicht ab, der sich um das stille Schloß schlingt.                                     L.G.Bachmann.

 Traunsee mit Schloss Orth von 1656 von Matthaeus Merian



 Adam von Herberstorff


Erzherzog Johann Salvator
Johann Orth

Erzherzog Johann Salvator

Großherzog von Toskana
Leopold Wölfling


Leopold Wölfling

Freitag, 20. August 2021

„Die schwarzen Grafen und die „Sengstknechte“- blühendes Handwerk in unseren Gebirgstälern.

Oberösterreichs Sensen gingen dereinst in die weite Welt, berichtete Franz Müller in der Oberdonau-Zeitung am 23. Februar 1943. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Die „Eisenwurzen", so wurde der Erzberg bei Eisenerz bis herauf ins 16. Jahrhundert bezeichnet, befruchtete auch das Gewerbe in Oberösterreich in früheren Jahren, in schier unvorstellbarem Maß. Durch den Erzberg allein wurde die Stadt Steyr zur „Eisenstadt“, ihm verdankt sie ihre alte Tradition und letzten Endes auch ihre heutige Stellung.

Schon im Mittelalter musste alles Eisen, das von Innerberg in das Land ob der Enns gelangte, seinen Weg über Steyr nehmen, wo jedem Bürger, der ein Haus besaß, das Recht des Eisenverlages zustand. Steyr hatte auch das alleinige Stapelrecht für Eisen, das heißt, alle durchreisenden Kaufleute mussten ihr Eisen dort drei Tage feilbieten. Über den Pyhrnpaß durfte kein solches Metall nach Oberösterreich gebracht werden. Die Steyrer Bürger verstanden es, alles auf den Wasserweg der Enns zu zwingen. Zu diesem Zweck bauten sie einen Treppelweg — Schöff- oder Roßweg — an deren Ufern von Hieflau bis vor die Tore Ihrer Stadt, damit sie nicht allein mehr nur auf die Floßfahrt angewiesen waren, sondern mit den sogenannten „Waldln“ ein Vielfaches an Fracht talwärts bringen konnten. Die entleerten Plätten jedoch ließen sie in regelrechten Schiffszügen und mit Getreide  als Gegenfracht wieder stromauf ziehen.

Steyr war und blieb wohl der Vorort des Eisengewerbes in unserem Land, aber auch in all den vielen Gebirgstälern der näheren und weiteren Umgebung, im Enns-, Steyr-, Krems- und Almtal, überall, wo ein größerer Fluß rauschte, drehten sich die Räder, rauchten die Essen, pochten die Hämmer, wurde Schmiedeeisen und Stahl aus dem Rohstoff, wie die „Eisenwurzen“ ihn lieferte. Und neben den Hämmern ließen all die anderen Eisen verarbeitenden Betriebe sich nieder, die Messerer und die Scheren-, die Schaufel- und die Nagelschmiede. Wehr und Waffen entstanden in den einen, Pflugschar, Sensen und Sicheln in den anderen Werkstätten. Sensen und Sicheln aus dem Land ob der Enns gehörten gar bald zu den gesuchtesten Handelsgegenständen, die den Ruf unseres Handwerks in die weite Welt trugen.

Gingen sie vorerst nach dem Westen, nach Süddeutschland, Italien, in die Schweiz, nach Südfrankreich, Spanien und selbst bis Westindien, so verlagerte sich der Schwerpunkt später nach dem Osten. Polen, Rußland und die baltischen Länder wurden die Abnehmer. Die Leipziger Messe wurde der Vermittler. Drei Sensenschmied-Innungen bestanden im 18. Jahrhundert in Oberösterreich: die Kirchdorf-Micheldorfer mit 45, die Freistädter mit fünf und die Mattighofener mit ebenfalls fünf Schmieden. Die Besitzer dieser Schmieden aber, deren Namen und ihr Glanz sich vereinzelt bis auf unsere Tage erhalten haben, waren stolze und selbstbewußte Bürger. Ihre Herrenhäuser stellten manches Adelsschloß, was gediegenen Wohlstand und Behäbigkeit betraf, in den Schatten und nicht von ungefähr nur nannte man sie den „Sensenadel" oder die „schwarzen Grafen". Ob ihrer Gastlichkeit waren sie bis in die jüngste Zeit rühmlich bekannt und mancher Künstler verdankt seinen Aufstieg ihrer uneigennützigen Unterstützung. Ihre Arbeiter aber, die man als „Sengstknechte“ bezeichnete, sie wurden im 18. und 19. Jahrhundert von manchem der damals noch leibeigenen Bauern mit Recht beneidet. An die 100 Gulden verdiente der Meister im Jahr, zwischen 35 und 70 Gulden der Knecht. Die Preise jener Zeiten waren (zum Vergleich): für 1 Kilo Rindfleisch 7 bis 8 Kreuzer, für eine Kuh 15 bis 25 Gulden, für ein Mastschwein 15 Gulden, für einen Metzen Korn (60 Kilo) 1,5 Gulden usw. Dazu hatten Meister und Knechte aber noch die Kost im Hause und wenn die einmal nicht gut und entsprechend reichhaltig ausfiel, dann konnten sie schon ganz verdammt ungemütlich werden.

Die Gewerken schauten auch mit gutem Grund auf ihre Knechte und deren Wohlergehen, ebenso auf die Lehrbuben, damit sie dereinst wirklich tüchtige Gesellen würden. Sie achteten aber auch scharf darauf, dass ja keiner wegzog und das Geheimnis der Erzeugung in ein fremdes Land brachte. Schon bei der Freisprechung des Lehrlings wurde dem jungen Mann ein diesbezügliches Versprechen abgenommen und wehe dem, der dieses ungeschriebene Gesetz übertrat!

Der Stolz Jedes Sensengewerken aber war untadelige Ware und eine Sense oder Sichel, die sein Zeichen trug, musste schon allerhand Stücklein spielen. So ist es auch erklärlich, dass ein Entrüstungssturm losbrach, wenn, wie öfter im Lauf der Zeiten, aus Gründen der Konkurrenz die weltberühmten Marken unserer Sensenwerke anderswo nachgeahmt wurden, wie es etwa im Bergischen und Rheinischen öfter geschah. Seit 1595 war in unserem Land durch Handwerksordnung jeder Sensenschmied verpflichtet, seine Erzeugnisse zu markieren und diese Zeichen waren im Laufe der Jahrhunderte auch für den des Lesens unkundigen Bauern, besonders im Osten, geradezu ein Begriff geworden. In solchen Fällen aber gab es dann Klagen und bei den verworrenen Herrschafts- und Rechtsverhältnissen in den zersplitterten deutschen Landen langwierige und unsichere Prozesse. Als dann die Technik immer stürmischer sich fortentwickelte, machte sie natürlich auch vor den Sensenwerken in unseren Gebirgstälern nicht halt. Elektrizitätswerke entstanden und hohe Fabrikhallen, Arbeiter- und Beamten Wohnhäuser wurden gebaut, Konsumvereine und Werkskantinen errichtet.

Der Mann aber, der für alles, was in seinem Betrieb sich zutrug und persönlich einstand war der Sensengewerke. Er wurde in vielen Fällen abgelöst durch den Fabrikdirektor mit seinem Stab von Beamten und nur irgendwo in einer großen Stadt saß der wirkliche, jedoch imaginäre und ungreifbare „Herr“ in Form einer anonymen Aktiengesellschaft oder gar einer Großbank. Die Betriebe hatten sozusagen ihre Seele verloren.

Mit den Hämmern und Schmieden aber ging es abwärts. Das hatte schon nach dem großen Staatsbankrott, der in Österreich auf die Napoleonischen Kriege folgte, begonnen. Dazu kam, dass sich unsere konservativen Älpler nicht schnell genug auf die neuen Methoden umzustellen vermochten und jeder technischen Neuerung allzulang misstrauisch gegenüberstanden. Gab es 1824 noch 57 Sensenschmieden in Oberösterreich, so waren es 1905 nur mehr deren 17, die als Großbetriebe weiterbestanden. Ihre ganze Erzeugung, immerhin noch gegen sechs Millionen Sensen im Jahre, ging nach dem Osten. Der westliche Markt war fast zur Gänze verlorengegangen.

Dann kam der erste Weltkrieg und der Zusammenbruch von 1918 und was weiter geschah, daran braucht wirklich keiner, der dies alles miterlebte, erinnert zu werden. Kein Rad drehte sich an den rauschenden Gewässern, kein Hammer pochte mehr und selbst die modernsten Werke erlagen eines nach dem anderen der großen Krise. Die Sowjets waren kein Handelspartner mehr, an die prächtigen Qualitäten der Oberösterreichischen Sensen dachte niemand mehr.  

Verschiedene Sensen
                                                Sensenerzeugung 














Sonntag, 15. August 2021

Maria Himmelfahrt Kräuterweihe 15. 8. 2021















                                                                    Fotos: Traude Schachner

Freitag, 13. August 2021

Die Eisenstraße im Tal der Enns und Steyr einst und heute.

Prof. Gregor Goldbacher aus Steyr (geb.1875, gest.1950), der auch oft in Hinterstoder war, erforschte Geschichte und Heimatkunde in der Stadt Steyr und entlang der Nebenflüsse Enns, Krems und der Steyr.
In einem Zeitungsartikel in der Oberdonau-Zeitung vom 1. August 1943 berichtete er über die Eisenstraße. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Unter den Straßen, die den südlichen Teil unseres Heimatlandes und den nördlichen der angrenzenden Steiermark durchziehen, ist wohl keine, die an volkskundlicher Bedeutung die Eisenstraße überträfe.
Betrachten wir jedoch die Peutingersche Tafel der Römerstraßen unseres Landes, so müssen wir seltsamer Weise feststellen, dass darauf die Eisenstraße vollständig fehlt. Auch die ganze Anlage der Straße spricht gegen eine Erbauung durch die Römer, obwohl die Tatsache, dass diese in Laureacum (Lorch bei Enns) eine bedeutende Schildfabrik hatten und dazu das Eisen aus dem steirischen Erzberg bezogen, darauf schließen ließe.

Da zur Römerzeit die Eisenstraße bloß von Eisenerz bis Großreifling bestand, muss angenommen werden, dass von hier aus, wie aus einer Urkunde Albrecht III. geschlossen werden kann, das kostbare Metall nur auf Flößen bis Steyr verfrachtet worden sein kann. Dies läßt aber immer noch die Frage offen: Wer war der Erbauer der Eisenstraße und wann wurde sie hergestellt? Die Antwort auf diese Fragen ist auch heute (1943) noch nicht möglich geworden. Dass die unbekannten Erbauer der Straße mit großen Geländeschwierigkeiten zu kämpfen hatten, ist für jedermann ersichtlich, denn sie schmiegt sich fast ängstlich allen Windungen des rauschenden Ennsflusses an, senkt sich bald tief hinab bis fast an seine Ufer, weicht dann wieder hemmenden Felsklippen aus und klettert steil empor gleich einer kühnen Alpenstraße. So wechselt auf der mehr als 80 Kilometer langen Straße ununterbrochen das schöne Landschaftsbild, lässt die Blicke gleiten in romantische Seitentäler, wo heute noch die Zeugen der alten, durch den Erzberg befruchteten Eisenhämmer zu sehen sind, oder gibt hoch über dem tiefeingeschnittenen Tal den Blick frei für die mächtigen Kalkriesen der Gesäuseberge.
Dem Wanderer auf der Eisenstraße, die in Steyr bei der Neubrücke am rechten Ennsufer beginnt und auf diesem bis Großreifling verbleibt, erschließt sich zuvorderst die Schönheit und Fruchtbarkeit des Alpenvorlandes; dann treten die Ennstalerberge immer näher heran, tief gefurchte Seitentäler verursachen für die Straße mächtige Steigungen und Gefälle. Bestimmend für den Verkehr in beiden Richtungen war der Umstand, dass die Stadt Steyr, als Besitzerin eines Teiles des Erzberges (Innerberg) durch das große Stapelrecht Albrechts I. vom 21. August 1287 einerseits alles Eisen nach Steyr verfrachten konnte, aber auch bei den Warenzügen, welche die berühmten Steyrer Eisenwareren zu den Handelsplätzen in Aquileja und Venedig brachten, den kürzesten Weg verbunden mit Mautfreiheit, benutzen durfte. Dieser Weg aber war die Eisenstraße bis Großreifling, dann jedoch, da durch das Gesäuse noch keine Straße führte, über den Buchauer Sattel nach Admont und über Rottenmann — Trieben nach Oberzeiring und weiter nach Süden. Schwere Pferde müssen es gewesen sein, die die zahlreichen Wegstellen zu bewältigen hatten und die Begleiter der Warenzüge waren wohl bewaffnet, denn die heutige Idylle der Losensteiner oder Gallensteiner Ruine war damals noch keine Idylle, sondern auf den festen Burgen von Losenstein und Gallenstein lauerten gar manchmal die Burgherren, ob nicht dem vorüberfahrenden Warenzug mit mehr oder weniger Gewalt eine kleine „Schröpfung“ angetan werden könnte.

Der Eisensegen des steirischen Wunderberges (Erzberg in Eisenerz) erstreckte sich im Laufe der Jahre nach und nach fast auf alle Orte und Täler im Umkreis von etwa hundert Kilometern, so dass selbst dort, wo aus einem Seitengraben der Eisenstraße ein Bächlein kam, das gestaut, zur Wasserkraft wurde, Eisenhämmer und Kleineisenindustrie sich entwickelte. So beispielsweise in Dambach, Trattenbach, Wendbach, Losenstein, Reichraming; Kastenreith, Kleinreifling, Innpach, Lainau und vielen anderen wo auch heute noch wie (in Trattenbach und Losenstein) gearbeitet wird oder die Reste der Eisenhämmer zu sehen sind. Die Blütezeit der Kleineisenindustrie in Steyr machte einen immer größeren Bestand an Bergknappen am Erzberg notwendig, welche aus der dortigen wenig fruchtbaren Gegend nicht ausreichend verpflegt werden konnten, so daß die Innerberger Gewerkschaft in Steyr die Verpflegung bestreiten musste. Dies bedingte die Erbauung des Schiff- oder Treppelweges (Weg zum ziehen von Schiffen flussaufwärts) längs der Enns durch den berühmten Tiroler Wasserbaumeister Martin Gastelger im Jahre 1572 von Steyr bis Großreifling, welcher streckenweise noch heute sichtbar ist und für die Pferde diente, welche die Lebensmittel mittels Schiffzuges ennsaufwärts beförderten.

So erfuhr die Eisenstraße neue Belebung; weiträumige Getreidespeicher wurden errichtet, wie in Steyr (Innerberger Staffel), Weyer, Großreifling, Hieflau und an der Eisenstraße entstanden als Übernachtungsstationen für die „Schiffknechte" große behäbige Einkehrgasthöfe mit weiten Stallungen und riesigen Pferdetränken, so in Ternberg, Losenstein, Großraming, im Moos bei Kleinreifling, Großreifling und Altenmarkt. Ein besonders interessanter Haltepunkt war der auch bautechnisch reizvolle, freskogeschmückte „Kasten“ in Kastenreith, von wo aus jeden Donnerstag das „Weyrer Schiff“, das auch Personen mitnahm, nach Steyr zum Wochenmarkt fuhr. Das leider verblasste Fresko zeigt den hl. Nikolaus, den Patron der Schiffer und eine alte Ansicht dieses Gebäudes mit dem „Weyrer Schiff". Es wäre wohl dringend zu wünschen, dass dieses Wahrzeichen einer eigenartigen Verkehrsepoche einer kunstgerechten Auffrischung unterzogen würde.
So dauerte durch drei Jahrhunderte, dieser dreifache Verkehr im Ennstal auf der Eisenstraße, durch die Flößerei und am Schiffweg. Als aber um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Steyr die unzähligen Essen verglühten, da wurde es still in den einst so fröhlich, lauten Einkehrgasthöfen an der Eisenstraße; der Schiffszug verkehrte nicht mehr, der Treppelweg verfiel. Überdies hatten die Steyrer ihren großen Anteil am Erzberg bedauerlicherweise verkauft und die Alpine Montangesellschaft trat an ihre Stelle. Nicht allzulange aber dauerte die Ruhe auf der Eisenstraße, denn mit der Eröffnung der Bahnstrecke durch das Ennstal war auch die Steigerung des Fremdenverkehrs- und der Alpinistik verbunden.
Die Schönheit des Ennstales und seiner reizenden Orte lockte zu längerem Sommeraufenthalt, die Berge wurden bald das Ziel der Wanderer und Kletterer und mit dem Aufkommen des Wintersports, ein häufiges Ziel der Schifahrer. Wo einst die Saumpferde der Warenzüge klingelten oder die rauhen Schiffsknechte fluchten, da ertönte schließlich immer häufiger die Hupe des Autofahrers: Immer aber wird die Eisenstraße die Pulsader gewaltig ansteigenden Verkehrs bleiben und der Eingangsweg in zahllose Gebiete landschaftlicher Schönheit und Erhabenheit, reich an Naturdenkmälern und an steinernen Zeugen volkskundlich bedeutsamer Kulturepochen verklungener Zeiten.                                                                                                                                                 G.Goldbacher. 
 
Tabula Peutingeriana (Landkarte aus der Römerzeit)


Tabula Peutingeriana (Ausschnitt)

Eisenhämmer

Steyr
https://stodertalfreunde.blogspot.com/2015/06/hei-begehrte-sensen.html
https://stodertalfreunde.blogspot.com/2015/04/uralte-sensenerzeugung-in-roleithen.html

Freitag, 6. August 2021

Der verkannte Meister

Die Oberdonau-Zeitung berichtete am 3.6.1944 über den berühmten Komponisten Franz (Ferenc) Liszt (geb. 1811, gest. 1886). Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Liszt war ein Sonntagskind und nur selten verweigerte das Schicksal diesem Liebling der Götter einen Wunsch.

Einmal kam der Meister in einem Wiener Vorort an einem rosenbewachsenen Haus vorüber, das sein helles Entzücken erregte. Verträumt lag es in der Sonne, wundervoll musisch hingebettet in den blauen Tag. Hier wäre es schön zu wohnen, dachte der ewig unstete Künstler. Er blieb stehen und betrachtete mit Genuss das kunstvoll geschmiedete Gartengitter. Da fiel sein Blick auf einen Zettel, der mit einem lila Band an die Pforte gebunden war. Liszt griff nach seinem Lorgnon (Sehhilfe) und glaubte nicht recht zu lesen. Seine Wünsche schienen dem Himmel Befehle. Auf dem Zettel stand in verschnörkelter Schrift, dass hier ein vornehm möbliertes Chambre (Zimmer) mit Klavierbenützung an eine Standesperson abzugeben wäre. Sogleich zog Liszt die Glocke, die verhalten in Es-dur durch den Flur bimmelte. Ein alter Diener erschien und fragte nach dem Begehr des Herrn. „Ich möchte mir gern das affichierte Zimmer ansehen“, sprach Liszt. „Wem gehört denn dieser schöne Besitz?“ „Dies Haus samt Garten ist dem edlen Fräulein von Spiegelberg zu eigen“, verneigte sich das Faktotum und ließ den Meister eintreten.

Hatte es Liszt schon das Äußere des Hauses angetan, war er vom Innern noch mehr begeistert. Hier atmete in trauten Ecken und schummrigen Winkeln der Zauber Alt-Wiens, ein Hauch von Poesie lag auf allen Dingen. „Wen darf ich melden?“ fragte der Diener. „Sagen Sie der Dame des Hauses nur, ein Musikus aus Ungarn möchte das Chambre mieten.“ Der Alte ging durch eine verhangene Tür ab. Man hörte nebenan leise Stimmen. Offenbar wurde da im Salon des Fräuleins von Spiegelberg beraten. Nach einer Weile kehrte der Diener mit der Meldung zurück, das gnädige Fräulein wünsche, ehe es in weitere Verhandlungen über die Miete einträte, der Herr Musikus möchte ihm erst etwas Vorspielen. Liszt gefiel diese Bedingung ungemein. Er hatte es hier also mit einer kunstliebenden Person zu tun. Vielleicht war dieses Fräulein von Spiegelberg gar keine spinöse Schachtel, sondern eine charmante Dame, oder es hatte als weißhaarige Matrone sicher eine junge Nichte oder deren mehrere. Unwillkürlich befielen den feurigen Frauenverehrer amouröse Gedanken. Nun, er wollte der Hausfrau sofort seine musikalische Aufwartung machen. Man sollte an seinem Spiel den berühmten Maestro erkennen.

Er setzte sich ans Klavier und legte sich in die Tasten. Das zarte Klavizimbel, das bisher sicher nur von oktavenhaschenden Frauenhänden gestreichelt worden war, wusste nicht, wie ihm geschah. Es zitterte unter den Händen des temperamentvollen Künstlers. Seinen Passagen war es fast nicht gewachsen. Liszt ließ seinen Phantasien freien Lauf. Mit einem hinreißenden Finale schloss er dann, strich sich durch die Mähne und drehte sich auf dem Sessel herum. Er nahm an, dass nun das Fräulein von Spiegelberg auftauchen und mit den zwei Worten „Göttlicher Meister", die er so oft aus schönem Frauenmund zu hören bekam, auf ihn zustürzen würde. Aber nur der Diener erschien, pflanzte sich steif vor ihm auf und sagte: „Zu laut, "Misjö", viel zu laut für uns!" — öffnete kurzerhand die Tür und geleitete den verblüfften Virtuosen ohne jedes weitere Kompliment aus dem rosenbewachsenen „von Splegelbergischen Haus“.

Franz Liszt



Liszt Denkmal in Weimar

Franz Liszt