Freitag, 29. März 2019

Fügungen des Schicksals. Aus dem Leben des weltberühmten Fotografen Philippe Halsman geb. 1906 in Riga, gest.1979 in New York.

2006 war unser Stodertal im Film „Jump“ Kulisse für Filmaufnahmen aus dem Leben des Fotokünstlers Philippe Halsman.  Der Film, gedreht unter der Regie von Joshua Sinclair, mit den Schauspielern Ben Silverstone, Heinz Hoenig, Patrick Swayze, Maqrtine McCutcheon, Anja Kruse und vielen anderen, zeigt Ausschnitte aus seinem Leben voller Höhen und Tiefen. (In USA nannte sich Philipp Halsmann angepasst Philippe Halsman). Die Stodertaler Berge stehen dabei im Film für die Zillertaler Alpen.

Der "Standard" berichtete am 8.4.2008 (gekürzt)
Oberösterreich goes Hollywood
850 Komparsen aus Oberösterreich wirkten bei dem Film mit. An den Drehorten Linz, Enns, Hinterstoder, Molln und Frauenstein wurden die Szenen produziert, die im Film in Innsbruck angesiedelt sind. Der Kaisersaal des Stiftes Kremsmünster wurde für den Indizienprozess zum Gerichtssaal umfunktioniert. 

Die Handlung des Films:
Am 10. September 1928 während eines Urlaubsaufenthaltes in Tirol unternahm der 22jährige Student der Elektrotechnik Philippe Halsman mit seinem Vater, einem Zahnarzt aus Riga in Lettland, eine Bergwanderung auf den Schwarzenstein in den Zillertaler Alpen. Dabei kam der Vater unter bis heute nicht geklärten Umständen ums Leben. Es gab keine Zeugen, aber die Indizien sprachen für einen gewaltsamen Tod. Philippe wurde, trotz seiner Unschuldsbeteuerungen und obwohl es keine Motive für ein Verbrechen gab, sofort arretiert. Der Mordprozess in Innsbruck erregte in ganz Europa Aufsehen. Von einem Innsbrucker Geschworenengericht wurde Halsman zu zehn Jahren Kerkerhaft verurteilt. Im Umfeld des Prozesses kam es immer wieder zu antisemitischen Äußerungen. In einem Berufungsverfahren wurde die Haftstrafe auf vier Jahre reduziert. Persönlichkeiten, wie Albert Einstein, Thomas Mann, Jakob Wassermann, Erich Fromm und Sigmund Freud, bemühten sich um einen Freispruch bzw. eine Begnadigung Halsmans. Besonders Heinrich Eduard Jakob, damals Chef des Berliner Tagblatts und Emil Kläger von der "Neue freie Presse" in Wien sowie der Journalist Rudolf Olden, setzten sich für Halsman ein. Am 30. September 1930 wurde er vom österreichischen Bundespräsidenten Wilhelm Miklas begnadigt und gleichzeitig des Landes verwiesen.
Er zog zu seiner Schwester nach Paris, machte sein Hobby, die Fotografie, zum Beruf und eröffnete 1931 in Paris ein Fotostudio. Mit seinen Porträts und Modeaufnahmen wurde er bald sehr bekannt.
Als die deutsche Wehrmacht Paris besetzte, wollte er, seiner jüdischen Herkunft wegen, 1940 in die USA auswandern. Das wurde ihm zunächst verwehrt und erst durch die Fürsprache Albert Einsteins erhielt er ein Einreisevisum. 
In den Vereinigten Staaten war Halsman sofort als Presse- und Modefotograf so erfolgreich tätig, dass er schon 1941 bei der Zeitschrift „Life“, dem Nonplusultra des damaligen Fotojournalismus, eine dauerhafte Anstellung bekam. 1945 wurde Halsman zum Präsidenten der American Society of Magazine Photopraphers ernannt. Unübertroffen sind Halsmans Porträts aller Prominenten aus Politik, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft und von Hollywoods Filmstars aus den 1940er bis 1970er Jahren. 103 seiner Fotos waren auf der Titelseite der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift „Life“. Das gelang keinem anderen Fotografen.
Daten aus Wikipedia




Filmplakat

Szenenbild vom Stodertal aus dem Film "Jump".

Philippe Halsman mit dem Maler Salvatore Dali

 Titelbilder von Philippe Halsman.

Albert Einstein

 Marilyn Monroe

Die "Leuchtrakete" war eine österreichische, humoristisch-satirische Monatsschrift,
 die zwischen 1923 und 1934 in Wien erschienen ist. 


Freitag, 22. März 2019

Heliane

Einer der meistgespielten und doch oft vergessenen Komponisten ist wohl Erich Wolfgang Korngold (geb. 1897 in Brünn, gest.1957 in Los Angeles). 1938 übersiedelte er, seiner jüdischen Herkunft wegen, in die USA und wurde dort als Komponist, vor allem mit seiner Filmmusik, weltberühmt.
Um im Jahre 1929 seine Oper „Das Wunder der „Heliane“ durchzusetzen, benannte man aus Reklamegründen sogar eine Zigarettenmarke der Austria Tabakregie nach seiner Oper „Heliane“ - (nachzulesen in Wikipedia). 


Warum aber diese edle, gehaltvolle, hocharomatische Luxuszigarette mit Echtgoldbelag ausgerechnet die Widmung „Aus Hinterstoder“ bekam wird ein Geheimnis bleiben.
1929 wurde die Zigarettenmarke „Heliane“ - „Aus Hinterstoder“ in verschiedenen Zeitungen stark beworben. 

"Die Muskete war eine humoristische Wochenzeitschrift, die ab dem 5. Oktober 1905 in Wien jeden Donnerstag herausgegeben wurde und bis zum Jahre 1941 erschien.





Aus "Die Muskete" Februar 1929



Freitag, 15. März 2019

Dumme, Kranke und Gesunde.

Der Glaube an Heilung hatte schon immer eine große Bedeutung in der Medizin. Heute genauso wie früher. Darum wirken manchmal auch Placebos und niemand weiß wirklich warum. Kein Wunder also, dass sogenannte Wunderheiler seit jeher Kranken gegen Bezahlung Heilung ihrer Leiden versprachen.
Deshalb landeten Wunderheiler auch manchmal vor Gericht, wie die „Tages–Post“ am 3. August 1883 unter dem Titel „Kapitel über die Dummheit“ berichtete.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und der heutigen Schreibweise angepasst.


Da hat, wie die Zeitung berichtete, dieser Tage in Steyr eine Gerichtsverhandlung stattgefunden, die besagt, dass Derjenige, der mit der Dummheit und dem Aberglauben der Leute spekuliert, ein gutes Geschäft machen kann.
Angeklagt war wegen des Verbrechens des Betruges die 31jährige Zäzilie Immler, ihres Zeichens „Hadern- und Lumpensammlerin“, die sich nebenbei mit „Heilen“ und „Doktern“ zusätzlich Geld verdiente. Die Krankheit selbst war ihr eigentlich immer egal, wenn nur die Bauern ordentlich zahlten und nie gesund wurden.

Das Schönste hierbei war noch, dass die „Heilerin“ auf ihren Hamsterfahrten nach „Hadern“ und dergleichen Altertümern, den Leuten, die sie für ihre Radikalkur auserkoren hatte, die Krankheit erst einreden musste. Es war erstaunlich, wie leicht ihr das gelang. Ihre Opfer fühlten sofort stechen, brennen, zucken und drücken, alle Beschwerden, die sie ihnen einredete.

Als sie in Hinterstoder war, kam sie zu dem Bauernhofbesitzer R., der mit seiner jungen Frau im Hof stand. Die Frau wiegte ihren kränklichen Säugling in den Armen. Die Immler kam um „Hadern und Lumpen“ zu sammeln, aber sie erfasste rasch die Situation, kam auf das Elternpaar zu und betrachtete mit Fachblick den weinenden Säugling. Nach eindringlicher Betrachtung sagte sie endlich: “Das Kind leidet ja an brandigem Blut. Ich werde es anbrauchen (heilen) und gesund machen.“ Nach diesen Worten verlangte sie nach drei rostigen Nägeln und drei Fäden Zwirn, der weiß sein musste. Das alles wurde von den besorgten Eltern sogleich herbei geschafft. Unterdessen ist man in die Stube getreten und die Immler hat mit dem Heilungsprozess begonnen. Die Eltern verfolgten mit zum Gebet gefalteten Händen jede Bewegung der „Heilerin“. Sie zeichnete, die Nägel in der Hand über dem Kind haltend, nach allen Weltgegenden und Himmelsrichtungen, Kreuzzeichen. Dann nahm sie die Zwirnsfäden aus der linken Hand der Mutter und band sie dem schlummernden Kind um den Hals.
Dabei sprach sie die Gebetsformel:
Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! Gestillt und gebunden, so entstanden; das wider deine Gewalt, wider dein Fleisch, wider dein Blut; das ist für alle 72 Stund, für alle 72 Schwund, für alle 72 schlechtes Blut und Abzehrungen. Das hilft dir Gott der Vater, der Sohn und der heilige Geist! Amen. - Kostet 2 Gulden, 16 Kreuzer. zusammen!“.
Fertig war der Zauber. Der Mann zahlte den Betrag in der frohen Hoffnung, seinen Buben kuriert zu wissen.
Aber nicht genug. Der Bauer fragt mit einem glaubensseligen Blick die „Heilerin“ wieso denn das Knäblein zu dem brandigen Blute komme? „Das rührt von der Mutter her“, diagnostiziert die Immler, „sie leidet ebenfalls am brandigen Blut“. Darauf Stille. Der Bauer fühlt ein geheimes Gruseln und streift eigentümlichen Blickes sein junges Weib, das blass mit verweinten Augen den Boden streift und mit der Hand die Immler am Schürzenband zupft. In einem günstigen Moment, da der besorgte Vater sich über das Bett zu seinem kranken Buben beugt, entschlüpfen beide in ein Nebenkämmerlein, wo der vorher beschriebene Schwindel unter Gebet an der Kindesmutter noch einmal begann. Diesmal wurden die Kreuzzeichen mit einem geweihten Stück Holz auf den entblößten Brüsten der Mutter gemacht. Der Zwirnsfaden wurde um die Mitte des entblößten Leibes geschlungen. Das kostete 6 Gulden. Nebenbei machte die „Doktorin“ das Angebot, das nicht nur mit Geld zu bezahlen ist, sondern auch andere Sachen an Geldes statt angenommen werden. Während die glückliche Bäuerin im Begriff stand Sachen als Bezahlung zusammen zu suchen, erzählte die „Doktorin“ weiter, dass es in solchen Fällen immer gut wäre, wenn man als eine Art Nachkur etwas weihen ließe. Dabei sticht ihr eine neunsträngige silberne Halskette in die Augen.
Das müssten aber doch etwas schönere und wertvollere Gegenstände sein“, zirbte sie mit Nachdruck, „weil ich dieselben nach Adlwang bringe, wo sie am Gnadenaltar durch mehrere Tage aufgehängt werden. Da kann man natürlich nichts Schlechtes hinhängen!“ Die Bäuerin übergibt ihr schließlich die Halskette und die „Heilerin“ verlässt einer römischen Matrone gleich den Bauernhof.

Eines anderen Tages tritt die Immler, als Lumpensammlerin, in die Stube eines Bauerngutes in Hinterstoder. Der Mann sitzt am Tisch, sein Weib ist im Zimmer beschäftigt und man bedeutet ihr, dass nichts was in ihren Geschäftszweig schlage, vorhanden sei. Da tritt sie wie "Kassandra" (Kassandra konnte Weissagen, aber niemand glaubte ihr) mit majestätischen Schritten an das Weib heran und hebt ihr die Röcke bis über die Knie hinauf und ruft erschrocken: „Sie haben ja einen brandigen Fuß!“ Mann und Weib erbleichen und sofort beginnt die vorher beschriebene Prozedur von Neuem.
Hockus Pockus und Gebetsformel wie vorher. Dann wird zur Abwechslung aus Hanfwerk ein Strick geflochten und der Bäuerin um den brandigen Fuß und um Brust und Hals gewunden. Den musste sie 14 Tage tragen. Das kostete 2 Kilo Selchfleisch, einen Kittel und 5 Gulden, „weil sie dem Herrn Pfarrer von Adlwang, wo die Sachen geweiht werden, für jedes Stück 20 Kreuzer Trinkgeld geben muss“.

Eine Kellnerin in Schweitzersberg befindet sich sonst ganz wohl, nur das sie aus einem unerklärlichen Grund etwas blass aussieht. Die Immler tritt in das Wirtshaus, bemerkt, dass „Louise blass aussieht“ und erklärt ihr sofort, dass sie am „Schwund“ leide. Sie könne aber diese fürchterliche Krankheit „wenden“. Die Kellnerin, die vielleicht weiß, warum die Wangen gerade heute etwas blässer sind, sträubt sich entschieden gegen jedes Krankheitsgefühl und bemerkt, dass sie nur hie und da (aber heute gerade nicht) an Magenkrämpfen leide. „Was, Magenkrampf? Sie, da kann ich nur alleine helfen! Kommens geschwind herein da.“ Die blasse Kellnerin möchte dann doch ihren Magenkrampf los werden. Die Behandlung kostete 2 Gulden und ein seidenes Kopftuch zum Weihen in Adlwang.

Den religiösen Aberglauben unserer Landbevölkerung mit weiteren Beispielen zu beschreiben, wäre wirklich ekelhaft. Die heute angeklagte Immler bezeichnete dem Gerichtshof in ihrem reumütigen Geständnis selbst ihr „Heilen“ als den reinsten Schwindel. Um der Landbevölkerung ihre Heilkraft eindrucksvoll vor Augen zu führen, musste jeder Hexenspuk und auch das Vaterunser herhalten.
Die Zahl der Geprellten ist nicht genau feststellbar, weil sich viele, Gott sei Dank, ihrer eigenen Dummheit wegen schämten und aus Selbsterkenntnis schwiegen.   


Alte Bilder von Kurpfuschern und Wunderheilern gibt es schon seit Jahrhunderten, wie dieses Bild von dem niederländischen Maler Jan Havickszoon Steen (geb.1626, gest.1679) zeigt.

Freitag, 1. März 2019

Jugend am Bauernhof

Eine Bauerntochter aus dem Stodertal, die später ihrer Ehe wegen nach Deutschland zog, erinnerte sich gerne an ihre  Jugendstreiche in der Kindheit in den 1930er Jahren in Hinterstoder und schrieb sie auf.

"Wir waren damals zwei Mädchen und zwei Buben zwischen ca. 10 und 14 Jahren und wuchsen mit den Eltern und der Großmutter in einem kleinen, entlegenen Bauernhof in Hinterstoder auf.  Im Winter machten wir in der Stube oft Pfänderspiele. Da machte auch Großmutter mit. Sie war zwar sehr launisch, aber sie konnte auch sehr übermütig sein. Wenn sie lachte wackelte bei ihr der ganze Bauch und das sah sehr lustig aus. Sie wickelte mit uns immer gerne Wollgarn ab. Dabei mussten wir ihr beide Arme entgegenstrecken auf die sie die gewaschene Schafwolle wickelte und dann rollte sie die Wolle zu einem dicken Knäuel auf. Abends mussten wir mit ihr beten: "Mein Herz ist klein, kann niemand hinein, als du mein liebes Jesulein". Oder, "Lieber Jesus mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm".
Unsere Großmutter war auch sehr abergläubisch. Wenn der "Zoiweg" (zieh weg - Eule) schrie machte sie uns immer Angst. Sie sagte, wenn der Vogel schreit, dann stirbt einer. Oder wenn eine schwarze Katze über den Weg lief bedeutet es Unglück. Eine Spinne am Morgen brachte Kummer und Sorgen. Wenn sie so etwas sah, nahm sie sofort ihren Rosenkranz zur Hand und rief die 14 Nothelfer an. 
Dann wieder spielten wir Personen raten. Einer musste aus dem Zimmer gehen und nachher durch Fragen herausfinden, welche Person gemeint war. Aber was spielten wir nicht alles. Schnapsen, Mauscheln, Herzerln, schwarzer Peter, grüne Buben suchen, Bauernschnapsen usw. Das Schnapsen haben wir so beherrscht, dass wir jeden damit schlagen konnten. Wir lernten auch gotteslästerlich zu Fluchen, weil das beim Schnapsen das Wichtigste ist.


Wenn es draußen stürmte und schneite, turnten und hopsten wir in der Stube herum. Ich war sehr gelenkig und sportlich, so dass ich mich wie eine Ringelnatter um "Taten´s" (Vater´s) Körper klammern konnte. Wenn es ihm zu bunt wurde sagte er : "Gute Nacht, ich wünsch´ euch ein angenehmes Floh beißen".
Im Bett machten wir jede Nacht eine Polsterschlacht, dass die Federn durch das Inlett flogen. Dann schliefen wir glücklich ein".