Freitag, 23. Juni 2023

Aus den Aufzeichnungen der Gendarmerie
















Zum besseren Verstehen wurde der Artikel geringfügig der heutigen  Schreibweise angeglichen:

Im Frühjahre 1866 wurde in Hintertambergau, Gemeinde Hinterstoder, Gerichtsbezirk Windischgarsten, im Steyrfluss die Leiche eines neugeborenen Kindes aufgefunden.
Die Gerichtskommission konstatierte durch die Obduktion, dass dieses Kind nach der Geburt gelebt hatte und nur kurze Zeit im Wasser lag. Postenführer Lachnitt des k. k. Gendarmeriepostens Windischgarsten machte es sich zur Aufgabe, diejenigen, die dieses Verbrechen begingen, auszuforschen.
Der Gendarmerie-Unteroffizier Lachnitt besaß eine umfassende Lokal- und Personalkenntnis der Gegend, wodurch es ihm möglich wurde, den angestrebten Erfolg zu erzielen. Hinterstoder bildet ein zwischen den Gebirgsgruppen des Priel und Pyhrgas gelegenes, gänzlich abgeschlossenes Tal, in dessen südwestlichstem Winkel der Steyrfluss entspringt. Im Winter und Frühjahr ist dieses Tal nur von der Nord- und Ostseite durch lang gedehnte Pässe zugänglich. Da nun der Fluss in dem die Leiche gefunden wurde, im Tal selbst entspringt, so musste dieses Kind jedenfalls in dieser Gegend ins Wasser gebracht worden sein. Es fragte sich nur, waren es einheimische oder fremde Personen, welche das taten. Da es kaum möglich war, dass Fremde ungesehen ins Tal kamen, so forschte der Gendarmerieinspektor die zwischen den Pässen gelegenen Objekte ab und gelangte zur völligen Gewissheit, dass keine fremden Personen die Gegend passierten, die dieses Verbrechen begangen haben konnten. Es mussten daher Leute aus der Gegend gewesen sein. Dem Postenführer war bekannt, dass in diesen Gebirgsgegenden ledige schwangere Weibspersonen gerne in den sogenannten Haarstuben einlogierten um da ihrer Niederkunft entgegen zu sehen. Er überprüfte deshalb die ganze Gemeinde, die sehr groß ist und deren Behausungen zerstreut in den Bergen liegen und erkundigte sich um alle Bewohner solcher Lokale.
Nach langen vergeblichen Nachforschungen erfuhr er endlich, dass in einer solchen Hütte ein lediges Mädchen wohne, das bereits zwei uneheliche Kinder habe und sich sehr selten zeigte. Der Eigentümer dieser Haarstube gab an, dass diese Person erst einige Monate dort wohnte und früher bei einem Bauern in Mitterstoder gedient hatte. Es wurden nun auch die Bewohner jenes Hauses, wo sie gedient hatte, genau befragt und in Erfahrung gebracht, dass sie mit einem verheirateten Mann im intimen Verkehr stand und einige Mägde, die mit ihr das Schlaflokal teilten, behaupteten, dass sie einige Monate, bevor sie aus dem Dienste trat, ihre Menstruation nicht mehr gehabt habe. Das veranlasste den Gendarmeriebeamten zum Einschreiten gegen diese Weibsperson. Er ging daher frischweg zu ihr in die Wohnung und machte die Wahrnehmung, dass sie bei dessen Eintreten erschrak und zu zittern anfing. Am Fußboden bemerkte er vertrocknete Blutspuren und fragte deshalb wo diese herstammen. Sie sagte, dass sie durch die Menstruation sehr viel Blut verloren hat und diese Spuren davon herrühren. Der Gendarm hielt ihr vor, dass sie schwanger war und geboren haben musste, was auch durch die ärztliche Untersuchung sofort bestätigt wurde. Auf diese Weise in die Enge getrieben gestand sie die Tat und wurde zu fünf Jahren schweren Kerker verurteilt.



Am 16. Dezember 1869 erschien in der "Gemeinde-Zeitung" ein "Höchst wichtiger Bericht zur öffentlichen Sicherheit".











Kirchengeräthediebstahl“

In der Nacht zum 19. vorigen Monats wurde aus der Kirche zu Hinterstoder mittels Einbruchs entwendet: eine Monstranz von Kupfer mit silberner, vergoldeter Lunula (in der katholischen Liturgie eine sichelförmige Halterung für die Hostie in der Monstranz); ein  Ciborium ( Behälter für die geweihten Hostien), der obere Teil ist aus Silber und der Deckel mit einem Kreuz versehen und vergoldet; dann ein Speistuch.
Dieses Diebstahls erscheint dringend verdächtigt ein Mann, welcher am 24. v. M. dem Gürtler Karl Seitner zu Liezen geschmolzenes Silber und vergoldete Silberplättchen im Gewicht von 15 Loth (als ungenaue, anschauliche Faustregel gilt, dass ein Loth etwa einem „Löffel voll“ entspricht) zum Kauf anbot und unter deren Rücklassung flüchtig wurde. Dieser Unbekannte, der Aussprache nach aus Krain und angeblich Eisenbahnarbeiter, ist beiläufig 22 bis 24 Jahre alt, mittelgroß, kräftig, hat schwarze, kurze gekrauste Haare, braune Augen, Nase und Mund mit kleinem, schwarzen Schnurrbart, brünetter Gesichtsfarbe, guter Zähne und war bekleidet mit alter, silbergrauer Schildhaube, schwarzen Rock und Hose, schwarzem Halstuche und weißem Hemde, Stiefeln und schwarzer Weste mit einer, mit 2 kleinen Knöpfen, versehenen Schlupfe beim Halse. Um Ausforschung und Anlieferung dieses Individuums wird ersucht. (K.k. Bez. Gericht Windischgarsten 1. Dezember 1869).

Bildmuster

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen