Ein Zeitungsartikel in der Oberdonau-Zeitung vom 1. Jänner 1943 berichtete vom Schnapsbrennen. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.
Ein alter Hausspruch sagt: „Dagegen soll ein Branntwein um Mitternacht nicht schädlich sein ...“ Wofür er nicht schädlich ist kann jeder selbst entscheiden.
Zum Silvester- und Neujahrstag gehört nun einmal der Schnaps seit alters her, und selbst wer sonst dem Alkohol in dieser seiner konzentriertesten Form nicht allzu hold — an der Jahreswende legt er die Finger mehr oder weniger graziös um den Stamperlhals: „Na, Prosit, alter Freund! Auf ein gutes neues Jahr!“...
Das folgende Kapitel aber soll nicht von der Philosophie des Schnapstrinkens handeln — diese Art Philosophen, im Volksmund „Schnapsbrüder“ bezeichnet, scheinen im übrigen auch auszusterben, wir wollen hier dem Entstehen dieses Getränkes nachspüren und dies wiederum nicht etwa in großen industriellen Betrieben, sondern draußen auf dem Land, bei den Bauern unserer Heimat. Gewiss, das Leibgetränk ist in Oberösterreich der Most, heuer (1943) ganz groß geschrieben, weil es einen so prächtigen Jahrgang schon seit langem nicht mehr gegeben hat. Das „Most machen“ aber ist nun doch schon einige Wochen vorüber, und augenblicklich stehen wir mitten in der Schnapsbrennerei. So ein Schluck „Brennabi“ aber, wir gönnen ihn dem Bauern genau so, wie seinen Apfel-, Mischling- oder Landlbirnmost, denn wie dieser ihm im Sommer die von Hitze und Arbeitsschweiß ausgedörrte Kehle befeuchtet, so wärmt jener nach der Holzarbeit im Winter, draußen im Wald und in den Auen, das in der grimmigen Kälte fast erstarrte Blut...
Zuvor aber eine kleine Rangordnung der Selbstgebrannten, wie sie der Bauer der Reihe nach schätzt. Ganz zu oberst rangiert bei ihm der leider recht seltene „Griachalschnaps", „Zweschbane" und „Kerschgeist“, dann ist es der — heute begreiflicherweise verbotene — „Troaderne“ und am Ende steht der „Trebernschnaps“, welcher aber, wenn eine erfahrene Hand am Werke war und er eine gewisse „Abgeklärtheit“ erreicht hat, ebenfalls noch ein ganz gutes Tröpferl darstellt...
Seit Wochen schon stehen die Fässer mit der gärenden Maische im Keller, aber damit ist die Sache noch lange nicht im Laufen. Zuvorderst spricht einmal das Auge des Gesetzes in Gestalt des „Finanzers“, ein ganz gewichtiges Wort mit. Der sieht sich die ganze Sache einmal gut an, rechnet dem Bauern dann genau vor, wieviel er für den Haustrunk, also ohne Steuern, brennen darf und auf die Stunde, wann die Brennerei selbst beginnt und wann sie aufhören muss. Für den Bauern ist aber auch von Wichtigkeit, dass er Eis oder Schnee zur Verfügung hat, denn fließendes Wasser zum Abkühlen steht ihm in den seltensten Fällen zur Verfügung. Sind aber alle Voraussetzungen gegeben, dann kann’s auch beginnen!
Einfache Apparatur — aber kompliziertes Zeremoniell. Einfach ist die Apparatur, die man dazu braucht. Ein eingemauerter kupferner Kessel mit einer verhältnismäßig kleinen Öffnung oben und einer entsprechenden Feuerung unten, ein Holzbottich, in dem sich eine schlangenförmig gewundene Kupferröhre befindet, die unten in einem Auslauf endet und dann als das Wichtigste, das Verbindungsstück zwischen dem Kessel und der besagten schlangenförmigen Kupferröhre, die „Brennhaube“ und das Übersteigrohr die bis zum letzten Augenblick versiegelt waren.
Fast immer ist es der Bauer selbst, der das Zeremoniell des Brennens vornimmt und das ist schon komplizierter als die eben beschriebene Einrichtung. Die Herstellung des „Troadenen“ ist geradezu eine kleine Wissenschaft. Öfter stellt der Bauer auch einen gewiegten „Fachmann“ zu dieser Aufgabe und hier waren es gerade die Fassbinder, die in früheren Zeiten guten Ruf auf dem Gebiet des doch etwas Gewerbe verwandten Schnaps brennens genossen. Hatten sie vor dem Most machen alle Hände voll zu tun, um die Ein-, Zwei-, Drei- und Mehreimer-Fässer der Bauern in aufnahmebereiten Zustand zu versetzen, der eigentliche Winter stellte keine besonderen Arbeitsanforderungen an sie und da zogen denn oft Meister, Geselle und Lehrling von Hof zu Hof und halfen dort den „Troadenen“ usw. zu brennen . . und vor allem höllisch aufzupassen. Die Luft, die uns aus dem Raum, in dem das Brennen vor sich geht, entgegenschlägt, scheint schon stark Alkohol geschwängert. Es ist auch sonst nicht weiter verwunderlich, dass die meisten beim Schnaps brennen Beschäftigten recht gut aufgelegt sind, trotzdem sie oft sehr wenig Schlaf finden. Es geht doch die Brennerei nicht selten einige Tage und Nächte, je nach der Größe des Hofes und der Anzahl der Dienstleute vor sich. Und immer heißt es dahinter sein, denn wenn die festgesetzte Stunde schlägt, so kann noch so viel Maischgut in den Bottichen sich befinden, die Zeit ist um und für heuer Schluss. Alleweil die richtige Temperatur unterm Kessel, stets kaltes Wasser und Eis im Bottich, richtig das Feuer abdrosseln, wenn das Destillieren beginnt, so dass nur der Dampf seinen Weg heraus und hinüber in die Kühlschlange findet und ja keine Flüssigkeit, denn sonst wird der Schnaps „grau“. Der größte Stolz des Bauern aber ist, wenn er klar und durchsichtig ist wie reinstes Quellwasser. Also immer hübsch aufpassen, heißt es da und viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl haben. Hell wie Wasser — nur etwas mehr Gehalt.
Aus der ersten Destillation der kochenden Maische entsteht der sogenannte „Vorlauf“ oder „Lutter“, der aber noch nicht das Endprodukt darstellt, findet sich doch noch zu viel „Fusel“ in ihm. So lang wird die Maische vom Feuer gequält, bis eine Probe des Destillats nicht mehr brennt, dann ist der „Geist“ aus der Maische heraus, der Kessel muss neu gefüllt werden. Dieser „Lutter“ aber wird noch einmal destilliert, geläutert, wie der Bauer sagt und jetzt erst haben wir den richtigen, wasserhellen, trinkbaren Schnaps vor uns. Freilich, so lange er jung ist, hat er eine gewisse Schärfe, je länger er aber dann aufbewahrt wird, um so milder wird er im Geschmack, ohne an Alkoholgehalt zu verlieren. Wenn zu Festzeiten lieber Besuch auf den Hof kommt, dann kann er ja diesen Unterschied feststellen, sofern der Bauer ihm nicht nur den „neuen“, sondern etwa auch einen aus einer alten, verstaubten Flasche vorsetzt. Für solche Zwecke und als „magenwärmendes“ Getränk bei Arbeiten in besonderer Kälte ist der Selbstgebrannte ja auch gedacht und nie und nimmer als das Alltagsgetränk, so wie der Most. Daher kommt ein Stamperl in unseren Bauernhäusern auch nur bei jeder besonderen Gelegenheit auf den Tisch. Zuerst ein kleines Schluckerl, ein leichtes Schnalzerl mit der Zunge — es schmeckt — und dann wird das Stamperl „umibuckt" ... „Prosit Neujahr, Nachbar, und auf weitere guate Freundschaft!“ Franz Müller.
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