Die schönen Oberösterreichischen Goldhauben standen, obwohl sie seit je nur vergoldete Silberflinserln trugen — früher wegen des damals beträchtlichen Silberpreises ganz hoch im Wert. Die Goldhaube ist übrigens in ihrer kleidsamen, uns heute geläufigen Gestalt, ein verhältnismäßig junges Trachtenstück; sie stammt nämlich in dieser Ausführung erst aus den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts. Dass dabei die in der Französischen Revolution als „Jakobinertracht“ so beliebt gewordene phrygische Mütze selbst auf diese eigentlich rein bürgerliche Kopfbedeckung Einfluss genommen hatte, ist durchaus nicht von der Hand zu weisen.
Verhältnismäßig spät erst wandte sich der Geschmack von der Goldhaube wieder ab: erst die allem landschaftlich gebundenen, abholden Allerweltsmoden seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts (ca.1850) hatten sie endgültig entthront.
In den Jahren 1855/58 gab es in Oberösterreich noch drei, 1859/60 noch zwei, schließlich nur noch eine einzige Goldhaubenmacherin, Anna Kahr in Linz, Klammstraße 883, die noch in den sechziger Jahren arbeitete.
Welcher Beliebtheit sich die Goldhaube ehemals erfreute und in welcher Zahl sich dieses Trachtenstück in Bürgerhäusern fand, sagt uns recht bezeichnend folgender — für die Unbeteiligten heiterer — Vorfall (Fahndungsblatt der Polizeidirektion Linz Nr. 565/89 v. 13. April 1807):
„Am 8. März 1807 nachts ging dem Fleischhauer Michel Poißl in Ried sein
Weib Cäcilie und zwar mit einem etwa 40jährigen "Lederer" aus Weitersfelden durch. An ihr wäre dem Fleischer vielleicht nicht soviel gelegen gewesen, denn das Fahndungsblatt beschreibt das holde Wesen „bei 40 Jahre alt, von mittelmäßiger, korpulenter Leibesgröße, voll runden gut gefärbten Angesichts, hat lichtbraune Haare und Augenbrauen und sehr schlechte ausgefaulte Zähne, redet die oberösterreichische Landessprache und sehr geschwind, benimmt sich in Reden sowohl, als auch im sonstigen Betragen resch und keck.“ —
Der Lederer, mit dem sie schon lange Beziehungen hatte und nun durchging, war auch verheiratet und soll sich mit ihr durch Niederösterreich, Mähren oder Ungarn nach Polen, wo er ein Haus hatte, gewendet haben. Weniger entzückt war aber unser biederer Fleischer wohl darüber, dass ihm das liebe Weib kurzerhand auch gleich 7000 fl. (fl= Gulden, 1 Gulden etwa 10€) in Banknoten und gegen 100 fl. in Münzen mitgenommen hatte. Sie war — und nun kommt das Wichtigste — „gekleidet nach der bürgerlich oberösterr. Art und traget gemeiniglich die sogenannte Linzer Goldhauben“ und zwar mit solcher Vorliebe, dass sie nebst mehreren anderen Bekleidungsstücken gleich vier derlei Hauben mit sich genommen.
Wir wissen nichts darüber, ob der Fleischer seine holde Gattin samt ihren
Hauben und ob er sein Geld je wieder bekam.
Goldhauben waren ihres Stoffwertes wegen überhaupt beliebte Ziele von Langfingern.
Vom 24. zum 25. April 1818 stahl beim Übernachten im „Schwarzen Bären“ zu Linz ein angeblicher Aushilfsbote von Lambach „aus dem Zimmer, wo er schlief, eine „schwarze Linzer Hauben“ zu 10 fl., und eine schon übertragene Goldhaube zu 25 fl, beide der Magd gehörig.
Im gleichen Jahr wurden bei einem Fleischhauer in Vöklamarkt (wie uns wiederum das Fahndungsblatt besagt) einige Goldhauben gestohlen, die folgendermaßen beschrieben sind: eine ganz neue „nach österr. Art mit guten Perlen von der
Größe eines Sperlkopfes besetzt, die vorn „einen gelben Spitztafft, hinten
eine schwarze Seiden-Masche ohne Stickerei“ und einen Wert von 200 (!) fl. hatte; eine weitere ebensolche Goldhaube, gleichfalls mit „guten Perlen“ besetzt, hatte auf dem Vorderspitz „Dämmflecken“, hatte eine veilchenblaue Seidenmasche, gelbtafftenes „Unterfutter“ und einen Wert von 100 fl.; eine dritte neue Goldhaube hatte gestickten Boden, die Spitze war mit gelbem Tafft gefüttert, hatte eine schwarze Seidenmasche von durchbrochenem Band und
einen Wert von 80 fl.; eine vierte hingegen war mit bloß 60 fl. bewertet, da sie nicht mehr ganz neu war auch nur eine glatte Goldspitze „mit einem Natterngang“ und eine schwarze Seidenmasche hatte.
1831 werden zwei im Markt Perg gestohlene Goldhauben „mit schwarzen Seidenbändern“ mit bloß 60 fl. bewertet; sie dürften
entsprechend einfach gewesen sein.
Eine andere trüb-heitere Geschichte trug sich in Freistadt zu. Vom 1. zum 2. September 1836 übernachtete bei der Familie des Kleinhäuslers und Glasbildmalers
Johann Steinberger in Buchers Nr. 10 ein jüngeres Weibsbild, das sich als Elisabeth, Tochter eines Fleischhauers bei Freistadt ausgab und behauptete, sie sei auf dem Heimweg von Budweis über Gratzen. Am darauffolgenden Tag um 9 Uhr ging sie dann mit der 15jährigen Haustochter Rosine nach Freistadt, wo das dumme junge Ding zwei von ihrer verstorbenen Mutter stammende „goldreiche Hauben“ in „eine modernere“ tauschen wollte. Das erzählte sie natürlich der angeblichen Fleischhauerstochter ganz arglos, worauf sich diese gleich erkundigte, ob die Rosl nicht auch noch Geld bei sich hätte; das war glücklicherweise nicht der Fall. Mittags kamen die zwei in Sandl an, wo die Fremde die Zeche (Bier und Wecken) zahlte und einen Silberzwanziger wechseln ließ. Gegen 16 Uhr waren sie bei der Eichensteinmühle angelangt. Nun hielt das Weibsbild die Zeit für gekommen und sagte zu Rosl, die noch immer in ein Tüchl eingebunden die mütterlichen Goldhauben trug, sie wisse, wo man sie gut an den Mann bringen könne und nahm sie ihr trotz Sträubens ab, gab ihr dafür ihr eigenes Binkerl mit fünf verschiedenen Gläsern drinnen und ging dann „den Fußsteig links durch den Graben“ weiter. Die Rosl sollte gradaus gehen und nicht bange sein. Um 16 Uhr kämen sie wieder beim Böhmertor zusammen. Vor dem Böhmertor wartet die arme Rosl vergeblich. Die Rosl ängstigte sich nun aber doch um ihre Hauben und ging der Fremden ein Stück auf dem Gangsteig nach. Sie ließ sich dann aber doch durch die wiederholten Versicherungen und das Versprechen eines besonders günstigen Verkaufs beruhigen.
Wir brauchen nicht zu sagen, dass die arme Rosl auf ihre Begleiterin beim Böhmertor vergeblich wartete. Als es schon 19 Uhr war und das Dirndl flennend (weinend) dort herumstand, kam des Wegs eine Bekannte ihres Vaters aus der Stadt, der sie nun ihr Leid klagte. Dass die beiden um 20 Uhr auf ihre Nachfrage beim Fleischhauer nichts Erfreuliches hörten ist klar. Das ganze war ein Schwindel, das arme Bildermalermädel war einer Gaunerin aufgesessen. Auch die Anzeige beim Distriktskommissariat am nächsten Tag brachte die Fremde mit ihren Hauben nimmer zustande.
Trachtenkundlich bemerkenswert ist an dem Fall der klare Nachweis, dass es also bei diesen Goldhauben ältere und „modernere“ Formen gab.
Dass auch die älteren Arten schon jahrzehntelang begehrt gewesen waren, zeigt uns eine Verlassenschaftsabhandlung beim Freistädter Pfleggericht vom Jahre 1795,
in der eine (unechte?) „Goldbortenhaube“ mit 8 fl. 30 kr. und eine „alte desgleichen mit 45 Kreuzer Schätzwert“ angeführt ist:
Die schon erwähnten „schwarzen Linzer“ „Flor"- oder „Blindborten-Hauben“ — bloß
mit schwarzem Spitzenbesatz ohne alles Gold werden irrigerweise oft als „Trauerhauben" bezeichnet, obgleich dies ihr erster Zweck keinesfalls war; man trug sie auch sonst, sozusagen für den Alltag, zu weniger wichtigen Anlässen.
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