Die Oberdonau-Zeitung berichtete am 15.4.1944 vom Kuraufenthalt Franz Grillparzers, einem der "Österreichischen Nationaldichter", in Bad Hall. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.
Grillparzer war um diese Zeit bereits ein Jahrzehnt lang als Archivdirektor der Hofkammer im Ruhestand. Außer der Novelle „Der arme Spielmann" und dem dramatischen Fragment „Esther“ hatte die Öffentlichkeit seit der Ablehnung seines wundervollen Lustspieles „Weh dem, der lügt!“ am 6. März 1838 vor allem durch die adeligen Theaterbesucher nichts mehr von ihm als Dichter gehört. Wohl aber hatte ihn 1859 die Universität Leipzig zu ihrem Ehrendoktor, 1861 das Herrenhaus zu seinem Mitglied und 1864 die Stadt Wien zu ihrem Ehrenbürger erhoben. Den Dichter hatten diese Ehrungen gefreut, aber seine Natur war nicht so geartet alle Demütigungen von früher zu vergessen. So sehen wir ihn auch in Bad Hall als den griesgrämigen alten Herrn, der in dem Haus Eduard-Bach-Straße Nr.2, absteigt. Er nimmt zunächst 8 oder 9 Bäder, mit dem Erfolg, dass er, wie er an Kathi Fröhlich schreibt, „etwas besser gehe als in Wien“.
Dieser Brief ist mit 21. Juni 1866 datiert.
Noch hebt sich die drohende Niederlage Österreichs durch Preußen vom Horizont eines mit Spannungen geladenen Europa nicht ab. Aber dafür ist der Wettergott missliebig und Grillparzer beklagt sich darüber sehr: „Ich weiß nicht, ob das Wetter in Wien ebenso schlecht war, hier aber war halb der Untergang der Welt. Bei jedem Sonnenblick unmittelbar ein ungeheures Gewitter, darauf die Berge bis herab mit Schnee bedeckt, halb winterliche Kälte, und Regen nach Herzenslust. Ich habe das alles mit meiner ledernen Natur ausgehalten.“ Er lässt dann noch seinen Ärger über das harte Fleisch aus, das er vorgesetzt bekommt, vor allem über die mageren Hühner, die er zurückschickt, aber doch bezahlen muss. Schließlich legt sich der Badearzt Dr. Rabel ins Zeug, der ihn der Wirtin zur „Kaiserin Elisabeth“ empfiehlt. Dort erhält Grillparzer denn auch „das erste mal ein gutes, die folgenden Male ein wenigstens erträgliches Rindfleisch“. Von
Dr. Rabel sagt er noch, dass er „recht freundlichst“ sei.
Grillparzer kann aber nicht umhin, die Landschaft um Bad Hall zu loben: „Übrigens ist die Gegend ganz hübsch. Das Grün saftig, der Badgarten hinreichend mit Bänken versehen.“ Er ist auch froh, dass kein Bekannter hier ist, nur eine Frau, „wie es scheint eine Ungarin“, die ihn vom Römerbad her kennen will; ist ihm wohl lästig. Er erkundigt sich nach dem Söhnchen der ihm bekannten Wiener
Familie Wieninger, das in Bad Hall zur Kur ist, und findet es auch im Elisabeth-Spital krank im Bett liegend. Dazwischen teilt er Kathi noch mit, dass er einen Besuch beim Prälaten in Kremsmünster, zu dem der Haller Pfarrer im Namen des Prälaten einlädt, wegen seiner Schwerhörigkeit abgelehnt, aber versichert habe, sobald er eine Besserung verspüre, „gewiss einen Besuch abstatten zu wollen“. Es ist der als Astronom bedeutenden Ruf genießende Abt Augustin Reslhuber, Ehrendoktor der Wiener Universität, geboren in der Ortschaft Saaß, Gemeinde Garsten nächst Steyr.
Noch einen zweiten Brief lässt der Dichter aus Bad Hall abgehen, und zwar am
3. Juli, wieder an Kathi Fröhlich. Es ist also der Tag der Schlacht bei Königgrätz; Grillparzer konnte natürlich noch nichts von der Niederlage Österreichs wissen. Aber er ahnt sie, denn er schreibt im Anfang sarkastisch: „Dass die erfreulichen Kriegsnachrichten meinen Wunsch, bald nach Hause zu kehren, sehr vermehrt haben, ist wohl begreiflich.“ Und er schließt den Brief: „. . . dass mir die Preußen nicht in Wien zuvorkommen.“ Das staatsmännische Genie Bismarcks hat dann gegen den Widerstand seines Königs Österreich im Vorfrieden von Nikolsburg und im Frieden von Prag nicht gedemütigt und so den Grund zu einem Bündnis zwischen den beiden Staaten gelegt, das im Verlauf der geschichtlichen Ereignisse, letzthin im Weltkrieg, seine Probe in einer Waffenbrüderschaft sondergleichen bestanden hat.
Grillparzer, nach allen Kränkungen stets ein unbedingt treuer Diener seines Herrn, mag mit dieser Lösung einverstanden gewesen sein.
In diesem Brief gesteht er noch mit Bezug auf den Bruderkrieg: „Die kriegerischen Neuigkeiten werden wohl alle Leute so martern wie mich.“ Dann schimpft er sogleich, dass man hier in dieser Einöde nichts als die mageren
Journal-Nachrichten“ erfahre. Nun berichtet er seiner „Katti", wie er den
Namen immer schreibt, dass er am 14. Juli, einem Samstag, sein dreißigstes Bad nehmen werde. Doktor Rabel habe erklärt, dass auch ein einmonatiger Aufenthalt in Bad Hall für ihn genug sei. Er wolle also am 16. Juli, denn ein Sonntag sei nicht gut zum Reisen, von dem Kurort wegfahren und werde abends bereits in Wien eintreffen. Das Wetter ist indes nicht besser geworden, es wechselt „von der drückendsten Hitze bis zur empfindlichen Kälte“.
Über den Erfolg der Kur ist er aber doch einigermaßen zufrieden: „Das Bad hat meine Übel, wenn auch nicht gehoben oder gemindert, doch auch nicht verschlimmert und auf die Nachwirkung rechnet man ja bei allen Bädern.“ Später setzt er hinzu: „Ich habe heuer meine letzte Badereise gemacht, wenn ich auch noch so viele Sommer erleben sollte.“ In der Folge hat er in den Jahren 1867—1871 auch stets nur das nahe bei Wien gelegene Baden aufgesucht.
Grillparzer ist am 17. Juli 1866 von Bad Hall nach Wien zurückgekehrt. In Bad
Hall erinnert eine Marmortafel am Hause Eduard-Bach-Straße 2 an den Kuraufenthalt des Dichters: „Franz Grillparzers Wohnhaus während der Saison 1866.“
Ergehen wir uns in dem herrlichen alten Park mit dem Anblick der wilden Steinzacken des Toten Gebirges und der stimmungsvollen Landschaft davor, so wandern wir sicherlich auch auf den Spuren des großen Dramatikers, der hier, in seiner Ahnenheimat, Heilung gesucht hat. Bekanntlich stammen die Grillparzer ja aus Oberösterreich, allerdings nicht aus dem Mühlviertel, sondern, wie neue Forschungen ergeben haben, aus Waizenkirchen im Hausruckviertel. Carl Hans Watzinger
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