Das "Neue Grazer Tagblatt" vom 28.1.1927 berchtet von einem besonderen königlichen Auftrag. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.
König Viktor Emanuel III von Italien war in großer Verlegenheit. Er ist als leidenschaftlicher Münzensammler bekannt und seine Sammlung seltener Münzen gilt als eine der wertvollsten der Welt. Der kostbare Schatz wird in einem für diesen Zweck besonders gebauten Geldschrank verwahrt, dessen Schlüssel der König stets bei sich trug. Unglücklicherweise verlor er kürzlich diesen Schlüssel und alle Nachforschungen nach seinem Verbleib waren vergeblich. Man wandte sich an verschiedene sachverständige Techniker, die aber außerstande waren, das Geheimschloss zu öffnen. In dieser Not riefen die Hofbeamten den Premierminister Mussolini telefonisch an und fragten, ob er wohl die Liebenswürdigkeit hätte, durch Vermittlung des Innenministers, ebenfalls Mussolini, den Chef der faschistischen Miliz, ebenfalls Mussolini, mit dem Auftrag zu betrauen, er soll in den römischen Gefängnissen den tüchtigsten Geldschrankknacker aussuchen und ihn so schnell als möglich nach dem Quirinal (Amtssitz des Königs bzw. des Präsidenten) zu bringen. Das geschah denn auch.Man wählte unter den Einbrechern, die das Gefängnis beherbergte, einen in seinem Fach besonders geschickten Berufseinbrecher aus, der vom Gefängnisinspektor begleitet, im Auto nach dem Königsschloss befördert wurde. Dort angekommen, wurde der Gefangene von seinen Fesseln befreit und mit den nötigen Stemmeisen und sonstigen Werkzeugen versehen. Der Einbrecher, der auf seinem Gebiet keine gleichwertige Konkurrenz hatte, begann sofort in Anwesenheit des Königs, der sein Eintreffen sehnsüchtig erwartet hatte, mit der Arbeit. „Kümmern Sie sich nicht um mich," beruhigte der König den Einbrecher, der ihm erklärte, dass die Gegenwart der Majestät ihn nervös und befangen mache. „Arbeiten Sie in aller Ruhe. Es wird mir ein Vergnügen sein, zuzusehen, wie Sie die schwere Aufgabe lösen."
Bald war die Arbeit getan und der König freute sich nicht wenig, dass er wieder zu seinem Schatz gelangen konnte. „Ich meine, die Banken sollten Ihnen eine Pension aussetzen," erklärte der König lachend und beglückwünschte den Verbrecher zu seiner Geschicklichkeit. „In einer kleinen Villa, sagen wir einmal auf Capri, würden Sie gut aufgehoben sein." „Majestät," stammelte der also Geehrte, aber der Gefängnisinspektor beendete die Szene, indem er dem Verbrecher die Handfesseln wieder anlegte und ihn abführte. Unten wartete bereits ein königliches Automobil, das den Gefangenen und seine Begleiter wieder ins Gefängnis zurückbrachte.
Wenn sich der Verbrecher mit der Hoffnung getragen hatte, dass ihm die Episode im Königsschloss die Begnadigung oder eine Verkürzung der Strafe sichern würde, so sah er sich in dieser Erwartung getäuscht. Mussolini hielt es (in seiner Eigenschaft als Minister des Innern) nicht für angezeigt, einen Geldschrankknacker, auch wenn dieser seine Kunst mit Erfolg an einem königlichen Safe erprobt hatte, vor der Zeit wieder auf die Gesellschaft loszulassen.
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