Freitag, 30. November 2012

Heinrich Schmid - das Stodertal ließ ihn nie mehr los.

Anfang der 1950er Jahre besuchte der pensionierte Bankdirektor Heinrich Schmid (geb.1887, gest.1969)
aus Baden bei Wien, eher zufällig, Hinterstoder. Die Landschaft und die Menschen im Stodertal gefielen ihm gleich so gut, dass er spontan beschloss, in Hinterstoder zu bleiben. Zunächst wohnte er in Pensionen und bei Privatvermietern, bis er 1954 bei einem Saunabesuch in der Volksschule Hinterstoder meinen Vater, den Lehrer August Schachner, kennen lernte. In meinem Elternhaus, der Pension Enzian, war zu dieser Zeit eine Volksschulklasse untergebracht, da das neue Schulgebäude noch nicht fertig gestellt war. Mein Vater und Direktor Schmid kamen überein, dass diese so genannte „Tischlerklasse“, weil früher auch einmal eine Tischlerei hier untergebracht war, zur neuen Wohnung für Direktor Schmid werden sollte. Nach dem Umbau und der Übersiedlung wurde Dir. Schmid allmählich als Mitglied in unsere Familie aufgenommen. Irgendwann wurde er vielleicht durch das „tik-tak“ der Uhr, oder weil er alle stets freundlich mit einem guten Tag begrüßte, für uns zum „Onkel Tack“. Täglich vormittags und nachmittags machte er ausgiebige Wanderungen und wurde auch deshalb von den Stodertalern bald „der rennerte Herr“ genannt.
Onkel Tack war geschieden, hatte einen Sohn und eine Tochter, die manchmal zu Besuch kamen.
Sein Großvater war übrigens der Industrielle Heinrich Daniel Schmid, der Begründer der Simmeringer Waggonfabrik, die in der Monarchie Eisenbahnen und Industrieanlagen baute. Später wurden daraus die „Simmering-Graz-Pauker Werke“, die 1996 in die Voest eingegliedert wurden.
Als ehemaliger k.u.k. (kaiserlich-königlicher) Offizier hatte Onkel Tack sehr strenge Lebensanschauungen. Ich bekam das schon als 10jähriger zu spüren. Als ich einmal bei einem Festakt beim Klang der Bundeshymne nicht stillstand und redete, bekam ich eine Ohrfeige und die Belehrung, dass man seinem Vaterland Respekt erweisen muß. Seine Ratschläge und Lebensweisheiten sind für mich heute noch wichtig. Er verabscheute zum Beispiel Angeberei. Seine Einstellung war Bescheidenheit aber er war stets entschlossen, seine Standpunkte entschieden zu vertreten.  „Man muß mehr Sein als Scheinen“, „Geld hat man, aber man spricht nicht darüber“ und „Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige“, waren einige seiner Grundsätze.
Immer wieder kamen Kinder zu ihm, um in ihr damals so beliebtes Stammbuch einen Vers schreiben zu lassen. Dazu erzählte er einmal, und sein Humor blitzte dabei auf: „Die Kinder erwarten immer von mir, dass ich ihnen etwas ganz besonders Gescheites in ihr Stammbuch schreibe. Ich erfülle natürlich gerne diesen Wunsch. Gescheit ist etwas, meinen sie, wenn man es nicht versteht. Darum schreibe ich oft den Nonsens-Spruch: Konkave Viehzucht muss der Numismatik weichen, wenn sterbend sich der Logarithmus bäumt. Das klingt gescheit und gefällt sehr“.
„Onkel Tack“, Mitte der 1950er Jahre wurde er von fast allen Kindern so genannt, ließ jedes Jahr 8 bis 10 Kinder firmen. Jedes Kind wurde an diesem Tag großzügig bewirtet und bekam nach alter Tradition von ihm eine Armbanduhr geschenkt. Insgesamt ließ er sicher 50 Kinder aus dem Stodertal firmen.
Mitte der 1950er Jahre besorgte mein Vater einen Fotoapparat, Marke Kodak-Retinette, weil Onkel Tack die Ereignisse im Dorf festhalten wollte. Jede Hochzeit, jedes Fest, jedes Jubiläum. Kurz alles was sich im Dorf ereignete, hat Onkel Tack mit seinem Fotoapparat festgehalten und jedem, der auf seinen Fotos abgebildet war, ein Bild geschenkt. Das waren oft die einzigen Fotos, die Familien bekamen, denn damals fotografierten nur wenige Menschen um Ereignisse zu dokumentieren. Es war einfach zu teuer.
1969 musste Onkel Tacks Sohn seinen Vater in ein Altersheim für betreutes Wohnen nach Baden bringen, weil er wegen fortschreitender Demenz ohne ständige Pflege nicht mehr sicher war. Seine 30 Fotoalben sollten vernichtet werden. Auf Bitten meiner Mutter und mir wurden sie uns überlassen.
Bei meinem letzten Besuch in Baden, kurz vor seinem Tod, sagte er mir noch beim Abschied: „Lass mir das Stodertal grüßen. Wenn ich könnte, würde ich zu Fuß dort hin gehen“.
Heuer gab mir die Kulturinitiative der Gemeinde Hinterstoder die Gelegenheit, Onkel Tacks Bilder zu zeigen. Ich freute mich sehr über zwei gut besuchte Vorträge im Compton-Saal, in denen ich seine Fotos in Form eines Diavortrages präsentieren konnte.
                                                                           Heinz Schachner

Heinz Schachner und Onkel Tack beim Kartenspiel ca. 1955

Onkel Tack in seiner Wohnung in der ehemaligen "Tischlerklasse"






Dr. Franz Zauner

Dr. Heinrich Gleißner

Onkel Tack sponserte den Theaterverein und viele andere Vereine im Stodertal

Seine Bilder zeigen das Stodertal der 1950er und 60er Jahre und sind oft die einzigen Bilddokumente aus dieser Zeit


Dir.Heinrich Schmid

3 Kommentare:

  1. Freut mich, meinen Urgroßvater hier zu entdecken :-) DANKE

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  2. Meine Großcousine, Enkelin Barbara, hat diesen Link für uns entdeckt, vielen Dank!

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  3. Wir sind durch das Stodertal durchgefahren, als wir in Urlaub Villach besucht haben, Wunderschönes Österreich!

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