Lange bevor es eine Ortswasserleitung gab gehörte zu jedem Haus ein eigener Brunnen. Der Schacht, den man graben mußte um auf Grundwasser zu stoßen, konnte oft 4 - 6 Meter tief sein. Zunächst aber mußte eine Wasserstelle gefunden werden. Ein Wünschelrutengeher zeigte diese Stelle an, wo unter der Erde Wasser sein könnte. Man grub dort ein tiefes Loch und wenn man kein Grundwasser fand mußte das Loch wieder zugeschüttet werden.
Ein Bauernmädchen, vielleicht 14 oder 15 Jahre alt erzählt wie es dabei zuging:
Beim Nachbarn fanden sie Wasser und dort sollte ein Brunnen gebaut werden. Meine Freundin und ich sahen zu. Einmal sagte ich zum Brunnengraber als er gerade seine Jause verzehrte: "Ich würde ja so gerne einmal von da unten hinaufschauen wie die Welt da aussieht". Nun sagte er: "Komm doch mit, fahr mit hinunter". Da war ich gleich dabei und setzte mich in den Kübel, der an einem Seil hängend hinuntergelassen wurde. Hätte er mir aber vorher gesagt, daß er auch einen Lohn dafür wollte, hätte ich mir das sicher anders überlegt.
Eine Weile sah ich mit Staunen zu, wie der große Eimer mit Schutt über eine Rolle hinaufgezogen wurde und leer wieder herunter kam. Als ich genug gesehen hatte wollte ich wieder nach oben fahren. Der Brunnenmacher aber sagte: "So schnell kommst du mir nicht wieder hinauf. Erst will ich meinen Lohn dafür haben. Gib mir erst ein Busserl, dann laß ich dich fahren". Da stand ich nun, aber ich wollte seinen Preis nicht bezahlen. Noch nie gab ich jemanden einen Kuß und schon gar nicht einem Bärtigen. Der Brunnenmacher trank Schnaps und Wermut und hatte einen fürchterlichen Mundgeruch. Der Rotz seiner Nase vermischte sich im Bart mit dem Saft seiner Pfeife. Mich ekelte schon wenn ich ihn nur anschaute. Und genau dem sollte ich nun ein Busserl geben. In unserem Plumpsklo hat vor langer Zeit jemand über das Busserl geben auf die Bretter geritzt: "Das ist ein spassig Ding, es regelt`s ganze Blut, man ißt es nicht, man trinkt es nicht und dennoch schmeckt`s so gut"! Ich hatte mir doch etwas Verlockenderes darunter vorgestellt. Hin und her überlegte ich, wie ich dem entkommen könnte. Es gab keinen Ausweg. Das wusste der Mann und ließ mich nicht nach oben. Ich dachte mir, dass auch Großvater einen Bart hatte der über den Mund herunter hing. Freilich dem brauchte ich kein Busserl zu geben. Ich wasche mich halt nachher und gehe dann nie mehr in seine Nähe. Und so konnte ich wieder hinauf. Ich hatte genug bezahlt für meine Neugier.
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