Freitag, 3. März 2017

Zwei Frauen, keine halben Sachen

Diesen Artikel, aus der Serie "Hinterstoder Freiwillig" der Journalistin Marlis Stubenvoll hat Julia Körber von der Gemeinde Hinterstoder zur Verfügung gestellt.

Marlis Stubenvoll ist Journalistin und studiert nach Studienaufenthalten in Finnland und Dänemark zur Zeit im Master "Journalism, Media and Globalisation" in Amsterdam. In den Ferien zieht es sie immer wieder in ihren Heimatort Hinterstoder. Die Artikelserie  "Hinterstoder Freiwillig" aus der dieser Artikel stammt entstand 2016 und wurde finanziert aus den Mitteln des Zukunftentwicklungs - Prozesses Agenda 21 des Landes Oberösterreich. 


Zwei Frauen, keine halben Sachen
  
Nicht immer ist Geld der Lohn der Arbeit. Paula Lang und Ilse Fruhmann wissen das als Haudegen des Ehrenamts nur zu gut.

In Fruhmanns Fall blühen die Früchte ihrer Mühen in der Kneippanlage – der kalte Wasserstrom und der Kräutergarten entspringen ihrer Initiative für einen gesünderen Ort.  Der Platz zur Kaltwasserkur nach dem alten Rezept des Pfarrers Sebastian Kneipp schöpft aus ihren Ideen und Handgriffen im Garten.

Paula Langs unermüdlicher Einsatz passiert verdeckter. In Lagerräumen sortiert sie einen riesigen Fundus an Flohmarktware. Daneben leistet sie mit Besuchsdiensten im Ort, im Krankenhaus oder im Altenheim jenen Gesellschaft, die nur selten ein bekanntes Gesicht sehen. Nur Ende Juli kommt beim Sozial-Flohmarkt wortwörtlich die ganze Ladung ihrer Arbeit zum Vorschein.

Es ist drei Uhr nachmittags und wir sitzen auf hölzernen Bänken am Kneipp-Platz. Über das Rauschen der Steyr hinweg unterhalten sich die beiden Stoderinnen mit mir. Sie erzählen, was sie zu einer Arbeit bewegt, die in Stunden kaum messbar ist.

Danke, dass Ihr euch Zeit genommen habt. Bevor ihr selbst über eure Arbeit sprecht, habe ich noch eine andere Frage an euch. Wie würdet ihr den Einsatz der jeweils Anderen im Ort beschreiben?

Paula: Ilse verbringt ihre Zeit hier am Kneipp-Platz. Das sieht man auch. Sie managt das alles. Dabei ist es schwierig Leute zu finden, die sich ein ganzes Jahr um solche freiwillige Arbeiten annehmen. Das ist bei mir und bei ihr wahrscheinlich dasselbe.

Ilse: Kein Mensch kann abschätzen, wieviel Arbeit sich Paula antut. Sie ist für alle da, sie hört sich alles an, sie sammelt leidenschaftlich für den Flohmarkt. Mittlerweile gibt es ein Team von Leuten, von dem Paula auch einmal ein “Schluss, stopp, genug” hört. Am liebsten würde sie 36 Stunden am Tag arbeiten.

Paula: Das hat sich aber schon sehr gebessert.

Ilse: Ja, Gott sei Dank!

Ilse, welche Arbeiten erledigst du, damit es den Kneipp-Platz in seiner jetzigen Form geben kann?

Denken, arbeiten, arbeiten, nachdenken. Wenn mir die Farbkombinationen der Blumen nicht passen, grabe ich sie wieder um. Am Ende soll sich alles harmonisch zusammenfügen zu einem Ort, an dem sich Leute wohlfühlen.

Du hast mittlerweile Unterstützung von den Asylwerbern im Ort. Auch die scheinen sehr gerne hier Zeit zu verbringen.

Ilse: Ich habe das Gefühl, dass die Flüchtlinge sehr gerne herkommen. Sie sind schon ein Teil des Kneipp-Parks. Keiner ist in den Platz so integriert, wie sie.

Paula: Hier haben sie Gemeinschaft und jemanden zum Reden.

Ilse: Für die ist das selbstverständlich, dass sie ihre Arbeit mit Liebe machen. Das spürt man. Da kommt viel wieder zurück. Ich bin stolz, dass das so klappt.

Was ist eure Motivation, euch bei euren Projekten ehrenamtlich zu engagieren?

Ilse: Vom Bürgermeister ging vor einigen Jahren der Wunsch aus, mehr für die Gesundheit im Ort anzubieten. Ich habe damals gesagt, dass für mich nur dieser Platz hier an der Steyr als Kneipp-Platz infrage kommt. Nach einigen Gesprächen mit dem Eigentümer bekam ich dann das „Okay“. So habe ich angefangen. Und ich mache keine halben Sachen. Fertig.

Paula: Ich habe meine Arbeit durch Krankheit verloren. In Hinterstoder habe ich mich dann aber gesundheitlich wieder erholt. Ich fand, ich war noch zu jung zum Nichtstun. Heute motiviert mich die Freude der Leute, die ich besuche. Immer wieder höre ich ein “Du könntest ruhig öfter vorbeischauen“. Das gibt Kraft um weiterzumachen, solange man kann. Ich halte es einfach für richtig.

Ilse: Wenn ich hier das Gästebuch ansehe, dann finde ich es berührend, wie wohl sich die Leute hier fühlen. Dann denke ich mir, ich mache doch etwas richtig. Denn gerade in unserer schnelllebigen Zeit gibt es wenig, das uns herunterholt. Manche hasten auch hier am Kneipp-Platz vorbei. Aber dann beobachte ich wieder Leute, die stehen bleiben, sich Zeit nehmen, schauen. Gerade Familien mit Kindern nehmen den Platz sehr gut an.

Wie schafft ihr es, euch nicht zu sehr von euren Projekten vereinnahmen zu lassen?

Paula: Mittlerweile suche ich mir beim  Flohmarkt Helfer, mit denen ich gemeinsam sortiere. Dann habe ich auch nicht alleine die Schuld, wenn ich zuviel aufhebe (lacht).
Seit einiger Zeit gebe ich mehr Arbeit ab, stimmt’s?

Ilse: Naja... du versuchst es!

Paula: Ja, ich versuche es. Aber das hier ist mein Heimatort, und wenn man etwas tun kann, warum nicht? Außerdem wird so viel weggeschmissen, es ist doch schade darum.

Ilse: Und du brauchst das. Du bist einfach Flohmarkt. Aber du wirst in nächster Zeit lernen, auch einmal auf Urlaub zu fahren.

Paula nickt einsichtig.

Ilse, wie geht es dir mit dem Nein-Sagen?

Ilse: (ihre Hände machen eine auslandende Bewegung) Wie soll ich zu dem hier Nein sagen? Aber ich bin mein eigener Chef. Ich tue was ich will und wann ich will. Wenn es mich einmal nicht freut – na dann freut es mich eben einmal nicht. Ganz einfach.

Welche kleinen Gesten könnte jeder von uns zur Gewohnheit machen, um uns das Zusammenleben hier im Ort schöner zu gestalten?

Ilse: „Was trage ich dazu bei“, das ist mein Leitsatz. Ich bin sehr kritisch mit Menschen, die nur dann helfen, wenn sie auch dabei gesehen werden. Wenn jemand einen Ast wegzwickt, der in einen Wanderweg hineinragt oder etwas repariert, das kaputt gegangen ist – das wäre es. Mehr brauchen wir nicht.

Paula: Es sind in den letzten Jahren viele Angebote im Ort dazugekommen. Zwei Gemeindearbeiter allein können das einfach nicht mehr alles in Schuss halten. Wenn jeder ein bisschen etwas beitragen würde, wäre es leichter.

Was macht ihr heute noch, wenn ihr heimgeht?

Paula: Ich muss noch Kleidung für den Flohmarkt sortieren und ein Paar Schuhe bei den Asylwerbern abliefern. Aber ich kann mir eigentlich alles einteilen.

Ilse: Nichts mehr. Jetzt gehe ich heim und mache es mir gemütlich. Vielleicht gieße ich noch den Garten. Es sei denn, mein Mann hat das schon gemacht.

Vielen Dank für das Gespräch.


Paula Lang (links) und Ilse Fruhmann (recht) engagieren sich
 für ein gesundes und soziales Hinterstoder.

Kneippanlage



Flohmarkt in der Hösshalle

Kräuterschulung in der Kneippanlage

Kneippanlage

Fleißige Asylwerber aus Afghanistan helfen bei der Arbeit.
Razia Sharifi und Fatima Haidari 

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