Freitag, 26. Mai 2017

Wie ein Schulmädchen in den 1930er Jahren die Erstkommunion erlebt hat

"Ein unvergessliches Erlebnis war die hl. Erstkommunion.
Vor der Kommunion mußten wir zur Beichte gehen und dazu gehörte die Gewissenserforschung und das Aufschreiben der Sünden auf einem Beichtzettel. Die ersten 3 der 10 Gebote konnte ich mit gutem Gewissen abhacken. Aber dann kam Vater und Mutter ehren und dabei begann mein Konflikt. Zu Vater und Mutter gehörte auch meine Stiefgroßmutter, die mich sehr streng behandelte und bei der ich oft zur Strafe auf Holzscheiter knien mußte. Warum ist das eine Sünde, wenn ich sie nicht mochte und ehrte?
Erst das 6. Gebot, vom Unkeuschheit treiben, machte mich wieder nachdenklich. Mit damals 9 Jahren waren wir nicht aufgeklärt und wußten bestimmt viel weniger als Kinder heute. Wenn Erwachsene über solche heiklen Themen sprachen und Kinder im Zimmer waren hieß es immer :" Still, es sind Schindln am Dach, die brennen leicht". Alles was das 6. Gebot betraf war für uns mysteriös und geheimnisvoll. Eines Tages fanden wir ein Buch  über die Frau. Wir haben uns damit im Heustadl versteckt. Dort haben  wir ganz begeistert die Bilder von den nackten Männern und Frauen studiert. In diesem Buch stand auch wie Kinder entstehen und in den Bauch hinein kommen. Man konnte alles genau auf Bildern sehen. Es regte uns auch zum Doktor spielen an. Dabei untersuchten wir uns gegenseitig. Ich wußte nicht ob das eine große Sünde war. Irgendwie hing das alles auch mit Liebe von Mann und Frau und gern haben zusammen  und da wußten auch Erwachsene nicht Bescheid wie
es in einem Lied, das Vater gerne sang, heißt.

Ich bin jüngst verwirrt, hin zum Pfarrer geschlichen,
"Darf ich`s Dirndl lieben, darf ich`s Dirndl haben?"
"Untersteh` dich nicht, bei deiner Seel`,
wenn du`s Dirndl liebst, so kommst in die Höll".

Bin ich voll Verlangen zu meiner Mutter gegangen,
"Darf ich das Dirndl lieben, darf ich das Dirndl haben"?
"Oh mein Kind sagt sie, es ist noch zu frua,
Dirndl gern haben, lass dir Zeit dazua".

War in großen Nöten, hab den Vater gebeten,
"Darf ich das Dirndl lieben, darf ich des Dirndl haben"?
"Donnerschlag" schreit er in seinem Zorn,
"willst meinen Stecken kosten, kannst es tun".

Was ist anzufangen, bin zum Herrgott gegangen.
"Darf ich das Dirndl lieben, darf ich das Dirndl haben"?
"Ei ja freilich sagt er" und hat gelacht,
wegen den Buben hab ich`s Dirndl ja gemacht".
  
Das Gebot: "Du sollst nicht stehlen" bereitete mir auch Angstzustände. Ich habe bestimmt oft ein Stück Schokolade oder Kuchen mitgehen lassen, wenn die Gelegenheit günstig war.

Bei der Erstkommunion  in der Kirche waren die Bänke mit weißen Tüchern bedeckt. Neben jedem Gebetbuch lag ein frisches Blumensträußchen.
Vor dem Beichten mußte man 12 Stunden nüchtern sein und durfte nichts essen. Ich stand in der Kirche ganz hinten, weil ich keine weißen Schuhe hatte. Mit meinen schwarzen schämte ich mich. So ist niemandem aufgefallen, dass ich umgefallen bin. Mir wurde vor Hunger schlecht und eine Freundin führte mich an die frische Luft.
Wir traten paarweise mit gefalteten Händen  unter den Klängen feierlicher Musik in die Kirche ein. Aufgestellt waren wir in der Reihe nach dem gesellschaftlichen Rang unserer Eltern. Zuerst die Kinder vom Bürgermeister, vom Gemeindesekretär, vom Lehrer, vom Gendarmen, von den Geschäftsleuten, vom Wirt und dann kamen die Arbeiterkinder und die Kinder von armen Leuten.
Nach der Kommunion klebte mir die heilige Hostie am Gaumen und ich konnte sie nicht sofort hinunterschlucken. Ich getraute mich nicht einen Finger in den Mund zu stecken um die Hostie vom Gaumen zu lösen. Gott sei Dank konnte ich sie dann doch hinunterschlucken.

Als wir aus der Kirche gingen spielte die Blasmusik von Hinterstoder. Dann bekamen wir Heiligenbildchen mit Gold- und Silberaufdruck, die sehr begehrt waren. Zur Erinnerung an die hl. Kommunion bekamen wir ein Bild vom letzten Abendmal, das Leonardo  da Vinci gemalt hat. Damals verliebte ich mich in Johannes, den Jünger ohne Bart mit den langen Haaren".





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